Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:

Spieltheorie_WS1213

.pdf
Скачиваний:
13
Добавлен:
21.03.2016
Размер:
2.44 Mб
Скачать

2.2. WAS IST SPIELTHEORIE?

9

Die Strategienmengen:

Gott: Gott kann nat¨urlich alle Parameter frei w¨ahlen. Bevor das hier zu analysierende Spiel beginnt, hat er sich aber bereits entschieden, dass er einen Menschen mit freiem Willen einer willenlosen Marionette vorzieht. Gegeben, dass also Adam und Eva uber¨ einen freien Willen verf¨ugen, kann Gott w¨ahlen, ob er den beiden verbietet, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen oder ob er dieses Verbot nicht ausspricht. Er entschied sich bekanntermaßen f¨ur das Verbot, denn ”vom Baum der Erkenntnis von Gut und B¨ose darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du davon sterben” (Gen 2,17). Wir unterscheiden daher die beiden folgenden M¨oglichkeiten: ”verbieten” und ”nicht verbieten”.

Adam und Eva: Unabh¨angig von dem Verbot, haben sie die M¨oglichkeit, vom Baum der Erkenntnis zu essen oder nicht zu essen.

Durch die 2x2 Aktionsm¨oglichkeiten er¨o nen sich vier denkbare Ergebniskonstellationen, die in Abbildung 2.2 einfach mit r¨omischen Zahlen durchnummeriert werden.

 

Adam und Eva

 

 

nicht essen

essen

 

 

 

verbieten

I

II

Gott

 

 

nicht verbieten

III

IV

 

 

 

Abbildung 2.2: Ergebnisraum im Paradiesspiel

Jede denkbare Kombination von Aktionen der Spieler f¨uhrt zu einem m¨oglichen Ergebnis des Spiels. Bei 2x2 Aktionen sind dies vier M¨oglichkeiten.

Diesen vier denkbaren Ergebnissen m¨ussen nun noch Nutzenwerte der Akteure beigemessen werden.

Eva einer weiteren spieltheoretischen Analyse zug¨anglich – und auch die Schlange kann mit einbezogen werden. F¨ur Details sei auf das angegebene Buch von Brams hingewiesen. (Im

¨

Ubrigen ist der Bibel zu entnehmen, dass sich Adam beim Paradiesspiel recht passiv verhielt. Nachdem sich Eva von der Schlange hat verf¨uhren lassen und von der verbotenen Frucht gegessen hatte, heißt es in Gen 3,6 etwas lapidar: ”Sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß”.)

¨

10 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

Die Auszahlungfunktionen:

¨

Uber Nutzenfunktionen berichtet die Bibel nur etwas zur¨uckhaltend, dennoch k¨onnen wir die folgenden Reihungen aufstellen:

Gott f¨ande es am besten, wenn Adam und Eva nicht vom Baum der Erkenntnis essen, ohne dass er dies verbieten und mit dem Ausschluss aus dem Paradies drohen m¨usste. So w¨urde ihm die Drohung erspart bleiben und dennoch nach seinem Willen gehandelt werden. Schon etwas weniger gut ist, wenn Adam und Eva zwar nicht essen, aber nur deswegen, weil er gedroht hat.1 Noch weniger zufrieden w¨are Gott, wenn er zwar das Verbot ausspricht, Adam und Eva aber dennoch essen. Und das f¨ur Gott schlechteste Resultat m¨oge sein, dass er das Verbot nicht ausspricht und Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen.2 F¨ur Gott gilt also, dass III I II IV. Wir k¨onnen diesen Situationen ”Auszahlungen” (Nutzenwerte) in H¨ohe von 4, 3, 2 und 1 beilegen. F¨ur die L¨osung des Spiels gen¨ugt es jedoch, wenn die die Auszahlungen als ordinale Reihung verstanden wird, eine kardinale Interpretation ist nicht zwingend erforderlich.

Adam und Eva hingegen f¨anden es nat¨urlich am besten, wenn sie vom Baum der Erkenntnis essen k¨onnten ohne dabei gegen ein g¨ottliches Verbot verstoßen zu m¨ussen. Das zweitbeste Resultat w¨are f¨ur sie, der Versuchung auch gegen ein g¨ottliches Verbot nachzugeben - Erkenntnis ist schließlich ein hohes Gut und verbotene Fr¨uchte waren schon immer s¨uß. Schlechter sind f¨ur Adam und Eva alle Situationen, die mit ”nicht essen” assoziiert sind. Wenn Gott das Verbot auferlegt, k¨onnen sie sich wenigstens am Wohlgefallen Gottes freuen, was die Situation f¨ur sie noch besser macht als wenn sie ohne Verbot auf den Genuss der Frucht verzichten. F¨ur Adam und Eva gilt also IV II I III. Auch hier k¨onnen wir den Situationen (in der genannten Reihenfolge) die Nutzenwerte 4, 3, 2 und 1 zuordnen.

Dies f¨uhrt zu der Ergebnismatrix in Abbildung 2.3 auf der n¨achsten Seite. Ein genauer Blick auf die Ergebnismatrix zeigt, dass die Interessen genau entgegengesetzt sind, wobei in allen Situationen die Auszahlungssummen gleich hoch sind. Eine solche Situation wird als Konstantsummenspiel be-

1Diese Reihenfolge ist vielleicht nicht theologisch zwingend, dahinter steckt aber die Idee, dass Gott es sch¨atzen w¨urde, wenn die Menschen das gew¨unschte Verhalten aus v¨ollig freien St¨ucken an den Tag legten.

2Auch diese Reihenfolge ist nicht zwingend, aber zu rechtfertigen. Man kann sich vorstellen, dass Gott im letzten Fall (Fall IV) es bereuen w¨urde, die Beschr¨ankung nicht ausgesprochen zu haben und Adam und Eva v¨ollig ungewarnt ins Verderben rennen ließ.

2.2. WAS IST SPIELTHEORIE?

 

11

 

 

 

Adam und Eva

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

nicht essen

essen

 

 

 

 

 

 

 

verbieten

 

(3, 2)

(2, 3)

 

Gott

 

 

 

 

 

nicht verbieten

 

(4, 1)

(1, 4)

 

 

 

 

 

 

Abbildung 2.3: Ergebnismatrix im ”Paradiesspiel”

Die erste Zahl gibt jeweils die Auszahlung f¨ur Gott, die zweite Zahl die Auszahlung f¨ur Adam und Eva an.

zeichnet.1 Es ist zu beachten, dass daf¨ur die Nutzenwerte der Spieler zwischen Situationen und Spielern numerisch verglichen werden m¨ussen. Damit wird eine kardinale Messbarkeit von Nutzen unterstellt. F¨ur eine nur ordinale Nutzenmessung kann man nicht von einem Konstantsummenspiel sprechen.

Informationsverteilung und Timing:

Als letztes Charakteristikum sind die Annahmen uber¨ die Informationsverteilung und das Timing der einzelnen Spielz¨uge zu benennen. Wir gehen hier von vollkommener Information aller Ergebnisse und Konsequenzen bei allen Akteuren aus. Sowohl Gott als auch Adam und Eva kennen also die Ergebnismatrix in Abbildung 2.3 und wissen, dass der jeweils andere sie auch kennt. Bzgl. der Reihenfolge der Spielz¨uge wird angenommen, dass Gott zuerst ”zieht” und erst dann Adam und Eva ihre Entscheidung tre en k¨onnen.

L¨osung:

Die gerade genannte Timing-Annahme kann in einem so genannten Spielbaum (game tree) zum Ausdruck gebracht werden. Dieser ist in Abbildung 2.4 auf der n¨achsten Seite zu sehen.

Mit Hilfe dieses Instruments k¨onnen wir uns der L¨osung bereits gut n¨ahern. Da Gott zuerst zieht, muss sein Kalk¨ul als erstes verdeutlicht werden.2 Daf¨ur ist jedoch entscheidend, dass das Ergebnis auch davon abh¨angt, was Adam und Eva tun. Ein Blick auf den Entscheidungsbaum zeigt Gott, dass auf Stufe 2 Adam und Eva immer die Option ”essen” w¨ahlen werden – egal was Gott in

1Durch geeignete Normierung der Auszahlungen k¨onnte man das Spiel in ein so genanntes Nullsummenspiel umformen, was eine sehr wichtige Kategorie darstellt. Vgl. Abschnitt 2.3.3 auf Seite 16 zu diesem Punkt. Zu beachten ist, dass daf¨ur ein kardinales Nutzenkonzept vorausgesetzt werden muss.

2Diese Vorgehensweise wird als ”R¨uckw¨artsinduktion” bezeichnet.

¨

12 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

essen nicht

bieten

essen

 

ver

 

nicht

verbieten

 

 

essen

 

 

nicht

 

 

essen

Gott A&E

I (3,2)

II (2,3)

III (4,1)

IV (1,4)

Abbildung 2.4: Spielbaum des ”Paradiesspiels”

Hier ist die Annahme sichtbar gemacht, dass Gott zeitlich bzw. logisch vor Adam und Eva zieht.

Stufe 1 tut.1 Die Ergebnisse I und III sind also ”aus dem Rennen”, es bleiben die M¨oglichkeiten II und IV. Gott sieht also, dass er sich die Auszahlungen 4 und 3 zwar nicht sichern kann, durch die Auferlegung der Beschr¨ankung aber immerhin noch 2 (an Stelle von 1) erreichen kann. Also wird Gott in Stufe 1 die Aktion ”verbieten” w¨ahlen und Adam und Eva in Stufe 2 die Aktion ”essen”. Und genau so steht es nat¨urlich auch in der Bibel.

Damit haben wir das erste Spiel aufgeschrieben und gel¨ost, wobei hier die Situation so gestaltet war, dass sich eine L¨osung eindeutig ableiten ließ. Im Verlauf des Abschnitts 2.3 wird dieses ”Paradiesspiel” als Beispiel f¨ur die unterschiedlichen Merkmale von strategischen Interaktionen (d.h. von Spielen) dienen.

2.2.4Ein degeneriertes Beispiel: Ein-Personen-Spiel mit vollkommener Information (Schatzsuche)

Um die Bestandteile eines Spiels noch klarer zu machen, wird in diesem Abschnitt ein denkbar einfaches ”Spiel” analysiert (vgl. Gardner 1995, ch. 1.3). Es gibt nur einen Spieler, weshalb das Spiel degeneriert ist in dem Sinn, dass strategische Interaktionen keine Rolle mehr spielen k¨onnen.2 Nennen wir diesen Spieler 1.

Weiterhin gibt es vollkommene Information, d.h. der Spieler kennt alle relevanten Umst¨ande. Das Spiel besteht darin, dass 1 ein Labyrinth betritt und

1Man sollte sich daran erinnern, dass Gott in einer vorgelagerten Entscheidung sich bereits f¨ur die Sch¨opfung von Menschen mit freiem Willen entschieden hat, dies also o ensichtlich gegen¨uber willensfreien Gesch¨opfen pr¨aferierte.

2Wenn irgendwelche Informationsunvollkommenheiten f¨ur den einen Spieler bestehen, so spricht man von einem ”Spiel gegen die Natur”.

2.2. WAS IST SPIELTHEORIE?

13

entweder im Labyrinth gegen eine Wand st¨oßt, womit das Spiel mit einer Auszahlung von Null beendet ist (einfach umkehren ist also nicht zul¨assig),

oder am Ausgang des Labyrinths einen Schatz findet, den er als Preis des Werts W erh¨alt.

Nennen wird das Spiel daher ”Schatzsuche”. Das (sehr ubersichtliche)¨ Labyrinth ist in der folgenden Abbildung 2.5 zu sehen.

b

Eingang a

Abbildung 2.5: Schatzsuche

In den Punkten a und b ist jeweils die Entscheidung rechts oder links zu f¨allen. Am Ausgang wartet der Preis.

Die Spielermenge ist damit einfach gegeben durch I = {1} Die Strategienmenge ist wie folgt definiert: In Punkt a: S1a = {rechts gehen, links gehen} In Punkt b: S1b = {rechts gehen, links gehen}

Die Auszahlungsfunktion f¨ur Spieler 1 ist

u1 =

0

1a

=

links

sonst

1b

= rechts gehen

 

W f¨ur s

 

 

gehen und s

 

Wie schon f¨ur das Paradiesspiel k¨onnen wir auch f¨ur Schatzsuche einen Spielbaum aufzeichnen. Dieser ist in Abbildung 2.6 gezeigt.

links rechts

links rechts

0

0

W

Abbildung 2.6: Der Spielbaum f¨ur Schatzsuche

Die Punkte a und b in dem Baum bezeichnet man als Knoten; von diesen

¨

gehen die Aste (oder Kanten) aus, die durch die Handlungsoptionen gegeben

¨

14 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

sind. Geht von einem Knoten kein Ast mehr nach rechts weiter, spricht man von einem Endknoten. Die Auszahlungsfunktion weist jedem Endknoten einen bestimmten Wert zu.

Man sieht auch hier die L¨osung sofort. Wenn Spieler 1 das Labyrinth kennt, wird er nat¨urlich die Strategie {s1a, s1b} = {links gehen, rechts gehen} w¨ahlen. Dies ist unter den drei generell denkbaren Kombinationen die einzige mit einer positiven Auszahlung.

2.3Klassifikation verschiedener Arten von Spielen

Ein Blick in ein spieltheoretisches Lehrbuch kann leicht den Eindruck einer mehr oder weniger gut geordneten Sammlung verschiedener (Bei-) Spiele erwecken. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, werden in diesem Abschnitt die f¨unf wichtigsten Charakteristika von Spielen vorgestellt. Ein konkretes Spiel ist dann immer charakterisiert durch eine Kombination dieser Charakteristika. In den folgenden f¨unf Unterabschnitten werden diese Merkmale vorgestellt und kurz diskutiert, Abschnitt 2.3.6 auf Seite 18 klassifiziert drei Spiele gem¨aß dieser Kriterien.

2.3.1Kooperative vs. nicht-kooperative Spiele

Die Spieltheorie besteht zum weitaus uberwiegend¨ Teil aus der Analyse nonkooperativer Situationen. In diesen nicht-kooperativen Spielen wird angenommen, dass die Spieler strikt ”gegeneinander” spielen in dem Sinn, dass sie sich nicht f¨ur die Auszahlungen der anderen Spieler oder f¨ur eine Teilmenge dieser Auszahlungen interessieren, sondern nur an den eigenen Auszahlungen ein Interesse nehmen. Die Mitspieler sind also nur insoweit von Interesse, als deren Aktionen die eigenen Ziele tangieren. Mit solchen Situationen werden wir uns auch in der Vorlesung im Wesentlichen besch¨aftigen. Dies reflektiert die Tatsache, dass die Theorie nonkooperativer Spiele deutlich besser ausgebaut ist als die Theorie kooperativer Spiele.1

In Situationen mit strategischen Interaktionen ist es aber durchaus m¨oglich, dass es Kooperationen zwischen einzelnen Spielern gibt. Im Extremfall ist sogar eine Kooperation aller Spieler miteinander denkbar, was dann wieder zu einem degenerierten Spiel (vgl. Abschnitt 2.5 auf Seite 28) ohne (echte) strategische Interaktion f¨uhrt. Bei allseits kooperationsfreudigen Oligopolisten spricht man von einem Kartell, das sich wie ein Monopolist verh¨alt. F¨ur solche Kartel-

¨

le gibt es zahlreiche Beispiele, das bekannteste ist das Olkartell der OPEC.

1In der Realit¨at findet sich oft eine Mischung zwischen kooperativen und nichtkooperativen Verhaltensweisen vor. In der Managementliteratur wurde daf¨ur bereits das Kunstwort ”co-opetion” (als Synthese aus co-operation und competition) gescha en.

2.3. KLASSIFIKATION VERSCHIEDENER ARTEN VON SPIELEN 15

Das entscheidende Merkmal kooperativer Spiele ist die M¨oglichkeit, dass einzelne Spieler bindende und glaubw¨urdige Verhaltensank¨undigungen (commitments) machen k¨onnen, die f¨ur ein kooperatives Gleichgewicht unerl¨asslich sind. Auf das Beispiel der OPEC gem¨unzt heißt dies, dass alle Teilnehmerl¨ander sich auf eine F¨orderquote einlassen und auf diese verpflichten m¨ussen. Wenn diese Selbstverpflichtungen nicht glaubw¨urdig sind, bricht das kooperative Gleichgewicht zusammen - was bei Kartellen nicht gerade selten auch in der Realit¨at der Fall ist. Der Grund daf¨ur liegt darin, dass ausgehend von einem kooperativen Optimum fast immer Anreize f¨ur den Einzelnen

¨

gibt, sich anders zu verhalten. Mit dieser Uberlegung r¨uckt das Konzept der Glaubw¨urdigkeit in den Mittelpunkt des Interesses.

Mit der Analyse der M¨oglichkeit, dass einzelne Spieler Koalitionen untereinander bilden k¨onnen, setzt sich die Theorie kooperativer Spiele auseinander, die wir in Kapitel 8 auf Seite 201 kennen lernen werden.

Das ”Paradiesspiel” aus Abschnitt 2.2.3 auf Seite 7 ist ein non-kooperatives Spiel, da zwischen Gott sowie Adam und Eva keine Absprachen getro en werden. In dem Konstantsummenspiel kann es auch insofern nicht zu Kooperation kommen, als das was den einen Spieler besser stellt, den anderen immer um den gleichen Betrag schlechter stellt. Kooperation ist n¨amlich nur dann zu erwarten, wenn sich daraus potentielle Vorteile f¨ur beide ergeben k¨onnen. In einem Konstantstummenspiel ist die per Konstruktion nicht der Fall. Im Gegensatz dazu liegen f¨ur ein Kartell liegen die potentiellen Vorteile einer Kooperation auf der Hand: Durch Kooperation lassen sich die Gewinn aller beteiligten Anbieter relativ zu einer Situation ohne Kooperation steigern.

Die in der Praxis bisweilen sehr schwierig zu l¨osende Frage ist dann nur noch die nach der Verteilung dieser Gewinne.

2.3.2Statische (”strategic”) vs. dynamische (”extensive”, ”sequential”) Spiele

Eine weitere wichtige Kategorisierung ist die zwischen statischen und dynamischen Spielen. In statischen Spielen1 w¨ahlen alle Spieler ihre Strategie simultan aus. Dies bedeutet insbesondere, dass alle Spieler uber¨ das Verhalten der jeweils anderen Spieler nur Erwartungen bilden k¨onnen, nicht aber deren Verhalten als gegeben – und damit unabh¨angig vom eigenen Verhalten – annehmen k¨onnen. Davon geht man beispielsweise in Modell des Cournot’schen Duopols aus: Man unterstellt, dass ein jeder Duopolist seinen Gewinn unter der Annahme maximiert, dass der jeweils andere Duopolist dies auch tut. Die jeweiligen Produktionsmengen werden aber simultan bestimmt.

1Hier gibt es – wie so oft in der Spieltheorie – leider keine einheitliche Begri sverwendung in der Literatur. Bspw. Osborne/Rubinstein (1994) bezeichnen die hier charakterisierten statischen Spiele als ”strategische Spiele”, in anderen Lehrb¨uchern wird auch von ”Spielen in Normalform” gesprochen. Dies ist jeweils synonym miteinander.

¨

16 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

Im Gegensatz dazu weisen dynamische Spiele1 eine vorgegebene zeitliche (oder logische) Reihenfolge der Spielz¨uge auf.

So hat im ”Paradiesspiel” Gott vor Adam und Eva gezogen, d.h. Adam und Eva konnten die Entscheidung ”verbieten” bereits als Datum in ihr Entscheidungskalk¨ul uber¨ ”gehorchen” und ”nicht gehorchen” einfließen lassen. Im Beispiel des Duopols spricht man hier von der so genannten Stackelberg- L¨osung. Diese L¨osung postuliert, dass ein Duopolist (der Stackelberg-F¨uhrer)

seinen Gewinn maximiert unter der Annahme, dass der zweite Duopolist (StackelbergFolger) dies auch tut, dabei aber die Menge des ersten Duopolisten als gegeben hinnimmt.

Wir werden im Verlauf der Vorlesung auch Beispiele (Geldpolitik I und Geldpolitik II) aus der Makro¨okonomik kennen lernen, in denen die Implementierung einer zeitlichen Reihenfolge von Spielz¨ugen einen ganz entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis hat.

2.3.3One-shot games vs. wiederholte Spiele

Unabh¨angig davon, ob in einer Spielrunde die Akteure simultan oder in einer wohlspezifizierten Reihenfolge ihre Spielz¨uge durchf¨uhren, kann das so beschriebene Spiel als einmaliges Ereignis (”one-shot game”) betrachtet werden oder aber davon ausgegangen werden, dass dieses Spiel oft (oder sogar unendlich oft) gespielt wird.

Die L¨osung des wiederholten Spiels muss dabei nicht notwendigerweise einer immer gleichen Abfolge der L¨osung des one-shot games entsprechen. (Ist dies der Fall, w¨are auch die Unterscheidung gleich uberfl¨ussig.) Der Grund daf¨ur besteht darin, dass es bei wiederholten Spielen m¨oglich ist, dass die Spieler voneinander lernen und sich bestimmte Reaktionsmuster ”signalisieren” k¨onnen. Es kann mithin zu einem Aufbau von ”Reputation” kommen, was in einem one-shot game nicht m¨oglich ist. Auch die Idee, dass man sich bewusst aus strategischen Erw¨agungen heraus Handlungsoptionen verbaut (”tying one’s hand” oder ”burning bridges”) kann nur im Kontext wiederholter Spiele einen Sinn ergeben.

Beispiele:

Die Relevanz eines solchen Reputationsaufbaus liegt in ganz unterschiedlichen Bereichen auf der Hand. Genannt sei die Beziehung zwischen Lieferanten und Kunden. Wenn hier ein Lieferant den Kunden bei einer Transaktion nicht so weitgehend wie irgend m¨oglich ”ausquetscht”, so ist dies nicht unbedingt reiner Altruismus, sondern kann als Reputationsaufbau mit dem Ziel des Abschlusses lukrativer Gesch¨afte auch in der Zukunft verstanden werden.

1Auch hier gibt es zwei synonyme Bezeichnungsweisen: Osborne/Rubinstein (1994) sprechen von ”extensive games”, andere (z.B. Gardner 1995, part II) von ”sequential games”.

2.3. KLASSIFIKATION VERSCHIEDENER ARTEN VON SPIELEN 17

Allerdings besteht dieser Anreiz nur dann, wenn davon ausgegangen werden kann, dass das Spiel zumindest potentiell ein wiederholtes Spiel ist.

Ein h¨ubsches Beispiel daf¨ur, dass analoge Situationen ”wiederholt” oder auch ”one-shot” sein k¨onnen, ist die Entscheidung uber¨ das Geben von Trinkgeld bei einem Restaurantbesuch. Hier hat die Tatsache, ob man irgendwo regelm¨aßig wiederkommt und einen guten Service erhalten m¨ochte, oder auf der Durchreise ist, und das Restaurant voraussichtlich nie wieder betritt, durchaus Einfluss auf das Verhalten.

Auch in der Theorie der Geldpolitik kann der Aufbau von Reputation eine ganz zentrale Rolle spielen. Wir werden in der Anwendung ”Geldpolitik III” darauf zur¨uckkommen.

2.3.4Nullsummenspiele vs. Spiele mit variablen Auszahlungssummen

Mit dem ”Paradiesspiel” haben wir bereits ein Beispiel f¨ur ein Nullsummenspiel kennen gelernt. Das entscheidende Merkmal f¨ur ein Nullsummenspiel ist das folgende: In einem Nullsummenspiel addieren sich in allen denkbaren

Endknoten die Auszahlungen aller Spieler auf Null bzw. zu einem konstanten Wert.1 Mit anderen Worten: Des einen Verlust ist des (oder der) anderen Gewinn, es handelt sich also um ein reines Verteilungsspiel. Die Darstellung von Nullsummenspielen in g¨angigen Lehrb¨uchern der Spieltheorie ist relativ ausf¨uhrlich, was allerdings eher dogmengeschichtliche als materielle Gr¨unde hat: Die Analyse von Nullsummenspielen war n¨amlich in dem das Fach praktisch begr¨undenden Buch von John von Neumann und Oskar Morgenstern (1944) sehr prominent – vielleicht auch deshalb, weil diese Spiele relativ einfach zu l¨osen sind.

Gerade in ¨okonomischen Kontexten geht es aber sehr viel h¨aufiger um variable sum games2, d.h. nicht nur die individuellen, sondern auch die aggregierten Auszahlungen der Akteure h¨angen davon ab, welche Strategiekombinationen gew¨ahlt werden.

Beispiele f¨ur variable sum games:

Als Beispiel m¨oge wieder das aus dem Grundstudium bekannte Duopolmodell dienen. Hier ist die Summe der Gewinne bei Kooperation (Kartell) h¨oher als bei

1Im Paradiesspiel addieren sich die Auszahlungen jeweils auf 5. Zieht man von jeder Bewertung einfach die Zahl 2,5 ab, so andert¨ sich nichts an der ordinal definierten Wertsch¨atzung der Entscheidungsalternativen. Damit bleiben auch die Entscheidungen die gleichen. Die Auszahlungen der Spieler addieren sich aber in jedem Endknoten zu Null.

2Im Deutschen wird daf¨ur bisweilen der Begri Positivsummenspiel gebraucht. Allerdings ist dies insofern eher irref¨uhrend, als es auf die Unterschiede der aggregierten Auszahlungen an verschiedenen Endknoten ankommt und nicht auf die Frage, welches Vorzeichen diese

¨

haben. Daher der etwas sperrige Begri ”variable Auszahlungssummen” in der Uberschrift.

¨

18 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

Nicht-Kooperation. Aber auch bei Nicht-Kooperation, wenn also tats¨achlich ein Zielkonflikt zwischen den Duopolisten besteht, ist der zus¨atzliche Gewinn des einen Anbieters nicht unbedingt identisch mit dem dadurch verursachten zus¨atzlichen Verlust beim anderen Anbieter.

2.3.5Spiele mit vollkommener bzw. unvollkommener Information

Eine weitere wichtige Kategorisierung von Spielen bezieht sich auf die Informationslage der Spieler. Die weitestgehende Annahme uber¨ die Verf¨ugbarkeit von Information ist, dass alle relevante Information allen Spielern zur Verf¨ugung steht. In Abschnitt 3.2 auf Seite 55 wird darauf noch detaillierter einzugehen sein. F¨ur den Moment soll etwas lose festgelegt werden, dass man von einem

Spiel mit vollkommener oder perfekter Information spricht, wenn alle Spieler bei jeder Entscheidung genau wissen, in welcher Situation sie sich befinden, welche Entscheidungsalternativen zur Verf¨ugung stehen, ggf. wie das Spiel weitergehen wird (bzw. kann), und welches die Auszahlungen in jedem Endknoten sind. Prototypisches Beispiel daf¨ur ist Schach, aber auch das Paradiesspiel ist ein Spiel mit vollkommener Information, da Adam und Eva bei ihrer Entscheidung wissen, ob sie einem g¨ottlichen Verbot unterliegen und auch die Konsequenzen ihrer Entscheidungsalternativen kennen. Fehlt irgendeinem Spieler an irgendeinem Punkt des Spiels ein Teil der Information, so spricht man von Spielen mit unvollkommener Information. Statische Spiele weisen per Konstruktion eine gewisse Informationsunvollkommenheit auf: Da die Entscheidungen aller Spieler simultan gef¨allt werden, weiß der einzelne Spieler nicht (mit Sicherheit), welche Entscheidungen die anderen jeweils tre en. In der Literatur wird oft uber¨ dieses Merkmal hinweggesehen und auch von ”statischen Spielen mit vollkommener Information” gesprochen. Damit die Einschr¨ankung klar erkennbar bleibt, wird hier bei statischen Spielen, die keinen weiteren Informationsbeschr¨ankungen unterliegen von ”statischen Spielen bei ansonsten vollkommener Information” geredet. Deren Analyse ist Gegenstand von Kapitel 3.

2.3.6Anwendung

Abschließend sollen die f¨unf Charakteristika auf drei Spiele angewendet werden. Bereits hier behandelt wurde das Paradiesspiel, aus dem Grundstudium sind außerdem auch ohne genaue spieltheoretische Charakterisierung das Cournot-Duopolspiel sowie die Kartelll¨osung bei einem Duopol bekannt. Tabelle 2.1 auf der n¨achsten Seite enth¨alt die entsprechende Charakterisierung.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]