Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
Bis_zur_Grossen_Freiheit.doc
Скачиваний:
4
Добавлен:
01.11.2018
Размер:
650.75 Кб
Скачать

Videodreh 2

Mittlerweile hatten die Fans über ein Voting den Titel „Freiheit" zu ihren Favoriten gewählt und dieser wurde mit zusätzlichen Bonusliedern wiederum veröffentlicht. Nachdem wir nun das Material der Konzertaufzeichnung gesehen hatten und davon begeistert waren, wollten wir noch einige Features für die nun geplante DVD aufnehmen. Wir planten mit der Videofirma einen zusätzlichen Dreh in der freien Natur, um einige schöne Aufnahmen hinzubekommen, der im Kontrast zur doch dunklen Bühnenshow stehen sollte. Da es mein erster Dreh mit dieser Firma war, wusste ich im Grunde genommen gar nicht, was nun auf mich zukommen sollte.

Wir hatten alle im Vorfeld viel mit der Videofirma telefoniert und daher wusste ich lediglich ungefähr, was mich an Motiven erwartete. Allerdings war das auch alles. Ich war gespannt und machte mich spät in der Nacht auf die Reise nach Nürnberg, wo der Dreh stattfinden sollte.

Es war zu dieser Zeit Hochsommer und der Mohn leuchtete auf den Feldern in einem sonnengelb, wie man es nur zu dieser Jahreszeit sehen kann. Der Ort wo er Dreh stattfinden sollte, war unglaublich schön. Da gab es Kilometerweit diese Felder. Das Videoteam kannte ich schon von der Konzertaufzeichnung und fühlte mich bei dem kompletten Dreh sehr wohl.

Es war im Grunde mit einer Fotosession zu vergleichen, nur diesmal bewegt. Wir drehten viel an verschiedenen Orten und hatten jede Menge Spaß dabei. Im Grunde ging der Drehtag von Morgens um vier Uhr bis in die darauf folgende Nacht um zwei Uhr. Es war sehr lang, aber es war toll und machte mir damals unglaublich viel Spaß. Ich weiß noch, wie ich mitten in der Nacht ins Bett meines Hotelzimmers fiel und völlig platt war. In den darauf folgenden Tagen wurde somit das gedrehte Material sondiert und die Videofirma machte ein paar schone Sachen daraus, die auf die geplante DVD kommen sollten.

Wir fragten sie damals, ob sie nicht ein Video aus dem vorhandenen Material machen könnten, da es bis dahin noch keines gab. Als Titel dafür nahmen wir das Lied „Freiheit", welches die Fans gewählt hatten. Einige Tage später hatten wir nun ein Video dieses Songs und wir entschieden uns das ganze einfach an einige Fernsehstationen zu schicken.

Allerdings erwarteten wir nun letztendlich nicht viel. Aber einen Versuch war es uns damals wert. Irgendwann bekamen wir dann die Nachricht, dass das Video doch tatsächlich bei Viva in der Rubrik „Get the clip" zur Auswahl stand. Das war damals eine der Sendungen, wo die Zuschauer anrufen konnten, wenn sie ein Video sehen wollten. Ich freute mich damals riesig darüber. Gerechnet hatte keiner von uns damit, dass unser Freiheit-Video, was letztendlich nur mal nebenbei aus den Aufnahmen zur DVD zusammengeschnitten worden ist vielleicht im Fernsehen laufen könnte. Allerdings mussten nun genügend Leute für uns anrufen, erst dann hätten wir eine Chance auch gesendet zu werden.

In den darauf folgenden Tagen sendeten wir allerhand News an alle Fans, die sich bis zu diesem Zeitpunkt auf unserer Homepage angemeldet hatten, mit der Bitte für uns anzurufen. Ebenso nervte ich tagelang alle Bekannten und Freunde und meine Familie, das sie doch bitte für uns anrufen mögen. Der einzelne Anruf kostete damals 50 Cent, was schon 'ne ganze Menge Geld ist, wenn man ein paar Mal anrufen will. Irgendwann war es dann soweit. Das Lied Freiheit stand nun wirklich in der Auswahl der Titel und wir konnten somit anrufen. Die Sendung dauerte eine Stunde und nach kurzer Zeit war es dann auch soweit, dass der Freiheit Videoclip gezeigt wurde. Ich weiß noch ganz genau, wie ich zuhause saß und völlig aufgeregt alle anrief, die ich zu dem Zeitpunkt telefonisch erreichen konnte, ob sie es auch gesehen hatten. Ich war scheinbar damals ziemlich überdreht, aber alle freuten sich mit mir. In den nächsten Tagen allerdings merkte ich, dass es scheinbar nicht überall so positiv aufgenommen wurde, das unser Freiheit Video nun gesendet worden war. Einige Fans hatten sich aufgrund der Ausstrahlung ins Gästebuch eingetragen und äußerten sich ziemlich negativ darüber.

Sie meinten wir hätten uns verkauft, würden nun kommerziell und sie wären völlig enttäuscht von mir.

Die Musik hätte nun keinen Reiz mehr für sie und sie würden alle gesammelten Alben nun verkaufen, was letztendlich auch passierte. Ich stöberte bei Ebay herum und fand eine ganze Menge Fans, die dies taten und verstand die Welt nicht mehr. Warum in aller Welt macht man so etwas, dachte ich. Meine Musik ist doch nicht anders, besser oder schlechter als vorher, nur weil sie jetzt im Fernsehen lief. Depeche Mode oder Sisters of Mercy würden heute auch nicht so viele kennen, wenn sie nicht irgendwann einmal im Fernsehen gewesen wären.

Ebenso verstehe ich bis heute nicht, warum man sich verändern sollte, wenn man im Fernsehen ist. Ich kann es bis heute nicht verstehen, warum sich scheinbar bei diesem Thema die Geister scheiden, aber ich muss es akzeptieren, dass dies für einige Fans immer wieder ein Grund ist, sich letztendlich von der Musik abzuwenden. Damals war es das erste Mal, dass ich mit dieser Thematik konfrontiert wurde. Ich habe zuvor nie daran gedacht, dass es auch negative Reaktionen geben könnte, wenn die Musik im Fernsehen gezeigt wird. Ich für meinen Teil hatte mich darüber sehr gefreut. Verändert hat es allerdings in meinem Verhalten nichts. Ich blieb meiner Denkweise und der Musik, die ich machte, treu! Damals wusste ich nicht, das ich mich mit diesem Thema wohl noch häufiger auseinandersetzten sollte. Ich freute mich damals einerseits über die Ausstrahlung des Videos, andererseits war ich auch ziemlich enttäuscht, das sich einige von der Musik abwendeten.

In den nächsten Monaten stand der Titel weiterhin zur Wahl und wurde immer wieder von vielen Fans gewählt, so dass er nun unzählige Male bei dieser Sendung lief. Das freute mich umso mehr. Schienen sich doch viele ebenfalls darüber sehr zu freuen, das die Musik nun im Fernsehen gesendet wurde.

Irgendwann gab es die Sendung bei Viva nicht mehr. Sie wurde eingestellt, was wohl daran lag, das der komplette Fernsehsender mal wieder umstrukturiert wurde. Das Ergebnis der Umstrukturierung war dann, dass man dort den ganzen Tag Rätsel lösen konnte, wenn man irgendwelche Nummern anruft.

Einen richtigen Musiksender aus Deutschland gab es nun leider nicht mehr. Ziemlich peinlich, dachte ich damals. Die letzte Ausstrahlung von „Get the Clip" habe ich damals noch einmal gesehen und ich freute mich darüber, dass der letzte Titel, der damals in dieser Sendung gesendet wurde „Freiheit" war.

Moderne Zeiten

Zu dieser Zeit, ging es im Grunde immer nur um die Musik und alles lief recht unscheinbar und ohne irgendwelche Besonderheiten ab. Wir spielten mittlerweile immer mehr Festivals und es kamen immer mehr Menschen zu den Konzerten. Allerdings waren wir immer noch recht unbekannt, wenn man es mit anderen Bands der Szene vergleicht.

Ich begann zu dieser Zeit mich mit dem neuen Album zu beschäftigen. Musikalisch wollte ich hier auf Zelluloid noch einen draufsetzten und somit beschäftigte ich mich in den kommenden Monaten lediglich damit einen musikalischen Rahmen zu schaffen. Im Grunde bastelte ich nur an Sounds und Rhythmen rum ohne wirklich zu schreiben.

Ich hatte einige Ideen für ein Konzept im Hinterkopf und irgendwann war der Moment da, wo ich das Lied Horizont schrieb. Die Thematik befasste sich mit der gesamten Modernen Welt. Ich wollte über etwas schreiben, was wesentlich entfernter von Religion oder anderen altertümlichen Dingen ist. Ich wollte etwas Modernes, etwas was jeden Menschen umgibt.

So viel mir der Titel „Moderne Zeiten" ein und ich begann damit über alles zu schreiben, was mich umgab. Es flössen schon wie bei Zelluloid damals viele Emotionen und Gedanken als Ideen in die Lieder ein und somit waren die Lieder wieder autobiographisch. In den darauf folgenden Wochen schrieb ich Lied für Lied. Allerdings war es das erste Mal, dass ich mich ziemlich von der gesamten Außenwelt abkapselte. Ich schloss mich im Grunde komplett von der Außenwelt ab und hielt lediglich durch Telefon und eMails Kontakt zu meiner Außenwelt. Warum das so extrem war, kann ich heute immer noch nicht sagen. Vielleicht brauchte ich es einfach. Dieses Extrem war eine völlig neue Freiheit, sich mit der Musik zu beschäftigen und sonst mit nichts anderem. Ich dachte viel über alles nach, was mich berührt, welche Ängste ich hatte und wie ich mich selber in meiner Umgebung sehe. Mit all den Gedanken, die mir durch den Kopf flogen stand ich morgens auf, ging ins Studio und abends oder oft auch nachts wieder ins Bett.

Alles andere empfand ich als nebensächlich und ich beschäftigte mich nicht damit. Die Ideen zu den Liedern umarmten mich regelrecht und ich versank in den Liedern. Zu dieser Zeit war es schwer für mich nebenbei quasi einen Auftritt auf einem Festival zu machen. Es war schwer aus dieser Abgeschiedeneinheit wieder in die Auftrittsweit zu kommen. Nach einigen Monaten hatte ich „Moderne Zeiten" geschrieben und fertig produziert.

Ich merkte, dass es ein anderes Album geworden war, als die Vorgänger. Wesentlich erwachsener, allerdings auch ruhiger. Daraufhin legten wir wieder den Termin zur Veröffentlichung fest und entschieden uns nun zum ersten Mal selber eine eigene Tour auf die Beine zu stellen und nicht mit jemand anderem, der schon bekannter war auf Tour zu gehen. 1

Markus und Ollie meinte, das die Zeit nun gekommen wäre. Ich hingegen hatte ziemlichen Bammel dabei. Ich hoffte, dass sie recht hatten, hatte allerdings noch jede Menge Angst, dass es vielleicht in die Hose gehen könnte und zu wenig Leute kommen würden. Wir benötigten eine stattliche Anzahl an Besuchern, um eine erfolgreiche Tournee zu haben. Markus und Ollie glaubten fest daran, ich hingegen hatte da meine Bedenken.

Nun gingen wir auf die Suche nach jemandem, der uns auf Tour als Opener begleiten könnte. Wir schrieben damals alle an und verzichteten auch auf irgendwelche finanziellen Dinge und sagten lediglich, dass derjenige der mitkommt sich selber um Hotel und alles andere kümmern müsste. Wir verzichteten auf Forderungen, sich bei den Shows einzukaufen.

Damals wollte niemand mitfahren. Niemand schien Interesse zu haben oder dachte anscheinend, dass diese Tour ein Erfolg werden könnte. Somit hatten wir niemanden, bis auf eine Dame, die Musik in Richtung Enja machte. Sie wollte gerne mit und so kam es auch. Mir schien es damals als sehr angenehm jemanden mitzunehmen, der das Publikum mit ruhiger Musik unterhält.

Die Tour sollte wie immer ablaufen. Wir wollten mit dem Bulli in die einzelnen Städte fahren und dort ein Hotelzimmer nehmen. Irgendwann packten wir die Sängerin mit ein und die Reise zu unserem ersten Auftrittsort ging los. Diese Tour gestaltete sich vom ersten bis zum letzten Konzert anders als das, was ich erwartete. Sie war gut besucht, womit im Grunde keiner gerechnet hatte.

Wir schafften bei dieser Tour einen gesunden Zuschauerschnitt und somit war sie ein voller Erfolg. Wir waren alle überglücklich und schlössen die „Goldene Zeiten Tour", wie sie letztendlich hieß mit einem unglaublichen Konzert in Berlin ab. Aus heutiger Sicht, war es eine der schönsten Tourneen, die ich bis dato erlebt habe. Es war die erste Tour bei der das Publikum die Lieder in den Refrains lautstark mitsang und ich immer mehr Sicherheit auf der Bühne bekam. Ebenso war es die erste Tour, bei der Markus mitgefahren war und ich konnte mich immer wieder mit ihm über alles musikalische unterhalten.

Alles lief nun noch perfekter und geplanter ab. Allerdings merkte ich bei dieser Tour schon, dass es unglaublich anstrengend für mich war. Autogrammstunden und Treffen vor und nach den Konzerten und eine zweistündige Show, forderten ihren Preis und ich war nach der Tour körperlich am Ende.

Ich machte zwar immer Sport und ernährte mich das ganze Jahr über gesund. Allerdings schien das noch nicht zu reichen. Nach dieser Tour brauchte ich fast drei Wochen um mich wieder zu erholen, was letztendlich kein Problem war, da ich mir die Zeit auch nehmen konnte. Ich war zum damaligen Zeitpunkt froh, alles überstanden zu haben.

In dieser Zeit fand damals wieder das Fanvoting statt, wo die Unheiligfans ihr Lieblingslied küren konnten und ihre Wahl auf „Astronaut" fiel. Dieses Lied wurde als EP mit einigen Bonusliedern am 09.06.2006 veröffentlicht. Aufgrund der schönen Reaktionen gerade zu den Balladen von Moderne Zeiten, hatte ich damit gerechnet und freute mich sehr darüber das es gerade dieser Titel geworden ist. Zu dieser Zeit lief es mit Unheilig schon recht erfolgreich, allerdings musste ich damals einige, nennen wir es mal private Tiefschläge einstecken, weil ein lieber Mensch aus meiner Familie leider ziemlich überraschend von uns ging. Astronaut spiegelte im Grunde das wieder, was ich damals empfand und somit hatte dieses Lied damals eine noch intensivere Bedeutung.

Das Lied half mir, obwohl ich es schon unendlich oft gesungen hatte über diese recht schwere Zeit hinweg und daher bedeutet es mir heute noch sehr viel.

Der erste Fernsehauftritt

Nachdem wir eine recht erfolgreiche Tour hinter uns gebracht hatten, klingelte irgendwann wohl das Telefon bei Markus und Ollie und es war eine Promotionsagentur dran, die für den Sender Pro Sieben arbeitete.

Sie meinten, es gäbe bald eine Fernsehsendung, die Frank der Weddingplaner heissen würde. Dort sollten Menschen von Frank Mathe eine komplette Hochzeit arrangiert bekommen, wenn sie heiraten würden. Nun gäbe es dort wohl ein Pärchen, die sich wohl nichts sehnlicher wünschten, als das Unheilig auf ihrer Hochzeit spielen würden. Die Frage an uns wäre nun, ob wir das machen könnten oder nicht. Ich weiß noch genau, wie mich Markus irgendwann anrief und mir davon erzählte. Ich weiß nicht mehr so genau, was ich damals gedacht habe. Ich weiß nur, das ich mir ganz und gar nicht sicher war, ob ich das nun machen wollte oder nicht. Markus meinte damals zu mir, dass ich mir das alles in Ruhe überlegen sollte, was ich nun täte. Ich bat ihn um ein paar Tage Bedenkzeit.

Ich war damals hin und her gerissen. Viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Ich dachte darüber nach, was die Unheiligfans dazu sagen würden. Würde es wieder viele geben, die danach nichts mehr mit Unheilig zu tun haben wollten, so wie damals bei dem Freiheit Video? Wie würden wir in dieser Sendung rüberkommen? So wie wir sind oder so wie uns der Sender vielleicht nur darstellen wollte, damit wir in irgendein Weltbild von denen reinpassten?

Die konnten doch nichts mit der Szene und der Musik anfangen. Ich hatte ein paar schlaflose Nächte vor mir. Ich wusste die letztendlich Lösung wirklich nicht. Mit meinen Gedanken drehte ich mich im Kreis und war hin und her gerissen. Irgendwann rief mich Markus an und meinte, ob ich mich nun entschieden hätte. Er müsse denen von Pro sieben nun bald eine Antwort geben. Aus dem Bauch heraus sagte ich damals: „Lass es uns machen".

Eine genaue Begründung kann ich nicht sagen. Es war vielleicht auch ein wenig Neugier dabei, was nun alles auf mich zukäme Schließlich hatten wir bis dato noch niemals mit einem Fernsehsender zusammengearbeitet. Ich war ziemlich gespannt auf das, was nun kommen würde und hatte allerdings auch ein mulmiges Gefühl, was letztendlich dabei herauskommen könnte.

In den nächsten Wochen sollte uns nun die Braut bei den Proben besuchen kommen und dort sollte ebenso der erste Dreh zur Sendung stattfinden. Wir probten wie immer im Münsterland und warteten nun darauf, dass an diesem Tag die Braut mit dem gesamten Drehteam von Pro Sieben vorbeikommen würde.

Wir spielten einige Lieder und irgendwann ging auch die Tür auf und der ganze Tross vom Sender und die Braut kamen in unseren Proberaum. Es wurde damals einige Stunden gedreht und irgendwann schien der Redakteur zufrieden zu sein. Ich hatte damals ein gutes Gefühl. Alle waren sehr nett und ich hatte nicht das Gefühl, dass wir in irgendeiner Art und Weise negativ rübergebracht werden sollten. Eher das Gegenteil war der Fall.

Der nächste Dreh sollte nun am Tage der Hochzeit des Brautpaares stattfinden. Sie würden auf einem Boot heiraten, hieß es und wir sollten dann auf dem Bootsteg bei der Ankunft des Paares und beim ablegen des Bootes die Lieder „Mein Stern" und „Astronaut" spielen.

Schöne Idee, dachte ich damals und war gespannt, wie das nun alles funktionieren würde. Die Organisation lief zum damaligen Zeitpunkt ziemlich gut. Da mit der Firma, die die ganze Hochzeit organisierte, nun alles Hand in Hand organisiert werden konnte, schafften wir es so einiges Aufzubauen, was das Ganze noch schöner erscheinen ließ. Im Grunde wurde eine komplette Bühne organisiert und aufgebaut, damit auch alles vernünftig und ansprechend aussah.

Der Drehtag selber, lief im Grunde sehr gut ab. Das Wetter war zwar ein wenig durchwachsen, aber letztendlich hatten wir doch Glück. Das Braupaar und speziell der Bräutigam, der mit der ganzen Geschichte überrascht wurde, freuten sich sehr und irgendwann war auch schon wieder alles vorbei.

Als wir uns wieder auf dem Heimweg machten, waren wir nun alle ziemlich gespannt darauf, wie es nun letztendlich im Fernsehen überkommen würde. Einige Wochen später wurde die Sendung dann ausgestrahlt.

Alles in allem war der tolle Tag des Brautpaares richtig schön eingefangen worden und ab und an waren auch wir zu sehen und zu hören. In den darauf folgenden Stunden nach der Sendung brach dann unsere Homepage wegen Überlastung zusammen. Scheinbar hatten nun durch die Ausstrahlung so viele Menschen den Weg zur Homepage gefunden, dass diese zusammengebrochen war.

Wir waren alle völlig überrascht darüber. Waren es doch lediglich einige Minuten gewesen, in denen wir im Fernsehen zu sehen und zu hören waren. Alles eher im Hintergrund. Aber scheinbar hatte das seine Spuren hinterlassen.

Was darauf folgte, war eine Vielzahl an schönen Reaktionen seitens der Menschen, die Unheilig schon kannten aber auch sehr viele, die Unheilig scheinbar dort zum ersten Mal gesehen hatten. Ich war überwältigt. Ich hätte nie geglaubt, dass ein so kurzer Moment solche Folgen haben könnte.

Allerdings fingen auch wieder die Einträge seitens einiger Fans an, dass wir uns nun verkauft hätten oder kommerziell geworden seien und ich mich nun verändern würde und nun keine Zeit mehr bei Konzerten für die Fans hätte. Ich verstand damals immer noch nicht, warum so viele glauben, dass dies nun eintreffen würde. Scheinbar ist diese Reaktion seitens der Fans aber normal, wenn man bekannter wird. Ich würde es immer wieder machen, dachte ich mir damals. Schließlich haben dadurch scheinbar viele andere Menschen meine Musik erst kennen gelernt.

Festivaltour

Noch im gleichen Jahr, im Anschluss an unsere „Goldenen Zeiten Tour", überlegten wir mit anderen Bands auf eine Festivaltour zu gehen. Wir fanden diese Idee durchaus interessant, da nur noch ein paar Festivals anstanden und wir ansonsten offen für neue Dinge waren.

Wir hatten die Möglichkeit auf der Orkus Tour mitzufahren. Wir sollten mit drei anderen Bands spielen und abwechselnd als Headliner auftreten. Wir sagten zu und die Planung konnte losgehen.

Markus und ich hatten schon lange die Idee, ein Duett mit einem Künstler zu machen, wenn man gemeinsam mit einer anderen Band auf Tour ist. Wir hielten es für eine gute Sache für die Fans, die so im Grunde auch einen Song für eine Tour mit jedem Auftritt präsentiert bekommen könnten. Es sollte etwas besonderes sein und nicht nur ein Lied auf einer CD.

Irgendwann stand das WGT wieder an und ich entschied mich den Sänger der Band einfach darauf anzusprechen, ob er vielleicht Lust hätte, mit mir zusammen ein Duett zu machen. Ich war damals recht aufgeregt, da ich ihn lediglich von der Musik her kannte. Ich hatte ihn einmal im Fernsehen bei Viva mit einem Song gesehen. Allerdings war das schon einige Zeit her.

Ich wusste, dass er am Abend irgendwo als DJ auflegte und ging somit mit Markus dorthin. Dort trafen wir ihn und sprachen miteinander über die Idee ein Duett zur Orkus Tour zu machen. Er fand die Idee direkt gut und somit war alles weitere klar. Wir würden uns die nächsten Tage in Verbindung setzten und ich könnte schon mal anfangen einen Song zu schreiben.

In den darauf folgenden Tagen schrieb ich „Ich will leben". Es war für mich neu, ein Lied zu schreiben, bei dem ich von vornherein wusste, dass es nun zwei Leute singen sollten. Ich achtete beim schreiben darauf, dass jeder seinen Part hätte, es abwechslungsreich wäre und wenn möglich beide Stile miteinander vereinte. Als das Demo fertig war, schickte ich es ihm per Internet zu und wir telefonierten.

Er fing dann an in seinem Studio seine Parts einzusingen und spielte auch noch einige Instrumente ein, die für seine Art der Musik typisch waren. Dann würde das Ganze wieder per Internet zu mir geschickt und ich konnte es in meinem Studio in den Rechner laden und zu Ende produzieren. Oh, du schöne Welt des Internets, dachte ich. Von dem Ergebnis waren wir damals alle begeistert und wir spielten es bei unserer gemeinsamen Tour jeden Abend. Die gesamte Tour war sehr erfolgreich. Es kamen sehr viele Zuschauer. Die Kombination der Gruppen schien den Leuten zu gefallen und der Weddingplaner hatte auch seinen Teil dazu getan, dass so viele Besucher da waren. Auch bei dieser Tour war ich schon vor den Auftritten bei den Fans. Gerade jetzt, wo viele von Ihnen dachten, ich hätte nun keine Zeit mehr für sie, wollte ich ihnen jetzt erst recht zeigen, dass dies nicht der Fall wäre und ich immer Zeit für sie hätte. Es war ziemlich anstrengend und ging an die Substanz, denn diesmal waren doch sehr viele gekommen, sodass die AutSgrammstunden immer einige Stunden dauerten.

Irgendwann flog mir auch wieder eine Erkältung zu, sodass sich meine Stimme nicht gerade toll anhörte, allerdings verziehen mir die Fans das und so konnte an jeden Abend richtig schön gefeiert werden. Der letzte Auftritt der Tour sollte in Berlin stattfinden und als dieser beendet war, hatten wir die bisher erfolgreichste Tour hinter uns gebracht.

Am Abend des Auftritts in Berlin, als ich vor dem Auftritt bei den Fans stand, stand plötzlich der Produzent vor mir und sagte mir grinsend „hallo". Ich erwiderte nett und ruhig und er bewegte sich in den Backstage, da er da wohl noch jemand anders von einer anderen Band kannte.

Ich war in diesem Moment echt verwundert, dass er da war. Allerdings störte mich das weiter nicht. Sollte er machen was er wollte, dachte ich. Irgendwann war nun unser Auftritt an der Reihe und alles lief wunderbar. Es war ein schöner Auftritte, an die ich mich gerne erinnere, denn die Stimmung war grandios.

Nach dem Auftritt ging es dann wieder Backstage zum Umziehen und plötzlich polterte der Produzent herein und erzählte was von „toller Auftritt" und wie schön sich alles entwickelt hat. Markus und alle anderen von der Crew und Band waren auch da und schauten nur etwas befremdet. Sie kannten alle die Geschichten, die vor Jahren abgelaufen waren und achteten gespannt darauf, was nun passieren würde. Der Produzent tat so, als ob nichts gewesen sei und erzählte belanglose Dinge. Man sollte sich doch mal wieder treffen war einer seiner Ideen! Nach kurzen Monolog verließ er dann auch umgehend unseren Backstageraum. Ich hatte wirklich keine Lust mich mit ihm zu unterhalten.

Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich wegen ihm jede Menge Schulden machen musste, um weiterhin Musik machen zu können und die letzten Jahre lediglich dafür da gewesen sind diese Schulden langsam zurückzuzahlen. Ich wollte nicht mit ihm reden oder etwas mit ihm zu tun haben.

Allerdings wollte ich auch an diesem schönen Abend keine alten Geschichten ausgraben. Ich wollte nur meine Ruhe haben und er sollte nicht dabei sein. Langsam kehrte wieder Ruhe ein und nachdem ich noch einige Stunden bei den Fans gewesen war, klang der Abend recht entspannt aus.

Ich merkte allerdings, daß ich bei dieser Tour bis an meine Grenzen gegangen war, was meine Gesundheit anging. Ich hatte alles gemacht, was in meinen Augen dafür nötig war fit zu sein. Sowohl im Vorfeld der Tour, als auch währenddessen. Trotz alle dem, war ich wieder krank geworden und meine Stimme hörte sich gar nicht gut an. Wir saßen an diesem Abend noch lange mit allen Bands zusammen, bis sich langsam alle verabschiedeten, da es nun in Richtung Heimat ging. Insgesamt waren bei allen Konzerten im Durchschnitt eintausendzweihundert Leute. Es war eine tolle Tour für alle Bands und dementsprechend waren wir alle traurig, dass sie nun zu Ende ging.

Weihnachtstour

Daraufhin zogen einige Wochen ins Land und wir dachten darüber nach, das tolle Jahr vielleicht durch ein paar Konzerte abzuschließen. Wir redeten damals viel über allerlei Möglichkeiten und irgendwann entschieden wir uns, das Jahr mit einigen Weihnachtsshows abzuschließen.

Ich fand die Idee durchweg spannend und freute mich riesig darüber nun endlich viele Weihnachtslieder zu spielen und nicht nur ein paar. Allerdings machte ich mir auch Sorgen darüber, ob denn auch viele Fans kommen würden. Schließlich hatten wir in diesem Jahr schon so viele Auftritte gemacht.

So organisierten wir unsere Weihnachtstour in einigen Städten und diesmal sollten wir mit einem Nightliner von Stadt zu Stadt fahren, was ich sehr spannend fand. Ich kannte so etwas nur aus dem Fernsehen, wenn irgendwelche Stars unterwegs waren und das sah immer überaus beeindruckend aus.

Das Ganze war damals also ziemlich spannend für mich, denn ich hatte so einen Bus noch nie von innen gesehen. Beim Betreten bemerkte ich dann, dass die ganze Angelegenheit ziemlich eng und klein war. Ich schnappte mir irgendeine Koje, wo ich nun die nächsten Tage nächtigen müsste.

Zu der Frage, was nun letztendlich besser ist, Bus oder Bulli mit Hotel kann ich nur sagen, dass beides seine Vorteile hat.

Normalerweise fuhren wir die letzten Touren immer mit einem normalen Bulli und hatten dann dort ein Hotel und ein Frühstück, sowie Duschen im Hotelzimmer. Allerdings mussten wir morgens immer früh raus um zum nächsten Ort zu fahren. Nun hatten wir im Grunde keine Fahrt mehr, die man mitbekommt, da man schläft. Allerdings ist man immer darauf angewiesen, ob einem der Club ein Frühstück macht und ob die jeweiligen Duschen in den Clubs warm sind, was ehrlich gesagt selten der Fall war. Von Sauberkeit in manchen Clubs ganz zu schweigen. Zudem ist auch nicht so prickelnd, sich zwei Wochen lang in die gleiche Bettwäsche zu legen. Ebenso hat der Nightliner einen klaren Nachteil. Wenn einer sich eine Erkältung einfängt, macht sie ganz bestimmt die Runde, da die ganze Crew im Grunde immer aufeinander hockt.

Irgendwann ging unsere Reise dann los und was folgte, waren wieder einmal wunderschöne Konzerte. Wir mischten die Weihnachtslieder von „Frohes Fest" mit denen der anderen Alben und das funktionierte wunderbar. Ich erinnerte mich damals noch an meine erste Weihnachtsshow mit der alten Band. Was für ein Unterschied, dachte ich. Die Shows waren diesmal einfach toll und bei den ganzen Konzerten, kamen so viele Zuschauer wie nie zuvor, womit nun wirklich keiner von uns gerechnet hatte. Dementsprechend anstrengend war das Ganze auch.

Die Autogrammstunden nach der Show dauerten alle ziemlich lange, was mich freute, allerdings nicht gerade jeden Veranstalter, der uns meistens um Mitternacht wieder raus haben wollte, da er sonst die Überstunden seiner Mitarbeiter bezahlen musste. So kam es bei dem ein oder anderen Auftritt vor, dass die Security des Clubs die Fans nach der Show versuchte raus zu schieben, damit sie Feierabend machen konnten, was mich ziemlich ärgerte. Die Tour war toll und sehr erfolgreich für uns, allerdings gab es auch ziemlich viele Diskussionen mit Security oder Veranstaltern, da sie die Vielzahl an Unheiligfans nicht erwartet hatten.

Trotz alledem zogen wir das damals einfach durch, auf die Gefahr hin ziemlichen Ärger zu bekommen. Wir wollten nun mal keine Fans, die noch ein Foto oder Autogramm wollten, einfach wegschicken. Allerdings entschieden wir uns damals schon, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommen darf.

Letztendlich ist damals allerdings noch alles sehr gut gelaufen. Ich merkte aber auch schon bei dieser Tour, das bestimmte Vorstellungen die ich bzw. Markus und Ollie hatten bei den meisten Clubs nicht so erfüllt wurden, wie wir es gerne hätten. Eine längere Autogrammstunde ist natürlich planbar. Die Gegebenheiten eines Clubs allerdings weniger. Die sind wie sie sind und nicht veränderbar. Wir merkten, dass es ziemliche Unterschiede in den Clubs gab und somit eine gleich gute Show in allen Städten auf einer Tour meist nicht machbar war. Es gab Clubs, in denen Soundanlage gut war. Andere Clubs hatten eine Musikanlage da stehen, die klang, als wenn sie auf dem Sondermüll gefunden wurde. Das Ergebnis war, dass sich die Fans in manchem Club zurecht über den schlechten Klang beschwerten. Ebenso haute es nicht immer hin, daß Fans mit ihren Kindern, die sie manchmal dabei hatten aufgrund der Gegebenheiten des Clubs in einem gesicherten Bereich stehen konnten, weil es einfach keinen gab. Schlimm war auch häufig, dass manch ein Veranstalter nach dem Konzert einen viel zu engen Zeitplan hatte und seinen Club nachher einfach noch an einen anderen weitervermietet, was dann dazu führte, dass viel zu viele Menschenmassen sich an einem Punkt tummelten. Die einen wollten rein, die anderen raus. Schlimm war auch noch der Sanitäre Bereich in vielen Clubs. Ein Loch im Wald ist manchmal sauberer als das was einen da oft erwartet hat. Viele Clubs sind einfach nur heruntergekommen und dreckig. Es ist schwer zu glauben, aber es gab sogar Clubs, die hatten nicht mal eine Toilette. Da musste man ins Gebüsch und das ist kein Witz! Ich holte mir häufig eine Erkältung, weil es einfach keine vernüntige Dusche gab und ich nach dem Auftritt nur die Möglichkeit hatte mich abzutrocknen oder hundert Meter durch die Nacht in ein anderes Gebäude zu rennen um zu duschen. Da war die Erkältung vorprogrammiert.

Gerade, wenn man eine Tour selber plante, merkten wir, dass es immer wieder solche Punkte gab, die uns negativ auffielen. Waren wir früher lediglich mit einer Band mitgefahren und mussten die Dinge so nehmen, wie sie waren, hatten wir nun, weil wir selber planten, die Möglichkeit all diese Dinge mit in unsere Planung einzubeziehen. Wir wussten damals schon, dass nicht alles auf einmal ginge, aber einige Punkte wollten wir schon bei den nächsten Auftritten angehen. Damals redeten Markus, Ollie und ich viel über all diese Dinge und der Gedanke wurde zum ersten Mal gepflanzt, eventuell in ferner Zukunft einmal Konzerte oder Festivals zu machen, wo alle diese Punkte erfüllt werden könnten.

Wir würden das ganze dann Unheilig and Friends nennen, meinten wir. Allerdings waren wir noch nicht soweit alles nun schon umzusetzen und so blieb die Idee vorerst im Hinterkopf.

Puppenspiel

Ich hatte ein ziemlich intensives Jahr mit insgesamt drei Touren hinter mir. Im Grunde bestand das Jahr fast nur aus Liveauftritten und nun wollte ich Anfang 2007 mit einem neuen Album beginnen. Ich hatte immer wieder über bestimmte Thematiken nachgedacht und eine war immer wieder, schon lange vor „Moderne Zeiten", in meinem Hinterkopf.

Im letzten Jahr manifestierte sich das Konzept durch die vielen Liveauftritte immer mehr. Es sollte etwas mit Bühnen und all dem zu tun haben, was damit zusammenhängt. Die grundsätzliche Idee war es, in den Liedern Geschichten aus dem Leben zu erzählen und diese auf eine Bühne zu transportieren.

Der Name „Puppenspiel" wurde in diesem Zusammenhang geboren und ich fing an das Lied „Puppenspieler" Anfang 2007 zu schreiben. Allerdings wollte ich neben dem neuen Konzept auch hier wieder, gerade was den Sound anging, eine Weiterentwicklung zu „Moderne Zeiten" erzielen.

War „Moderne Zeiten" doch eher ruhig, so wollte ich Puppenspiel direkter und etwas härter haben. Ich fing an, mich wie immer in meine vier Wände zurückzuziehen und alles andere um mich herum zu vergessen. Ich begann mit Sounds, Loops und Instrumenten herumzuspielen um das, was ich in meinem Kopf hatte, nun auch umzusetzen. Ich weiß noch genau, wie ich damals wochenlang an ein und derselben Nummer herumschraubte. Ich probierte allerlei Dinge aus, was die Kombinationen verschiedener Instrumente betraf und mit dem Sound zu tun hatte. Ich hatte eine Vorstellung von den neuen Songs im Kopf, die scheinbar nicht so einfach umzusetzen war. Ich komponierte oder schrieb zu dieser Zeit nichts. Ich probierte lediglich viele Dinge aus. Das allerdings Tag und Nacht und kam meinem Ziel immer ein bisschen näher. Allerdings merkte ich auch bald, dass sich meine Vorstellung nur durch einen richtigen Gitarristen erfüllen ließ, der nicht nur wie ich ein paar Grundgriffe hinbekam, welche ich dann aufnehmen und schneiden müsste.

Ebenso biss ich mich tagelang daran fest, dieses eine Lied abzumischen, was ziemlich mühselig war. Scheinbar war ich an einen Punkt angekommen, wo ich den nächsten

Schritt zwar im Kopf schaffte, es allerdings nicht genauso hinbekam wie ich es wolltei Der Gedanke wieder mit einem fremden Produzenten zu arbeiten, stieß mir allerdings ziemlich übel auf, da die gemachten Erfahrungen zwar lange her waren, scheinbar aber noch nicht lange genug. ,

Ich redete mit Markus und Ollie und erzählte ihnen von meinen Vorstellungen. Gerade was den Sound angeht spielte ich mit dem Gedanken wieder einen Produzenten hinzu ziehen zu wollen. Sie verstanden meinen Anspruch und die Idee kam auf, unseren Keyboarder Henning zu fragen.

Ich wusste, dass er schon ziemlich viel produziert und mit vielen bekannten Künstlern zusammengearbeitet hatte und so fragten wir ihn einfach, ob er Lust dazu hätte. Er stimmte damals direkt zu und wir vereinbarten ein Treffen. Ich merkte sehr schnell, dass er der Richtige dafür war. Kannte er Unheilig doch genau, da wir schon jede Menge gemeinsame Auftritte gemacht hatten. Ebenso verstand er es, da ich in musikalischen Fragen ein ziemüch schwieriger Mensch war, mit meinen schlechten Erfahrungen umzugehen.

Die Erlebnisse, die ich mit anderen Produzenten hatte waren ihn schließlich bekannt. Wir redeten bei unserem ersten Treffen über die Musik, die nun auf Puppenspiel entstehen sollte und irgendwann fingen wir an mit Sounds herumzuspielen. Ein Rhythmus entstand und einige andere Sounds. Mir fiel direkt ein Text ein, den ich schon einige Zeit vorher geschrieben hatte und versuchte auf die bisher eingespielte Musik den Text zu singen.

Scheinbar funktionierte der Text zur Musik und ich sang ihn direkt ein. Es war eine Art Sprechgesang geworden, so wie ich es schon bei Liedern wie „Rache" oder „Himmelherz" gemacht hatte. Das erste Lied war nun schon als Demosong soweit fertig und hieß Spiegelbild. Ich war damals begeistert, denn schon bei unserem ersten Treffen entstand direkt ein Song. In den darauf folgenden Wochen hielt ich weiterhin mit Henning Kontakt und schrieb nun einfach weiter Lieder und skizzierte sie grob in meinem Studio.

Das ganze Prozedere war sehr befreiend für mich. Ich konnte nun meine ganze Energie ins Schreiben legen, da ich mich nun nicht mehr damit zu beschäftigen brauchte, wie letztendlich etwas klingt, da dies nun später von Henning gemacht wurde. Wir entschieden uns nun noch Licky, unseren Live-Gitarristen mit einzubeziehen, da wir die Gitarren anders als bisher haben wollten.

Er stimmte ebenfalls zu und so ging das Schreiben und die Produktion der Lieder in den nächsten Wochen Hand in Hand weiter.

Zu dieser Zeit traf mich allerdings mal wieder ein ziemlich privater Tiefschlag. Einem guten Freund von mir ging es ziemlich schlecht und das ganze sah nicht gerade gut aus, was die Heilungschancen anging. Ich möchte auch in diesem zeitlichen Rückblick nicht auf irgendwelche Details eingehen, welche die Hintergründe beschreiben würden.

Er war einfach plötzlich sehr krank geworden, womit niemand wirklich gerechnet hatte. Er war einer von denjenigen, der mich viele Jahre wieder begleitet hatte und mit dem mich einfach eine wunderbare Freundschaft verband. Jemand zu dem man immer gehen konnte und der zu jeder Zeit für einen da war. Er verstand mich blind und kannte mich wahrscheinlich besser als meine eigenen

Eltern. Ich bekam damals Angst und wusste nicht so richtig wie ich mit der ganzen Situation umgehen sollte.

Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben schon oft genug bei Menschen die mir etwas bedeuteten, Bekanntschaft mit dem Tod gemacht. Allerdings kam hier der Tod immer sehr schnell und unerwartet oder auch auf Grund des Alters. Nun war es anders. Die Gewissheit war da. Allerdings stand es uns allen noch bevor. Das war ein großer Unterschied und eine Herausforderung, die seiner und meiner Familie noch bevorstand. In dieser Zeit hörte ich auf zu schreiben. Alles andere schien mir damals eher unwichtig. Ich versuchte die noch vorhandene Zeit irgendwie festzuhalten oder die Zeit, die wir noch hatten einfach bewusst mitzunehmen. Irgendwann kam dann der Zeitpunkt, ab dem wir alle beobachten konnten, das er immer mehr abbaute. Diese Momente waren ziemlich schlimm für mich. Im Grunde hofft man immer wieder, bekommt aber ziemlich schnell zu spüren, das manche Dinge sich nun mal nicht ändern lassen. Ich versuchte damals in allem einen Sinn zu sehen. In diesen Momenten fragt man sich immer wieder, warum und weswegen es nun so ist, wie es ist. Allerdings bekommt man keine Antwort. Ich hatte das Gefühl irgendetwas tun zu müssen und schrieb ein Lied für ihn, welches ausdrücken sollte, wie wichtig er mir war und wie gerne ich mich an die gemeinsame Zeit mit ihm erinnerte. Ich wollte etwas schreiben, was die schönen Erinnerungen immer wiederkommen lässt, auch wenn er irgendwann nicht mehr da ist. Ich legte all das in den Text und die Komposition hinein und so schrieb ich das Lied „An deiner Seite". Ich hatte damals niemandem davon erzählt. Weder seiner Familie noch jemandem aus meinem Familienkreis. Es war in erster Linie einfach nur für ihn und mich. Bis dahin hatte ich schon viele Lieder für Puppenspiel geschrieben und ich wollte dieses Lied auch auf diesem Album haben, weil ich so das Gefühl hatte etwas für ihn tun zu können und die in jeder Minute zu spürende Hilflosigkeit einfach zu vergessen. Da mich alle sehr gut kannten und gerade er, war es wohl keine große Überraschung, wie ich mit all dem, was gerade so abging, umging.

Jedem dem ich das Lied vorspielte, schössen die Tränen in die Augen und trotzdem lächelten sie dabei. Alle die es betraf sagten, dieses Lied sei etwas Besonderes und ich muss es einfach auf das nächste Album tun. Somit fragte ich seine und meine Familie um Erlaubnis, welche sie mir sofort gaben.

Diese Zeit damals war die emotionalste in meinem Leben. Vielleicht hat jeder Mensch so eine bestimmte Epoche, wo er plötzlich erwachsen wird, weil die Lebensumstände einfach sind, wie sie sind. Ich denke damals waren es für mich diese Lebensumstände, die mich ein wenig erwachsener machten.

War ich doch bis dahin immer ziemlich schnell auf Wolke sieben geflogen oder hatte mich immer wieder über irgendwelche Kleinigkeiten, die mich umgaben aufgeregt, so sah ich meinem Leben und allem was mich umgab nun viel ruhiger entgegen. Ich schrieb irgendwann weitere Lieder für Puppenspiel und eine gewisse Normalität nahm wieder ihren Lauf, auch wenn nun eine Art Schatten über uns lag, von dem wir wussten, dass er bald jemanden aus unserer Mitte reißen würde. Ich nahm die Situation damals wie sie war und versuchte mich durch das Schreiben der Lieder ein weinig abzulenken, was recht gut funktionierte. Die Produktion nahm ihren Lauf und irgendwann schien Puppenspiel fertig. Ich wusste damals, dass es ein ganz besonderes Album geworden war.

Noch nie zuvor hatte ich Musik mehr gebraucht, um mit mir und mit dem was mich umgibt ins Reine zu kommen. Ich hatte alle erdenklichen Gefühle in dieses Album gelegt. Damals war Puppenspiel aus diesen Gründen das bis dahin beste Album für mich.

Offener Brief

Mittlerweile war es so, dass Unheilig geride was die schwarze Szene anging recht bekannt war. Allerdings auch noch nicht so bekannt, das wir mit dem was in den nächsten Wochen passieren sollte rechneten. Wir waren damals auf einem guten Weg. Mehr allerdings auch nicht.

Der Veröffentlichungstermin von Puppenspiel war nun am 22.02.2008. Im Vorfeld machte ich einige Interviews für Internetradios und ebenso in den bekannten oder auch weniger bekannten Zeitschriften. Die ersten Reaktionen der Presse waren durchweg positiv. Unsere Puppenspieler Tour hatten wir schon lange vorher angekündigt. Im Grunde stand sie schon seit einem Jahr fest und somit schienen nun schon bald die ersten Shows im Vorfeld ausverkauft zu sein.

Als dann die Veröffentlichungswoche anstand, waren wir sehr gespannt, wo wir denn nun in den Charts landen würden. Dazu muss man sagen, dass die heutigen Charts wirklich kaum etwas darüber aussagen, wie die Musik nun letztendlich ist. In der heutigen Downloadzeit, ist dieses Bild mittlerweile ziemlich verfälscht worden und man kann sich als Künstler lediglich ein Ego daraufbacken, wenn man darin landet. Allerdings ist es immer noch für viele Veranstalter oder andere ein Indiz dafür, wo man steht, wenn man eine hohe Platzierung bekommt. So nach dem Motto, „steigst du hoch ein, hast du vielleicht eher die Chance auf einem Festival eine gute Spielposition zu bekommen".

Es war immer schon mein Traum vielleicht einmal beim einem großen Festival auf der Hauptbühne zu spielen. Dem könnte ich nun näher kommen, wenn eine hohe Platzierung klappen sollte. Ebenso hat man als Künstler eine größere Chance von Radiosendern einmal gespielt zu werden. Die Möglichkeit steigt, wenn die Platzierung gut ist.

Im Grunde öffnet eine hohe Chartplatzierung einem Künsder ein paar Türen. Einzig und alleine dafür sind die Charts noch wichtig. Ich weiß noch genau, wie ich damals bei Henning im Studio war und wir einen Anruf von Markus bekamen, dass wir nun auf Platz 13 eingestiegen waren.

Wir freuten uns wie die Schneekönige. Es war einfach toll. Wir lagen uns in den Armen und machten Luftsprünge.

Es war damals eine schöne Anerkennung, für die vielen Tage und Wochen in denen wir alle an dem Album gearbeitet hatten.

Zur gleichen Zeit startete damals unser allbekanntes Fanvoting, wo die Fans wieder ihren Favoriten küren konnten. Ich haderte in diesen Tagen mit mir. Einerseits war es mir unendlich wichtig, dass die Fans ihren Lieblingssong wählen konnten, andererseits wünschte ich mir aufgrund meiner privaten Situation nichts mehr, als das es „An deiner Seite" werden würde. Allerdings hatte ich ein Problem.

Wenn ich ohne einen Grund zu nennen nun einfach selber einen Titel des Album ohne Fanvoting ausgewählt hätte, würden die Fans mit Sicherheit nicht nachvollziehen können, warum ich dies grundlos täte. Zumal wir nun auf Platz 13 eingestiegen waren und wieder einmal jedem Menge Leute in unserem Gästebuch ihren Unmut kund taten, dass ich aufgrund der hohen Platzierung nun abheben würde und nicht mehr so viel Zeit für die Fans hätte.

Diese Gebetsmühlen schienen bei jedem noch so kleinen Erfolg wohl immer wieder anzuspringen. Sie hätten sich sofort bestätigt gefühlt, wenn wir das Fanvoting abgebrochen hätten oder uns eingemischt hätten. Somit entschied ich mich dafür, das Voting wie gehabt weiterlaufen zu lassen, was dazu führte, dass „Spiegelbild" ausgewählt und auch als EP veröffentlicht wurde.

Zusätzlich wollte ich eine Single von „An deiner Seite" herauszubringen. Ich setzte einen Brief auf, der an die Unheiligfans gerichtet war, um ihnen zu erklären, warum ich mich dazu entschieden hatte, eine Single zusätzlich zu veröffentlichen. Es war das erste Mal für mich, Privates und Musikalisches miteinander zu vermischen. War doch der Hintergrund im Grunde rein privat, so wichtig war es mir doch diese Platte meinem lieben Freund zu widmen, wenn er es noch erleben könnte.

Liebe Unheiligfans

Ich möchte mich bei euch allen für den unglaublichen Platz 13 in den Media Control Charts bedanken.

Ohne jeden einzelnen von euch, hätten wir diese Plazierung niemals erreicht und dafür bedanke ich mich von Herzen und es fällt mir schwer die richtigen Worte hierfür zu finden. Vielen Dank, für dieses Geschenk.

Im Augenblick überschlagen sich die Ereignisse bei mir in musikalischer

Hinsicht, allerdings auch in meinem Privatleben.

Ihr wisst alle, dass ich mein Privatleben immer sehr in den Hintergrund

stelle, sehr zurückgezogen lebe und ungern etwas davon in die

Öffentlichkeit mitnehme. Das möchte ich auch in Zukunft so tun,

allerdings habe ich einen Wunsch, den ich mir nun erfüllen möchte und

euch allen nun den Grund dafür erklären will.

Ich habe das Lied „ An deiner Seite" für einen guten Freund von mir

geschrieben, der mir sehr am Herzen liegt und ich habe die Gewissheit

eines kommenden Abschiedes damit verarbeitet.

Das sind die Momente, die das Leben schreibt, die nicht beeinflussbar

sind und bei allem Applaus und Erfolg einfach das Mensch sein für mich

in den Vordergrund stellt.

Ich möchte, dass er die vielen schönen positiven Reaktionen zu diesem Lied miterleben kann und ihm die Gewissheit schenken, dass auch wenn er irgendwann einmal gehen muss, er für mich niemals in Vergessenheit gerät und für alle Zeit an meiner Seite ist.

Daher habe ich mich dazu entschieden nun das Lied „ An deiner Seite" für ihn als Single zu veröffentlichen und ihm so ein kleines Denkmal zu setzten.

Ich weiß, dass im Augenblick das Voting der Puppenspiel Songs für die kommende EP auf der Unheilig Homepage in vollem Gange ist. Dies wird auch weiterhin so sein, damit ihr euren Lieblingstitel wählen könnt und mein privater Wunsch wird dies auch in keiner Weise beeinflussen.

Das von euch gewählte Lied wird also auch weiterhin die kommende EP schmücken.

Ich bedanke mich bei euch allen und freue mich darauf euch bei der kommenden Tour wiederzusehen.

Ich umarme euch Euer Graf

einige Aufnahmen für die kommende geplante DVD machten. Die Kulisse damals war recht beeindruckend. Es war ein riesiges Theater und das Ergebnis der Aufnahmen haute mich regelrecht vom Hocker.

Als ich sie sah wusste ich, dass es gut war und das meine Entscheidung richtig war. Alles passte zusammen und ich freute mich riesig über das tolle Ergebnis. Allerdings schien auch ein kleines Licht in Punkto Ausstrahlung des Liedes am Ende des Tunnels aufzutauchen.

Der Sender Deluxe Music nahm das Video von „An deiner Seite" auf und sendete es in täglicher Rotation, worüber wir uns alle sehr freuten und somit wurde dieser Wunsch sein Lied zu hören letztendlich doch noch erfüllt. Ich habe das Lied einmal gemeinsam mit meinem Freund zusammen im Fernsehen gesehen und es war ein schöner Moment. Allerdings auch sehr emotional.

Es war schon zu sehen, wie wir alle dadurch eine wenig Kraft tanken konnten und es machte mich auch ein wenig stolz. Ich sagte ihm damals, dass er nun unsterblich wäre und seine Geschichte noch lange erzählt werden würde, auch wenn er nicht mehr da ist. Es waren damals sehr emotionale Tage.

Allerdings stand nun die lange im Vorfeld geplante Tour an und somit musste ich mich wieder aufrappeln, um die nächsten Wochen gut zu überstehen. Aufgrund meiner privaten Situation hatte ich mich körperlich kaum auf die Tour vorbereitet. Ich hatte kaum Sport gemacht. Somit hatte ich ein wenig Angst vor dem, was mich nun erwarten würde. Der Plan der nächsten Auftritte war sehr anspruchsvoll und herausfordernd. Ich hoffte damals, dass ich es schon hinbekommen würde, was sich allerdings später als Fehler herausstellen sollte.

Nachdem der Brief als Newsletter und an allerhand andere Kontakte und Adressen geschickt wurde, waren die Reaktionen darauf überwältigend für mich. Die Menschen konnte es nachvollziehen!

Ein paar vereinzelte, die damit scheinbar nichts anfangen konnten, gab es natürlich auch. Es gab zudem immer noch so ein paar Internetmedien, die sich weigerten diesen Brief an meine Fans zu veröffendichen, was mich nicht wütend sondern eher traurig stimmte.

Was folgte war eine richtige Flut an e-mails, in denen die Menschen mir liebe und unterstützende Worte schrieben und mir Glück bei allem wünschten. Das war damals einfach wundervoll. Somit konnte ich die Single meinem Freund widmen und wir machten noch einen Aufruf, dass die Fans sich an die Radiosender wenden sollten mit dem Wunsch, dass das Lied nun noch vielleicht gespielt werden würde. Ich weiß noch genau, wie meine ganze Familie irgendwelche Radiosender in der Hoffnung hörte, das Lied für ihn dort zu hören. Es wäre in dieser Situation ein schöner Moment für uns alle gewesen. Allerdings passierte nichts dergleichen. Die Radiosender reagierten nicht einmal auf irgendwelche e-mails. Ich rief sogar an und schrieb jede Menge e-mails an die Sender, die ich hier empfangen konnte und bekam keine Antwort darauf. Zu dieser Zeit entschied ich mich zu dem Lied noch ein Video zu drehen. Ich merkte damals, wie gut es mir tat mich so intensiv mit diesem Lied zu beschäftigen. 1 Ich bekam das Gefühl helfen zu können und mit der ganzen Situation klarzukommen. Das Video wurde in der Staatsoper in Nürnberg gedreht, wo wir zusätzlich noch'

Puppenspieler Tour

Einige Auftritte waren schon im Vorfeld ausverkauft und wir alle wussten, dass nun einiges auf uns zukommen würde, was alles bisher da gewesene weit übertreffen würde. Wir gingen mit einer Band zusammen auf Tour, die wir schon von der Orkus Tour her kannten.

Im Vorfeld hatten Markus und Ollie noch nie so viel geplant, wie bisher. Alles an Bühnenbild, Licht, Deko und alles was dazugehört, wurde diesmal bis in kleinste Detail geplant, da wir vieles, was uns allen in den letzten Jahren nicht gefallen hatte nun besser machen wollten. Das klappte nicht überall, aber in den meisten Fällen konnten wir unsere Ideen umsetzen.

So schafften wir es, die komplette Soundanlage in jeder Stadt gleich aufzubauen, sodass der Klang überall gleich gut war. Ebenso wollte ich schon immer einen Laufsteg haben, damit ich dem Publikum bei den Shows näher sein konnte. Den allerdings überall aufzubauen, war nicht gerade einfach. Man war wiederum von der Willkür mancher Veranstalter abhängig, die es sich häufig gerne einfach machten und am liebsten nichts organisieren wollten.

Nachdem es allerdings einige Male ein „reinigendes" Gewitter gab, bekamen wir letztendlich das, was wir gerne hätten. Die Show dauerte inklusive der Zugaben an die zwei Stunden. Vorher war ich meist noch ein bis zwei Sunden bei den Fans und hinter war ich auch bei ihnen. Im Grunde war ich also an die sechs Stunden im Rampenlicht, was wunderschön, aber auch sehr anstrengend war. Das emotionalste der ganzen Konzerte war immer wieder das Singen von „An deiner Seite". Einerseits tat es mir gut, das Lied zu singen, da ich es so verarbeiten konnte. Allerdings tut so etwas auch immer weh und daher musste ich lernen meine Gefühle ein wenig im Zaum zu halten, ohne direkt anzufangen zu weinen. Die ersten Auftritte der Tour waren einfach toll. Ich wurde von Show zu Show immer sicherer und alles wurde immer eingespielter. Im Hinterkopf war immer der Auftritt in Berlin, wo wir eine Live-Aufzeichnung machen wollten, welche dann auf DVD erscheinen sollte. In den darauffolgenden Tagen lief alles reibungslos ab. Es gab keine besonderen Zwischenfälle. Bisher waren alle Shows ausverkauft; entweder am Tourtag selber oder meistens einige Tage im Vorfeld.

Die Tour war in verschiedenen Blöcken angelegt. Wir hatten Immer vier Auftritte am Stück und dann wieder ein paar Tage Erholung, die ich auch wirklich immer brauchte um mich zu regenerieren. Ich merkte ziemlich schnell, dass meine Stimme durch das viele reden vor und nach den Auftritten und die wirklich Schweiß treibenden Show in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Die Tage der Erholung halfen mir da schon sehr die Stimme immer wieder hinzukriegen. Nun kam der Tag der Aufzeichnung in Berlin und ich merkte schon am Morgen, daß etwas bei mir im Busch war.

Die letzten Ruhetage vor diesem Block hatte ich mich zwar erholt allerdings kam ich aufgrund von Autogrammstunden und Radiointerviews nicht wirklich dazu mich wieder völlig zu erholen. Am frühen Morgen trudelte die komplette Videocrew ein und die Aufbauarbeiten begannen für die abendliche Show und Aufzeichnung. Es war unglaublich, was da nun so alles an Leuten herumlief, die allesamt lediglich für Unheilig da waren. Alle machten ihren Job und alles klappte wunderbar. Ich hingegen merkte, dass sich aus dem komischen Gefühl am Morgen eine Grippe heraus kristallisierte. Ich hatte zwar noch eine Stimme, jedoch auch schon ziemlich starke Halsschmerzen und ab und an bekam ich schon Schüttelfrost. An diesem Tag war alles von uns organisiert und geplant worden. Die gesamte Crew, für Bühne und Video. Kräne für gute Aufnahmen. Zusätzliches Licht für die Show und wir wussten, das über zweitausend Fans kommen würden. Das ging mir die ganze Zeit durch den Kopf, als ich merkte, das ich krank wurde.

Ich entschied mich an diesem Abend nicht zu sagen, wie ich mich fühlte. Ich wusste, dass ich eine Grippe bekommen würde und sie schon voll und ganz auf dem Vormarsch in meinem Körper war und war mir nicht sicher, wie ich den Auftritt überstehen sollt.

Markus und Ollie schauten mich zwischendurch immer wieder ziemlich besorgt an und fragte mich, wie ich mich fühle. Ich sagte immer nur, „alles klar soweit". Ich bin ein bisschen heiser aber ansonsten geht es mir richtig gut. Ich log, weil ich wusste wie viel nun auf dem Spiel stand.

Alles war schon bezahlt worden und ich wusste, dass ich es mir nie verzeihen würde, wenn ich der Grund wäre, dass die Show abgesagt werden musste. Ich fieberte nur noch daraufhin, dass es endlich losgehen konnte, damit ich noch auf die Bühne käme, wenn es mir noch nicht ganz so schlecht ginge.

Kurz vor dem Auftritt war ich noch einmal für mich ganz alleine. Es gab diesmal weder eine Kamera die etwas aufzeichnete, noch war irgendjemand dabei. Ich hatte in diesem Moment Angst vor dem, was nun kommen sollte. Es war nicht der Auftritt. Es war auch nicht die Angst vor einem Fehler, den ich machen könnte oder das irgendetwas nicht funktionierte.

Es gibt Situationen im Leben eines Menschen, in denen man ganz genau bemerkt, welche Signale der eigene Körper einem sendet. Ich hatte Angst, weil ich wusste, dass ich eigentlich nicht auftreten dürfte, da die Gefahr besteht, das ich einen gesundheitlichen Schaden davon tragen würde.

Ich betete in diesem Moment für mich alleine und dachte an meine Familie und an die, die ich liebe und bat den lieben Gott einfach darum, das er auf mich aufpassen sollte. Irgendwann kamen dann auch die Kameras und die anderen der Crew und Band in den Backstagebereich hinein, weil es nun losgehen sollte. Zu dem Auftritt kann ich nur sagen, dass an diesem Abend soweit alles recht gut verlief. Ich kämpfte und schaffte es letztendlich, dass es eine atemberaubende Show wurde. Markus kam ab und an während der Show mit sorgenvollem Blick zu mir und fragte, ob es noch ginge, was ich bejahte. Er hingegen merkte scheinbar direkt, das ich alles andere als fit war.

Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass dieser Auftritt der beste meines Leben war. Ich ging im Grunde auf die Bühne mit dem Risiko, meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen und für mich war es in diesem Moment so, als wenn es mein letzter Auftritt wäre. Nach dem Auftritt war ich überglücklich und aufgeputscht. Mein Hals tat so weh, als wenn eine Motorsäge darin wütete.

Ich duschte mich und zog mich um und ging noch zu den Fans. Nach über zwei Stunden war dann alles vorbei. Ein Interview stand noch auf dem Plan, welches ich auch machte und dann hatte ich endlich Feierabend. Am nächsten Tag standen noch Autogrammstunden auf dem Programm, welche ich unbedingt noch machen wollte. Markus und Ollie sagten nur, dass sie diese umgehend absagen würden, weil ich alles andere als gesund aussah. Ich hingegen wollte das nicht und wehrte mich mit Händen und Füssen dagegen.

Demzufolge fand die erste Autogrammstunde damals noch statt, die zweite jedoch nicht mehr. Nachdem die erste vorüber war, merkte ich, dass meine Lunge nun auch etwas abbekommen hatte. Sie brannte bei jedem Husten und tat höllisch weh. Mittlerweile fiel mir das Atmen schwer.

Ollie fuhr zu diesem Zeitpunkt diese Termine mit mir ab. Als wir den ersten Termin hinter uns hatten, sagte ich ihm, dass ich nicht mehr kann, woraufhin er sofort den Weg Richtung Heimat einschlug.

Er fuhr in der gleichen Nacht noch an die 800 Kilometer am Stück nach Hause, wo ich dann einem Notarzt vorgestellt wurde, der nur fragte, was ich denn gemacht hätte und mir irgendwelche Spritzen gab.

Zuhause angekommen, fiel ich direkt ins Bett und schlief erst einmal die nächsten Tage. Als ich mich ins Bett legte, bekam ich Schüttelfrost und hohes Fieber. Beim Atmen quietschte meine ganze Brust. Der Arzt hatte beim Abhören meiner Lunge Geräusche gehört, die nicht normal waren. Er meinte, dass die Gefahr bestünde eine Lungenentzündung zu bekommen.

Ich fühlte mich zu diesem Zeitpunkt hundeelend, allerdings begannen die Medikamente langsam zu wirken, so daß ich wohl letztendlich irgendwann einschlafen konnte.

Karrierende

Ich glaube, ich schlief die nächsten Tage wirklich Tag und Nacht. Ich kann mich heute nicht mehr so recht an alles erinnern. Ich weiß nur, dass ich nur noch Ruhe haben wollte und einfach liegen blieb. Ab und zu stand ich mal auf, allerdings flüchtete ich mich dann wieder schnell ins Bett.

Ich merkte, dass ich mehr Erholungszeit brauchte und somit wurde der letzte Tourblock der Puppenspieler Tour verschoben. Zu diesem Zeitpunkt stellte ich mich ab und an wieder beim Arzt vor, der mir glücklicherweise irgendwann auch wieder Entwarnung wegen meiner Lunge gab.

Allerdings brannten meine Bronchien immer noch und ich hatte das Gefühl, eines permanenten Drucks auf meinem Brustkorb. An weitere Auftritte war zu dieser Zeit wirklich nicht zu denken. Ebenso war ich dermaßen mit Medikamenten vollgepumpt, dass ich nur noch schlafen wollte und konnte.

Mein Ziel war es allerdings trotzdem die nächsten beiden Auslandstermine spielen zu können. Ich wusste, das viele Unheiligfans lange im Vorfeld alles organisiert hatten, um diese Shows in Spanien zu besuchen und daher wollte ich sie unbedingt spielen.

Ich wusste, dass an die dreißig Leute vom Fanclub Flugtickets gekauft hatten, Urlaub dafür nehmen mussten und sich ungemein auf diese Tage freuten. Daher wollte ich diese beiden Auftritte nicht einfach absagen. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht. Somit versuchte ich die wenigen Tage, die noch als Ruhephase zur Verfügung standen, zu nutzen und ruhte mich weiter aus. Nach einigen Tagen wurde ich wieder beim Arzt vorstellig und er untersuchte mich erneut. Ich fühlte mich zu diesem Zeitpunkt wieder viel besser. Scheinbar hatten die Medikamente und die Tage des Schlafens und Erholens ihre Wirkung nicht verfehlt.

Der Arzt checkte mich komplett durch, da ich ihm von meinem Vorhaben erzählte. Er meinte, dass ich wieder Auftritte machen könnte, allerdings nicht mehr als zwei. Ich müsste unbedingt auf meine Gesundheit achten und mich danach weiter schonen. Beim letzten Mal hätte ich lediglich Glück gehabt, sonst nichts. Ich versprach ihm nur das Notwendigste zu tun.

Ich fühlte mich damals im Grunde wieder richtig gut, hatte allerdings immer noch ein wenig Druck auf der Lunge und den Bronchien und meine Stimme klang noch etwas angegriffen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich das schon wieder hinbekomme und ich diese beiden kurzen Auftritte schon machen könnte.

Somit sagte ich Markus und Ollie, dass ich nun die beiden Auftritte machen wollte und ich auf dem Weg der Besserung wäre. Wir machten uns auf die Reise nach Spanien und machte dort die beiden Auftritte. Körperlich ging es mir gut. Die Beschwerden der letzten Tage waren so gut wie weg. Ich hatte kein Brennen mehr in der Lunge und den Bronchien und schien alles gut überstanden zu haben. Allerdings war stimmlich noch einiges im Argen. Ich hatte ein Gefühl in der Stimme, wie bisher noch nie. Es fühlte sich wund und roh an und die Kontrolle der Töne beim Singen fiel mir extrem schwer. Ich hatte nicht mehr die gewohnte Kraft in der Stimme. Sie flatterte im Grunde überall hin, nur nicht dahin, wo ich sie haben wollte. Ich merkte nach den Auftritten, dass etwas nicht in Ordnung war und versuchte umgehend das Rauchen einzuschränken. Nach jeder Zigarette merkte ich, wie sich alles nur noch verschlimmerte. Ich sagte Markus damals, dass ich, wenn ich wieder zuhause wäre zu einem Spezialisten gehen müsste, da etwas mit der Stimme nicht in Ordnung war.

Aufgrund der vorherigen Grippe war ich lediglich bei einem Allgemeinarzt gewesen. Allerdings bestand auch kein Grund einen Spezialisten aufzusuchen, da die stimmlichen Probleme vorher noch nicht da waren.

Als ich zuhause angekommen war, ging ich zu besagtem Spezialisten und der schaute mir auch gleich in den Hals. Er fragte, was ich denn gemacht hätte und ich erzählte ihm von den Ereignissen der letzten Wochen. Als nächstes würde nun eine Russlandtour anstehen, und ich müsste etwas haben, damit ich wieder fit würde. Er meinte nur, dass er meine Stimmbänder nicht erkennen konnte, da mein kompletter Hals total vereitert wäre. Er könnte allerdings Schwellungen darunter sehen, die zu Knoten auf den Stimmbändern werden könnten, was dazu führen würde, das ich meine Stimme nie mehr so belasten könnte wie ich es gewohnt war. Ebenso könnte ich mir abschminken in den nächsten drei Wochen irgendetwas zu tun, was meine Stimme belastete. An einen Auftritt war gar nicht zu denken. Ich sollte mir lieber Gedanken darüber machen, was ich beruflich machen wollte, wenn sich herausstellte, dass da nicht nur Schwellungen auf den Stimmbändern waren. Die Gefahr bestünde, dass dieses genauso gut Knoten sein könnten, die entstanden waren, weil ich Zeit meines Lebens in keiner Weise darauf acht gegeben hatte. Wenn sich dies herausstellte, würde ich meine Stimme nie mehr so hinbekommen, wie sie einmal war.

Eventuell müsste man dann an einen operativen Eingriff denken, der allerdings auch keine hundertprozentige Gewissheit darüber gäbe, dass es wieder so wie vorher würde. Das könnte er erst in drei Wochen sagen. Solange dürfte ich nun kein Wort mehr reden. Absolute Schonung der Stimmbänder war von Nöten. Er schaute mich dabei ziemlich gewissenhaft an und ich merkte, dass dies eine ziemlich ernste Situation war. Ich kannte diesen Arzt schon seit meiner Kindheit. Er hatte mich in den letzten Jahren schon öfter betreut und ich wusste, dass er ein kompetenter Fachmann ist. Er war einer von denjenigen, die kein Blatt vor dem Mund nahmen oder bestimmte gesundheitliche Dinge schön redeten, nur damit sich der Patient besser fühlte. Ich fragte ihn noch, was ich noch tun sollte, damit ich wieder gesund werde und auch in Zukunft wieder singen konnte. Er meinte nur, nicht reden, wenn möglich aufhören zu rauchen und jeden Tag inhalieren und mit ein wenig Glück könnte ich wieder gesund werden. Allerdings stünde das in den Sternen, meinte er noch.

Ich weiß noch genau, wie ich nach Hause ging. Ich war einfach nur sprachlos und

am Boden zerstört. Zuhause angekommen weinte ich erst einmal. Der Gedanke, dass

es das nun mit Auftritten und der Musik gewesen sein sollte, ließ die Tränen nur so

herausspringen.

Ich schrieb eine e-mail an meine Familie. Ebenso an Ollie und Markus, wo ich reinschrieb, wie die aktuelle war und das ich für mindestens drei Wochen nicht mehr da wäre und erst danach festgestellt werden könne, ob es nun weitergehen könne oder ob es das nun war.

Ich bekam eine wirklich aufbauende Mail von Markus und Ollie und meiner Familie zurück. Sie schrieben alle, dass sie für mich da sind und jeden Weg, egal welchen mit mir gehen würden. Ich sollte die Hoffnung nicht aufgeben. Die anstehende Russlandtour musste nun abgesagt werden und ich wusste, dass Markus und Ollie damit alle Hände voll zu tun hatten.

Das schlimme zu der Zeit war, dass ich wirklich nichts tun konnte außer abzuwarten. Ich war wütend darüber, dass es überhaupt so weit gekommen war. Ich entschloss mich alles in meiner Macht stehende zu tun, damit ich wieder gesund werden konnte und hörte am 16.04.2008 mit dem Rauchen auf. Ich hatte es vorher schone einige Male versucht, es aber nie wirklich geschafft.

Die nächsten Tage waren die Hölle für mich. Nicht zu reden ist eine Sache. Nicht zu rauchen, wenn man süchtig ist, eine andere. Man sagt zwar, dass der körperliche Entzug nach 24 Stunden vorbei ist, der psychische allerdings der schlimmere und langwierigere ist. Zumal ich wirklich nur zuhause herumsaß und mir die Decke auf dem Kopf fiel.

Ich konnte nicht telefonieren oder mit anderen über meine Situation reden, sondern lediglich ich mit mir selber zurechtkommen. Ab und an bekam ich Besuch von meiner Familie, allerdings konnten wir uns nur mit Händen und Füssen unterhalten, da ich Sprechverbot hatte.

Ich sah aus wie der Typ, der auf dem Flughafen Flugzeuge reinwinkt, wenn ich mich mit anderen unterhalten habe. Ich sprach mit allem, was ich zur Verfügung hatte, außer mit der Stimme. Ab und an ging ich mal spazieren um etwas anderes zu sehen als meine vier Wände, allerdings immer auf die Gefahr hin, irgendjemanden zu treffen, der sich dann mit mir unterhalten wollte oder ich ihm nun guten Tag sagen sollte, was ich aber nicht konnte.

Es war eine nervliche wie psychische Belastung und ich fühlte mich einfach nur hundeelend. Ich war kurz davor alles hinzuwerfen und aufzugeben, weil mir alles einfach zu viel wurde. Ich spielte mit dem Gedanken endlich wieder eine zu rauchen, da ich in jeder Sekunde daran dachte. Mein Körper schrie regelrecht danach. Ebenso wollte ich wieder normal leben ohne die Klappe weiterhin zu halten. Es nervte einfach alles. Allerdings bekam ich zu dieser Zeit tausende e-mails von Unheiligfans, was mich ziemlich umhaute und wieder etwas aufbaute.

Es war eine unfassbare Flut an Briefen, in denen die Fans mir schrieben, dass sie an mich dachten. Das sie bei mir waren und ich einfach bald wieder gesund werden sollte, damit die Musik weiterlebte. Ebenso schrieben sie mir, was die Musik ihnen bedeutete und wie wichtig sie letztendlich für viele von Ihnen geworden war.

Jeder Genesungswunsch wurde mir von Markus und Ollie weitergeleitet und ich hatte somit eine wirklich unfassbare Unterstützung und das Gefühl nicht alleine zu sein. Das gab mir den fast verlorenen Mut wieder zurück.

Ich kämpfte gegen die Zeit und dem Drang nicht mehr zu rauchen. Ich war bis dahin ein ziemlich starker Raucher gewesen. Zwei Packungen am Tag waren damals keine Seltenheit und trugen ihren Teil zur meiner bisherigen Anfälligkeit bei den Konzerten bei. Die ersten Tage waren wirklich schlimm.

Ich wurde nachts wach und konnte nicht schlafen und dachte immer wieder daran eine zu rauchen. Ich träumte sogar davon. Ich hatte Schüttelfrost und mein Körper krampfte ab und zu, von meinen Depressionen ganz zu schweigen. Wenn mir heute einer erzählt, das ihm rauchen Spaß macht, würde ich ihm am liebsten ins Gesicht springen. Zu schlimm sind meine Erinnerungen heute noch an diese Tage und Wochen.

Heute weiß ich, dass man erst merkt wie süchtig man ist, wenn man versucht es sein zu lassen. Irgendwann ließ der Gedanke doch aufzugeben nach und ich merkte, dass ich mit jedem Tag meinem Ziel ein bisschen näher kam. Die Sucht wurde schwächer. Mittlerweile waren zwei Wochen vorbei und das Druckgefühl, was ich schon seit Wochen auf meiner Lunge hatte ließ endlich etwas nach.

Ich surfte durch das ganze Internet und schaute mir Bilder und Videos von meinen Auftritten im Netz an. Beim Ansehen der Konzerte sagte ich mir immer wieder, dass ich da wieder hin wollte, um noch viele dieser Momente zu erleben. Ziemlich sentimental war das damals. Ich wusste schließlich nicht, ob es das nun war oder ob ich vielleicht eine zweite Chance bekommen sollte.

Ich hatte mir das WGT als Ziel gesetzt und wollte dort unbedingt wieder auftreten können. Allerdings war ich mittlerweile so einsichtig geworden, dies vom Urteil des Arztes abhängig zu machen. Ich schaute mir immer wieder Bilder und Videos an und fand mich immer ziemlich fremd auf dem, was ich dort sah. Es war mir bis dato nie aufgefallen, aber nirgends bekam ich auf einem Bild den Eindruck wirklich sehen zu können, wer ich eigentlich war. Die Kontaktlinsen und der immer wieder böse Blick überspielte das. Natürlich hatte ich die Linsen getragen, weil ich mich damit sicherer fühlte und könnte mir nun wirklich immer noch nicht vorstellen sie wegzulassen. Aber auf den Bildern sah ich mich nie so, wie ich wirklich war.

Die Linsen verfremdeten den gesamten Ausdruck in meinem Gesicht. Ich weiß noch wie heute, das ich nach fast zweieinhalb Wochen, am Abend vor dem entscheidenden Arztbesuch, zu mir sagte:

„Wenn ich noch eine Chance bekomme, werde ich die Kontaktlinsen weglassen, egal wie schwer das ist." Wenn ich diese Möglichkeit noch einmal bekommen sollte, würde das WGT der letzte Auftritt mit Linsen sein.

Das Ganze mag sich nun sehr seltsam anhören. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass ich damals in einer ziemlich außergewöhnlichen Situation war. In einem solchen Moment wendet man sich an alles, was einem helfen kann. Da entdeckt man den Aberglauben wieder und viel andere subtile Dinge, mit denen man sich beschäftigt. Zumal ich damals schon über vierzehn Tage den Mund gehalten hatte. Ich wollte einfach ein Zeichen setzen, dass ich bei zukünftigen Fotos immer sehen konnte, dass bei meiner zweiten Chance ebenso eine neue Zeitrechnung für mich anfangen sollte. Ich wollte mir nun auch selber wieder in die Augen schauen. Am nächsten Morgen ging ich zum Arzt. Ich hatte vorher schon einige Male heimlich etwas vor mich hin gesagt und es fühlte sich noch etwas seltsam an. Es fühlte sich wesentlich besser an, aber noch nicht so, wie es sein sollte. Als er mir in den Hals schaute war er recht überrascht, wie gut doch alles wieder verheilt war. Ich hatte immer noch kleine Schwellungen auf den Stimmbändern, welche allerdings schon immer da gewesen sein könnten. Knoten konnte er keine mehr sehen und somit schien ich noch einmal Glück gehabt zu haben.

Ich strahlte in diesem Moment über beide Ohren, worauf er allerdings direkt sagte, dass ich es nun nicht übertreiben sollte. Ich müßte es langsam angehen. In aller Ruhe. Ich bedankte mich bei ihm und kurz nachdem ich nun zuhause angekommen war, rief ich voller stolz meine Familie und dann Markus und Ollie an. Ich sagte zu ihnen, „WGT, wir kommen", worauf sie mich dann beglückwünschten. Ich denke mal, dass Markus und Ollie auch ein Stein vom Herzen fiel. Sie hatten all die Jahre so viel Herzblut in Unheilig investiert, da wäre es ein ziemlich harter Schlag gewesen, wenn es nun zu Ende gewesen wäre. Der kommende Auftritt auf dem WGT lief auch ohne irgendwelche Besonderheiten. Die Stimme hielt. Ich merkte, dass sie noch immer etwas untrainiert war, um es mal so auszudrücken, Allerdings war alles soweit gut.

Ich trug bei diesem Auftritt das letzte Mal die weißen Kontaktlinsen. Die Stimmung bei diesem Auftritt war einfach unfassbar schön. Es war für viele ebenso ein kleiner Sieg zu sehen, dass ich es geschafft hatte wieder zurückzukommen. Viele von Ihnen hatten die letzten Wochen so sehr mitgefiebert und es war so toll nun auf dieser Bühne diesen Auftritt mit ihnen zu genießen. Nach dem Auftritt warf ich die Kontaktlinsen mit einem lächeln in irgendeine Ecke und freute mich. Ich fühlte mich in diesem Moment befreit. Es war damals ein neuer Anfang für mich. Eine zweite Chance, die ich bekommen hatte und die ich nun nutzen wollte. Ich ging an diesem Tag noch lange einfach so über das Gelände des WGT. Eigentlich wie immer. Allerdings trug ich keine Kontaktlinsen, was ich schnell wieder vergaß. So entstanden an diesem Tag die ersten Bilder von mir und einigen Fans ohne weiße Kontaktlinsen und es machte mir nichts aus, dass ich mich nun nicht mehr dahinter verstecken konnte.

Ein neuer Partner

Zur damaligen Zeit hatte die Majorplattenfirma Universal seit vielen Monaten immer wieder Interesse bekundet, mich als Künstler unter Vertrag zu nehmen. Allerdings fand ich diesen Gedanken nicht wirklich toll. Wusste ich doch, dass ich dann nicht mehr derjenige sein würde, der entscheidet wie die Musik sein sollte. Ich war die Zusammenarbeit mit Markus und Ollie gewohnt und wusste, dass uns

diese Konstellation in den vergangenen Jahren stark gemacht hatte. Ich hatte die Sorge, diese Stärke zu verlieren. Grundsätzlich waren wir alle aber immer offen für neue Ideen. Das Ganze allerdings dann in einem Vertrag unter zu bringen und die gewohnte Freiheit weiterhin zu haben, schien ziemlich unmöglich. Sie machten uns über Monate hin immer wieder Angebote, die wir allerdings immer wieder ablehnten, weil wir unsere gewohnte Arbeitsweise und Freiheit nicht aufgeben wollten. Der grundsätzliche Gedanke reizte mich schon, allerdings nicht zu dem Preis der freien Entscheidung über die Musik.

Die Verhandlungen zogen sich inzwischen schon über zwei Jahren hin. Ab und zu meldeten sich die Zuständigen von der Universal wieder bei uns. Letztendlich führte es allerdings nie zu einer Vertragsunterzeichnung. Zu unterschiedlich waren bisher immer noch die Auffassungen, wie alles von statten gehen könnte. Irgendwann kam die Aussage von Ihnen, nachdem wir unzählige Male nicht auf einen Nenner gekommen sind, dass wir unsere Vorstellungen einfach sagen sollten und vielleicht so zu einer gemeinsamen Zusammenarbeit kommen würden. Somit setzten wir unsere Vorstellungen einfach auf.

Im Grunde war uns allen das Wichtigste, dass wir weiterhin entscheiden, wie die gesamte Musik wird und alles um Unheilig herum aussieht und in diesen Punkten das letzte Wort haben. Wenn dies der Fall wäre, könnten wir gerne gemeinsam zusammenarbeiten. Damals dachte ich noch, dass sich darauf nun wirklich niemand einlassen würde. Allerdings stand keine andere Lösung für uns alle zur Debatte. Nach einiger Zeit war es dann soweit. Wir näherten uns in allen Punkten immer mehr an und diese wurden dann vertraglich festgehalten. Somit hatten wir ab diesem Moment die Universal als Partner mit im Boot und trotzdem weiterhin Entscheidungsgewalt über Unheilig. Die Zusammenarbeit gestaltete sich richtig gut. Wir hatten nun die Möglichkeit die Musik einem viel größeren Spektrum an Hörern vorzustellen, was alleine daran lag, dass wir nun aufgrund unserer Kooperation viel mehr Kontakte und Möglichkeiten hatten. So gab es die Musik endlich auch in allen Downloadportalen, wo wir alleine niemals hineingekommen wären und die Möglichkeit bestand nun auch über verschiedene TV Sender mehr Menschen zu erreichen. Allerdings war mir damals schon ganz klar bewusst, das nach dieser Entscheidung mit einer so großen Plattenfirma zusammenzuarbeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder viele auftauchen würden, die die altbekannte Gebetsmühle wieder anwerfen. So nach dem Motto, jetzt wird er kommerziell und wird sich verändern, weil es nach außen schließlich so aussah, als ob nun eine große Plattenfirma über Unheilig entscheidet.

Ich wusste, dass dies nicht so sein würde und hoffte einfach nur, dass diejenigen die das glaubten, sich vielleicht eines Besseren belehren lassen, wenn sie sehen, dass es nicht so wäre. Allerdings wusste ich damals, dass es erst einmal wieder einen Aufschrei geben würde.

Manche würden wieder nur die Oberfläche betrachten und sehen, das Unheilig jetzt bei einer großen Plattenfirma ist und die wirklichen Hintergründe nicht kennen. Allerdings ging ich mit Markus und Ollie trotz alledem diesen Schritt in die Zukunft. Ich wusste, wenn ich weiterhin eine Entwicklung in allem sehen wollte, ist dieser Weg der richtige Weg.

Ich hatte schließlich nicht meine Seele verkauft, sondern letztendlich nur einen neuen Partner bekommen.

Mera Lima 2008

Nachdem wir nun auch die verschobenen Konzerte der Puppenspieler Tour sehr erfolgreich nachgeholt hatten, merkte ich, dass meine Stimme mit jedem Konzert wieder besser und sicherer wurde.

Wir spielten in dieser Zeit noch einige Festivals, die mir wieder jede Menge Sicherheit in der Stimme gaben. Im Grunde fehlte mir nach dieser Krankheitszeit immer noch ein bisschen Training und eine gewisse Normalität. Die damaligen Auftritte halfen mir sehr dabei.

Ich trainierte meine Stimme damals fast täglich, machte Atemübungen und hatte es geschafft mit dem Rauchen aufzuhören, was wohl der größte Fortschritt für mich persönlich war. Das merkte ich auch bei jedem Konzert. So viel Luft hatte ich noch nie und das Ganze machte sich bei jedem Auftritt bemerkbar.

Allerdings war das alles zum Leitwesen derer, die mit mir zusammenarbeiteten und noch rauchten. Ich muss leider zugeben, dass ich einer von den ehemaligen Rauchern bin, die unheimlich allergisch darauf reagieren, wenn einer in meiner Nähe anfängt zu rauchen.

Jede Zigarette ist für mich eine Art Todfeind geworden, was wohl daran liegt, das die ganze Qualmerei der größte Grund war, beinahe die Musik für mich verloren zu haben. Allerdings brachten mir alle Anwesenden soviel Verständnis entgegen, dass sie die Qualmerei in meiner Nähe sein ließen.

Das anstehende Mera Luna, war ein ganz besonderes Festival für mich. Es ist eines dieser Festivals, bei denen ich von Jahr zu Jahr immer wieder eine Steigerung empfunden hatte. Diesmal sollte es auch so sein. Aufgrund unserer letzten Erfolge, wie der erfolgreichen Tour und dem Charterfolg, hatten wir nun die Möglichkeit, das erste Mal auf der großen Bühne zu spielen.

Ich hatte die bisherigen Auftritte auch immer sehr genossen, allerdings ärgerte ich mich immer wieder darüber, dass bei unseren bisherigen Auftritten im Hangar viele Menschen nicht mehr hineinkamen, da er einfach völlig überfüllt war. Es kam immer wieder vor, dass Unheiligfans draußen stehen mussten und nicht mehr hineinkamen. Ebenso weiß ich noch genau, wie ich bei meinem ersten Auftritt diese riesige Bühne sah und damals dachte, wie schön es doch wäre, wenn wir dort auch einmal vor über zwanzigtausend Menschen spielen könnten. Nun sollte es also soweit sein. Dort angekommen war im Grunde wieder alles wie gewohnt. Es kam mir dort immer so vor, als ob sich in den letzten Jahren nichts geändert hatte und alles immer wieder gleich aufgebaut wurde.

Der Auftritt jedoch war toll und unvergesslich. Auf der großen Bühne, vor so vielen Menschen spielen zu können, war einfach ein unbeschreibliches Erlebnis. Danach folgte eine Autogrammstunde, der etwas längeren Art. Es war in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass ich nach einer Stunde aufhören musste Autogramme zu geben. „Aus organisatorischen Gründen", sagte man mir immer. Daran hatte ich mich allerdings noch nie gehalten und lief somit einfach auf dem Gelände rum und machte weiter, was dem Veranstalter scheinbar aus mir unerfindlichen Gründen nicht passte. Diesmal hatte man meine Autogrammstunde an die letzte Position gesetzt und somit war das Ende offen. So konnte ich endlich allen, die ein Foto oder Autogramm wollten in Ruhe eines geben.

Nach vier Stunden allerdings, wurde die Security und die Verantwortlichen wieder unruhig und somit bedurfte es wieder eines kleinen Donnerwetters im Hintergrund, dass wir allen Unheiligfans auch weiterhin unsere Aufmerksamkeit geben konnten. Als sie die Autogrammstunde wieder abbrechen wollten, weil es ihnen scheinbar zu lange dauerte, rastete ich ein weinig aus, weil ich mich darüber dermaßen aufregte, dass sie nun die Leute, die schon seit Stunden auf ihr Autogramm warteten einfach wegschicken wollten.

Ich sagte demjenigen, der für die ganze Organisation der Autogrammstunde zuständig war, dass ich das nicht nachvollziehen konnte und er mich schon wegtragen müsste, wenn er das hier nun abbrechen wollte. Scheinbar etwas erschrocken über meine Aufregung sagte er daraufhin nichts mehr und ich konnte in Ruhe weiter Autogramme schreiben.

In dieser Zeit planten Markus, Ollie und ich alles auf Video aufzuzeichnen, was an einem solchen Tag passiert. Es gab damals Interesse von dem Sender DMAX eine Dokumentation über Unheilig zu machen und somit wurde ich schon am Morgen verkabelt und bekam einen Kameramann an die Hacken, der mich nun überall hin begleitete. Diese Dokumentation kam nun über unseren neuen Partner zustande, was uns allen wiederum zeigte, das die Zusammenarbeit uns viele neue Möglichkeiten brachte, die wir bis dahin noch nicht hatten.

Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass nun jede kleine Bewegung aufgezeichnet wird. Allerdings vergisst man das auch nach einiger Zeit und merkt gar nicht mehr, dass da einer alles filmt und aufzeichnet, was ich sagte.

Der Tag ging spät in der Nacht zu Ende und ich fuhr am gleichen Abend noch nach Hause, nachdem man mir all die Kabel wieder entfernt hatte.

Frank der Weddingplaner

Es war damals auch die Zeit, wo wir wieder eine Anfrage für einen Auftritt bei einer Hochzeit über Frank, der Weddingplaner bekommen hatten. Es war wieder so, dass sich zwei Unheiligfans, die nun heiraten wollten, nichts mehr wünschten, als das wir auf ihrer Hochzeit spielten.

Ich brauchte damals nicht lange darüber nachzudenken, da wir das gerne machen wollten. Schließlich hatte ich nur positive Erfahrungen dadurch gemacht und die

Unheiligmusik wurde damals vielen Menschen nahe gebracht. Es war die gleiche Agentur, die alles für Pro Sieben plante und organisierte und somit hatten wir alle ein gutes Gefühl dabei.

Diesmal sollte es so sein, das wir die Möglichkeit hatten gleich drei Lieder während der Hochzeit zu spielen und es sollte am Abend der Hochzeit auch ein kleiner Auftritt in einem Club stattfinden. Es war zwar wesentlich mehr Aufwand, aber wir nahmen uns im Vorfeld die Zeit, um alle notwendigen Vorbereitungen zu erledigen. Es sollten zwei Drehs stattfinden. Bei dem ersten sollten Braut und Bräutigam überrascht werden und beim zweiten spielten wir für die ganze Hochzeitsgesellschaft ein kleines Konzert. Alles lief reibungslos ab.

Die Überraschung und das kleine Konzert am nächsten Abend sorgte bei allen Beteiligten für ein wohlig warmes Gefühl. Allerdings sind es immer etwas seltsame Momente, wenn man permanent von Kameras beobachtet wird.

Dabei empfinde ich immer noch eine enorme Anspannung. Auch hierbei wurde ich wieder verkabelt und bekam einen, ich nenne ihn mal, Kameraschatten an die Seite, der alles aufnehmen sollte, was nun passierte. Ab und an vergaß ich, dass alles aufgezeichnet wurde.

Schlimm ist es immer, wenn einem plötzlich einfällt, dass man aufgenommen wird. Dann versucht man sich daran zu erinnern, was man alles erzählt oder gemacht hatte, was allerdings immer sinnlos ist, da man sich daran nicht mehr erinnern kann. Zumindest nicht an jedes Wort.

In den nächsten Stunden lief alles wie gewohnt. Das Brautpaar freute sich riesig darüber, dass wir gekommen waren und es flössen einige Tränen der Rührung. Ich finde es ehrlich gesagt immer wieder unglaublich, wie die Musik, die ich mache die Menschen begleitet.

Wenn ich Lieder schreibe, denke ich da nie dran, was diese wohl bewirken mag. Ich schreibe und komponiere einfach, ohne irgendwelche planbaren Hintergedanken, was da vielleicht einmal draus werden oder ob man sich darin wieder finden könnte. Das erfahre ich immer wieder erst im Nachhinein und das macht mich als Künstler sehr stolz. Wir feierten damals mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft noch bis in die Nacht hinein, bis wir uns letztendlich noch in den Morgenstunden auf dem Weg in Richtung Heimat machten.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]