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Die Folgen

Die Beurteilung der Bedeutung und der Folgen von Demontagen und Reparationen für die sich anschließende Wirtschaftsentwicklung hängt von zahlreichen Faktoren ab, die ein einfaches Urteil schwer machen. Betrachtet man allein die wirtschaftliche Entwicklung der beiden deutschen Staaten nach 1945, so scheinen Bedeutung und Wirksamkeit der Demontagepolitik und der Reparationszahlungen offensichtlich. Während Westdeutschland vergleichsweise glimpflich davon kam – ein großer Teil der Reparationszahlungen fiel zudem in eine Zeit, als ihre wirtschaftliche Bedeutung geringer wurde – und mit nur wenig geschmälerter industrieller Substanz den Wiederaufbau in Angriff nehmen konnte, sah sich die seinerzeitige Sowjetische Besatzungszone nicht nur eines Großteiles ihrer industriellen Kapazitäten beraubt; sie hatte überdies in bestimmten Schlüsselbereichen de facto ihre gesamte Anlagensubstanz eingebüßt, von den langfristig nachteilig wirksamen Folgen der Demontagen im Bereich der Infrastruktur noch ganz abgesehen.

Diese Argumentation geht von der stillschweigenden Voraussetzung aus, der Wiederaufbau und sein Tempo nach 1945 seien eine Funktion der Faktorausstattung gewesen.53 Sie besitzt in der Tat zunächst erhebliche Plausibilität. Das westdeutsche Bruttoanlagevermögen übertraf 1945 wegen des kriegsbedingten Investitionsbooms in die Rüstungsindustrie den Stand von 1936 um gut 20%. Wertverluste und Demontagen verringerten das Potential zwar, doch 1949 lag es noch immer um 11% über dem Vorkriegsstand. Da seine Struktur und Qualität überdies sich verbessert hatten, war die Kapitalausstattung kein Engpaß; die Reparationen und Demontagen waren vom Umfang zu gering und betrafen schwerpunktmäßig jene Bereiche, die während des Krieges am stärksten ausgebaut worden waren.54 Die Engpaßbereiche der frühen fünfziger Jahre (Bergbau, Stahl, Infrastruktur, Energie) waren nicht durchweg primäre Demontageziele gewesen. Die Reparationen schufen daher im westdeutschen Fall von Ausnahmen abgesehen kaum Wachstumsengpässe.55

Die Reparationen waren im westdeutschen Fall mithin kein Faktor, der den Wiederaufbau strukturell behindert hätte ebenso übrigens wie der Wiederaufbau nicht strukturell von den Marshall-Hilfen abhing. Andererseits führte aber auch das Fehlen von Reparationshemmnissen nicht automatisch zum Wirtschaftswunder; hierfür spielten Weltmarkt und Wirtschaftspolitik eine entscheidende Rolle. In der SBZ hingegen war das Ausmaß der Reparationen an sich bereits desaströs und mußte sich mit den Wirkungen der Weltmarktexklusion und einer wenig intelligenten Wirtschaftspolitik zusätzlich negativ verstärken. Daß es in der DDR gleichwohl gelang, den Wiederaufbau Ende der fünfziger Jahre alles in allem erfolgreich abzuschließen, ist vor diesem Hintergrund überraschender als der westdeutsche Boom, der doch weitgehend dem westeuropäischen Muster entsprach. 56

1 Zu Mitteldeutschland bzw. der DDR siehe Rainer Karlsch, Allein bezahlt? Die Reparationsleistungen der SBZ/DDR 1945-1953, Berlin 1993. Zu Westdeutschland Jörg Fisch, Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1992. Vgl. auch Christoph Buchheim, Die Wiedereingliederung Westdeutschlands in die Weltwirtschaft, München 1990, S.77ff.

2 Im westdeutschen Fall konzentrierte sich die einschlägige Diskussion v.a. auf die Frage um die effektive Bedeutung des Marshall-Planes, vgl. Gerd Hardach, Der Marshall-Plan. Auslandshilfe und Wiederaufbau in Westdeutschland 1948-1952, München 1994. Siehe auch Harold G. Vatter, The German Role in the Early Postwar Revival in Germany, A Reappraisal, in: Francis H. Heller, John R. Gillingham (Hg.), The United States and the Integration of Europe. Legacies of the Postwar Era, New York 1996, S.145-166. In jüngeren wirtschaftshistorischen Darstellungen zum westdeutschen „Wirtschaftswunder“ wird die Frage von Reparationen und Auslandshilfen im übrigen weitgehend vernachlässigt, vgl. Ludger Lindlar, Das mißverstandene Wirtschaftswunder. Westdeutschland und die westeuropäische Nachkriegsprosperität, Tübingen 1997.

3 Fisch, Reparationen.

4 Wilfried Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall. Das wirtschaftspolitische Deutschlandkonzept der USA 1944-1947, Düsseldorf 1996. Zur britischen Politik vgl. Alan Kramer, Die britische Demontagepolitik am Beispiel Hamburgs, 1945-1950, Hamburg 1991.

5 Fisch, Reparationen, S.29ff.

6 Dies zeigte sich nicht zuletzt im Jahre 1997 angesichts des fünfzigjährigen Jubiläums des Marshall-Planes.

7 Es handelte sich mithin um einen deutlichen Bruch mit der europäischen Tradition des Krieges. Krieg war in dieser Tradition, so lange er den Regeln des Völkerrechtes entsprach, ein legitimes Mittel der Staatenkonkurrenz. Die Änderung im 1. Weltkrieg (Vorbild dabei war im übrigen der amerikanische Bürgerkrieg, in dem die Union den Krieg gegen den Süden moralisch eskalierte und dadurch zugleich die eigene brutale Kriegführung rechtfertigte, vgl. James M. McPherson, Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges, München/Leipzig 1992) hing eng mit der Tatsache zusammen, daß industrialisierte Massenstaaten gegeneinander Krieg führten, die auf eine Mobilisierung der Heimatfronten existentiell verwiesen waren; so warnten die Deutschen vor den reaktionären Kosaken, die Westmächte vor den blutrünstigen Hunnen etc. Die hiermit verbundene Moralisierung des Krieges ließ einen nüchternen, den Regeln des Völkerrechtes entsprechenden Friedensschluß nicht mehr zu: Der Friede wurde zugleich zum moralischen Urteil. Vgl. grundlegend Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen. Texte von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1963, S.20ff.

8 Vgl. Derek H. Aldcroft, Die zwanziger Jahre. Von Versailles zur Wall Street 1919-1929, München 1978, S.97-116.

9 Gilbert Ziebura, Weltwirtschaft und Weltpolitik 1922/1924-1931. Zwischen Rekonstruktion und Zusammenbruch, Frankfurt/M 1984.

10 Dietmar Petzina, Die deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Wiesbaden 1977, S.103.

11 Zur seinerzeitigen britischen Expertendiskussion vgl. Dietmar Petzina, Is Germany Prosperous? Die Reparationsfrage in der Diskusion angelsächsischer Experten zwischen 1918 und 1925, in: Christoph Buchheim, Michael Hutter, Harold James (Hg.), Zerrissene Zwischenkriegszeit. Wirtschaftshistorische Beiträge, Baden-Baden 1994, S.241-262.

12 Fisch, Reparationen, S.41ff.

13 Fisch, Reparationen, S.45.

14 Auch wenn hier noch von konkreten Summen die Rede war, zumal von Summen, die gemessen an den britischen Vorstellungen sehr hoch waren, weigerten sich aber auch die Amerikaner seit Potsdam, konkrete Zahlen zu nennen. Die Zahlenfrage wurde so immer mehr zum taktischen Spiel im Streit der Besatzungsmächte. Vgl. John H. Backer, Die Entscheidung zur Teilung Deutschlands. Amerikas Deutschlandpolitik 1943-1948, München 1981, S.33ff.

15 Fisch, Reparationen, S.46f.

16 Vgl. die sehr einseitige, aber nicht zuletzt deshalb wiederum informative Studie von Bernd Greiner, Die Morgenthau-Legende. Zur Geschichte eines umstrittenen Planes, Hamburg 1995, S.79ff.

17 Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall.

18 William J. Barber, Presuppositions, Realities, and Creative Ad Hocery: The Road to the Unplanned Plan, in: Francis H. Heller, John R. Gillingham (Hg.), The United States and the Integration of Europe. Legacies of the Postwar Era, New York 1996, S.125-143. Vgl. auch Ute Daniel, Dollardiplomatie in Europa. Marshallplan, kalter Krieg und US-Außenwirtschaftspolitik, Düsseldorf 1982.

19 Fisch, Reparationen, S.49ff.

20 Vgl. mit unterschiedlichen Bewertungen Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall, Greiner, Die Morgenthau-Legende.

21 Fisch, Reparationen, S.57ff.

22 Backer, Entscheidung zur Teilung, S.33ff. Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall, passim.

23 Fisch, Reparationen, S.63ff.

24 Siehe den Punkt IV „Reparationen aus Deutschland“ des Protokolls der Potsdamer Konferenz, abgedruckt in: Das Potsdamer Abkommen. Dokumentensamlung, Berlin (Ost) 1979, S.223f.

25 Fisch, Reparationen, S.69ff. Zu Clay Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall. Vgl. auch Krieger, General Lucius D. Clay und die amerikanische Deutschlandpolitik 1945-1949, Stuttgart 1988.

26 Fisch, Reparationen, S.78.

27 Mausbach, Zwioschen Morgenthau und Marshall, S.187ff.

28 Gloria Müller, Die Rolle der Briten bei der Auseinandersetzung um die Stahlquote des 1. Industrieplanes vom 26. März 1946, in: Dietmar Petzina, Walter Euchner (Hg.), Wirtschaftspolitik im britischen Besatzungsgebiet, Düsseldorf 1984, S.65-86.

29 Zu den Bestimmungen des Planes und zur Kritik hieran Franz Seume, Industrie, in: DIW (Hg.), Die deutsche Wirtschaft zwei Jahre nach dem Zusammenbruch, Berlin 1947, S.105-143.

30 Fisch, Reparationen, S.94ff.

31 Hierzu Karlsch, Allein bezahlt?, S.55ff für die SBZ; für die französische Zone Mathias Manz, Stagnation und Aufschwung in der französischen Besatzungszone 1945-1948, Ostfildern 1985, S.38ff.

32 Zum vielbesprochenen Demontagestopp vgl. John Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland 1945-1949, Frankfurt/M 1971, S.87-92. Backer, Entscheidung, S.96ff.

33 Hierzu Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall, S.245ff. Ferner Krieger, Lucius D. Clay, S.126ff.

34 Fisch, Reparationen, S.98ff.

35 Falk Pingel, Die „Russen am Rhein“? Zur Wende der britischen Besatzungspolitik im Frühjahr 1946, in: VfZ 30 (1982), S.98-116. Ferner Rolf Steininger, Westdeutschland ein „Bollwerk gegen den Kommunismus“? Großbritannien und die deutsche Frage im Frühjahr 1946, in: MGM 38 (1985), S.163-207.

36 Fisch, Reparationen, S.103.

37 Krieger, Lucius D. Clay, S.225ff.

38 Fisch, Reparationen, S.109f.

39 Buchheim, Wiedereingliederung, S.111f.

40 Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik, passim.

41 Mausbach, Zwischen Morgenthau und Marshall, S. 302ff.

42 Fisch, Reparationen, S.116.

43 Zum Marshall-Plan Hardach, Der Marshall-Plan, S.77ff.

44 Alan S. Milward, Großbritannien, Deutschland und der Wiederaufbau Westeuropas, in: Dietmar Petzina, Walter Euchner (Hg.), Wirtschaftspolitik im britischen Besatzungsgebiet, Düsseldorf 1984, S.25-40.

45 Fisch, Reparationen, S.109ff.

46 Fisch, Reparationen, S.208ff.

47 Fisch, Reparationen, S.319.

48 Ebenda, S.222.

49 Werner Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, Frankfurt/M 1983.

50 Fisch, Reparationen, S.218.

51 Hardach, Marshall-Plan, S.221.

52 Siehe die Diskussion bei Fisch, Reparationen, S.257ff.

53 Diese These v.a. bei Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte. Jüngst erneut bei Vatter, The German Role.

54 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S.11ff.

55 Das Ausmaß der Remontagen und der hiermit verbundenen Modernisierung übertraf im übrigen häufig sehr schnell die Kapazitätsverluste der Demontagen; doch ist dies rein logisch eine andere Geschichte. Vgl. Martina Köchling, Demontagepolitik und Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen, Essen 1995.

56 Zu den Grundlagen des Booms neuerdings Lindlar, Wirtschaftswunder.

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