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GRUR 1993, 8 - beck-online

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Kopie von Andrey Egorov, abgerufen am 09.10.2019 19:57 - Quelle: beck-online DIE DATENBANK

Ernst-Moll: Die berühmte und die bekannte Marke

GRUR 1993, 8

Die berühmte und die bekannte Marke

Jürgen Ernst-Moll *

Neben den schon traditionsreichen Schutz der berühmten Marke gegen Verwässerung ist seit einigen Jahren durch die Rechtsprechung des BGH der Schutz der bekannten Marke gegen Rufausbeutung und Rufschädigung getreten.

Aufgrund der 1. Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken 1 kann mit einer Regelung des Schutzes der bekannten Marke durch den deutschen Gesetzgeber gerechnet werden.

Dementsprechend befaßt sich diese Abhandlung mit dem Schutz der berühmten Marke (Teil I) und der bekannten Marke (Teil II) nach dem geltenden Recht sowie mit dem Schutz der bekannten Marke nach zukünftigem Recht (Teil III).

Der zeichenrechtliche Schutz (§§ 24, 25, 31 WZG) der Marke setzt eine kennzeichnungsmäßige Benutzung im Warengleichartigkeitsbereich voraus. Die notwendige Verwechslungsgefahr ist umso eher anzunehmen, je bekannter die Kennzeichnung ist. Nach dem WZG gibt es indessen keinen Schutz über die Schranke der Warengleichartigkeit hinaus 2, auch nicht bei Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn (Annahme geschäftlicher Zusammenhänge zwischen verschiedenen Unternehmen). Neben dem Markenschutz steht der Schutz von Unternehmenskennzeichnungen. Die Ansprüche nach §§ 12 BGB, 16 UWG setzen Verwechslungsgefahr voraus, die beurteilt wird nach der Ähnlichkeit der Kennzeichnungen, dem Grade der Kennzeichnungskraft (originär oder durch Bekanntheit) der zu schützenden Kennzeichnung und der Branchennähe 3.

Im Rahmen dieser Anspruchsgrundlagen findet sich keine so starre Schranke wie diejenige der Warengleichartigkeit. Das Kriterium der Branchennähe ist wesentlich weiter gefaßt: "Die von den Parteien angebotenen Waren oder Leistungen dürfen nicht so weit voneinander entfernt sein, daß Verwechslungsgefahr nicht mehr besteht, daß also die beteiligten Verkehrskreise nicht mehr auf eine Herkunft aus dem gleichen Betrieb oder auf das Vorhandensein geschäftlicher Zusammenhänge schließen" 4. Darüber hinaus besteht eine Wechselwirkung zwischen dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete und dem Grad der Ähnlichkeit der Bezeichnungen und dem Bekanntheitsgrad der Klagebezeichnung 5. Ein Defizit bei einem Kriterium vermag bis zu einem gewissen Grade von einem "Überschuß" eines anderen Merkmals kompensiert zu werden.

Demgemäß bejahte der BGH schon im Jahre 1965 die firmenrechtliche Verwechslungsgefahr zwischen "White Horse" als Firmenschlagwort eines Whisky-Herstellers und "White Horse" als Bezeichnung für kosmetische Artikel 6. Dagegen verneinte der BGH in der Sache "Avon" trotz der Wechselwirkungslehre die firmenrechtliche Verwechslungsgefahr zwischen Avon für Kosmetika und Avon für Tonund Bildträger, da die Waren der Parteien nichts gemeinsam hätten, und eine verkehrsbekannte einseitige Ausrichtung der Klägerin auf Waren sehr spezifischer Art existiere 7. Das Thema dieser Abhandlung wird aktuell, wenn zeichenund firmenrechtliche Ansprüche versagen 7a.

Teil I: Schutz der berühmten Marke gegen Verwässerung

 

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1. Definition:

Die Anspruchsgrundlage der berühmten Marke 8 gegen Verwässerungsgefahr greift ein bei kennzeichnungsmäßiger Benutzung außerhalb des Bereiches der Warengleichartigkeit 9. Die Grundsätze des Verwässerungsschutzes gelten nach h. M. bei Verletzungen aller

Kennzeichnungen, also auch Verletzungen von Firmen, Namen etc., soweit sie berühmt sind 10.

Ernst-Moll: Die berühmte und die bekannte Marke(GRUR

1993, 8) 9

Nach der "Quick"-Entscheidung des BGH 11 wird der Begriff der sogenannten Verwässerungsgefahr für solche typischen Sachverhalte verwendet, bei denen eine weithin bekannte Kennzeichnung, d.h. eine Kennzeichnung mit überragender Verkehrsgeltung (sogenanntes berühmtes Zeichen) durch kennzeichenmäßigen Gebrauch durch Dritte beeinträchtigt wird, infolge weitgehender Branchenverschiedenheit jedoch warenzeichenoder firmenrechtliche Verwechslungsgefahr weder im engeren noch im weiteren Sinne besteht. In solchem Falle kann ein außerzeichenrechtlicher Schutz des berühmten Zeichens in Betracht kommen. Diesem Sonderschutz aus dem Rechtsgedanken der Verwässerung liegt die Erwägung zugrunde, daß der Inhaber eines solchen Kennzeichens ein berechtigtes Interesse daran hat, daß ihm seine unter großem Aufwand von Zeit und Geld erworbene Alleinstellung erhalten bleibt und daß alles vermieden wird, was die Eigenart und den kennzeichnenden Charakter seiner Kennzeichnung verwässern und damit die auf deren Einmaligkeit beruhende starke Werbewirkung beeinträchtigen könnte. Es geht also im Grunde darum, einen erworbenen Besitzstand gegen Beeinträchtigungen zu schützen, nicht dagegen darum, irgendwelche Verwechslungen zu verhindern.

In der Entscheidung "Telefonnummer 4711" 12 hat der BGH hervorgehoben, daß auch der Schutz der berühmten Kennzeichnung - insoweit dem Wesen des gesamten Kennzeichnungsschutzes entsprechend grundsätzlich nur die kennzeichenmäßige Benutzung 13 der Bezeichnung durch einen Dritten erfaßt. Hiervon ausgehend bestand keine Rechtsgrundlage für die Verurteilung zur Rückgabe der Telefonnummer 4711 seitens eines Taxiunternehmens, da üblicherweise eine Telefonnummer nicht kennzeichenmäßig gebraucht wird. Es erfolgte Zurückweisung zur Prüfung, ob die schlagwortartige Herausstellung der Zahlenfolge 4711 nach Auffassung nicht unerheblicher Teile des Verkehrs einen kennzeichenmäßigen Gebrauch darstellt.

2. Schutzvoraussetzungen:

a) Weit überragende Verkehrsgeltung:

Die berühmte Marke setzt nach der Rechtsprechung eine weitüberragende Verkehrsgeltung voraus 14. Inwieweit sie hinsichtlich des Grades ihrer Bekanntheit der notorisch bekannten Marke im Sinne von Art. 6 bis PVÜ entspricht, ist strittig. Neben einer Gleichsetzung 15 wird auch die Ansicht vertreten, die notorisch bekannte Marke müsse nicht den überragenden Bekanntheitsgrad ("hypernotorisch") einer berühmten Marke besitzen 16.

Art. 6bis PVÜ wurde durch Art. 4 Abs. 2 Ziff. 5 WZG in das deutsche Recht umgesetzt. Hiernach bilden die "nach allgemeiner Kenntnis" innerhalb der beteiligten inländischen Verkehrskreise bereits von einem anderen als Warenzeichen für gleiche oder gleichartige Waren benutzten

 

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Zeichen im Eintragungsverfahren einen absoluten Versagungsgrund 17. Grundsätzlich ist nicht einzusehen, weshalb die allgemeine Kenntnis einen geringen Bekanntheitsgrad bezeichnen soll als die weit überragende Verkehrsgeltung.

Der Schutz der berühmten Marke setzt aber die Erfüllung weiterer Tatbestandsmerkmale voraus (s.u.), insofern besteht keine völlig Deckung der Begriffe 18. Ferner besteht ein Unterschied hinsichtlich der Verkehrskreise, da der Verwässerungsschutz in der Regel Berühmtheit in der Gesamtbevölkerung erfordert, während die Allbekanntheit im Sinne von § 4 Abs. 2 Ziff. 5 WZG innerhalb der beteiligten inländischen Verkehrskreise bestehen muß 19. Der Versagungsgrund dieser Vorschrift gilt nur gegenüber gleichen oder gleichartigen Waren, wohingegen der Schutz der berühmten Marke gegen Verwässerung die Warengleichartigkeitsgrenze übersteigt 20.

Einigkeit besteht darüber, daß für den Verwässerungsschutz die Grade der Bekanntheit nicht ausreichen, die den Ausstattungsschutz des § 25 WZG begründen (Verkehrsgeltung) oder eine Erweiterung des Schutzbereiches einer Marke im Rahmen des § 31 WZG zur Folge haben (gesteigerte Verkehrsgeltung) 21 oder eine Warenzeicheneintragung nach § 4 Abs. 3 WZG zulassen (Verkehrsdurchsetzung) 22.

Prozentsätze der für den Verwässerungsschutz erforderlichen Bekanntheit zu nennen, fällt schwer, da sich die Rechtsprechung vor einer Festlegung auf konkrete Zahlen hütet 23. Außerdem kann der relevante Prozentsatz schwanken nach dem Grade der Unterscheidungskraft des Zeichens. Geringe originäre Unterscheidungskraft rechtfertigt es, "im Streitfalle strenge Anforderungen an den Grad der Verkehrsdurchsetzung zu stellen, um einen Schutz gegen Verwässerung eingreifen zu lassen" (BGH) 23a.

Generell läßt sich feststellen, daß verschiedene Voraussetzungen auch hier in einer gewissen Wechselwirkung zueinander stehen 24.

Früher wurden allgemein niedrigere Prozentsätze der Bekanntheit verlangt. Als Untergrenze galt der Satz von 65 % 25

Dabei ist zu berücksichtigen, daß früher bei Umfragen für Spitzenmarken tatsächlich geringere Bekanntheitsgrade ermittelt wurden. Beispielsweise erzielte bei einer Umfrage des Jahres 1956 das VW-Zeichen 71 %, der Mercedes-Stern 63 %, Klosterfrau 66 % 26.

Demgemäß wurde die Ansicht vertreten, ein höherer Durchsetzungsgrad als 80 % sei praktisch nicht erreichbar 27.

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1993, 8) 10

Dieser Prozentsatz wurde auch unter einem anderen Gesichtspunkt angeführt 28, daß nämlich etwa 20 % der repräsentativ Befragten regelmäßig nichtssagende Antworten gäben, so daß man in jedem Falle einen Satz von 80 % als für die Bejahung der berühmten Marke hinreichend ansehen könne 29. Nach Lehmann 30 haben berühmte Marken, Ausstattungen und Firmenzeichen eine Verkehrsbekanntheit von mindestens ca. 70 % beim allgemeinen Publikum.

Neuere Umfragen brachten indessen erstaunlich hohe Bekanntheitsgrade berühmter Marken zum Vorschein. Bei einer Umfrage des Jahres 1979 31 erzielten folgende Marken einen

 

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Bekanntheitsgrad von 96,6 % bis 90,3 %: "Maggi", "Mercedes", "Asbach", "Dr. Oetker", "Grundig", "Glücksklee", "Dornkaat", "Philips", "Echt Stonsdorfer".

Die Ergebnisse einer Umfrage der GFM vom Oktober/November 1985 32 lauten: "Honda" 85,7 %; "ATA" 87,5 %; "Saba" 88 %; "Reval" 88,3 %; "Grundig" 98 %; "Tchibo" 98,7 %; "Nivea" 98,8 %; "Coca Cola" 99,7 %.

Obwohl heute durch die intensive Werbung, die fast jeden Menschen erreicht (Fernsehen), für viele Produkte ein sehr hoher Bekanntheitsgrad vorhanden ist, der 100 % sehr nahe kommt, orientiert sich die Rechtsprechung nicht sklavisch an diesen Spitzenwerten.

Ausgangspunkt bildet die Überlegung, daß sich bei Erzeugnissen des allgemeinen Konsums (Coca Cola) höhere Durchsetzungsgrade erzielen lassen, als bei Waren, die sich nicht an die ganze Bevölkerung richten (Pirelli-Reifen; teures Rosenthalporzellan). Das OLG Düsseldorf 33 hielt eine allgemeine Bekanntheit von 72,2 % für "Rosenthal" für ausreichend, während 68 % bei "Pirelli" nicht genügten, nach OLG Hamburg hätte der Wert eindeutig über 70 % liegen müssen 34.

Die "Avon"-Entscheidung des BGH brachte für den nötigen Bekanntheitsgrad eine wichtige Klärung. Danach genügen die früher als ausreichend angesehenen Sätze von 65 - 80 % regelmäßig nicht mehr 35.

Der BGH stimmt der Ansicht des Berufungsgerichts zu, daß die Grenze zur "Berühmtheit" in vielen Fällen erst bei Bekanntheitsgraden von deutlich über 80 % erreicht werde, relativiert diese Aussage aber sogleich durch den Nachsatz, letztlich werde dies jedoch eine Frage des jeweiligen Einzelfalles bleiben müssen 35. Für den Regelfall kann man jetzt von einer Untergrenze von 80 % ausgehen 36.

Ferner wendet sich der BGH in der "Avon"-Entscheidung auch gegen u hohe Anforderungen an die Bekanntheit. Nötig ist nicht stets der "größtmögliche" oder "höchstmögliche" Grad von Bekanntheit, für den es auf einen Vergleich mit Bekanntheitsgraden anderer Kennzeichen ankommt 37. Auf dem Getränkemarkt gibt es also neben dem Spitzenreiter in der Bekanntheit "Coca Cola" noch Raum für weitere berühmte Marken.

Im konkreten Fall von "Avon" (Kosmetikund Körperpflegeprodukte) genügten wenig mehr als 80 % Bekanntheit, da die Ware nicht so sehr für die Allgemeinheit interessant und auch nicht besonders auffällig, außerdem viel Konkurrenz vorhanden ist. Es wurde der höhere Bekanntheitsgrad von über 90 % bei den eigentlichen Abnehmern (Frauen) berücksichtigt 37.

Die erforderliche überragende Bekanntheit muß in der Regel beim allgemeinen (gesamten) inländischen Publikum vorliegen 38.

Nach der "Technika"-Entscheidung des BGH kann der Verwässerungsschutz bei einem Spezialartikel, der unter einer besonders eigenartigen, auffälligen Bezeichnung angeboten wird, zwar u. U. auch dann in Betracht kommen, wenn die beeinträchtigte Bezeichnung sich nur innerhalb der Abnehmerkreise des Spezialartikels durchgesetzt hat 39.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat indessen einen Verwässerungsschutz unter solch reduzierten Voraussetzungen noch nicht zugesprochen. Deswegen wird zutreffenderweise stets die Bekanntheit in der Gesamtbevölkerung ermittelt 40. Das Umfrageergebnis erfährt eine besondere Gewichtung dergestalt, daß dem Umstand Bedeutung zukommt, daß in den eigentlichen

 

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Käuferkreisen des Kennzeichnungsinhabers die Bekanntheit noch höher liegt als im allgemeinen Publikum 41.

Eine streitige Berühmtheit bedarf zumeist des Beweises durch eine Meinungsumfrage 42. Die Befragung erfolgt durch Vorlage von Kärtchen, die verschiedene Namen, Wortzeichen oder Wort- /Bildzeichen ohne Produktgruppenhinweis tragen. Durch eine weitere Frage wird ermittelt, ob die Befragten die Marke, die sie zu kennen behaupten, dem richtigen Warenbereich zuordnen 42a. Im Hauptsacheverfahren läßt sich im Falle des Bestreitens eine Berühmtheit ohne Meinungsumfrage kaum bejahen. Diese Meinungsumfrage wird vom Gericht angeordnet zuzüglich zu den Umfragen, die eventuell schon die Parteien durchführen ließen.

Eine Bekanntheit bei Richtern und deren Bekannten reicht nicht aus. Nur allgemeines Erfahrungswissen kann benutzt werden. Nach § 291 ZPO bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises. Die Berühmtheit etwa der Marke Coca-Cola stellt m. E. eine solche offenkundige Tatsache dar 43. Das OLG Frankfurt bezeichnete die weit überragende Verkehrsgeltung der Kennzeichnung "Mercedes" für Automobile als "notorisch" 44.

Kennt dagegen das Gericht die Kennzeichnung nicht, kann die Klage u. U. auch ohne Meinungsumfrage abgewiesen werden.

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1993, 8) 11 Der BGH billigte es in der "Technika"-Entscheidung, daß das Berufungsgericht die allgemeine Bekanntheit dieser Bezeichnung von Kameras für Berufsphotographen aufgrund eigener Sachkunde verneinte 45.

b) Alleinstellung:

Das Merkmal der "Alleinstellung" wurde früher im strengen Sinne dahingehend verstanden, daß Kennzeichen, die von verschiedenen Herstellern verwendet werden, von der Erlangung des Besitzstandes einer berühmten Marke ausgeschlossen sind, wie z. B. "Mercedes" (Schuhe, Zigaretten, Spirituosen, Automobile) 46. Diese Ansicht wurde schon in der "Kupferberg"- Entscheidung 47 des BGH relativiert:

Es schadet nicht, wenn einem eng begrenzten Kreis ein anderes unter einer ähnlichen Firma auf einem entfernt liegenden Warengebiet tätiges Unternehmen bekannt geworden ist.

Grundsätzliche Kritik am Erfordernis der Alleinstellung übt Bayer in seiner Anmerkung 48 zur "Kupferberg"-Entscheidung. Es habe den Zwang zur Klageerhebung zur Folge, auch wenn keine ernsthafte Beeinträchtigung vorliege. Statt dessen solle man von der "Werbekraft" ausgehen.

Ähnlich wie bei "Kupferberg" waren im Fall "Rosenthal" 49 andere Unternehmen auf anderen Warengebieten tätig, besaßen aber nur geringe Größe und lediglich lokale Bedeutung. Dadurch hielt das Gericht die Alleinstellung nicht für beeinträchtigt, dies bestätige die fast völlig richtige Zuordnung des Vertriebsprogrammes der Klägerin zu ihrer Bezeichnung bei den Verkehrsbefragungen.

Dem Schutz der berühmten Marke "Avon" tat die Verwendung dieser Bezeichnung durch einen Reifenhersteller und durch die Deutsche Bundespost als Abkürzung des Ortsnetzkennzahlenverzeichnisses keinen Abbruch 50.

 

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Soweit Originalschriftzug und Bildelemente übernommen werden, kommt Alleinstellung in Betracht, und zwar auch dann, wenn die Wortelemente in anderen Branchen von Dritten verwandt werden, es insoweit also an der Einmaligkeit fehlt 51.

Man kann davon ausgehen, daß das Merkmal in der Rechtsprechung nicht mehr sehr streng gehandhabt wird, der tatsächliche Durchsetzungsgrad ist vielmehr entscheidend 52. Eine mittlere Ansicht hält die Alleinstellung nur im Bereich der eingetragenen Waren und in dem Warenbereich, für den Verwässerungsschutz beansprucht wird, für erforderlich 53.

c) Eigenart:

Das Merkmal der "gewissen" Eigenart fehlt, wenn es sich um eine zur Kennzeichnung im geschäftlichen Verkehr sehr naheliegende Bezeichnung handelt, die keine Originalität besitzt 54. Der Zeicheninhaber muß eine Verwässerung hinnehmen, die durch die Art des gewählten Kennzeichens bedingt ist 55.

d) Wertschätzung:

Die Marke muß besondere Wertschätzung genießen. Dieses Merkmal ist bei einer überragenden Verkehrsgeltung in der Regel nahezu automatisch erfüllt. Nach BGH "Quick" 56 ist bei Bekanntheit des Zeichens über die Abnehmerkreise hinaus in weitesten Kreisen damit in der Regel beim Publikum auch eine Gütevorstellung in bezug auf die unter der Marke vertriebenen Waren verbunden.

Der Nachweis objektiv vorliegender Qualität ist nicht erforderlich. Es genügt die subjektive Wertung beim Publikum 57, die aber bei Meinungsumfragen vielleicht mangels Bestreitens im konkreten Fall nicht eigens vermittelt wird. Der berühmten Marke dürfte auch bei durchschnittlichen Gütevorstellungen der Schutz m. E. kaum zu verwehren sein 57a).

Im Falle "Telefonnummer 4711" wurde die besondere Wertschätzung anscheinend nicht angezweifelt, obwohl Prestige und Umsatz von 4711-Produkten stark gesunken sind 58. e) Ähnlichkeitsbereich:

Der Schutz der berühmten Marke gilt bei Identität oder weitgehender Übereinstimmung in den charakteristischen Merkmalen der Marke. Denn andernfalls steht eine Schwächung der Werbekraft der berühmten Kennzeichnung nicht zu befürchten 59.

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1993, 8) 12 Der zeichenmäßige Ähnlichkeitsbereich, in den unter dem Gesichtspunkt einer Verwässerung nicht eingedrungen werden darf, ist im allgemeinen enger zu ziehen als bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 31 WZG, die gleichartige Waren voraussetzt 60. Nach OLG Stuttgart lag "Welo" nicht im engen Ähnlichkeitsbereich von "Wella" 61.

f) Konkrete Beeinträchtigung.'

Die "Camel-Tours"-Entscheidung des Jahres 1987 62 brachte die Aufstellung 63 oder die Betonung des Kriteriums mit sich, wonach eine konkrete Beeinträchtigung der Marke nötig ist. Es muß der Werbewert der berühmten Marke tatsächlich gefährdet sein. Der Verlust der Alleinstellung genügt nicht schlechthin. Nach BGH bezieht sich der Ausnahmecharakter des Schutzes nicht nur auf die

 

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Anforderungen hinsichtlich der Berühmtheit der Bezeichnung, sondern er schließt auch die kursorische Bejahung der Beeinträchtigungsgefahr aus.

Die Zigarettenmarke Camel konnte sich nicht gegen ein türkisches Reiseunternehmen durchsetzen, das, ohne über eine Niederlassung in Deutschland zu verfügen, u. a. inländische Reisebüros ansprach, um Reisen in die Türkei zu organisieren und dort zu betreuen.

Diese Entscheidung des BGH stieß auf einige Kritik, die bis zur Frage ging: Ist die berühmte Marke tot 64?

Im Falle "Telefonnummer 4711" 65 fühlte sich der BGH bemüßigt, "Camel Tours" 66 nachträglich zu rechtfertigen und auf die besonderen Umstände des Falles hinzuweisen, die einer Verallgemeinerung der Entscheidung im Wege stehen:

Dort wird ein kleines ausländisches Unternehmen nur in begrenztem wenig in Erscheinung tretendem Umfang im Inland tätig, die Möglichkeit einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Werbewertes der Bezeichnung "Camel" ist gering und hinnehmbar, ebenso wie die Ermutigung anderer Wettbewerber zu verletzenden Handlungsweisen.

Die Beeinträchtigung des Werbewertes der berühmten Marke kann nicht pauschal wegen der Branchenferne ausgeschlossen werden. Auf dieser Linie hatte im Fall "Telefonnummer 4711" die Argumentation des OLG Köln gelegen: Taxiunternehmen seien von Kosmetikund Parfümerieunternehmen sachlich zu weit entfernt. Laut BGH 67 ist es für den Schutz der berühmten Marke gerade charakteristisch, daß er sich auch auf gänzlich andere Geschäftsbereiche erstrecken kann.

Im Falle "Avon" 68 verwies der BGH zurück zur Klärung, ob sich die besondere Bekanntheit der Kennzeichnung der Klägerin speziell auf den Markt der Beklagten erstreckt oder auf ihn ausstrahlt (potentielle Käufer von Schallplatten der Unterhaltungsmusik). Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Kreis Kenntnisse und Vorstellungen hat, die verschieden sind von denen der allein befragten Gesamtheit des Verkehrs. Anscheinend hielt der BGH die vorliegenden Ergebnisse der Meinungsumfrage für nicht ausreichend. Die Notwendigkeit, eine Meinungsumfrage zu wiederholen, zeigt auf, wie risikoreich und teuer derartige Verfahren sein können.

Eine relevante Beeinträchtigung des Werbewertes der berühmten Marke wird oft schon im Verlust der Alleinstellung gesehen. Der BGH verneint die Beeinträchtigung in Fällen, in denen die angegriffene Kennzeichnung einer Gattungsbezeichnung angenähert war und entsprechende Assoziationen weckte 69.

So war nach der Entscheidung "Quelle" der zeichenund firmenmäßige Gebrauch der angegriffenen Bezeichnung "Getränke-Quelle" nicht geeignet, die Marke "Quelle" für den Versandhandel und das Warenhaus in ihrer Einmaligkeit und überragenden Verkehrsgeltung zu verwässern und in ihrer Werbekraft zu beeinträchtigen 70. Denn im Bereich des Getränkemarktes findet der Begriff "Quelle" vielfältige Verwendung. Die Bezeichnung der Beklagten besitzt geringe namensmäßige Funktion, ist an Gattungsbezeichnung angelehnt 71.

In der "Camel Tours"-Entscheidung liegt auf dieser Linie die Erwägung, daß bei den von dem beklagten Reiseunternehmen angesprochenen Fachleuten des Reisegewerbes erwartet werden kann, sie nähmen an, die Verwendung des Begriffs "Kamel", auch in der Form von "Camel", diene

 

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bei einem türkischen Reiseveranstalter als ein für den vorderen Orient typisches Tiersymbol und solle auf diese Region hinweisen 72.

g) Subjektiver Tatbestand

Ein subjektives "Schmarotzer"-Element beim Verwender der prioritätsjüngeren Kennzeichnung ist nicht erforderlich 73.

3. Rechtsgrundlagen:

Den Verwässerungsschutz gegen eine kennzeichenmäßige Benutzung außerhalb des Warengleichartigkeitsbereichs hat das RG aus § 1 UWG hergeleitet 74. Seit der "Quick"- Entscheidung stützt der BGH den Verwässerungsschutz auf § 823 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 1004 BGB und, soweit das berühmte Zeichen im Verkehr als Name des Inhabers oder des Geschäftes angesehen wird, auch auf § 12 BGB 75. Damit berücksichtigte der BGH ausdrücklich die in der Literatur geäußerten

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1993, 8) 13 Bedenken, daß nämlich in derartigen Fällen normalerweise kein Wettbewerbsverhältnis gegeben sei: "Seine in früheren Entscheidungen in Anlehnung an die Rechtsprechung des RG geäußerte Auffassung, der Schutz gegen Verwässerungsgefahr sei aus § 1 UWG abzuleiten, hält der Senat im Hinblick auf die in der Literatur geäußerten Bedenken nicht aufrecht, da ein Wettbewerbsverhältnis in der Regel nicht gegeben ist. Die Marke in ihrer Alleinstellung und Berühmtheit bildet einen wertvollen Bestandteil des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes" 76.

Die Rechtsgrundlage des § 823 Abs. 1 BGB nimmt der BGH noch in neueren Urteilen an. In den Entscheidungen "Camel Tours" aus dem Jahre 1987 77 und "Telefonnummer 4711" aus dem Jahre 1990 78 wird als Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 1 BGB erwähnt, allerdings ohne Vertiefung der Frage. Die Entscheidung "Avon" vom 21. 3. 1991 79 erörtert die Frage, ob der Schutz der berühmten Marke gegen Verwässerungsgefahr eingreift, ohne Anführung einer Gesetzesbestimmung. Möglicherweise deutet dies darauf hin, daß sich der BGH im Augenblick nicht mehr festlegen möchte.

Eine Rückkehr zur Anspruchsgrundlage des § 1 UWG für den Verwässerungsschutz scheint möglich, da die neuere Rechtsprechung des BGH in weiterem Umfang das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses bejaht. Es werden "keine hohen Anforderungen an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses mehr gestellt, weder die Branchengleichheit der in Frage stehenden Unternehmen noch notwendigerweise eine Behinderung des Absatzes einer bestimmten Ware durch eine andere Ware wird vorausgesetzt. Es genügt vielmehr, daß sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt, was auch dadurch geschehen kann, daß der Verletzer sich durch eine ausdrückliche (statt Blumen Onko-Kaffee) 80 oder bildliche (Rolls Royce) 81 Gleichstellungsbehauptung an Ruf und Ansehen der fremden Ware anhängt und dieses für den Absatz seiner (ungleichartigen und nicht konkurrierenden) Waren auszunutzen sucht. In diesen Fällen begründen die Verletzungshandlungen ein Wettbewerbsverhältnis hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausnutzung des Ansehens und des Rufs der in Bezug genommenen Ware, das

 

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dann den zu stellenden Anforderungen genügen kann, wenn eine wirtschaftliche Verwertung dieses Rufes auch seitens seines Inhabers möglich ist; ob und wie er eine solche Verwertung vornimmt, ist nicht entscheidend, Voraussetzung ist nur, daß der Ruf so überragend ist, daß eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung in Betracht kommt" 82.

In der neueren Literatur wird wegen dieser "neuen Beweglichkeit des BGH" 83 vorgeschlagen, in Zukunft auch auf den Verwässerungsschutz § 1 UWG anzuwenden 84.

Als Begründung dieser Ansicht lassen sich anführen: Subsidiarität des Eingriffs in den Gewerbebetrieb 85, kurze Verjährungsfrist des § 21 UWG 86, Haftung für Beauftragte nach § 13 Abs. 4 UWG 87, Entscheidung durch Wettbewerbskammern und -senate 88 (abschreckendes Beispiel: "BMW"-Fall) 89, Klagerecht der Verbände nach § 13 Abs. 2 UWG 90.

Teil II: Der Schutz der bekannten Marke gegen Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung

1. Unabhängig vom Schutz der berühmten Marke gegen Schwächung und Verwässerung ihrer Alleinstellung kommt der Schutz nach § 1 UWG in Betracht gegen eine wettbewerbswidrige Anlehnung an den Ruf und das Ansehen einer bekannten Marke, die also nicht bereits berühmt sein muß 91. Dieser wettbewerbsrechtliche Schutz besteht außerhalb des kennzeichnungsrechtlichen Verbotsbereichs und setzt besondere wettbewerbliche Umstände voraus. Die Rechtsprechung des BGH wurde begründet durch die inzwischen wohl nicht nur bekannte, sondern sogar berühmt gewordene "Dimple"-Entscheidung 92.

"Dimple" ist eine Marke, die für schottischen Whisky verwendet wird. Die Herstellerin, die Firma Haig, vertreibt in Deutschland die Whisky-Sorten "Haig's" und "Dimple". Sie verfügt über ein Warenzeichen "Dimple" mit Priorität des Jahres 1929. Dagegen bildet das Wort "Dimple" nicht Bestandteil der Firma der

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Herstellerin. Das Berufungsgericht 93 hatte die Frage offengelassen, ob "Dimple" in den Augen des Verkehrs als besondere Geschäftsbezeichnung erscheint.

Die Beklagte meldete an ein und demselben Tag die Wortzeichen "Dimple" und "Chivas" (beides Whiskymarken) für eine Reihe von Waren an, die jeweils außerhalb des Warengleichartigkeitsbereichs des Klagezeichens lagen.

2. Die Kriterien, die nach der "Dimple"-Entscheidung und ihren Nachfolgern den wettbewerbsrechtlichen Schutz nach § 1 UWG begründen, sind folgende:

a) Wettbewerbsverhältnis:

Ein Wettbewerbsverhältnis im engeren Sinne mag problematisch sein, weil in der Regel mangels gegebener Branchennähe bzw. Warengleichartigkeit kein Wettkampf auf demselben Markt stattfindet. Es genügt, daß der Kläger potentiell als Interessent einer selbständigen wirtschaftlichen Nutzung des Rufwertes seiner Kennzeichnung - etwa durch Lizenzvergabe in Betracht kommt. Der Wettbewerb besteht dann auf dem Gebiet der Kennzeichen-Zweitverwertung 94. Es kommt nicht darauf an, ob der Verletzte tatsächlich eine solche Zweitverwertung betreibt, etwa durch Lizenzvergabe 95.

 

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b) Bekanntheitsgrad der Marke

Bei "Dimple" hatte das Berufungsgericht 96 für 1981 einen Bekanntheitsgrad von etwa 40 % durch Umfrage festgestellt und kam durch Rückrechnung zum Kollisionszeitpunkt (Dezember 1976) auf etwa ein Drittel. Der BGH 97 sagt hierzu, es sei nicht entscheidend, ob der Bekanntheitsgrad noch niedriger sei, da andere Umstände der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Rufes gegeben seien 98.

Es stellt sich hier die besondere Problematik der Rückrechnung bei der Ermittlung der Bekanntheit zu einem früheren Zeitpunkt.

Zwischen dem Zeitpunkt der Meinungsumfrage und dem Kollisionszeitpunkt (Warenzeichenanmeldung durch den "Verletzer") lagen bei "Dimple" 4/2 Jahre, bei "Salomon" 99 sogar sieben Jahre. Das OLG Hamburg 100 stellt auf Umfang und Art der Werbeaufwendungen in den einzelnen Jahren und auf die Umsatzentwicklung ab, ferner auf die Lebenserfahrung, wonach sich ein hoher Bekanntheitsgrad gerade bei einem sich wegen des höheren Preises nur an eine kleinere Käuferschicht wendenden Produkte nicht kurzfristig erreichen lasse. Eine solche Vorgehensweise läßt sich eher als Rückschätzung bezeichnen, eine exakte Rechnung ist nicht möglich.

Im Falle "Salomon" 99 stellt der Kläger Wintersportartikel, insbesondere Skibindungen, Skischuhe und Langlaufkombinationen her. Er verfügt u. a. über das Wortzeichen "Salomon". Die Beklagte, eine Zigarettentenfabrik, hat im Oktober 1981 das Wortzeichen "Salomon" für Tabakwaren u. a. angemeldet und im November 1981 für dieselben Waren das Zeichen "Blizzard". Nach der Meinungsumfrage war die Marke Salomon bei 30 % aller bundesdeutscher Sportler und bei 30 % aller Verbraucher in Bayern und Baden-Württemberg bekannt. Nach BGH war der Bekanntheitsgrad von 30 % in diesen Teilbereichen zu gering. Denn der Verbraucherkreis bezüglich der vom Beklagten angemeldeten Waren (Raucher) ist nicht in dieser Weise örtlich und personell (Sportler) begrenzt. Wie hoch der Bekanntheitsgrad in der allgemeinen Bevölkerung war, blieb unbekannt. Der BGH bezeichnet es als fraglich, ob eine unterhalb der Grenze einer normalen Verkehrsgeltung liegende Bekanntheit einen "überragenden" Ruf begründen kann.

Auch die Entscheidung des BGH "SL" 101 beschäftigt sich u. a. mit dem Schutz der bekannten Marke. Bei "SL" handelt es sich um eine kraft Verkehrsgeltung nach § 4 Abs. 2 WZG eingetragene Marke. Angegriffen wird die Bezeichnung "UNO 70 SL", eine vom Automobilhersteller Fiat verwendete Bezeichnung. Das Berufungsgericht hatte die Klage u. a. mangels zeichenmäßigen Gebrauches und mangels Verwechslungsgefahr abgewiesen, wobei es auf dem Standpunkt stand, wegen des bestehenden Freihaltungsbedürfnisses komme dem Zeichen nur eine schwache Kennzeichnungskraft zu.

Der BGH führt hierzu aus: "Auf der Grundlage der Feststellung einer Verkehrsgeltung, die ungeachtet eines Freihaltungsbedürfnisses unter dessen Überwindung entstanden ist, und demgemäß in großen Teilen des Verkehrs bestehen muß, hätte die Annahme einer gegen Anlehnungen und Beeinträchtigungen schutzfähigen Kennzeichnung nicht ferne gelegen" 102. Es wird dabei auf die Rechtsprechung verwiesen, daß bei bestehendem Freihaltebedürfnis die Entstehung einer Verkehrsgeltung einen besonders hohen Durchsetzungsund Bekanntheitsgrad erfordert, der jedenfalls nicht unter 50 % angesetzt werden kann.

 

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09.10.2019

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