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Anachronismen

Die Anachronismen bilden keine besondere Gruppe im Wortschatz, sie bedeuten ein spezielles Stilmittel oder eine spezielle Erscheinung im Text. Aber ihre Betrachtung im Zusammenhang mit der zeitlichen Markierung lexika­lischer Elemente ist berechtigt. W. Fleischer und G. Michel bestimmen sie folgenderweise: ,,Ein Anachronismus kommt zustande, wenn ein Wort oder eine Wendung, die an eine bestimmte historische Epoche gebunden sind, mit Bezug auf eine andere Epoche gebraucht werden, der sie nicht entsprechen." [37, S. 104] Man spricht bei dieser Erscheinung auch von „zeitwidrig gebrauchten Wörtern" [35, S. 75]. Sie werden ,,wider" oder „gegen" die Zeit verwendet, denn sie sind in dieser Zeit, wie die Sprach­forscher es bestimmen, entweder „noch nicht" oder „nicht mehr" im Gebrauch. Gerade dank ihrem Nicht-Passen entsteht eine starke stilistische Wirkung. Zahlreiche Beispiele der Anachronismen lassen sich besonders in literarischen Werken mit deutlicher politi­scher Einstellung des Verfassers beobachten, z.B. in der deutschen politischen Dichtung. „Der bewußt eingesetzte Anachronismus ist ein wirksames Stilmittel der Ironie, sogar der „beißenden Satire", bemerken W. Fleischer und G. Michel [W. Fleischer, G. Michel, S. 104]. Das kann in erster Linie von H. Heine gesagt werden. Auch der moderne Dichter E. Weinert hat mit seinem Gedicht „Bänkelballade vom Kaiser Nero" ein Musterbeispiel für die stilistische Aus­nutzung der Anachronismen gegeben. Die ganze Aus­druckskraft dieses Gedichts wird durch die Anachronis­men bestimmt. Dem Gedicht zugrunde liegt die von den Nazis organisierte Brandstiftung des Reichstags 1933, aber das erkennt der Leser nur anhand der anachronisch verwendeten Ausdrücke aus dem Lexikon der Faschisten und einiger Realienbezeichnungen. Gerade sie verdeut­lichen, wen und welche Zeit der Dichter gemeint hat, z.B. Leibschutzstaffel, Untermenschheit sind charakteristische Termini der Naziterminologie; und agitieren, Kommunisten, Benzin sind Begriffe und Termini, die in den Zeiten des römischen Reichs noch nicht da waren. Vgl. einen Auszug aus diesem Gedicht:

„Der Kaiser Nero saß an voller Tafel, Doch ohne Appetit und sorgenvoll.

Er klingelte nach seiner Leibschutzstaffel

Und sprach: Ich weiß nicht, was das werden soll!

Gefährlich agitieren diese Christen.

Doch jetzt ist Schluß mit diesen Kommunisten!

In dieser Nacht ward Rom in Brand gesteckt.

Nun was versprecht ihr euch von dem Effekt?'

Da brüllten die Soldaten:

,Die woll'n wir lustig braten!

Wo ist der Kien? Wo ist Benzin?

Wir kriechen gleich durch den Kamin.

O triumphator saeculorum!

Um 9 Uhr 15 brennt das Forum!

Und morgen ist es jedem klar,

Daß das die Untermenschheit war.' "

Die Anachronismen sind hier, wie der Text zeigt, Schlüsselwörter: sie erschließen seinen wahren Sinn. Der angeführte Text hilft die Eigenart des Anachronismus als Stilmittel richtig begreifen: sie besteht darin, daß die Satire, besonders wenn sie eine konkrete politische Richtung hat, nicht offen, sondern verschleiert oder maskiert zum Ausdruck gebracht wird, was sehr wichtig sein kann, wenn man z.B. das bestehende Zensurverbot umgehen will.