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Die Leute wissen schon, was sie tun

Johannes Merkel

Unser Herr Meier ist ein ängstlicher Mensch, der traut sich nie, genau nachzufragen. Ach, sagt er sich, wozu soll ich lange fragen ? Die Leute werden schon wissen, was sie tun. Eines Tages zieht unser Herr Meier um, und auch noch in den vierten Stock hinauf. Wuchtet ihr mal den Küchenschrank von unserem Herrn Meier vier Treppen hoch. Schon nach zwei Treppen ist er in Schweiß gebadet. Und einen Durst hat er, nicht zum Aushalten! Warum soll er sich nicht ein Glas genehmigen? Der Küchenschrank läuft ihm nicht davon.

Gut, er stapft in die Gastwirtschaft um die Ecke und sagt: "Mann, habe ich vielleicht einen Brand, den muss ich jetzt erst mal löschen. " "Einen Brand löschen?" fragt der Wirt, und schon läuft er zum Feuermelder und alarmiert die Feuerwehr. Unser Herr Meier guckt ziemlich dumm: Komisch, seit wann wird das Bier durch die Feuerwehr geliefert? Na ja, der Wirt muss ja am besten wissen, wo das Bier herkommt. Also wartet er, und sein Durst wird immer schlimmer .

Gleich darauf rückt die Feuerwehr an mit heulenden Sirenen. Ein Feuerwehrmann stürzt mit dem Schlauch in den Schankraum. "Wo brennt's hier?" "Hier brennt's", sagt Herr Meier und deutet auf seinen Bauch. "Ich kann es schon kaum mehr aushalten." "Ach so", sagt der Feuerwehrmann, "es geht um einen Notfall. Das hätten Sie doch gleich sagen können." Er packt unseren Herrn Meier und fährt ihn zum Notarzt.

Komisch, seit wann rennt man wegen einem bisschen Durst gleich zum Arzt ? Aber die Feuerwehr wird ja schon wissen, was sie tut. Zum Notarzt sagt der Feuerwehrmann: "Wir bringen Ihnen hier einen, dem brennt's im Bauch. "

"Das trifft sich aber gut", meint der Arzt. "Mir ist gerade die Heizung ausgefallen, stellen Sie sich in die Ecke und heizen Sie mir ordentlich ein!" Komisch, denkt Herr Meier, seit wann kann man mit Durst ein Zimmer heizen ? Aber wozu ist der Mann Arzt, der wird ja wohl wissen, was er sagt. Da kommt die Sprechstundenhilfe ins Zimmer. " Was stehen Sie hier eigentlich in der Ecke ?" fragt sie. "Ja, wissen Sie", sagt Herr Meier, "mir brennt's im Bauch, und ich soll Ihnen ordentlich einheizen. " Die Sprechstundenhilfe schaut ihn schräg an. "Ich glaube, Sie haben nicht alle Tassen im Schrank. " "Woher wissen Sie das?" staunt Herr Meier. Und er rennt Hals über Kopf nach Haus und zählt die Tassen im abgestellten Küchenschrank! Tatsächlich, da fehlt eine, und auch noch seine Lieblingstasse. Das ärgert ihn dermaßen, daß er darüber sogar seinen Durst vergisst. Er rennt zur Polizei und erstattet Anzeige.

" Und wie soll das passiert sein?" fragt ihn der Polizeibeamte. "Ja, wissen Sie, ich habe einen Brand gehabt, den nicht einmal die Feuerwehr löschen konnte. Da haben sie mich zum Notarzt gefahren, dem habe ich ordentlich eingeheizt, aber die Sprechstundenhilfe sagte zu mir, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank. Ich nach Hause wie ein geölter Blitz, und was sage ich, ich habe sie nicht alle. " Der Beamte nickt. "Das kommt mir allerdings auch so vor. Sie sind hier leider an der falschen Adresse. Aber wir bringen Sie schon dahin, wo Sie hingehören. " Da staunt unser Herr Meier wieder. Wer soll denn Diebe fangen, wenn nicht die Polizei ? Na ja, aber die Polizei muss ja schließlich ganz genau wissen, was sie tut.

Die Polizei schafft den guten Herrn Meier zum Psychologen. Der soll untersuchen, ob unser Herr Meier ein bisschen verrückt ist. "Nun", meint der Psychologe, "zuerst legen wir uns auf diese Liege und atmen ganz tief durch. " Komisch, denkt Herr Meier, ob ich wohl vom Durchatmen wieder zu meiner Tasse komme ? " Und jetzt reden wir frisch von der Leber weg, was wir auf dem Herzen haben. " "Auf dem Herzen ?" staunt unser Herr Meier. "Ich habe einen Brand, den nicht einmal die Feuerwehr löschen konnte, da haben sie mich zum Notarzt gefahren, dem habe ich kräftig eingeheizt, aber die Sprechstundenhilfe sagte zu mir, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank, und tatsächlich, ich habe sie nicht mehr alle. Und mein Brand wird auch immer schlimmer, ich weiß gar nicht, wie ich das noch aushalten soll. " Der Psychologe wiegt bedenklich den Kopf, ein wirklich sehr ernster Fall. Darüber muss er erst einmal genau nachdenken, und er lässt sich von seiner Sekretärin eine Tasse Kaffee bringen. Und zufällig schaut diese Tasse genauso aus wie Herrn Meiers Lieblingstasse. Endlich fühlt sich unser Herr Meier verstanden. Er reißt der Sekretärin die Tasse vom Tablett und leert sie auf einen Zug. Der Psychologe schimpft: "Sie sind ja wohl verrückt geworden!" "Ich und verrückt?" lacht unser Herr Meier. "Wie kommen Sie darauf? Ich wollte was zu trinken, und meine Tasse wollte ich wiederhaben. " Er steckt die Tasse ein und geht.

Na, siehst du, sagt sich unser Herr Meier, man muss nicht immer gleich fragen. Die Leute wissen schon, was sie tun. Oder?

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