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IlFrnk / Немецкий / Ilya_Frank_Nemetskiy_yazyik_s_E_M_Remarkom_T

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3»Ist es nicht ein reizendes Wesen (очаровательное существо; reizen –

раздражать /например, кожу/; дразнить; привлекать)?« fragte Frau Zalewski mit schwimmenden Blick.

4»Das kann man erst so in zwanzig, dreißig Jahren richtig beurteilen (судить,

высказать суждение; das Urteil – суждение; приговор)«, erwiderte ich und schielte nach dem Telefon (косясь на телефон). Hoffentlich (надеюсь, лишь бы) kam der Anruf (звонок) nicht gerade, während hier alles versammelt war.

5»Sehen Sie sich's doch mal richtig an«, forderte Frau Hasse mich auf (требовала от меня, побуждала меня: auffordern).

6Ich sah hin. Es war ein Säugling wie alle. Ich konnte nichts Besonderes daran entdecken. Höchstens die furchtbar (ужасно; die Furcht – страх) kleinen Hände und dass es merkwürdig war (странно, чудно), selbst auch mal so winzig gewesen zu sein

(что сам тоже был когда-то таким крошечным). »Der arme Wurm (бедный

червячок)«, sagte ich, »der hat noch keine Ahnung (никакого понятия,

представления; die Ahnung – предчувствие; etwas ahnen – предчувствовать что-либо), was ihm bevorsteht (предстоит). Möchte wissen, für was für einen Krieg der gerade zurechtkommt (на какую войну как раз поспеет)

7»Rohling (бесчувственный человек, грубиян; roh – сырой /невареный/; грубый)«, erwiderte Frau Zalewski. »Haben Sie denn kein Gefühl (чувства; fühlen –

чувствовать)

8»Viel zu viel«, erklärte ich, »sonst käme ich ja nicht auf solche Gedanken.« Damit zog ich ab in mein Zimmer.

9Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Ich hörte meinen Namen und ging hinaus. Richtig, die ganze Gesellschaft (общество) war noch da! Sie wich auch nicht (не ушли, не отступили: weichen – уклоняться, отходить), als ich den Hörer am Ohr hatte

und die Stimme von Patrice Hollmann vernahm (услышал: vernehmen), die sich für die Blumen bedankte. Im Gegenteil (напротив), der Säugling, der scheinbar (очевидно, как казалось; scheinen – казаться) der Vernünftigste von allen war (самым

разумным; die Vernunft – разум) und genug von der Afferei hatte (и которому надоело все это наигранное, преувеличенное внимание, все это жеманство; der Affe – обезьяна; affig – жеманный, манерный), fing plötzlich an zu brüllen (вдруг

начал орать: anfangen). »Entschuldigen Sie«, sagte ich verzweifelt (в отчаянии) in das Telefon, »ich kann Sie nicht verstehen, hier tobt ein Säugling (беснуется: toben – бушевать); aber es ist nicht meiner.«

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10Die Damen zischten wie ein Nest von Riesenschlangen (шипели, как гнездо гигантских змей: das Nest; die Schlange), um das schreiende Geschöpf zu beruhigen

(чтобы успокоить орущее существо; schöpfen – творить, создавать /высок./; der Schöpfer – творец). Sie erreichten prompt (достигли сразу, тут же /того/), dass es noch stärker loslegte (принялся: loslegen – начинать /фам./). Jetzt erst bemerkte ich, dass es tatsächlich ein besonderer Säugling war; seine Lungen (легкие: die Lunge) mussten bis in die Beine reichen (должно быть, доставали до ног, до бедер), anders war diese schmetternde Stimme nicht zu erklären (иначе нельзя было объяснить этот гремящий голос; schmettern – греметь, оглушительно звучать; заливаться). Ich war in einer schwierigen Lage (в трудном положении, в сложной ситуации); mit den Augen schoss ich wütende Blicke (бросал яростные взгляды: schießen – стрелять; der Blick) auf den Mutterkomplex vor mir, mit dem Munde versuchte ich freundliche

Worte in die Hörmuschel zu sprechen (в трубку; die Muschel – ракушка, раковина) – vom Scheitel (от темени: der Scheitel) bis zur Nase war ich Gewitter (гроза: das

Gewitter), von der Nase bis zum Kinn (до подбородка: das Kinn) eine sonnige Frühlingslandschaft –, es war mir ein Rätsel (загадкой: das Rätsel; raten – гадать), dass ich es fertigbrachte (удавалось; fertig – готовый; fertigbringen – удаваться: «доводить до готовности»), mich trotzdem zum nächsten Abend zu verabreden (договориться о встрече; reden – говорить).

11»Sie sollten sich eine schalldichte Telefonzelle anschaffen (вам надо бы

приобрести звуконепроницаемую телефонную будку; der Schall – звук; dicht –

плотный)«, sagte ich zu Frau Zalewski.

12Aber die war nicht auf den Mund gefallen (за словом в карман не лезла). »Wieso«, fragte sie funkelnd zurück (сверкая /глазами/; der Funke – искра), »haben Sie so viel zu verbergen (неужели вам так много приходится скрывать)

13Ich schwieg (промолчал: schweigen) und drückte mich (удалился, смылся; drücken – жать, нажимать). Mit aufgerührten Muttergefühlen soll man keinen Streit anfangen (с возбужденными материнскими чувствами не стоит вступать в спор,

ссору; rühren – шевелить; aufrühren – расшевелить, разбередить; взболтать). Die haben die Moral der ganzen Welt hinter sich.

1 Abends um sechs Uhr war ich pünktlich zu Hause. Als ich die Tür aufmachte, bot sich mir ein ungewohntes Bild. Auf dem Korridor stand Frau Bender, die Säuglingsschwester, umgeben von sämtlichen Damen der Pension. »Kommen Sie mal her«, sagte Frau Zalewski.

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2Die Ursache der Versammlung war ein schleifengeschmückter Säugling, der vielleicht ein halbes Jahr alt war. Frau Bender hatte ihn aus ihrem Heim in einem Kinderwagen mitgebracht. Es war ein völlig normales Kind; aber die Damen beugten sich mit einem Ausdruck so irrsinnigen Entzückens darüber, als wäre es der erste Säugling, den die Welt hervorgebracht hätte. Dazu stießen sie glucksende Rufe aus, zwirbelten mit den Fingern vor den Augen der kleinen Kreatur und spitzten die Lippen. Sogar Erna Bönig in ihrem Drachenkimono beteiligte sich an dieser Orgie platonischer Mütterlichkeit.

3»Ist es nicht ein reizendes Wesen?« fragte Frau Zalewski mit schwimmenden Blick.

4»Das kann man erst so in zwanzig, dreißig Jahren richtig beurteilen«, erwiderte ich und schielte nach dem Telefon. Hoffentlich kam der Anruf nicht gerade, während hier alles versammelt war.

5»Sehen Sie sich's doch mal richtig an«, forderte Frau Hasse mich auf.

6Ich sah hin. Es war ein Säugling wie alle. Ich konnte nichts Besonderes daran entdecken. Höchstens die furchtbar kleinen Hände und dass es merkwürdig war, selbst auch mal so winzig gewesen zu sein. »Der arme Wurm«, sagte ich, »der hat noch keine Ahnung, was ihm bevorsteht. Möchte wissen, für was für einen Krieg der gerade zurechtkommt.«

7»Rohling«, erwiderte Frau Zalewski. »Haben Sie denn kein Gefühl?«

8»Viel zu viel«, erklärte ich, »sonst käme ich ja nicht auf solche Gedanken.« Damit zog ich ab in mein Zimmer.

9Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Ich hörte meinen Namen und ging hinaus. Richtig, die ganze Gesellschaft war noch da! Sie wich auch nicht, als ich den Hörer am Ohr hatte und die Stimme von Patrice Hollmann vernahm, die sich für die Blumen bedankte. Im Gegenteil, der Säugling, der scheinbar der Vernünftigste von allen war und genug von der Afferei hatte, fing plötzlich an zu brüllen. »Entschuldigen Sie«, sagte ich verzweifelt in das Telefon, »ich kann Sie nicht verstehen, hier tobt ein Säugling; aber es ist nicht meiner.«

10Die Damen zischten wie ein Nest von Riesenschlangen, um das schreiende Geschöpf zu beruhigen. Sie erreichten prompt, dass es noch stärker loslegte. Jetzt erst bemerkte ich, dass es tatsächlich ein besonderer Säugling war; seine Lungen mussten bis in die Beine reichen, anders war diese schmetternde Stimme nicht zu erklären. Ich war in einer schwierigen Lage; mit den Augen schoss ich wütende Blicke auf den Mutterkomplex vor mir, mit dem Munde versuchte ich

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freundliche Worte in die Hörmuschel zu sprechen – vom Scheitel bis zur Nase war ich Gewitter, von der Nase bis zum Kinn eine sonnige Frühlingslandschaft –, es war mir ein Rätsel, dass ich es fertigbrachte, mich trotzdem zum nächsten Abend zu verabreden.

11»Sie sollten sich eine schalldichte Telefonzelle anschaffen«, sagte ich zu Frau Zalewski.

12Aber die war nicht auf den Mund gefallen. »Wieso«, fragte sie funkelnd zurück, »haben Sie so viel zu verbergen?«

13Ich schwieg und drückte mich. Mit aufgerührten Muttergefühlen soll man keinen Streit anfangen. Die haben die Moral der ganzen Welt hinter sich.

1Abends waren wir bei Gottfried verabredet (у нас была назначена встреча; sich verabreden – договориться о встрече). Ich aß in einer kleinen Kneipe (в трактире) und ging dann hin. Unterwegs (по дороге) kaufte ich mir im elegantesten

Herrenmodengeschäft zur Feier des Tages (в честь такого дня, по этому поводу: die Feier – празднество; feiern – праздновать) eine prachtvolle neue Krawatte (роскошный новый галстук; die Pracht – великолепие, роскошь; пышность). Ich war immer noch überrascht (поражен, удивлен), wie glatt alles gegangen war (как гладко все прошло), und ich gelobte mir (торжественно поклялся, дал обет), morgen seriös zu sein wie der Generaldirektor eines Beerdigungsinstitutes (похоронной конторы: die

Beerdigung – погребение; beerdigen – погребать; die Erde – земля).

2Gottfrieds Bude (жилье, комнатушка) war eine Sehenswürdigkeit

(достопримечательность; würdig – достойный). Sie hing voll von Reiseandenken (сувенирами из поездок: das Andenken – воспоминание; сувенир), die er aus Südamerika mitgebracht hatte. Bunte Bastmatten (соломенные маты; der Bast –

мочало, лыко; die Matte – циновка) an den Wänden, ein paar Masken, ein eingetrockneter Menschenschädel (высушенная человеческая голова; trocken – сухой), groteske Tontöpfe (глиняные кувшины, горшки: der Ton – глина + Der Topf –

горшок), Speere (копья: der Speer) und als Hauptstück eine großartige Sammlung von Fotografien, die eine ganze Wand einnahmen Indiomädchen und Kreolinnen, schöne, braune, geschmeidige (гибкие) Tiere von unbegreiflicher Anmut (исполненные

необычайного изящества) und Lässigkeit (и непринужденности; lässig –

непринужденный, расслабленный; lassen – оставлять).

3 Außer Lenz und Köster waren Braumüller und Grau noch da. Theo Braumüller hockte mit sonnenverbranntem, kupfernem Schädel (сидел с загорелой медно-

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красной плешью; das Kupfer – медь) auf der Sofalehne (на спинке дивана) und musterte begeistert (рассматривал с восторгом: «воодушевленно») Gottfrieds fotografische Sammlung (собрание, коллекцию; sammeln – собирать). Er war Rennfahrer (гонщик) für eine Autofabrik und seit langem (с давних пор) mit Köster befreundet. Am Sechsten fuhr er das Rennen mit, zu dem Otto Karl gemeldet hatte.

4Ferdinand Grau saß massig (массивно), aufgeschwemmt (разбухший; schwemmen

– смывать, сносить водой) und ziemlich betrunken am Tisch. Als er mich sah, zog er mich mit seiner breiten Pratze (лапой) zu sich heran. »Robby«, sagte er mit schwerer Stimme, »was willst du hier unter den Verlorenen (среди погибших: «пропащих»; verlieren – терять)? Du hast hier nichts zu suchen (тебе здесь нечего делать). Geh wieder weg. Rette dich (спасайся). Du kannst es noch!«

5Ich blickte zu Lenz hinüber. Er zwinkerte mir zu (подмигнул). »Ferdinand ist hoch in

Form. Er versäuft (пропивает) seit zwei Tagen eine liebe Tote (одну дорогую

покойницу). Hat ein Porträt verkauft und gleich Geld bekommen.«

6Ferdinand Grau war Maler. Dabei wäre er aber längst verhungert (давно бы умер с голоду; der Hunger – голод), wenn er nicht eine Spezialität gehabt hätte. Er malte nach Fotografien fabelhaft lebensechte Porträts von Verstorbenen (похожие портреты умерших; echt – подлинный) für pietätvolle Angehörige (для скорбящих родственников; die Pietät – почтение; почитание; благоговение; zu etwas angehören – принадлежать, иметь отношение к чему-либо; der Angehörige –

член семьи). Davon lebte er (на это он жил) sogar ganz gut. Seine Landschaften, die ausgezeichnet waren (превосходны; auszeichnen – выделять, отличать), kaufte kein Mensch. Das gab seiner Unterhaltung (придавало его беседе) einen etwas pessimistischen Unterton.

7»Ein Gastwirt (трактирщик) war's diesmal, Robby«, sagte er, »ein Gastwirt mit einer verstorbenen Erbtante (тетка, от которой ждут наследства: das Erbe) in Essig (уксус: der Essig) und Öl.« Er schüttelte sich (его передернуло; schütteln – трясти).

»Schauderhaft (жуть: «жутко»; der Schauder – дрожь, озноб)

8»Hör mal, Ferdinand«, erwiderte Lenz, »du solltest nicht so harte Ausdrücke gebrauchen (не стоит использовать такие резкие выражения: der Ausdruck). Du lebst ja von einer der schönsten menschlichen Eigenschaften (die Eigenschaft –

свойство): von der Pietät.«

9»Unsinn (ерунда: «бессмылица»)«, erklärte Grau, »ich lebe vom Schuldbewusstsein (сознание вины: die Schuld). Pietät ist nichts als

Schuldbewusstsein. Man will sich rechtfertigen (оправдаться) für das, was man dem

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lieben Verstorbenen bei Lebzeiten alles gewünscht und angetan hat (причинили: antun).« Er fuhr sich mit der Hand langsam über den glühenden Schädel (провел рукой

по разгоряченной голове, лысине; glühen – пылать). »Was meinst du (можешь себе представить; как ты думаешь), wie oft mein Gastwirt seiner Tante den Tod an den Hals gewünscht hat (чтоб сдохла: «желал смерть ей на шею») dafür lässt er sie jetzt in den feinsten Farben malen (просит нарисовать в самых лучших, нежных красках: die Farbe) und hängt sie übers Sofa. So ist sie ihm lieber. Pietät! Der Mensch erinnert sich seiner spärlichen (о своих скудных; sparen – экономить, сберегать) guten Eigenschaften immer erst, wenn es zu spät ist. Dann ist er gerührt darüber

(тронут, растроган), wie edel (благородным) er hätte sein können, und hält sich für tugendhaft (считает себя дободетельным; die Tugend – добродетель). Tugend, Güte (доброта), Edelmut (благородство, великодушие: der Edelmut)« er winkte mit seiner mächtigen Pratze ab (отмахнулся свой мощной лапищей) , »die wünscht man sich bei andern, damit man sie hereinlegen kann (чтобы их надуть, обставить)

10 Lenz grinste. »Du rüttelst an den Grundpfeilern der menschlichen Gesellschaft (потрясаешь устои общества: rütteln – трясти; der Pfeiler – cтолб, колонна; опора,

устой), Ferdinand!«

11»Die Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft sind Habgier (корыстолюбие: die Habe –имущество + die Gier – жадность, алчность), Angst und Korruption«, gab Grau zurück (возразил). »Der Mensch ist böse (зол), aber er liebt das Gute wenn andere es tun. « Er hielt Lenz sein Glas hin (протянул). »So, und nun schenk mir ein und rede nicht den ganzen Abend lass auch mal andere Leute zu Wort kommen.«

12Ich kletterte über das Sofa zu Köster hinüber. Mir war plötzlich etwas eingefallen

(пришла идея). »Otto, du musst mir mal einen Gefallen tun (сделать одолжение). Ich brauche morgen Abend den Cadillac.«

13Braumüller unterbrach (прервал: unterbrechen) das intensive Studium einer wenig bekleideten kreolischen Tänzerin. »Kannst du denn schon Kurven fahren (повороты: die Kurve)?« erkundigte er sich (осведомился). »Ich dachte bis jetzt, du könntest nur geradeaus fahren (прямо), wenn ein anderer für dich steuert (рулит; das Steuer –

штурвал; руль)

14»Sei du ruhig, Theo«, erwiderte ich, »aus dir werden wir beim Rennen am

Sechsten schon Hackfleisch machen (рубленое мясо; hacken – рубить; колоть)

15Braumüller gluckste vor Lachen. »Also wie ist das, Otto?« fragte ich gespannt

(напряженно /ожидая ответа/).

16 »Der Wagen ist nicht versichert (не застрахован), Robby«, sagte Köster.

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17»Ich werde wie eine Schnecke schleichen (красться, как улитка) und wie ein Omnibus hupen (гудеть, как автобус). Nur ein paar Kilometer in der Stadt.«

18Otto schloss die Augen bis auf einen kleinen Spalt (до щелочки) und lächelte. »Gut, Robby; meinetwegen (по мне так ладно, мне все равно)

19»Brauchst du den Wagen vielleicht zu deiner neuen Krawatte?« fragte Lenz, der herangekommen war.

20»Halt den Schnabel (заткнись: «придержи клюв»)«, sagte ich und schob ihn beiseite.

21Aber er ließ nicht locker (не отставал; locker – рыхлый, шаткий, неплотный).

»Zeig mal her, Baby!« Er befühlte die Seide (пощупал шелк). »Herrlich (великолепно). Unser Kind als Gigolo. Mir scheint, du willst auf Brautschau (на смотр невест, на смотрины; die Braut – невеста)

22»Du kannst mich heute nicht beleidigen (оскорбить, обидеть), du

Verwandlungskünstler (фокусник-трансформатор; die Verwandlung – превращение; verwandeln – превращать)«, erwiderte ich.

23»Brautschau?« Ferdinand Grau hob den Kopf. »Warum soll er denn nicht auf Brautschau gehen?« Er wurde lebhafter (оживленнее) und wandte sich mir zu. »Tu's ruhig, Robby! Du hast noch das Zeug dazu (у тебя еще есть на это способность, силы). Zur Liebe gehört eine gewisse Einfalt (для любви необходима известная, некая наивность, простота). Die hast du. Bewahre sie dir (сохрани же ее). Sie ist ein

Gottesgeschenk. Nie wieder zu kriegen (заново не получить, никогда не вернешь), wenn man sie mal verloren hat.«

24»Nimm dir's nicht allzu sehr zu Herzen (не принимай близко к сердцу)«, grinste Lenz. »Dumm geboren zu werden (родиться дураком: «быть рожденным глупым») ist keine Schande (не стыдно: «не стыд, не позор»). Nur dumm zu sterben.«

25»Schweig, Gottfried.« Grau wischte ihn mit einer Bewegung seiner mächtigen

Tatze beiseite (отмел в сторону своей лапой). »Auf dich kommt's nicht an (ты тут вообще не при чем), du Etappenromantiker (обозный романтик). Um dich ist's nicht schade (тебя не жалко)

26»Sprich dich nur ruhig aus (выскажись = излей душу), Ferdinand«, sagte Lenz. »Aussprechen erleichtert immer (облегчает)

27»Du bist ein Drückeberger (сачок, симулянт; sich drücken – убраться, смыться)«, erklärte Grau, »ein pathetischer Drückeberger.«

28»Sind wir alle (все мы таковы)«, grinste Lenz. »Wir leben nur noch von Illusionen und Krediten.«

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29»Jawohl (вот именно)«, sagte Grau und sah uns der Reihe nach (по очереди: die Reihe – ряд) unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an (из-под своих

клочкастых бровей). »Von Illusionen aus der Vergangenheit (из прошлого) und Krediten auf die Zukunft (на будущее).« Dann wandte er sich mir wieder zu. »Einfalt habe ich gesagt, Robby. Nur neidische Leute (завистливые; der Neid – зависть) nennen es Dummheit. Kränke dich nicht deswegen (не обижайся на это: «из-за этого»). Es ist kein Fehler (недостаток), sondern eine Begabung (дар, одаренность,

талант)

30Lenz wollte etwas einwerfen (вставить). Aber Ferdinand sprach schon weiter. »Du weißt, was ich meine. Ein einfaches Gemüt (простая душа), noch nicht zerfressen (не разъеденная) von Skepsis und Überintelligenz. Parzival war dumm. Wäre er klug gewesen, hätte er nie den heiligen Gral erobert (не овладел бы Святым Граалем).

Nur wer dumm ist, siegt im Leben (побеждает); der andere sieht viel zu viele

Hindernisse (препятствий: das Hindernis; hindern – препятствовать) und wird unsicher (становится неуверенным), ehe er beginnt (прежде чем начнет). In schwierigen Zeiten ist Einfalt das kostbarste Gut (cамое ценное, драгоценное владение) ein Zaubermantel (волшебный плащ; der Zauber – колдовство), der Gefahren verbirgt (который скрывает опасности: die Gefahr; verbergen), in die der Superkluge (сверхумник) wie hypnotisiert hineinrennt (наскакивает: «вбегает»)

31Er trank einen Schluck (глоток) und sah mich mit seinen riesigen blauen Augen an, die wie ein Stück Himmel in dem zerklüfteten Gesicht saßen (в его изборожденном

лице; die Kluft – расселина, ущелье, пропасть). »Nie zu viel wissen wollen, Robby! Je weniger man weiß, desto einfacher ist es, zu leben. Wissen macht frei – aber unglücklich. Komm, trink mit mir auf die Einfalt, die Dummheit und was zu ihr gehört auf die Liebe, den Glauben an die Zukunft, die Träume vom Glück , auf die herrliche

Dummheit, das verlorene Paradies (утерянный рай) «

32Er saß schwer und massig da, plötzlich in sich selbst und seine Trunkenheit versunken (погружен: versinken), wie ein einsamer Hügel (одинокий холм) von unangreifbarer Schwermut (неисповедимой тоски; unangreifbar – неприступный;

неоспоримый; angreifen – нападать, атаковать). Sein Leben war kaputt, und er wusste, dass er es nicht mehr zusammenbringen konnte. Er hauste in seinem großen

Atelier und hatte ein Verhältnis mit seiner Haushälterin (связь с экономкой). Die Frau war fest und derb (крепкая = суровая и грубоватая: derb – крепкий; грубый), Grau dagegen, trotz seines mächtigen Körpers, empfindsam (чувствителен) und haltlos

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(несдержан). Er kam nicht los von ihr (никак не мог порвать с ней), und es war ihm wohl auch schon egal. Er war zweiundvierzig Jahre alt.

33Obschon ich wusste, dass es die Betrunkenheit war, fühlte ich doch einen leisen, merkwürdigen Schauer (дрожь, трепет), als ich ihn so sah. Er kam nicht oft und trank fast immer allein in seinem Atelier. Das bringt einen rasch 'runter (быстро ведет к гибели: «опускает», заставляет опуститься).

34Ein Lächeln huschte über sein Gesicht (улыбка промелькнула по его лицу). Er drückte mir ein Glas in die Hand. »Trink, Robby. Und rette dich. Denk daran, was ich dir gesagt habe.«

»Gut, Ferdinand!«

35Lenz zog das Grammophon auf (завел /например, о стенных часах/: aufziehen). Er hatte einen Haufen Negerplatten (куча негритянских пластинок) und spielte ein paar vom Mississippi, von Baumwollpflückern (о собирателях хлопка; die Baumwolle

– хлопок; pflücken – срывать) und von den schwülen Nächten (о душных ночах) an den blauen tropischen Flüssen.

1Abends waren wir bei Gottfried verabredet. Ich aß in einer kleinen Kneipe und ging dann hin. Unterwegs kaufte ich mir im elegantesten Herrenmodengeschäft zur Feier des Tages eine prachtvolle neue Krawatte. Ich war immer noch überrascht, wie glatt alles gegangen war, und ich gelobte mir, morgen seriös zu sein wie der Generaldirektor eines Beerdigungsinstitutes.

2Gottfrieds Bude war eine Sehenswürdigkeit. Sie hing voll von Reiseandenken, die er aus Südamerika mitgebracht hatte. Bunte Bastmatten an den Wänden, ein paar Masken, ein eingetrockneter Menschenschädel, groteske Tontöpfe, Speere und als Hauptstück eine großartige Sammlung von Fotografien, die eine ganze Wand einnahmen Indiomädchen und Kreolinnen, schöne, braune, geschmeidige Tiere von unbegreiflicher Anmut und Lässigkeit.

3Außer Lenz und Köster waren Braumüller und Grau noch da. Theo Braumüller hockte mit sonnenverbranntem, kupfernem Schädel auf der Sofalehne und musterte begeistert Gottfrieds fotografische Sammlung. Er war Rennfahrer für eine Autofabrik und seit langem mit Köster befreundet. Am Sechsten fuhr er das Rennen mit, zu dem Otto Karl gemeldet hatte.

4Ferdinand Grau saß massig, aufgeschwemmt und ziemlich betrunken am Tisch. Als er mich sah, zog er mich mit seiner breiten Pratze zu sich heran.

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»Robby«, sagte er mit schwerer Stimme, »was willst du hier unter den Verlorenen? Du hast hier nichts zu suchen. Geh wieder weg. Rette dich. Du kannst es noch!«

5Ich blickte zu Lenz hinüber. Er zwinkerte mir zu. »Ferdinand ist hoch in Form. Er versäuft seit zwei Tagen eine liebe Tote. Hat ein Porträt verkauft und gleich Geld bekommen.«

6Ferdinand Grau war Maler. Dabei wäre er aber längst verhungert, wenn er nicht eine Spezialität gehabt hätte. Er malte nach Fotografien fabelhaft lebensechte Porträts von Verstorbenen für pietätvolle Angehörige. Davon lebte er sogar ganz gut. Seine Landschaften, die ausgezeichnet waren, kaufte kein Mensch. Das gab seiner Unterhaltung einen etwas pessimistischen Unterton.

7»Ein Gastwirt war's diesmal, Robby«, sagte er, »ein Gastwirt mit einer verstorbenen Erbtante in Essig und Öl.« Er schüttelte sich. »Schauderhaft.«

8»Hör mal, Ferdinand«, erwiderte Lenz, »du solltest nicht so harte Ausdrücke gebrauchen. Du lebst ja von einer der schönsten menschlichen Eigenschaften: von der Pietät.«

9»Unsinn«, erklärte Grau, »ich lebe vom Schuldbewusstsein. Pietät ist nichts als Schuldbewusstsein. Man will sich rechtfertigen für das, was man dem lieben Verstorbenen bei Lebzeiten alles gewünscht und angetan hat.« Er fuhr sich mit der Hand langsam über den glühenden Schädel. »Was meinst du, wie oft mein Gastwirt seiner Tante den Tod an den Hals gewünscht hat dafür lässt er sie jetzt in den feinsten Farben malen und hängt sie übers Sofa. So ist sie ihm lieber. Pietät! Der Mensch erinnert sich seiner spärlichen guten Eigenschaften immer erst, wenn es zu spät ist. Dann ist er gerührt darüber, wie edel er hätte sein können, und hält sich für tugendhaft. Tugend, Güte, Edelmut« er winkte mit seiner mächtigen Pratze ab , »die wünscht man sich bei andern, damit man sie hereinlegen kann.«

10Lenz grinste. »Du rüttelst an den Grundpfeilern der menschlichen Gesellschaft, Ferdinand!«

11»Die Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft sind Habgier, Angst und Korruption«, gab Grau zurück. »Der Mensch ist böse, aber er liebt das Gute wenn andere es tun. « Er hielt Lenz sein Glas hin. »So, und nun schenk mir ein und rede nicht den ganzen Abend lass auch mal andere Leute zu Wort kommen.«

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