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Lottchen_m.doc
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22.05.2015
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1 Eine Stunde später steigt, vor einem Haus am Kärntner Ring, eine junge, elegante Dame aus einem Auto und verhandelt mit dem mürrischen Portier.

2 „Der Herr Kapellmeister?“ brummt er. „I woaß net, ob er droben ist!“

3 „Im Atelier ist Licht“, sagt sie. „Also ist er da! Hier!“

4 Sie drückt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei, zur Stiege.

5 Er betrachtet den Geldschein und schlurft in seine Wohnung zurück.

6 „Du?“ fragt Ludwig Palfy oben an der Tür.

7 „Erraten!“ bemerkt Irene Gerlach bissig und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zündet sich eine Zigarette an und mustert den Mann abwartend.

8 Er sagt nichts.

9 „Warum lässt du dich am Telefon verleugnen?“ fragt sie. „Findest du das sehr geschmackvoll?“

10 „Ich hab mich nicht verleugnen lassen.“

11 „Sondern?“

12 „Ich war nicht fähig, mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute. Das Kind war schwer krank.“

13 „Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wärst du doch in der Rotenturmstraße.“

14 Er nickt. „Ja, es geht ihm besser. Außerdem ist meine Frau drüben.“

15 „Wer?“

16 „Meine Frau. Meine geschiedene Frau. Sie kam heute Morgen mit dem anderen Kind.“

17 „Mit dem anderen Kind?“ echot die junge, elegante Frau.

18 „Ja, es sind Zwillinge. Erst war das Luiserl bei mir. Seit Ferienschluss dann das andere. Doch das hab ich gar nicht gemerkt. Ich weiß es erst seit gestern.“

19 Die Dame lacht böse. „Raffiniert eingefädelt von deiner Geschiedenen!“ „Sie weiß es auch erst seit gestern“, meint er ungeduldig.

20 Irene Gerlach verzieht ironisch die schön gemalten Lippen. „Die Situation ist nicht unpikant, gelt? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr, und in der anderen eine, mit der du noch nicht verheiratet bist!“

21 Ihn packt der Ärger. „Es gibt noch viel mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin!“

22 „Oh!“ Sie erhebt sich. „Witzig kannst du auch sein?“

23 „Entschuldige, Irene, ich bin nervös!“

24 „Entschuldige, Ludwig, ich auch!“

25 Bums! Die Tür ist zu, und Fräulein Gerlach ist gegangen!

26 Nachdem Herr Palfy einige Zeit auf die Tür gestarrt hat, wandert er zum Bösendorfer Flügel hinüber, blättert in den Noten zu seiner Kinderoper und setzt sich, ein Notenblatt herausgreifend, vor die Tasten.

27 Eine Zeitlang spielt er vom Blatt. Einen strengen, schlichten Kanon, in einer der alten Kirchentonarten. Dann moduliert er. Von Dorisch nach c-Moll. Von c-Moll nach Es-Dur. Und langsam, ganz langsam schält sich aus der Paraphrase eine neue Melodie heraus. Eine Melodie, so einfach und herzgewinnend, als ob zwei kleine Mädchen mit ihren hellen, reinen Kinderstimmen sie sängen. Auf einer Sommerwiese. An einem kühlen Gebirgssee, in dem sich der blaue Himmel spiegelt. Jener Himmel, der höher ist als aller Verstand, und dessen Sonne die Kreaturen wärmt und bescheint, ohne zwischen den Guten, den Bösen und den Lauen einen Unterschied zu machen.

Elftes Kapitel

Ein doppelter Geburtstag und ein einziger Geburtstagswunsch – Die Eltern ziehen sich zur Beratung zurück – Daumen halten! – Gedränge am Schlüsselloch – Missverständnisse und Einverständnis

1 Die Zeit, die, wie man weiß, Wunden heilt (исцеляет раны: die Wunde), heilt auch Krankheiten. Lottchen ist wieder gesund. Sie trägt auch wieder ihre Zöpfe und Zopfschleifen. Und Luise hat wie einst ihre Locken und schüttelt sie nach Herzenslust (сколько угодно: «по желанию сердца»: das Herz + die Lust).

2 Sie helfen der Mutti und der Resi beim Einkaufen und in der Küche. Sie spielen gemeinsam im Kinderzimmer. Sie singen zusammen, während Lottchen oder gar Vati (даже папа) am Klavier sitzt. Sie besuchen Herrn Gabele in der Nachbarwohnung. Oder sie führen Peperl aus, wenn der Herr Hofrat Sprechstunde hat (прием /посетителей/). Der Hund hat sich mit dem zwiefachen Luiserl abgefunden (примирился с, привык к двойной Луизочке), indem (тем способом, что) er seine Fähigkeit (способность; zu etwas fähig sein – быть способным на что-либо), kleine Mädchen gern zu haben (любить маленьких девочек), zunächst verdoppelt (сначала удвоил) und dann diese Zuneigung halbiert hat (а потом эту склонность разделил надвое). Man muss sich zu helfen wissen (нужно же уметь помочь себе = находить выход из положения; каждый спасается, как может).

3 Und manchmal, ja, da schauen sich die Schwestern ängstlich in die Augen. Was wird werden (что же будет, что же /нас всех/ ждет)?

1 Die Zeit, die, wie man weiß, Wunden heilt, heilt auch Krankheiten. Lottchen ist wieder gesund. Sie trägt auch wieder ihre Zöpfe und Zopfschleifen. Und Luise hat wie einst ihre Locken und schüttelt sie nach Herzenslust.

2 Sie helfen der Mutti und der Resi beim Einkaufen und in der Küche. Sie spielen gemeinsam im Kinderzimmer. Sie singen zusammen, während Lottchen oder gar Vati am Klavier sitzt. Sie besuchen Herrn Gabele in der Nachbarwohnung. Oder sie führen Peperl aus, wenn der Herr Hofrat Sprechstunde hat. Der Hund hat sich mit dem zwiefachen Luiserl abgefunden, indem er seine Fähigkeit, kleine Mädchen gern zu haben, zunächst verdoppelt und dann diese Zuneigung halbiert hat. Man muss sich zu helfen wissen.

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