- •Von Erich Kästner
- •Von Erich Kästner
- •1 „Hoppla“, rief die Mutter, „wir müssen zum Bahnhof. Es ist schon Viertel nach eins. Und der Zug geht kurz vor zwei Uhr.“
- •2 „Also los, Frau Tischbein!“ sagte Emil zu seiner Mutter, „aber, dass Sie nur wissen, den Koffer trage ich selber!“
- •1 Vor dem Hause sagte die Mutter: „Falls die Pferdebahn kommt, fahren wir bis zum Bahnhof.“
- •2 Wer von euch weiß, wie eine Pferdebahn aussieht? Aber da sie gerade um die Ecke biegt und hält, weil Emil winkt, will ich sie euch rasch beschreiben. Bevor sie weiterzuckelt.
- •1 Auf dem Bahnhofsplatze 12 stiegen Frau Tischbein und Sohn aus. Und während Emil den Koffer von der Plattform angelte, brummte eine dicke Stimme hinter ihnen: „Na, Sie fahren wohl in die Schweiz?“
- •1 „Und sei vor allem zu den anderen Leuten nicht so frech wie zu deiner Mutter. Und wirf das Papier nicht auf den Fußboden, wenn du deine Wurststullen isst. Und verliere das Geld nicht!“
- •2 Emil fasste sich entsetzt an die Jacke und in die rechte Brusttasche. Dann atmete er erleichtert auf und meinte: „Alle Mann an Bord.“
- •3 Er fasste die Mutter am Arm und spazierte mit ihr auf dem Bahnsteig hin und her.
- •2 Die Mutter winkte noch lange mit dem Taschentuch. Dann drehte sie sich langsam um und ging nach Hause. Und weil sie das Taschentuch sowieso schon in der Hand hielt, weinte sie gleich ein bisschen.
- •3 Aber nicht lange. Denn zu Hause wartete schon Frau Fleischermeister Augustin und wollte gründlich den Kopf gewaschen haben.
- •1 Emil nahm seine Schülermütze ab und sagte: „Guten Tag, meine Herrschaften. Ist vielleicht noch ein Plätzchen frei?“
- •1 Plötzlich legte er das Blatt beiseite, holte aus seiner Tasche eine Ecke Schokolade, hielt sie dem Knaben hin und sagte: „Na, junger Mann, wie wär's?“
- •2 „Ich bin so frei“, antwortete Emil und nahm die Schokolade. Dann zog er, hinterher erst, hastig seine Mütze, verbeugte sich und meinte: „Emil Tischbein ist mein Name.“
- •3 Die Reisegefährten lächelten. Der Herr lüftete seinerseits ernst den steifen Hut und sagte: „Sehr angenehm, ich heiße Grundeis.“
- •1 Herr Grundeis hatte es sich in einer Ecke gemütlich gemacht und schlief.
- •1 „Ich gebe Ihnen zwanzig Mark, Herr Wachtmeister“, schrie Emil.
- •2 „Lass gefälligst den Blödsinn!“ rief Jeschke und hieb mit der Peitsche wie verrückt auf die Pferde ein.
- •2 Und dann plumpste er, krach! auf eine Wiese.
- •2 Die Tasche war leer! Das Geld war fort!
- •1 Emil durchwühlte die Tasche mit der linken Hand. Er befühlte und presste das Jackett von außen mit der rechten. Es blieb dabei: die Tasche war leer, und das Geld war weg.
- •2 Schrecklich. Nicht einmal der Polizei konnte er sich anvertrauen!
- •2 Doch was sollte nun werden? Wenn der andere während der Fahrt absprang, war das Geld endgültig weg. Denn mit dem Koffer abspringen, das ging nicht. Das war zu gefährlich.
- •2 Und hohe, hohe Häuser.
- •3 Das war also Berlin.
- •2 „Siehst du nicht, dass Leute 'rauf wollen?“ brummte er ärgerlich.
- •2 Der Schaffner kam der Tür immer näher. Jetzt stand er schon im Türrahmen und fragte laut: „Wer hat noch keinen Fahrschein?“
- •3 Er riss große weiße Zettel ab und machte mit einer Zange eine Reihe Löcher hinein. Die Leute auf dem Perron gaben ihm Geld und bekamen dafür Fahrscheine.
- •2 Was würde werden? Emil schluckte schwer. Und er fühlte sich sehr, sehr allein.
- •1 „Das hat nun aber wirklich keinen Zweck“, sagte Pony zur Großmutter. „Da können wir ja hier stehen bleiben, bis wir schwarz werden. Ob es noch einen anderen Blumenstand gibt?“
- •2 „Du kannst ja mal zusehen. Aber bleibe nicht so lange!“
- •3 Hütchen nahm wieder ihr Rad und inspizierte den Bahnhof. Es gab weiter keinen zweiten Blumenstand. Dann fragte sie noch rasch zwei Eisenbahnbeamten Löcher in den Bauch und kam stolz zurück.
- •2 „Drücke dich etwas gewählter aus, Pony!“
- •3 „Kriegt er einen Brief, der sich gewaschen hat, kann man auch sagen.“
- •2 Der Junge stellte sein Gepäck hin, nahm die Mütze ab und witterte.
- •1 Emil fühlte sich wunderbar erleichtert. Denn Pech bleibt nun zwar auf alle Fälle Pech. Aber ein paar Kameraden zu haben, die freiwillig mit von der Partie sind, das ist kein kleiner Trost.
- •1 „Wir werden auch eine Art Bereitschaftsdienst einrichten müssen“, meinte Emil.
- •1 „Und seid ja recht geschickt! Könnt ihr gut schleichen?“ fragte Petzold. „Sonst dreht er sich um, und schon sieht er euch. Dann guten Abend.“
- •3 „Schleiche mal in Berlin, dass dich niemand sieht!“ Emil regte sich auf. „Wenn du willst, dass dich alle sehen sollen, brauchst du nur zu schleichen.“
- •3 Der Professor gab ihm Fahrgeld. Zwanzig Pfennige, für Hin- und Rückfahrt. Emil borgte sich Bleistift und Papier. Und schrieb:
- •2 „Parole Emil!“ riefen die Jungen, das der Nikolsburger Platz wackelte und die Passanten Stielaugen machten.
- •3 Emil war direkt glücklich, dass ihm das Geld gestohlen worden war.
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2 Was würde werden? Emil schluckte schwer. Und er fühlte sich sehr, sehr allein.
Siebentes Kapitel (седьмая глава)
Große Aufregung in der Schumannstraße (большое волнение на Шуманштрассе)
1 Während Emil auf der Straßenbahn 177 stand (пока Эмиль стоял на площадке трамвая 17: stehen), die Kaiserallée lang fuhr (ехал по: „ехал вдоль“) und nicht wusste (не знал), wo er landen würde (где окажется: „приземлится“), warteten die Großmutter und Pony Hütchen, seine Kusíne, im Bahnhof Friedrichstraße auf ihn (бабушка и Пони Шапочка, его двоюродная сестра, ждали его на вокзале). Sie hatten sich am Blumenkiosk (у цветочного киоска, m), wie es ausgemacht war (как было договорено), aufgestellt (встали: „установили себя“) und blickten (бросали взгляды) dauernd (все время: dauern длиться) nach der Uhr (на часы). Viele Leute kamen vorüber (много людей проходило мимо). Mit Koffern (с чемоданами: der Koffer) und Kisten (ящиками: die Kiste) und Schachteln (коробками: die Schachtel) und Ledertaschen (кожаными сумками: das Leder + de Tasche) und Blumensträußen (букетами: die Blume + der Strauß). Doch Emil war nicht dabei (не был при этом = не было среди них).
1 Während Emil auf der Straßenbahn 177 stand, die Kaiserallee lang fuhr und nicht wusste, wo er landen würde, warteten die Großmutter und Pony Hütchen, seine Kusine, im Bahnhof Friedrichstraße auf ihn. Sie hatten sich am Blumenkiosk, wie es ausgemacht war, aufgestellt und blickten dauernd nach der Uhr. Viele Leute kamen vorüber. Mit Koffern und Kisten und Schachteln und Ledertaschen und Blumensträußen. Doch Emil war nicht dabei.
1 „Wahrscheinlich (вероятно, наверное) ist er mächtig (мощно) gewachsen (вырос), was (что = да, не так ли)?“ fragte (спросила) Pony Hütchen und schob (двигала: schieben) ihr kleines vernickeltes Fahrrad (свой маленький никелированный велосипед: fahren + das Rad колесо) hin und her (туда-сюда). Sie hatte es ja eigentlich nicht mitnehmen sollen (она ведь, собственно говоря, не должна была брать его с собой). Doch sie hatte so lange gemauzt (но она так долго канючила: „мяукала“), bis die Großmutter erklärte (пока бабушка /не/ заявила): „Nimm's mit (бери его с собой: mitnehmen брать с собой), alberne Liese (глупая Лиза = дурочка, своевольница)!“ Nun war die alberne Liese guter Laune (теперь глупая Лиза была в хорошем настроении: die Laune) und freute sich auf (заранее радовалась) Emils respéktvollen Blick (полному уважения взгляду Эмиля: der Respekt уважение + voll полный). „Sicher findet er es (конечно, наверняка он найдет его) oberfein (сверхшикарным)“, sagte sie und war ihrer Sache (была в /этом/ своем деле: die Sache) völlig gewiss (полностью уверена) = (не сомневалась ничуть).
1 „Wahrscheinlich ist er mächtig gewachsen, was?“ fragte Pony Hütchen und schob ihr kleines vernickeltes Fahrrad hin und her. Sie hatte es ja eigentlich nicht mitnehmen sollen. Doch sie hatte so lange gemauzt, bis die Großmutter erklärte: „Nimm's mit, alberne Liese!“ Nun war die alberne Liese guter Laune und freute sich auf Emils respektvollen Blick. „Sicher findet er es oberfein“, sagte sie und war ihrer Sache völlig gewiss.
1 Die Großmutter wurde unruhig (стала беспокойной): „Ich möchte bloß wissen (я хотела бы только знать), was das heißen soll (что это должно значить = что бы это значило). Jetzt ist es schon (сейчас уже) 18 Uhr 20. Der Zug müsste (поезд должен бы) doch (же, ведь) längst (давно уже) da sein (здесь быть).“
2 Sie lauerten (караулили, подкарауливали) noch ein paar Minuten (еще несколько минут). Dann schickte die Großmutter das kleine Mädchen fort (затем бабушка отослала маленькую девочку), sich zu erkundigen (спросить, узнать).
3 Pony Hütchen nahm natürlich ihr Rad mit (взяла, конечно, велосипед с собой : mitnehmen). „Können Sie mir nicht erklären (вы не можете мне сказать), wo der Zug aus Neustadt bleibt (куда подевался поезд из Нейштадта: „где остается“), Herr Inspektor?“ fragte sie den Beamten (спросила она служащего: der Beamte; das Amt служба, учреждение), der mit einer Lochzange (который с щипцами для дырок = для компостирования) an der Sperre (у турникета: „заграждения“) stand (стоял: stehen) und Obacht gab (следил: Obacht geben „давать внимание“), dass jeder (чтобы каждый), der an ihm vorbei wollte (кто хотел мимо него /пройти/), ein Billétt mitbrachte (приносил с собой билет: mitbringen).
4 „Neustadt? Neustadt?“ überlegte er (подумал он), „ach so (ах так), 18 Uhr 17! Der Zug ist längst 'rein (поезд давным-давно прибыл: „сюда-внутрь“).“
1 Die Großmutter wurde unruhig: „Ich möchte bloß wissen, was das heißen soll. Jetzt ist es schon 18 Uhr 20. Der Zug müsste doch längst da sein.“
2 Sie lauerten noch ein paar Minuten. Dann schickte die Großmutter das kleine Mädchen fort, sich zu erkundigen.
3 Pony Hütchen nahm natürlich ihr Rad mit. „Können Sie mir nicht erklären, wo der Zug aus Neustadt bleibt, Herr Inspektor?“ fragte sie den Beamten, der mit einer Lochzange an der Sperre stand und Obacht gab, dass jeder, der an ihm vorbei wollte, ein Billett mitbrachte.
4 „Neustadt? Neustadt?“ überlegte er, „ach so, 18 Uhr 17! Der Zug ist längst 'rein.“
1 „Ach, das ist aber schade (как жалко). Wir warten nämlich (мы ждем именно = дело в том, что мы ждем) dort drüben (вон там) am Blumenstand (у цветочного киоска, m) auf meinen Vetter (моего двоюродного брата) Emil.“
2 „Freut mich (очень рад: „радует меня“), freut mich“, sagte der Mann.
3 „Wieso freut Sie denn das (как это = почему же это Вас радует), Herr Inspektor?“ fragte (спросила) Pony neugierig (с любопытством: „любопытно“) und spielte mit ihrer Radklingel (поиграла = звякнула велосипедным звонком).
4 Der Beamte antwortete nicht (служащий не ответил) und drehte ihr den Rücken zu (повернул ей спину = отвернулся от нее).
5 „Na, Sie sind aber ein ulkiger Knabe (ну и забавный же вы парень)“, sagte Pony beleidigt (обиженно). „Auf Wiedersehen (до свидания)!“
6 Ein paar Leute lachten (несколько людей засмеялись). Der Beamte biss sich (укусил себя: beißen) ärgerlich (сердито) auf die Lippen (в губы: „на губы“: die Lippe). Und Pony Hütchen trabte (вернулась рысью) zum Blumenstand (к киоску).
1 „Ach, das ist aber schade. Wir warten nämlich dort drüben am Blumenstand auf meinen Vetter Emil.“
2 „Freut mich, freut mich“, sagte der Mann.
3 „Wieso freut Sie denn das, Herr Inspektor?“ fragte Pony neugierig und spielte mit ihrer Radklingel.
4 Der Beamte antwortete nicht und drehte ihr den Rücken zu.
5 „Na, Sie sind aber ein ulkiger Knabe“, sagte Pony beleidigt. „Auf Wiedersehen!“
6 Ein paar Leute lachten. Der Beamte biss sich ärgerlich auf die Lippen. Und Pony Hütchen trabte zum Blumenstand.
1 „Der Zug ist längst 'rein, Großmutter (поезд давно уже прибыл, бабушка).“
2 „Was mag da (что могло тут) passiert sein (случиться)?“ überlegte die alte Dame (размышляла старая дама). „Wenn er überhaupt nicht abgefahren wäre (если бы он вообще не выехал), hätte seine Mutter doch depeschiert (его мать послала бы ведь телеграмму). Ob er verkehrt ausgestiegen ist (не сошел ли он ошибочно /не на той остановке/: aussteigen)? Aber wir haben es doch (но мы ведь) ganz genau (совершенно точно) beschrieben (описали: beschreiben)!“
3 „Ich werde daraus nicht gescheit (ничего не понимаю: „я из этого не становлюсь умной“)“, behauptete (заявила) Pony und tat sich wichtig (приняв важный вид: „сделала себя важной“: tun). „Sicher ist er verkehrt ausgestiegen (наверняка он не там, где надо, сошел). Jungens sind manchmal furchtbar blöde (мальчишки иногда ужасно глупые, бестолковые). Ich möchte wetten (готова держать пари: „хочу держать пари“)! Du wirst noch sehen (ты еще увидишь), dass ich Recht habe (что я права).“
4 Und weil ihnen nichts anders übrig blieb (поскольку им ничего другого не оставалось: übrig bleiben), warteten sie von neuem (ждали они снова). Fünf Minuten.
5 Noch mal fünf Minuten (еще раз пять минут).
1 „Der Zug ist längst 'rein, Großmutter.“
2 „Was mag da passiert sein?“ überlegte die alte Dame. „Wenn er überhaupt nicht abgefahren wäre, hätte seine Mutter doch depeschiert. Ob er verkehrt ausgestiegen ist? Aber wir haben es doch ganz genau beschrieben!“
3 „Ich werde daraus nicht gescheit“, behauptete Pony und tat sich wichtig. „Sicher ist er verkehrt ausgestiegen. Jungens sind manchmal furchtbar blöde. Ich möchte wetten! Du wirst noch sehen, dass ich Recht habe.“
4 Und weil ihnen nichts anders übrig blieb, warteten sie von neuem. Fünf Minuten.
5 Noch mal fünf Minuten.
1 „Das hat nun aber (но это теперь) wirklich (действительно) keinen Zweck (не имеет цели)“, sagte Pony zur Großmutter. „Da können wir ja hier stehen bleiben (тут можем мы ведь здесь оставаться стоять), bis wir schwarz werden (пока не станем черными = до посинения). Ob es noch einen anderen Blumenstand gibt (есть ли еще другой киоск)?“
2 „Du kannst ja mal zusehen (ты можешь ведь посмотреть). Aber bleibe nicht so lange (но не задерживайся: „не оставайся так долго“)!“
3 Hütchen nahm wieder ihr Rad (снова взяла свой велосипед) und inspizierte den Bahnhof (обследовала вокзал). Es gab weiter keinen zweiten Blumenstand (не было больше: „далее“ второго цветочного киоска). Dann fragte sie (затем она спросила) noch rasch (еще быстро) zwei Eisenbahnbeamten (двум железнодорожным служащим) Löcher in den Bauch (дырки в живот) = (замучила их, достала своими расспросами) und kam stolz zurück (гордо вернулась).