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Albrecht Dürer.doc
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Für Stadt und Kaiser

Nürnberg war Freie Reichsstadt, also nur dem Kaiser untertan, und seit 1423 Aufbewahrungsort der Reichsheiltümer, der Krönungsinsignien. Neben Aachen als Krönungsstätte und Frankfurt als Wahlort zählte Nürnberg nunmehr zu den Kaiserstädten, galt sogar bis 1520 als die wichtigste im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

1510 erteilte der Magistrat Dürer den Auftrag zu zwei Tafeln mit den überlebensgroßen Halbfiguren Karls des Großen und Kaiser Sigismunds, die die Heiltumskammer im Schopperschen Hause am Markt schmücken sollten, wohin man am Abend vor der jährlichen Schaustellung die Insignien und den Krönungsornat verbrachte.

Dürer bereitete sich gewissenhaft vor und zeichnete mit Feder und Wasserfarbe das Gewand, die Krone, das Reichsschwert, den Reichsapfel und den Handschuh. Die Studien setzte er dann in besagte Gemälde um, deren etwas steife Feierlichkeit wenig befriedigt. Nur die lebendigere Durchführung der Physiognomien mildert die zeremoniöse Attitüde.

Wenn Maximilian I. (1459-1519) ab 1512 den größten Künstler Nürnbergs an sich band, durfte er auf hohen mäzenatischen Ruhm hoffen. Jakob Fugger der Reiche, der Finanzier Maximilians, könnte Dürer ins Spiel gebracht haben. Denkbar auch, dass Pirckheimer oder Kurfürst Friedrich der Weise die Zusammenkunft arrangierte. Wie auch immer, jetzt firmierte Dürer als Hofmaler. Seinen neuen Dienstherrn porträtierte er 1518 auf dem Augsburger Reichstag in einer Kreidezeichnung (Wien, Albertina). Danach entstand ein Holzschnitt und - ebenfalls 1519, schon nach dem Tod des Kaisers - das beeindruckende Gemälde in Wien.

Maximilian, "der letzte Ritter", entsprach wesentlich mehr dem Ideal eines allseits interessierten und gebildeten „uomo universale“ der Renaissance, als dem Muster eines mittelalterlichen Souveräns. Ungewöhnlich war, dass er die Schilderung seiner Taten autobiografischen Schriften anvertraute: Die Buchholzschnitte des Freydal (1516) entstanden in der Dürer-Werkstatt. Der Kaiser höchstpersönlich ordnete an, das monumentalisierte Massenmedium Holzschnitt in den Dienst seiner memoria, des Gedächtnisses für die Nachwelt zu stellen: nämlich die Ehrenpforte und den Triumphzug, die als "monströser" Leporello in fürstlichen Bibliotheken, Archiven oder Kunstkammern des Reiches aufbewahrt werden sollten.

Mit den Maßen von 357 x 295 cm (annähernd zehn Quadratmeter Bildfläche!), bestehend aus 192 Druckstöcken, ist die Ehrenpforte der größte Holzschnitt aller Zeiten. Verschiedenste Künstler sowie der Formschneider Hieronymus Andreae leisteten unter der Oberaufsicht Dürers die handwerkliche Hauptarbeit. Albrecht Altdorfer (um 1480-1538), der große Meister aus Regensburg, konzipierte die Seitenpartien, Dürer entwarf, vermutlich ab 1512, den Mittelturm, besetzt mit dem kaiserlichen Stammbaum und dem darüber thronenden Mischwesen, einer Chiffre für die Person Maximilians. Neben der einflussreichen oberitalienischen Druckgrafik fungierten literarische Vorbilder sowie antike Kleinkunst als Anreger für das papierene Triumphtor.

1515 begann man mit den Schneidearbeiten in den Holzstöcken, 1517 konnte ein Probedruck an den Kaiserhof gesandt werden. Erst das Jahr 1518 aber sah die früheste approbierte Gesamtausgabe. Die Neuauflage nach dem Tod des Kaisers vertrieb Dürer auf eigene Verantwortung.

In die Jahre 1513 und 1514 fallen Dürers Meisterstiche: Ritter, Tod und Teufel, Hieronymus im Gehäus und Melencolia I. Ihre stecherische Präzision blieb unerreicht. "In guten Abzügen silbrig glänzend sind die drei Stiche gewoben aus unendlich vielen feinen Linien, [... ] in deren unauflösbarem Gewebe die investierte Zeit in künstlerische Dauer verwandelt ist." (Johann Konrad Eberlein)

Einige Wissenschaftler haben einen inhaltlichen Zusammenhang postuliert: Der Ritter als Sinnbild des unbeirrbaren christlichen Glaubens, die Melencolia I. als eines für die Gefährdungen der Kunst im grübelnden Nachdenken, der Hieronymus, übrigens der am meisten von Dürer gezeichnete Heilige, als Inbegriff der Gottesschau in der Einsamkeit. Weiter argumentierte man, Dürer habe mit dem Quartett aus dem Adam und Eva-Stich von 1504 und den drei Meisterstichen die vier menschlichen Temperamente ausgelotet. Dem sanguinischen ersten Menschenpaar folge der cholerische Reiter, der Melancholie Hieronymus als Phlegmatiker. Die Verkaufspraxis dokumentiert allerdings, dass ihr Urheber die Blätter nie als Serie auf den Markt brachte.

Am eindeutigsten scheint die Ikonografie des Hieronymus im Gehäus. Der heilige Bibelübersetzer in der Studierstube galt als Exempel der vita contemplativa und damit auch humanistischer Gelehrsamkeit. Der ausländischen Künstlern gegenüber nicht sehr tolerante Giorgio Vasari rühmte Mitte des 16. Jahrhunderts die Artistik, mit der Dürer das Sonnenlicht durch die Butzenscheiben fallen ließ - ein Effekt, der im Barock keinen Geringeren als Rembrandt begeisterte.

Am Reiter, so Dürers knappe Bezeichnung, scheiden sich die interpretierenden Geister krass. Der Protagonist des Bildes blickt aus offenem Helmvisier in die Richtung des eingeschlagenen Weges. Scharf geschnitten ist sein Profil, finster-energisch die Physiognomie. Er scheint nicht darauf zu achten, dass in unmittelbarer Nähe die schaurige Knochengestalt des Todes ihm die Sanduhr, die ablaufende Lebensuhr entgegenhält, und dass sich von hinten her der Teufel nähert. Ein Hohlweg durch Felswände ist Ort des fantastischen Geschehens; am Boden Totenschädel, Salamander. Der Hund achtet nicht auf dieses unheimliche Sammelsurium. Möglichst schnell will er mit seinem Herrn fortkommen, aus der Enge des Weges hinaus und hinauf zur hoch liegenden Burg am oberen Bildrand.

1936 glaubte der deutsche Kunsthistoriker Wilhelm Waetzold, den Reiter nationalistisch vereinnahmen zu müssen: „Die heroischen Seelen lieben diesen Kupferstich - wie Nietzsche es getan hat und wie Adolf Hitler es tut. Sie lieben ihn, weil er ein Blatt des Sieges ist“, schrieb Waetzold.

Verständlich, dass sich die moderne Wissenschaft von solchen ideologischen Abwegen distanziert: Der Ritter, ein "Teufelskerl" in jeder Hinsicht, bedeutet den Christen schlechthin, für den das Leben Kriegsdienst ist, der sich, gewappnet mit dem Glauben, gegen Tod und Teufel zur Wehr zu setzen hat. Christliche Existenz ist Pilgerschaft durch die üble Welt, so hatte das Augustinus in seiner Schrift Gottesstaat beschrieben. Und die geistige Koryphäe zur Zeit Dürers, Erasmus von Rotterdam (1466 oder 1469-1536) hat 1503 den christlichen Ritter schlechthin zum Gegenstand seiner Schrift Enchiridion militis christiani ("Handbüchlein des christlichen Streiters") gemacht. Der Traktat wurde zwar erst in zweiter Auflage 1518 weiteren Kreisen bekannt, er passt jedoch derart gut zum Stich, dass der Künstler möglicherweise schon vorher darin gelesen hat. Dürer stellt dem Reiter beides vor Augen: Tod, Verderben und die feste Burg, die Gottesburg, das rettende Ziel. Der im Sattel Sitzende greift in die Zügel und bändigt die Kraft des Pferdes, Sinnbild auch für die Zügelung der eigenen Triebe, der Leidenschaften - für tugendhafte Selbstbeherrschung, die dem Tod ruhig begegnen lässt und dem Teufel den Rücken kehrt. Formal sind für das mächtige Pferd Anregungen durch Leonardo da Vinci überdeutlich.

Vasaris Einschätzung gilt bis heute: Die Melencolia I gehört zu jenen Kunstwerken, die die ganze Welt in Staunen versetzen - che feciono stupire il mondo. Das "Bild der Bilder" ist wie keine zweite Schöpfung Dürers von Kunsthistorikern, ja von Medizinern, Mathematikern, Astronomen, Freimaurern durchleuchtet worden. Turmhoch stapelt sich die Literatur zu einer Grafik, kleiner als ein DIN-A 4-Bogen. Positionen und Gegenpositionen, vor allem hinsichtlich eines neuplatonischen Gehalts der rätselhaften Szenerie, halten sich die Waage. Das magische Quadrat rechts oben, dessen Zahlen in jeder Richtung die Summe 34 ergeben, verkünde in der oberen Reihe angeblich Todestag, -monat und -jahr von Dürers Mutter; das unterste Zahlenpaar in der Mitte -15 und 14 - das jedenfalls ist sicher, verbürgt das Entstehungsdatum des Stiches.

Die sinnierende, geflügelte, einer Heroine gleichende Frau als Personifikation des melancholischen Temperaments zu verstehen, ist gewiss nicht verkehrt. Der Putto, der Windhund, die Werkzeuge und die stereometrischen Figuren repräsentieren einerseits die schöpferischen Möglichkeiten dieser condition humaine, andererseits die Gefährdungen, die aus einer Lähmung der Tatkraft resultieren. Auch das fledermausähnliche, den Titulus tragende Geschöpf über der Meereslandschaft hinten und die apokalyptisch wirkende Konstellation aus Regenbogen und Komet am Himmel evozieren die dunkle Seite der Melancholie.

Damit wäre das Blatt auch ein kryptisches Künstler-Selbstbildnis, Auseinandersetzung zumindest mit einer Facette dieses Künstlerlebens. Dürer besaß jedoch noch ganz andere, gewissermaßen kleinbürgerliche, geschäftstüchtige und gelegentlich knauserige. Maximilian I. hatte ihm 1515 eine lebenslange Rente bewilligt. Die stand auf der Kippe, als der Gönner 1519 starb und dessen Enkel den Thron bestieg. Im Herbst 1520 sollte in Aachen die Krönung stattfinden. Dürer beabsichtigte, von Karl V. persönlich die Rentenbestätigung zu holen. Er schloss sich der Nürnberger Delegation an, die die Krönungsinsignien an den Niederrhein brachte. Im übrigen ratterten wieder einmal die Pestkarren durch Nürnberg. Also fort aus der Stadt, erst nach Aachen, dann in die Niederlande, wohin Karl zu einer Huldigungsfahrt aufbrechen würde. Diesmal nahm Durer seine Agnes mit.

In den Niederlanden

Im Museum Alter Kunst in Lissabon hängt ein dort für viele Besucher und Touristen unerwarteter Gast: eine kleine Tafel Dürers mit dem heiligen Hieronymus, gemalt in den Niederlanden, das Charakterbild eines über die Vergänglichkeit des Menschen nachdenkenden greisen Gelehrten. Als Modell für den Kirchenvater fand Dürer in Antwerpen einen dreiundneunzigjährigen Greis. Aus dessen Porträtzeichnung gedieh über die Zwischenstufen von vier weiteren Zeichnungen der Verwandlungsprozess zur prachtvoll und fast hyperrealistisch wiedergegebenen Büste des Hieronymus. Einen Gutteil seiner Wirkung bezog das Tableau auch aus der großformatig veristischen Darstellung des Totenschädels in der rechten unteren Ecke, auf den als Attribut der Askese und der Abtötung alles Fleischlichen der Heilige den Finger legt. Aber ist es überhaupt noch ein Heiliger, der uns da aus dem Rahmen heraus mustert? Des Öfteren erhielten Hieronymus-Darstellungen in damaliger Zeit eine neue, säkulare Aufgabe. Den Kirchenvater identifizierte man zunehmend mit dem weltlichen Patron der Humanisten und Literaten - das wunderbar gemalte Bücherstillleben links unten könnte dies signifikant unterstreichen. Solche Chiffren frommer Intellektualität gelangten immer häufiger in das Studierzimmer eines Gelehrten oder ins bürgerliche Kunstkabinett - so auch Dürers Schöpfung.

Keine andere Bildtafel aus der Hand Dürers ist besser dokumentiert. Das hängt damit zusammen, dass wir über die niederländische Reise und alles, was sie für den Künstler mit sich brachte, fast Woche für Woche aus einem vom Meister geführten Tagebuch informiert sind, das im Original zwar verloren ging, dessen Wortlaut jedoch Abschriften des 17. Jahrhunderts überliefern. Zusätzlich existieren zwei Skizzenbücher. In ihnen findet sich, mit wenigen prägnanten Federstrichen erfasst, unter vielen anderen Zeichnungen die bekannte Ansicht von Antwerpen beim Scheldetor.

Im Sommer des Jahres 1520 hatte sich Albrecht Dürer ein letztes Mal aus Nürnberg fortbegeben. Sein Ziel waren die Niederlande, Flandern und Brabant, der Besuch beim Kaiser sowie der reichen Städte dort, die mit geschäftlichem Gewinn lockten. Am 12. Juli bricht Dürer mit seiner Frau Agnes auf, ein gesetztes Ehepaar, bepackt mit dem gesamten druckgrafischen Œuvre, über das Dürer seinerzeit verfügen konnte. Am 2. August erreicht man Antwerpen - eine Weltstadt des Handels, wirtschaftlich inzwischen erfolgreicher als die deutsche Kaiserstadt Nürnberg und bedeutender selbst als die Königin der Adria - Venedig.

Seit Amerika jenseits des großen Meeres entdeckt wurde, seit ganze Schiffsladungen von dorther, von Westen, die Schätze des neuen Kontinents nach Europa holen, seither sind Lissabon und Antwerpen die eigentlichen Tore zur Welt.

In Antwerpen wird der Besucher von den dort tätigen Künstlern hofiert und mit großer Begeisterung aufgenommen. Anlässlich eines solchen Treffens prägt Dürer auch einen zukunftsträchtigen Fachbegriff. Am 5. Mai 1521 bezeichnet er nämlich einen der in der Stadt ansässigen Hauptmeister, Joachim Patinier (1475/80- 1524), seines Spezialistentums wegen als tüchtigen "Landschaftsmaler".

In vielen Tagebucheinträgen beschreibt Dürer, wie sehr ihm das ganze Treiben um seine Person schmeichelte. Aber der Ruhm verklebt ihm nicht die Augen, die lukullischen Festessen, zu denen manchmal auch die Ehefrau und die Magd Susanna eingeladen sind, halten ihn nicht ständig am Ort. Anfang September unternimmt er einen Ausflug ins Brüsseler Schloss. In dessen Räumen lagern exotische Wunderdinge, von denen ganz Europa spricht. Es sind dort nämlich gerade jene Geschenke ausgestellt, die der spanische Feldherr Hernan Cortez von seinen Eroberungszügen aus Mexiko seinem Herrn Kaiser Karl V. mitgebracht hat: Indianisches Wunderwerk, Waffen, Schmuck, Kultgerät, vom Conquistador dem Aztekenhäuptling in Tenochtitlan abgepresst, Exotik wie von einem anderen Stern. Dürer verdaut schnell den "Kulturschock", er bescheinigt den fremdländischen Werken höchste Kunstfertigkeit. Und er überschlägt in Gedanken ihren unerhörten Preis. Er müsste 400 Altarbilder malen, seufzt er, um zu so viel Geld zu kommen!

In Brüssel besichtigt und zeichnet der Tourist aus Nürnberg auch Löwen im herzoglichen Tiergarten oder bestaunt den großen Meteor in der Gräflich-Nassauischen Wunderkammer. Immer schon hatte Ausgefallenes den Künstler fasziniert. Man denke nur an das Rhinozeros-Bild von 1515. Damals waren kurz vorher in Lissabon Schiffe gelandet, aus dem Indischen Ozean kommend, und - man hatte ein Nashorn an Bord. Die Skizze dieses in Europa bislang unbekannten Tiers aus der Hand eines zufällig anwesenden deutschen Kaufmanns erreichte Wochen später Nürnberg. Dürer zeichnet sie ab - mit vielen fantasievollen Ergänzungen. Das echte Nashorn, als Geschenk für den Papst nach Rom verfrachtet, ging bei einem Schiffbruch unter.

Nashörner fand Dürer in den Niederlanden nicht, auch nicht jenen in Seeland gestrandeten Wal. Als er nach abenteuerlicher Fahrt mit dem Segelboot dort ankam, hatte die Strömung den Riesenfisch nämlich wieder auf die offene See hinausgezogen. Aber er traf menschliche "Exoten", die sein Stift mit bewunderungswürdiger Noblesse, frei von jedem Rassendünkel, festhielt. Die Mohrin Katharina, Dienerin im Haus des Portugiesen Joao Brandao, beispielsweise gibt der Deutsche mit der gleichen psychologischen Einfühlungskraft und Sympathie wieder, wie er sie auch in den Porträts seiner Landsleute an den Tag legt, die in den Niederlanden entstanden: dem des Danziger Kaufmanns Bernhard von Reesen, der 30-jährig im Oktober 1521 an der Pest starb, oder des Rentmeisters Lorenz Sterck . Das sind Porträts, von denen man behaupten kann, dass sie selbst jene, die Hans Holbein d. J. (1497/98-1543) in London von den dortigen deutschen Kaufleuten schuf, ein klein wenig in den Schatten stellen.

Dürer agiert sehr geschäftstüchtig in Antwerpen. Er weiß, dass man nicht nur verkaufen, sondern gelegentlich auch in Geschenke investieren muss. In der Stadt an der Schelde sitzen etliche portugiesische Faktoren, mächtige und reiche Handelsherren. Der erwähnte Joao Brandao war ihr Chef, als seine rechte Hand fungierte der humanistisch gebildete Rui Fernandes de Almada, der sich 1519 auch eine Weile in Nürnberg aufgehalten hatte. Großzügig verteilt Dürer an sie ganze Serien grafischer Blätter. Die großen Herren revanchieren sich ja bestens! Rui Fernandes zum Beispiel schenkt der biederen Agnes einen kleinen grünen Papagei - damals durchaus noch eine kostbare Rarität. Wein, Austern, ein Fässchen voll eingemachten Zuckers, Marzipan, indische Federn, indianische Nüsse, Fayencen, weitere Papageien, Ringe und Trinkgelder gehen in diesen Wochen an die beiden Nürnberger Touristen. Das sind keine Aztekenschätze, aber doch zum Teil teure und aufregende Souvenirs aus der Fremde.

Dürer lässt sich daraufhin nicht lumpen. Er verschenkt an Rui Fernandes das Kostbarste, was er während der ganzen niederländischen Reise geschaffen hat: eben die heute in Lissabon zu sehende Hieronymus-Tafel. Das virtuose Gemälde, das zusammen mit seinem Besitzer noch bis 1548 in den Niederlanden blieb, avancierte binnen kürzester Zeit für die dortigen Maler zum Musterbeispiel Dürer'scher Kunst. Keine andere Tafel des Nürnbergers ist im 16. Jahrhundert so häufig nachgeahmt worden. Man schätzt die Zahl der mehr oder weniger genauen Repliken und Variationen auf rund 120!

Andererseits - Dürer hatte in den Niederlanden nicht nur Erfolg. Eines seiner schmerzlichsten Erlebnisse fällt auf den 6. Juni 1521, als er wieder einmal nach Mecheln kommt. Er besucht die Erzherzogin Margarethe von Österreich, seit 1507 Generalstatthalterin der Niederlande. Ihr ist er zu großem Dank verpflichtet, hat sie sich doch bei Kaiser Karl V. für die Fortsetzung von Dürers Rentenzahlung verwendet. Margarethe, der Tochter Maximilians I., überreicht er eines der Maximiliansbildnisse von 1519. Wir wissen nicht welches. Da muss er sich sagen lassen, dass es nicht gefällt!

Etwas anderes aber war schlimmer. In den Niederlanden, wahrscheinlich bei seinem Ausflug an die von Brackwasser überzogene Küste Seelands, um den Wal zu sehen, zog sich Dürer eine Krankheit zu, ein Leiden, von dem er sich nie wieder erholte. Fieber, Übelkeit, Ohnmacht, Kopfweh plagen ihn - wahrscheinlich die Auswirkungen einer chronischen Malaria. Von jetzt an werden die Fieberanfälle regelmäßig wiederkehren, von jetzt an gehört die Konsultation von Ärzten zu Dürers Alltag.

Und noch etwas Existenzielles ereignet sich auf der niederländischen Reise. 1521 hört Dürer fälschlicherweise vom Tod des Reformators Martin Luther (1483-1546). In seiner ergreifenden "Lutherklage" schreibt er daraufhin unter anderem: „Und so wir diesen Mann verlieren, der da klarer geschrieben hat denn nie keiner in 140 Jahren gelebt, dem du einen solchen evangelischen Geist gegeben hast, bitten wir dich, о himmlischer Vater, dass du deinen heiligen Geist wiederum gebest einem anderen, der da deine heilige christliche Kirche allenthalben wieder versammle, auf dass wir alle einig und christlich wieder leben, dass aus unseren guten Werken alle Ungläubigen, wie Türken, Heiden, Inder zu uns selbst begehren und christlichen Glauben annehmen.“

Es wird Zeit, dass wir vor solchem Hintergrund Dürer als den Maler religiöser Werke in Augenschein nehmen.

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