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Die Reparationsleistungen Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg

Werner Plumpe, Bochum/Frankfurt

Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg ist bis heute nicht umfassend untersucht. Art, Struktur und Höhe von Zahlungen und Entnahmen zwischenzeitlich recht gut bekannt1, die Frage nach der ökonomischen Bedeutung der Reparationsleistungen sowohl für die unterschiedlichen Teile Deutschlands wie für die Empfängerstaaten ist aber weiterhin strittig.2 Zwar wurden der offensichtliche wirtschaftliche Erfolg der späteren Bundesrepublik ebenso wie das erkennbare ökonomische Zurückbleiben der späteren DDR stets in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Reparationsverpflichtungen gebracht; die ökonomischen Zusammenhänge sind freilich komplexer und lassen einfache Rechnungen kaum zu. Im folgenden sollen drei Punkte zur Sprache kommen. Zunächst geht es darum, die Reparationspolitik insbesondere der westlichen Besatzungsmächte darzustellen und die Gründe zu erläutern, wie und warum es zu einer reparationspolitischen Spaltung Deutschlands lange vor der politischen Spaltung des Landes kam, die nicht unmaßgeblich dazu beitrug, daß die seinerzeitige SBZ erheblich stärker von den Reparationsforderungen betroffen wurde als die Westzonen. Im Anschluß daran ist ein Blick auf die von Westdeutschland tatsächlich erbrachten Leistungen zu werfen, um in einem dritten Schritt schließlich die ökonomische Bedeutung der Reparationen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu diskutieren. Die ersten beiden Punkte wissen sich u.a. der relativ neuen Darstellung des Schweizer Zeithistorikers Jörg Fisch3 und einer jüngsten Untersuchung zur amerikanischen Wirtschaftskonzeption in Deutschland zwischen 1944 und 19474 verpflichtet, der Reparationspolitik und Reparationsleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1992 umfassend darstellte. Trotz einiger methodischer und inhaltlicher Probleme – so rechnet Fisch unter wenig überzeugenden Argumenten die Bedeutung der Annexionen deutscher Gebiete und der entschädigungslosen Enteignung von Deutschen in Ostmitteleuropa aus dem Reparationskomplex heraus und ist bei der Beurteilung der sowjetischen Besatzungspolitik auf dünner Quellenbasis recht spekulativ5 – ist die Darstellung Fischs die bisher umfassendste und klarste Behandlung des Themas. Die Diskussion der Folgeproblematik gerät bei Fisch freilich einerseits sehr knapp; zum anderen ist sie – angesichts einer unzureichenden Forschung nicht verwunderlich – hochgradig spekulativ. Die Diskussion der Folgen von Reparationsentnahmen stützt sich daher v.a. auf die allgemeine wirtschaftshistorische Literatur, muß aber in ihren Aussagen letztlich sehr vorläufig bleiben, da in der Forschung hier noch viel zu tun bleibt und die Bedeutung von Reparationen und Hilfen selbst heute noch häufig unter politischen Vorzeichen interpretiert wird.6

Der Problemhorizont

Kontributionen als Tribut des Verlierers an den Kriegskosten des oder der Sieger sind seit der Antike überliefert und wurden zum festen Bestandteil des Kriegsvölkerrechtes. Mit dem Ersten Weltkrieg trat in Europa indes ein Wandel ein, da es nun nicht mehr um die Kontribution des Verlierers sondern um die Sühne des Aggressors ging. Noch 1871 hatte Frankreich im Frankfurter Frieden zwar eine erhebliche Summe zu zahlen, aber nicht wegen seiner Kriegsschuld, sondern weil es den Krieg verloren hatte. Der Versailler Vertrag hingegen ging von der Kriegsschuld Deutschlands aus, die seine Wiedergutmachungspflicht des Aggressors begründe. Hiernach hätte Deutschland selbst dann zahlen müssen, wenn es den Krieg gewonnen hätte. 7 Die Festschreibung eines Kriegsschuldartikels im Versailler Vertrag und eine daraus sich ableitende allgemeine, nicht genau quantifizierte Wiedergutmachungspflicht bildete mithin einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Kriegsvölkerrechtes, der erhebliche Konsequenzen haben sollte.

Folgende Probleme ergaben sich unmittelbar: a) Die Festlegung der Höhe der Zahlungen und der Lieferungen, die sich im Grunde nach der Logik Versailles an der Größe des Schadens und der moralischen Schuld zu orientieren hatten, nicht an der Zahlungsfähigkeit Deutschlands. Die ersten Festlegungen waren daher auch absurd hoch, weshalb deutsche Proteste nicht ausblieben. Es schloß sich ein sukzessiver Prozeß der Eskalation einerseits, der Anpassung der Zahlungshöhe an die deutsche Zahlungsfähigkeit über Dawes- und Young-Plan bis hin zum Hoover-Moratorium an. Eine zufriedenstellende Lösung, die einen friedlichen Ausgleich ermöglicht hätte, wurde auf diese Weise nicht gefunden, auch wenn man das „reine“ Reparationsproblem schließlich im Griff hatte.8 b) Ein weiteres Problem war die Art der Transferierung der Zahlungen durch Devisentransfers und/oder Direktlieferungen. Beide Verfahren waren nicht unproblematisch, da Devisen erst verdient werden mußten, Direktlieferungen die Industrie der Empfängerländer schaden können. Die Erfüllung der Reparationszahlungen hing mithin von einer positiven deutschen Außenhandelsbilanz, damit dem Zugang zu den internationalen Märkten und von der Öffnung der internationalen Kapitalmärkte ab. Eine einigermaßen stabile Problemlösung wurde daher nur zwischen 1924 und 1929 nicht zuletzt wegen des Zustroms amerikanischen Kapitals nach Deutschland erreicht.9 c) Vor diesem Hintergrund war es wenig verwunderlich, daß Deutschland nicht nur ständig seine Zahlungsunfähigkeit mit guten und weniger guten Gründen betonte, sondern gegen die Reparationsregelung, die ja die moralische Verurteilung voraussetzte, im Grunde Sturm lief. Noch in der Weltwirtschaftskrise war es Brünings primäres Ziel, selbst um den Preis großer innerer Wirtschaftsprobleme die deutsche Zahlungsunfähigkeit zu dokumentieren und damit die Reparationsverpflichtung loswerden zu können.10

Das Scheitern des Versailler Systems stand als Menetekel vor allen Reparationsüberlegungen zu Ende des Zweiten Weltkrieges: Das Transfer- und das Kontrollproblem wurden zu den Ecksteinen aller einschlägigen Planungen. Dabei war die Wiedergutmachungspflicht der Achsenmächte unstrittig; einen eigenständigen Einfluß hierauf, wie ihn Deutschland nach 1918 als Völkerrechtssubjekt noch hatte, sollte es nach dem 2. Weltkrieg allerdings nicht mehr geben; Reparationen wurden nach 1945 also eine reine Angelegenheit der Sieger auf der Basis der vollständigen Unterwerfung der Kriegsgegner. Damit war zwar das Kontrollproblem gelöst, aber noch keineswegs die Frage nach der Art und Höhe der deutschen Leistungen festgelegt. Diese Fragen bestimmten die Planungen und Beschlüsse der nächsten Jahre.

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