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ПОСОБИЕ_Пожилова В.Е., Рябых Е.Б..doc
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Kultureller Niedergang durch Fernsehen?

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Soweit ich es beurteilen kann, gibt es Kindheit oder Jugend nicht mehr - zumindest nicht in den Vereinigten Staaten. Es gibt natürlich kleine Menschen von nur geringem Lebensalter, mittelgroße, etwas äl­tere Menschen sowie große Menschen mit ergrauenden oder gar keinen Haaren. Sie unterscheiden sich in ihrer Körperkraft, in einigen ihrer kognitiven Fähigkeiten und im Zustand ihres Hormonhaushalts und sind daher mit unterschiedlichen Problemen befaßt und von verschiedenen Ängsten geplagt. Aber bei der Mehrzahl der im nichtbiologischen Bereich angesiedelten Merkmale, die eine Gruppe von der anderen unterscheiden, - ihren Wertvorstellungen und Wünschen, ihren Geschmäckern und Vorlieben, ihren kognitiven Gewohnheiten und Neigungen - kann kaum noch behauptet werden, daß Kinder, Jugendliche und Erwachsene unterschiedliche Kulturen darstellen.

Es wäre naiv, alleine den elektronischen Medien die Schuld zu geben. Sie haben jedoch eine führende Rolle bei der Neudefinition des Kindseins und des Erwachsenseins gespielt, so daß die Unterschiede zwischen beiden verschwanden.

Fotografien und bewegte Bilder sind Verlängerungen unserer Augen, und was sie darstellen, ist Kindern genauso zugänglich wie alles andere, das sie sehen. Und da die Bedienung des elektronischen Kastens, der solche Bilder ständig ins Haus liefert, schon leicht von Kindern vor ihrem zweiten Lebensjahr gemeistert wird, kann nur die kraftraubendste Wachsamkeit der Erwachsenen die Kinder vor diesen Geheimnissen beschützen. Dadurch werden Kinder schon in einem sehr frühen Alter in dieselbe Informationsumgebung eingeführt wie die Erwachsenen - oder zumindest in den Teil der Informationsumge­bung, der in den leicht zugänglichen Bildern und der vereinfachten Sprache des Fernsehens kodiert ist.

Im Gegensatz zum Sehen ist das Lesen keine natürliche Reaktion bei Kindern. Man braucht Geduld, Ruhe, Zeit und die hingebungsvolle Zuwendung von Erwach­senen, um das Entziffern von Buchstaben zu lernen und Eingang in die Phantasie-welt der Biicher zu finden. Im rasenden Tempo des modernen Lebens werden je-doch Ruhe, Geduld und die Zuwendung Erwachsener seltener, während der Fernsehapparat immer zur Ablenkung, Unterhaltung und Gesellschaft bereitsteht.

Schon vor einem Jahrzehnt verbrachten amerikanische Kinder mehr Zeit vor dem Fernsehapparat als mit ihren Eltern und brachten es auf mehr als 5000 Stunden Fernsehzeit, bevor sie in die Schule kamen und ihren ersten Unterricht im Lesen und Schreiben bekamen. Nur wenige lesen mit Vergnügen oder nehmen gar freiwillig ein Buch zur Hand. Sie lesen nur, was sie lesen müssen oder wozu ihre Leh­rer sie drängen. Und da ihre Lehrer mittlerweile selber Ergebnisse eines Lebens sind, das mit Fernsehen begann und später primär von audiovisuellen Medien geprägt wurde, sind sie dem Lesen nicht stark verpflichtet, nicht sonderlich kompetent darin und daher auch kaum geneigt, sich übermäßig lange mit einer Aufgabe abzumühen, die ihre Schüler ermüdend finden und die sie ebenfalls nicht besonders schätzen.

Es ist die große amerikanische Tragödie, daß die elektronischen Medien, indem sie die Tür zum Lesen zugeschlagen haben, die Kinder und ihre Eltern dieses alternativen Weltbildes beraubt und sie schutzlos der erniedrigenden elektronischen Ideolo­gie des Einkaufens und Ausgebens ausgesetzt haben, wonach alle Kulturen – einschließlich der Kultur der Kindheit – als Märkte und alle Menschen einfach als Marktteilnehmer definiert werden. Ich glaube nicht, daß die Tür zum Lesen und das Tor zu einem von Büchern übermittelten, alternativen Weltbild in Amerika noch einmal aufgestoßen werden kann.

Und schon warten die Computer, um die Tür für immer zuzunageln. Ihre graphischen Schnittstellen sind zwar benutzerfreundlich, aber bücherfeindlich.

Vielleicht steht an einem anderen Ort - möglicherweise an Ihrem in Deutschland - die Tür zu Büchern und zu ihrem lebensspendenden, alternativen Weltbild noch halb offen. Wenn dem so ist, dann müssen Sie sowohl um des Kindseins als auch um des Erwachsenseins willen darauf achten, daß diese Tür nicht leise ins Schloß fällt, während Ihre Kinder fasziniert auf Ihren Computer oder Fernsehapparat starren.

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Auch wenn mir der apokalyptische Ton von Postman nicht gefällt, auch wenn ich die Verklärung des Mediums Buch reichlich naiv finde (es gibt schließlich auch gedruckt und nicht nur elektronisch übermittelten Schwachsinn), möchte ich doch an seinem zentraleh Gedanken anknüpfen, den ich in meinen Worten so formulieren möchte: Wer niveaulosen Medienimpulsen ausgesetzt ist, ist meist schon sozial schwach und wird hierdurch noch schwächer. Medienbotschaften, die die Phantasie und Kreativität von Kindern lahmlegen oder irreleiten, erzeugen defini­te bei denen eine negative Wirkung, die keine ausgleichenden Erfahrungen und Erlebnisse haben.

Hier, bei den sozial, wirtschaftlich und kulturell Benachteiligten, liegen heute die eigentlichen Gefahren im Zusammenspiel von Medien, Kultur und Bildung. Wir haben es mit einer kumulativen Wirkung von Fak­toren zu tun, die sich fatalerweise gegenseitig in die gleiche Richtung bestärken.

Die prägende, stilbildende Wirkung der Medien ist nicht zu unterschätzen. Sie steigt dort an, wo andere gesellschaftliche Kommunikationsfelder, insbesondere Familie und Schule, ihre stilbildende Kraft verlieren, und wo Eltern und Lehrer als soziale Modelle fur alltägliche, kulturelle und politische Verhaltensmuster ausfallen. Deswegen sind es diejenigen Kinder und Jugendlichen, die aus nicht intakten Familien kommen, bei denen die Medienbotschaft eine besonders intensive stilbil­dende Wirkung hat. Denn diese Kinder sind auf die Medien stärker als andere angewiesen, wenn sie ihr politisches und soziales Weltbild entwickeln, und sie wenden sich den Medien auch intuitiv stärker zu.

Das US-Horrorszenarium von Neil Post­man kann auch für uns schnell Realität werden, und zwar bei einer erkennbar gefährdeten Teilgruppe von etwa 15 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die sozial isoliert und psychisch instabil sind. Deswegen können sich die Medien auch in Deutschland nicht aus ihrer Verantwortung herausstehlen, die sie für die Sicherung ei­ner demokratischen und menschenwürdigen Kultur haben. Deshalb dürfen die Medienmacherinnen und Medienmacher nicht so tun, als gäbe es die Gruppe der schwachen, der sozial, leistungsmäßig und auch psychisch unterprivilegierten Kinder und Jugendlichen nicht, die mit äußerst geringer Lebens- und deshalb auch Medienkompetenz ausgestattet sind.

Meiner Ansicht nach gibt es - neben der Verbesserung der Medienerziehung in Kindergarten, Schule und breiter Öffentlichkeit - nur eine Möglichkeit der Gegenstrategie: Qualitätskontrolle. Nur durch ein Medienangebot, das demokratisch ausgehandelte Mindeststandards erfüllt, kann die weitere Verwahrlosung der Benach­teiligten vermieden werden. Neben dem Ausbau der freiwilligen Selbstkontrolle finde ich die Idee nicht schlecht, beim Bundespräsidenten einen Sachverständigenrat mit Kontrollfunktion einzusetzen. Eir solches unabhängiges Gremium könnte auch als Appellationsinstanz dienen, an das sich Kinder, Jugendliche, Eltern, Leh­rer und Verbände wenden können, wenn sie Mißstände und Verletzungen vor Mindeststandards beobachtet haben. Auf diese Weise würde eine ständige öffentliche Diskussion über Qualitätsmerkmale von Sendungen in Massenmedien stattfinden, die mit Sicherheit ihre Spuren hinterließe und den verantwortungslosen Medienanbietern hoffentlich kräftig einheizen würde.

Aufgabe 52. Nehmen Sie Stellung zu einigen Problemfragen.

  1. Welchen Platz nimmt das Fernsehen in Ihrem Leben ein?

  2. Worin sehen Sie den Nutzen des Fernsehens?

  3. Welche negativen Wirkungen kann das Fernsehen haben?

  4. Welche Verantwortung hat das Fernsehen?

Aufgabe 53. Äußern Sie sich zu folgenden Fragen.

  1. Was halten Sie vom Kinderfernsehen?

  2. Welche Sendungen würden Sie Kindern empfehlen?

  3. Welchen Gewinn können Kinder aus guten Fernsehsendungen ziehen?

Aufgabe 54. Besorgen Sie sich ein Fernsehprogramm und fertigen Sie eine gegliederte Übersicht über die Sendungen an.

Ordnen Sie

  1. nach inhaltlichen Gesichtspunkten (Sendungen über...);

  2. nach der Art der Sendungen (Reportagen, Filme, Nachrichten...);

  3. nach den Adressaten (Kinder...).

Welche Fernsehsendungen sehen Sie sich besonders gern an? Warum? Sprechen Sie darüber.

Aufgabe 55. Lesen Sie die folgende Zeitungsnotiz.