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Die Reparationspolitik

Umfassende Reparationsplanungen gab es vor 1945 freilich nicht. Klar war nur, daß es keine direkten, grenzüberschreitenden Geldzahlungen geben sollte, da die Entwicklung nach 1918 diese Reparationsform zu problematisch erscheinen ließ. Die ersten Überlegungen zur Frage zukünftiger Reparationen gingen offensichtlich von der SU aus; Stalin unternahm im Jahr 1942 erste, angesichts der Kriegslage aber noch sehr vorläufige Vorstöße. Eine erste offizielle Stellungnahme kam hingegen von britischer Seite, die 1943 den Malkin-Bericht einer bereits Ende 1942 eingesetzten Kommission vorlegte (entscheidender Stichwortgeber war John Maynard Keynes, der bereits in den zwanziger Jahren sich sachkundig-kritisch zu Reparationsfragen geäußert hatte11): hiernach sollten nicht zu hohe Reparationsleistungen in einer kurzen Zeitspanne nach Kriegsende erhoben werden, und zwar durch Arbeitsleistungen, Demontagen und Lieferungen aus der laufenden Produktion. Eine feste Summe wurde nicht genannt, eine Position, an der Großbritannien aus taktischen Gründen auch in den folgenden Jahren festhielt. Das ins Auge gefaßte Volumen der Reparationszahlungen war im übrigen eher niedrig: es war von vier Mrd. Dollar die Rede, von denen SU 50-70% erhalten sollte.12

Zunächst blieb dieses Konzept politisch ohne Bedeutung. Erst Ende 1943 trat eine Änderung der Lage insofern ein, als zahlreiche Staaten angesichts der sich abzeichnenden deutschen Niederlage begannen, Reparationen zu fordern. Auf diese Weise und wegen des Kriegsverlaufs selbst wurde die Reparationsfrage zum Dreimächtethema, obwohl die USA selbst an Reparationsleistungen nicht unmittelbar interessiert waren und die Sowjetunion noch über keinerlei genaue Planungen verfügte. Die Beauftragung der European Advisory Commission mit den einschlägigen Planungen in der Reparationsfrage im Oktober 1943 spiegelte die noch offene Situation wider. Zwar hielt sich die Sowjetunion auch in der kommenden Zeit bedeckt, jedoch sickerten nach und nach Informationen über ihre Reparationsforderungen durch, so daß bald klar war, daß die UdSSR vor allem an das deutsche Auslandsvermögen, an Demontagen und Entnahmen aus der laufenden Produktion dachte (Varga-Aufsatz vom Oktober 1943)13. In Amerika kam es zeitgleich zu verschiedenen Überlegungen, die vor allem im Rahmen der Foreign Economic Administration, einem Beratungsstab des Außenministeriums, angestellt wurden: hier war im Herbst 1944 von Summen in Höhe von 200 Mrd. Dollar die Rede, die in 12-15 Jahren (berechnet nach deutschen Militärausgaben 1938) eingezogen werden sollten, nachdem zuvor Besatzungskosten und Importfinanzierung abgedeckt waren.14 Ein Teil der Reparationen könne durch Auslandsguthaben und Demontagen aufgebracht werden; der Hauptteil der Riesensumme aber sollte, das war klar, durch Entnahmen aus der laufenden Produktion abgedeckt werden. Auf diese Weise glaubte man in Washington auch, die weltwirtschaftlich destruktiven Wirkungen von Reparationen mindern zu können.15

Gerade wegen der Implikationen dieser an sich sehr hohen Reparationsforderung aber brach nun ein Sturm der Entrüstung los.16 Verschiedenen amerikanischen Nachkriegsplanern, insbesondere aber der Bürokratie des Schatzamtes unter Henry J. Morgenthau jr. kam eine Regelung, die umfangreiche Lieferungen aus der laufenden Produktion vorsah, wie ein Programm zur Erhaltung und Stärkung der deutschen industriellen Basis vor, die es aber gerade im Interesse der Verhinderung einer erneuten deutschen Aggression zu verringern und umzustrukturieren galt. Wenn die von Morgenthau scheinbar favorisierte Reagrarisierung Deutschlands auch nur eine nicht zuletzt noch von den Nazis selbst aufgestellte Propagandabehauptung wahr, so sahen seine Pläne und die seines Ministeriums gleichwohl die Halbierung der deutschen industriellen Kapazität und die Beseitigung der Schwer- und großer Teile der Investitionsgüterindustrie vor, von der territorialen Aufteilung des Landes zu schweigen. Insbesondere sollte das Ruhrgebiet vollständig deindustrialisiert und seine Bevölkerung umgesiedelt werden.17

Der Morgenthau-Plan selber enthielt keine Reparationsregelung, sondern schloß lediglich Lieferungen aus der laufenden Produktion kategorisch aus. Tendenziell war er freilich reparationsfeindlich, da er Deutschlands Fähigkeit zu umfassenden Wiedergutmachungsleistungen auf dem Papier zumindest deutlich beschnitt. Auch die auf seiner Basis vorstellbaren umfangreichen Demontagen mochten zwar als Reparationen dienen; ihr eigentlicher Zweck aber war das nicht, da in dieser Sicht die Demontagen völlig unabhängig von ihrem Reparationswert waren. Worum es Morgenthau ging, war vielmehr die Etablierung eines offenen, multilateralen Weltwirtschaftssystems mit den USA als Zentrum, dessen Erfolg aber eben von einer Ausschaltung des deutschen Kriegspotentials abzuhängen schien. Nur in dieser Frage herrschte in den USA wirklich Dissens, ob eben der erfolgreiche Aufbau einer liberalen Weltwirtschaft durch konstruktive Einbeziehung oder durch ökonomische Niederhaltung der ehemaligen Kriegsgegner zu erreichen sei. Das Ziel selbst war unumstritten.18 Da man selbst ohnehin nur am deutschen Auslandsvermögen interessiert war, besaß man die Spielräume die Reparationsfrage taktisch zu behandeln: „Reparationen wurden zum Abfallprodukt einer Politik, die zunächst auf Sicherheit vor dem Kriegsgegner und damit auf dessen Schwächung und Zerstörung, später auf dessen erneute Stärkung und den Wiederaufbau angelegt war.“ In seiner Konsequenz mußte der Plan „das Verhältnis der USA zu all jenen Siegerstaaten belasten, die an Reparationen interessiert waren. Und das waren praktisch alle vom Krieg direkt in Mitleidenschaft gezogenen Staaten.“19

Die Erfolge des Morgenthauplanes dürfen zwar nicht überschätzt werden, jedoch war er in der zweiten Jahreshälfte 1944 in Washington sehr einflußreich; seine Gedanken oder zumindest deren Derivate fanden Eingang in die grundlegende Besatzungsdirektive JCS 1067, die eine „destruktive“ Behandlung der deutschen Wirtschaft vorsah, und über sie auch in das Potsdamer Abkommen. Noch der Industrieniveauplan vom März 1946, der eine Halbierung der deutschen Wirtschaftsleistung von 1936 als Wiederaufbauziel vorgab, atmete diesen „destruktiven“ Geist, den erst der beginnende kalte Krieg im Jahre 1946 endgültig überwinden sollte.20 Reparationspolitisch war er hingegen von zentraler Bedeutung, da seit dem Herbst 1944 die USA die Reparationen, an denen sie selbst nur mäßig interessiert waren, als taktisches Element ihres übergreifenden Wiederaufbauzieles in Europa sahen. Die unmittelbaren Wirkungen waren dabei sogar paradox. Während Henry Morgenthau politisch gerade die Zusammenarbeit mit der UdSSR fortsetzen wollte und in Deutschland den auszuschaltenden Feind des Weltfriedens sah, stieß sein Plan die Russen reparationspolitisch vor den Kopf: der Sowjetunion wurde klar signalisiert, daß Lieferungen aus der laufenden Produktion in Washington kaum noch Unterstützung finden würden.

Jalta (Februar 1945)21

Die praktische Regelung der Reparationsfrage blieb den Kriegs- und Nachkriegskonferenzen der Siegermächte vorbehalten. Zu einer ersten „Klärung“ kam es im Frühjahr 1945 auf der Krim in Jalta. Die Sowjetunion legte erstmals einen konkreten Plan vor, nach dem Deutschland 20 Mrd. US-Dollar (in Preisen von 1938) zahlen hatte, von denen sie selbst die Hälfte, die USA acht und Großbritannien zwei Mrd. Dollar erhalten sollten. Auch von der Art der Zahlung hatten die Russen definitive Vorstellungen. Die Hälfte der Summe sollte durch Lieferungen aus der laufenden Produktion, die andere Hälfte durch Demontagen und konfisziertes Auslandsguthaben abgedeckt werden. Das Programm, so die sowjetische Vorstellung, könne in zwei Jahren abgewickelt werden. Auch über die Demontagen hatte sich die russische Seite Gedanken gemacht: man wollte die Rüstungsindustrie beseitigen und die Schwerindustrie auf etwa 20 % ihrer Kapazität reduzieren. Diese Forderungen waren, hierin ist Fisch zu folgen, hoch, aber hatten nicht das Ausmaß der US-Planungen vom Oktober 1944 und waren auch mit dem britischen Malkin-Bericht durchaus zu vereinbaren. Überraschend war lediglich die hohe Demontageforderung, die faktisch kaum durchführbar sein würde, da das Anlagevermögen der späteren Bizone insgesamt nur 10,2 Mrd. Dollar betrug. Fisch macht für diese Forderung nicht nur ein großes sowjetisches Sicherheitsbedürfnis sowie durchaus positive Erfahrungen mit der Verlagerung von Anlagegütern verantwortlich, vielmehr komme hierin auch die Reaktion auf eine erwartete britisch-amerikanische Ablehnung von Lieferungen aus laufender Produktion zum Ausdruck. Auf jeden Fall enthielt der sowjetische Vorschlag insofern taktische Momente; Hauptinteresse der UdSSR blieb eindeutig bei Lieferungen aus laufender Produktion, so lange hierdurch Sicherheitsinteressen nicht verletzt würden. Die amerikanische Delegation reagierte zögerlich, aber nicht grundsätzlich ablehnend, während die Briten die Forderungen als zu hoch ansahen. In London wollte man vorrangig eine Bedienung der deutschen Vorkriegsschuld, die Rückgabe britischen Eigentums sowie eine ausreichende Importfinanzierung sicherstellen, bevor an Reparationen zu denken sei. Man stimmte dem sowjetischen Vorschlag daher nicht zu. In Jalta kam es mithin nur zu einer Art Formelkompromiß: Reparationen wurden im Grundsatz bejaht; sie sollten v.a. durch Demontagen und Konfiskationen, Lieferungen aus laufender Produktion und die Nutzung deutscher Arbeitskräfte erfolgen. Eine feste Reparationssumme wurde nicht festgelegt, statt dessen einigte man sich auf die Einsetzung einer interalliierten Reparationskommission.

Zwischen Jalta und Potsdam (Februar bis Juli 1945)22

In den USA brachten die Formelkompromisse von Jalta eine Zuspitzung der Debatten über die zukünftige wirtschaftliche Rolle Deutschlands. Während die Befürworter einer „destruktiven“ Haltung Jalta kritisierten, da Entnahmen aus laufender Produktion in erheblichem Umfang möglich zu werden schienen, plädierten auch die Anhänger einer mehr konstruktiven Richtung gegen die Jaltaer Ergebnisse, weil Deutschlands Leistungsfähigkeit überschätzt und der Wiederaufbau behindert würde. Nach langen Auseinandersetzungen wurde schließlich der amerikanische Vertreter in der Interalliierten Reparationskommission, Pauley am 18. Mai 1945 mit folgenden Richtlinien versehen: Ziel der Reparationspolitik sei die Schwächung Deutschlands und die Zerstörung von dessen Kriegspotential; mögliche Reparationen dürften die USA in keiner Weise binden, daher müßten die Kapazitäten für minimalen Lebensstandard belassen werden. Entsprechend seien aus den Exporterlösen zuerst die Importe zu finanzieren. Sollten die industrielle Schwächung Deutschlands und die Selbsterhaltung auf niedrigem Niveau gesichert sein, könne an Reparationen gedacht werden. Mit diesen klaren Direktiven waren Reparationen aus der laufenden Produktion de facto ausgeschlossen; ohne deren konstruktiven Ansatz zu teilen, unterstützten die USA nunmehr die britische Auffassung in der Reparationsfrage, die für sie, die nur an deutschen Auslandswerten interessiert waren, ohnehin ein geringes materielles Gewicht besaß. Eine Konfrontation mit der Sowjetunion war damit vorgezeichnet, zumal die Briten ihre Haltung noch verhärteten. Eine gemeinsame Reparationsregelung wurde immer unwahrscheinlicher; im Gegenteil wurde es naheliegend, die Mächte mit ihren Reparationsansprüchen auf ihre jeweiligen Besatzungszonen zu beschränken. Die Reparationskommission tagte ein einziges Mal am 21. Juni 1945 in Moskau, während ihre Ausschüsse häufig zusammentrafen, traf aber keine grundlegenden Aussagen.23 Alle weiteren Entwicklungen mußten daher vom Ausgang der Potsdamer Konferenz abhängen.

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