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von 1500 Mitgliedern der hinduistischen Priesterkaste (Gellner 1995: 213). Eine Besonderheit der buddhistischen Priesterkaste besteht darin, dass lediglich die Vajràcàrya als Familienpriester fungieren können, während die øàkya zwar gemeinsam mit den Vajràcàrya in buddhistischen Tempeln als Tempelpriester (Dyaþpàþlà) arbeiten, nicht aber alleine als Priester tätig sein können. Historisch waren Vajràcàrya und øàkya - und sind es in gewisser Weise auch heute noch - buddhistische Mönche. Heute jedoch durchlaufen die männlichen Nachkommen der Vajràcàrya und øàkya meist vor der Pubertät ein viertägiges Ritual, in welchem sie formell als Mönch initiiert werden. Als Erwachsene können sie danach jedoch wie alle anderen Newar heiraten und eine Familie gründen. Die øàkya sind damit gleichzeitig sowohl buddhistische Mönche, als auch Haushaltsvorstände; die Vajràcàrya sind zusätzlich auch noch tantrische Priester (vgl. Lienhard 1999).32 Heute arbeiten nur noch wenige Vajràcàrya ausschließlich als Priester. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie zumeist als Handwerker, wie etwa als Schneider oder Goldschmied, oder sie leben von den Einnahmen, die sie durch die Bewirtschaftung ihres Lands erzielen. Einige besitzen zudem kleine Läden, in denen neben Götterfiguren auch Schmuck an Touristen verkauft wird. Als Goldoder Silberschmiede arbeiten auch zahlreiche øàkya.

Auf der nächsten Ebene der newarischen Kastenordnung unterhalb der Priesterkasten, werden die øreùñàs bei den Hindus und die Urày bei den Buddhisten verortet (Gelllner 1986: 105f). Generell lässt sich feststellen, dass bei den Newar die religiöse Identität der höheren Kasten explizit hinduistisch oder buddhistisch ist, während die unteren Kasten sich oft nicht eindeutig zuordnen lassen (vgl. Doherty 1978: 434; Gellner 1986: 106; Lienhard 1978: 147; Rosser 1966: 79). Die Jyàpu, die sich aus Bauern, Gemüsehändlern, Töpfern und vielen weiteren Berufsgruppen

32 Ausführlich erörtert wird der besondere und komplexe Status der buddhistischen Priesterkaste vor allem in Allen (1973), Gellner (1992), dessen Titel “Monk, Householder, and Tantric Priest” genau auf die oben genannte Kombination anspielt sowie Greenwold (1974a, 1974b, 1978), Lienhard (1984, 1999) und Locke (1975, 1989). Auf die unterschiedliche Sichtweise von Hindus und Buddhisten auf die buddhistische Priesterkaste der Newar wird in Gellner (1995) eingegangen. Siehe zudem Vergati (1975) für eine Kritik an Greenwolds Ansatz.

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Übersicht des Kastensystems der Newar nach Wolf (2000: 21), basierend auf der Übersicht von Gellner (1993: 44)

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zusammensetzen und die auf der nächst unteren Ebene angesiedelt werden, sind bereits nicht mehr eindeutig einer Religion zuzuordnen. Diese Tendenz setzt sich in den unteren Kasten fort.

Das Pantheon der Newar

Das Pantheon der Newar ist größtenteils mit dem Pantheon der Indo-Parbatãya-

Bevölkerung identisch, wird jedoch durch weitere Gottheiten wie Buddhas und bodhisattvas ergänzt, die im Hindu-Pantheon keine Rolle spielen. Ein Unterschied besteht zum Beispiel auch darin, dass bei den Newar der Gottheit Gaõe÷a ein Tieropfer gebracht werden kann, während die Hindus ihn mit vegetarischen Speisen verehren (Gellner 1992: 74). Die Gottheiten im Pantheon der Newar sind entweder hinduistisch oder buddhistisch oder beides, sie sind männlich oder weiblich, sie können mit einem Blutopfer verehrt werden oder nicht.33 Wie in dieser Aufzählung schon anklingt, können Gottheiten gleichzeitig verschiedene Identitäten haben, was insbesondere für weibliche Gottheiten zutrifft. Ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht ist die Göttin Guhye÷varã, deren Haupttempel in der Nähe des Hindu-Heiligtum Pa÷upatinàtha im Kathmandu-Tal liegt und die zahlreiche, sogar widersprüchliche Attribute in sich vereint: Sie wird sowohl als verheiratet und als unverheiratet gesehen, sie hat sowohl ‘wilde’ (skt. ugra) als auch ‘milde’ (skt. saumya) Aspekte, sie wird von reinen Brahmanen, aber auch von tantrischen Priestern und niedrigen Kasten verehrt und wird von den einen als Hindu-Gottheit bezeichnet, von den anderen aber als buddhistische Göttin gesehen (Michaels 1996: 332; 1998: 248). Neben Gottheiten, die ein breites Spektrum an Aspekten in sich vereinen, gibt es aber auch solche, die eindeutig entweder ‘ugra’ oder ‘saumya’ sind und dementsprechend entweder regelmäßig mit Blutopfern verehrt werden müssen oder denen nur vegetarische Speisen gegeben werden dürfen (Toffin 1984: 437). Ein bekanntes Beispiel der ersten Kategorie ist die Göttin Dårga (u.a. auch unter den Namen Devã, Taleju, Bhagavatã bekannt), der regelmäßig Blutopfer gegeben werden muß, während der

33 Für eine generelle Übersicht über das Pantheon der Newar, siehe Toffin (1984: 423-500) und Durkin-Longley (1982: 65). Über das Pantheon der Newar generell und auch speziell in Bezug auf Patan (Lalitpur), siehe Gellner (1992: 73-80); für das Pantheon der Newar in Bhaktapur siehe Levy (1992: 200-291).

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buddhistischen Göttin Tàrà niemals ein Tieropfer dargebracht wird, sondern diese Göttin ausschließlich mit Blumen und vegetarischen Speisen verehrt wird.

Im folgenden soll auf das Pantheon der Newar eingegangen werden und eine Art Hierachie der Gottheiten erstellt werden.34 Der Sinn einer solchen Darstellung besteht vor allem darin, die Stellung der buddhistischen Göttin Hàratã, die für die Medien von so großer Bedeutung ist, herauszuarbeiten.

Die Frage danach, welche Gottheit in einer absteigenden Hierachie an oberster Stelle steht, wird von den Newar unterschiedlich beantwortet, je nachdem welcher religiösen Praxis oder welchem Heilsweg (skt. màrga) gefolgt wird. Befragt man Priester der Newar-Buddhisten, welche Gottheit für sie am wichtigsten sei, ist ‘Buddha’ die wahrscheinlichste Antwort, während Priester der Newar-Hindus und männliche Newar-Hindus im allgemeinen ‘øiva’ oder den umgangssprachlichen Ausdruck ‘Mahàdyaþ’ (skt. Mahàdeva) und ‘Viùõu’ zur Antwort geben. Frauen unter den Newar-Buddhisten bezeichnen Buddha als wichtigste Gottheit und nennen ihn ‘bhagavàn’, ‘Buddha bhagavàn’oder ‘bhagavàn dyaþ. Wie die Männer, zählen auch die Frauen unter den Newar-Hindus ‘øiva’ und ‘Viùõu’ zu den wichtigsten Gottheiten, wobei sie so gut wie nie diese Namen nennen, sondern ‘ã÷vara’ und manchmal auch ‘bhagavàn’ sagen. Menschen, die regelmäßig von der Göttin Hàratã besessen werden und zu ihrem Medium wurden, sowie zahlreiche Besucher und Besucherinnen dieser Medien, bezeichnen meistens ‘Hàratã’ oder ‘’ als ‘ihre’ wichtigste Gottheit. Ältere Frauen aus dem Umfeld der Besucher der Medien bezeichnen entweder ‘âjimà35 (Großmutter), ‘’ (Mutter) oder ‘Svayambhå dyaþ’ - womit sie den Buddha des buddhistischen Heiligtums Svayambhånàtha meinen - als wichtigste Gottheit. Aber auch Menschen, die sich außerhalb des Umfelds der Medien bewegen, ist die Göttin Hàratã ein Begriff. Befragt, wie wichtig sie sei, wurde sie von

34 Dabei habe ich mich vor allem auf eigene Forschungen, auf Gellner (1992) und auf Toffin (1984) gestützt. Gellners Sichtweise ist hauptsächlich vom Newar-Buddhismus geprägt, während Toffins Informationen hauptsächlich von Newar-Hindus stammen. Ich beziehe meine Informationen aus Gesprächen mit Newar-Buddhisten und Newar-Hindus, wobei Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen und Kasten vertreten waren.

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einigen Newar Buddhisten mit der Göttin Tàrà verglichen. Einige betonen auch die Bedeutung Hàratãs für die Heilung erkrankter Kinder. Zu den wichtigsten Gottheiten ihres Pantheons zählen Newar-Hindus neben den bereits genannten, auch Taleju, Bhagvatã und Seto Bhairava, eine ugra-Form von øiva. Letzterer wird vor allem von Newar aus Kathmandu erwähnt, warscheinlich weil es dort einen sehr bekannten Tempel der Gottheit gibt. Vor allem für Bewohner Kathmandus ist auch die ‘lebende’ Göttin Kumàrã, die sich in einem kleinen Mädchen verkörpert (und auf die später noch ausführlich eingegangen wird), sehr wichtig. Männer und Frauen der NewarBuddhisten nennen neben den bereits genannten häufig auch Karuõàmaya (Avalokite÷vara). Diese Gottheit bedeutet insbesondere Menschen aus der Stadt Patan sehr viel. Sie ist dort sehr bekannt, weil die Stadt im Mittelpunkt der jährlichen Prozession (yàtrà) für die Gottheit liegt. Die meisten der genannten Gottheiten haben eigene Tempel oder Schreine, in denen sie täglich verehrt werden (vgl. Gellner 1992: 73f). Zu einer der beliebtesten Gottheiten, sowohl unter Newar-Hindus und NewarBuddhisten, als auch innerhalb der Indo-Parbatãya-Bevölkerung, zählt offensichtlich Gaõe÷a. Er nimmt aber trotzdem bei weitem nicht den Stellenwert der oben genannten Gottheiten ein, selbst wenn er täglich in unzähligen großen und kleinen Schreinen verehrt wird. Sein Bruder Kumàr nimmt bei den Newar einen relativ unbedeutenden Status ein und wird auch nicht getrennt von Gaõe÷a verehrt (Gellner 1992: 74). An zweiter oder dritter Stelle in einer absteigenden Hierachie wurden die acht Muttergottheiten (Aùña Màtçkà) genannt, die bevorzugt an Samstagen verehrt werden und mit Tieropfern und Alkohol oder zumindest einem Ei ‘besänftigt’ werden müssen. Die acht Muttergottheiten spielen vor allem während des DasaÑ-Fests im Herbst eine wichtige Rolle, wenn sie reihum morgens und abends verehrt werden. In Bhaktapur nehmen darüber hinaus die neun Durgàs (Nava Durgà)36 einen besonderen Stellenwert ein, da sie dort zu bestimmten Zeiten von maskierten Tänzern verkörpert werden.

35 Die Bezeichnung ‘âjimà’ wird vor allem von älteren Leuten oft auch als Synonym für Hàratã benutzt, wohingegen jüngere Menschen nach meiner Erfahrung den Namen nur selten für Hàratã verwenden.

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Seltener aufgezählt wurden Dorfund Klangottheiten. Die Wichtigkeit der Verehrung von Weisen (skt. çùi) wurde nur von zwei buddhistischen Priestern erwähnt, wohingegen zahlreiche Frauen die jährliche Verehrung der Schlangen (skt. nàga) und die Verehrung der Ahnen (skt. pitç) betonten.

Um die Rolle der Göttin Hàratã im Pantheon der Newar besser zu verstehen, soll diese nun in einem Exkurs näher betrachtet werden.37

Exkurs: Die Göttin Hàratã in Nepal

Den größten Bekanntheitsgrad hat die Göttin im Kathmandu-Tal, während sie in anderen Landesteilen außerhalb des Tals, weniger oder auch völlig unbekannt ist. In den Städten Butwal, Tanzen und Pokhara, im Westen und Süden des Landes kannten viele Menschen auf meine Frage hin noch nicht einmal ihren Namen. Ihr Haupttempel befindet sich am westlichen Stadtrand von Kathmandu auf der Spitze eines Hügels, direkt neben dem ältesten und wichtigsten buddhistischen Heiligtum Nepals, dem ståpa Svayambhå.38 Dort wird die Göttin als sitzende Figur aus schwarzem Stein repräsentiert, die von fünf Kinderfiguren umgeben ist. Ihrem Mythos zufolge soll sie 500 und mehr Kinder gehabt haben, eine Tatsache die auf ihr früheres Leben als yakùinã zurückzuführen sei, die als sehr fruchtbar gelten. Das heutige Idol der Göttin stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es gilt als Ersatz für eine wesentlich ältere Steinfigur, die Ende des 18. Jhrd. von König Ràõà Baþàdur øàh in einem Anfall von Wut und Trauer zerstört worden war, weil seine Lieblingsfrau an Pocken gestorben war und er Hàratã dafür verantwortlich machte (Slusser 1982: 329; Josephson 1985: 1). Vor allem an Samstagen und Dienstagen - Tage, die als besonders günstig für die Verehrung von Gottheiten gelten - bilden sich vor ihrem Tempel lange

36Über die Rolle der Nava Durgà bei den Newar, siehe vor allem Gutschow/Màn (1987); Levy (1987, 1992: 501-571) und Toffin (1996).

37Auf die nicht besonders umfangreiche Literatur über die Göttin, wurde bereits in der Einführung unter dem Abschnitt “Literaturlage und Forschungsstand” hingewiesen.

38Dort befindet sich der größte und wichtigse Tempel der Göttin. Daneben gibt es noch zwei weitere Hàratã-Tempel, wovon sich einer in Kathmandu und der andere in Patan befindet. Beide Tempel

ziehen nur sporadisch Besucher an und sind im Vergleich zum Haupttempel nur von geringer Bedeutung.

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Menschenschlangen. Verehrt wird Hàratã aber nicht nur von Newar Buddhisten, welche die Göttin zum Pantheon des Mahayana-Buddhismus zählen (Singh 1990: 5; Vaidya 1982: 147), sondern ebenso von Newar Hindus und Menschen aus der Indo- Parbatãya-Bevölkerung. Die Verehrung der Göttin besteht zumeist aus einer einfachen påjà, in der die Göttin mit Blumen, Reiskörnern und rotem Farbpulver verehrt wird und ihr vegetarisches Essen und Alkohol gereicht werden. Vor allem an Samstagen und Dienstagen nehmen aber auch viele Gläubige nacheinander an einem elaborierten tantrischen Ritual für die Göttin, der sogenannten chhà hàyke påjà, teil, wovon eine påjà jeweils über eine Stunde in Anspruch nimmt. Dieses Ritual wird vor dem Tempel der Göttin von einem Vajràcàrya, einem buddhistischen Priester der Newar, durchgeführt und soll in schwierigen Lebenssituationen Hilfe bringen oder auch als größzügiges Dankgeschenk für die Göttin gelten.

Obwohl Hàratã von ihren Anhängern ‘’ (Mutter) genannt wird und diese vor allem ihre liebevollen, schützenden Attribute betonen, hat sie doch wie auch viele anderen Göttinnen in Südasien, zugleich eine bedrohliche Seite (vgl. Brubaker 1978: 310; Erndl 1987; Kurtz 1992; Wadley 1980: 33), die sich u.a. darin zeigt, dass sie nicht nur als Beschützerin, sondern auch als Verursacherin von Krankheiten und anderen Unglücksfällen gesehen wird. Früher war Hàratã vor allem als Pockengöttin bekannt, die für zahlreiche Pockenepidemien, die Nepal bis fast in die Mitte des 20. Jhrd. heimsuchten, verantwortlich gemacht wurde. In einem Liedtext aus dem 18. Jahrhundert wird sie daher auch, wie die indische Pockengöttin, mit dem Namen ‘øãtalà’ bezeichnet (Lienhard 1974: 233). Auch Dougherty (1986: 25), Slusser (1982: 300, 328) und Vaidya (1986: 150) weisen darauf hin, dass in Nepal der Name øãtalà vor allem unter Hindus als Synonym für Hàratã benutzt würde. Auboyer und de Mallmann schließen sich dieser Auffassung jedoch nicht an. Sie vermuten, dass der ältere Hàratã-Kult vom späteren Kult der Göttin øãtalà überlagert wurde (1950: 212, Fußn. 21), obwohl die beiden Göttinnen sich weder ikonographisch ähnelten, noch im Mythos Übereinstimmungen zu finden seien, wenn man davon absieht, dass beide

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Göttinnen Pocken verursachen können (1950: 225).39 Den Pocken fielen unzählige Menschen zum Opfer, unter ihnen auch ein König und eine Kumàrã (Slusser 1982: 329; Lienhard 1974: 232ff) und dieses Wissen um ihre zerstörerische Kraft kann die Furcht und den Respekt erklären, die insbesondere ältere Menschen noch immer vor der Göttin verspüren. Diese Furcht kann so weit gehen, dass sich ältere Frauen nicht trauen, ihren Namen auszusprechen und nur von der Göttin “oben” (auf dem Hügel) sprechen. Neben den Pocken wurde Hàratã bis in die neuste Zeit Schuld am Ausbruch von Kinderkrankheiten gegeben, bei denen sich Pusteln bilden (wie z.B. Masern, Röteln oder Windpocken)40 und sie soll zudem auch für die Verbreitung von Cholera (nep. jharàbànña) in Nepal verantwortlich gewesen sein.41 Darüber hinaus sollen Kinder, die Hàratãs Kinder verärgert haben, an Polio, Epilepsie, Tetanus, Meningitis und Lungenentzündung erkrankt sein (Sharma 1986: 43). Auf der anderen Seite wird

Hàratã aber auch als diejenige gesehen, welche genau diese Krankheiten wieder heilen kann (Peri 1917: 67; Strong 1992: 36), wozu allerdings eine regelmäßige Verehrung der Gottheit notwendig ist. Diese ambivalente Natur der Göttin ist auch der Grund warum sie, wie bereits erwähnt, sowohl devotionalistisch verehrt wird, als auch beschwichtigt und besänftigt werden muß.

39 Auch ich habe Zweifel daran, dass es sich bei øãtalà und Hàratã in Nepal um ein und diesselbe Göttin handeln soll, denn eine häufige Verwendung des Namens øãtalà für Hàratã konnte durch meine

Forschung nicht bestätigt werden. Lediglich einzelne Priester (Hindus und Buddhisten) erwähnten diesen Namen. Dagegen wurde mir eine ‘Schwester’ Hàratãs mit Namen øãtalà Maã in ihrem Schrein in Bhaktapur gezeigt. Möglicherweise wurden bis vor einigen Jahren die beiden Namen tatsächlich synonym benutzt, was sich daher in den meisten der oben angegeben Quellen niedergeschlagen hat. Darüber hinaus lassen sich durch einen direkten Vergleich zwischen der indischen Pockengöttin øãtalà und Hàratã in Nepal fast mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten finden. Zwar werden beide Göttinnen mit Masern und Pocken in Verbindung gebracht, beide können sowohl Krankheiten verursachen, als auch heilen und beide werden insbesondere als Beschützerinnen von Kindern bezeichnet (vgl. Wadley 1980: 35), aber wesentliche Eigenschaften øãtalàs fehlen völlig bei Hàratã.

Eine ausführliche Erörterung der Unterschiede der beiden Göttinnen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb hier nur auf relevante Literatur über øãtalà und andere Pockengöttinnen verwiesen werden soll: Über øãtalà siehe Babb (1975: 129-132), Bang (1973), Bhattacharyya (1952), Dimock (1982), Kolenda (1982); Nicholas (1981), Nicholas & Sarcar (1976) und Wadley (1980). Über andere Pockengöttinnen in Südindien siehe Egnor (1984) und Whitehead (1988).Über die Pockengöttinnen in Sri Lanka, siehe Obeysekere (1987: 43. 561-66). Über verschiedene Pocken verursachende, aber auch heilende Gottheiten generell siehe Chaudhuri (1941: 417432), darunter auch øãtalà und Hàrãtã (424427).

40 Hemraj Shakya, pers. Mitteilung, August 1991. Ähnliches wird in Nepal auch von der Göttin ‘Mahà-

màrã’ berichtet, welche die Pest verbreiten soll (Auboyer & de Mallmann 1950: 209; Wright 1977: 171) und von der Göttin Bhairavã von Nawakot, welche Malaria verbreitet (Slusser 1982: 328).

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Über die Bedeutung des Namens ‘Hàratã’ gehen die Meinungen auseinander.

Wird er auf die Sanskritwurzel hçi, harati “taking away, stealing, destroying”

(Monier-Williams1986: 1289) zurückgeführt, könnte er bedeuten, dass die Göttin von Krankheiten befreien oder Pusteln zerstören kann.42 Andererseits kann der Name auch dahin gehend interpretiert werden, dass die Göttin eine Diebin ist und die Kinder anderer stiehlt (Peri 1917: 1).”Hàritã” würde daher “she who steals” (Kinsley 1987:

153) oder “Stealer of children” (Getty 1978: 85; Iltis 2002: 72) bedeuten. Die Legende der Göttin scheint dieser Namensinterpretation Recht zu geben:43

“Before Hàratã became what she is today, a goddess with her seat in a temple at Svayambhå, she was a yakùinã who was accustomed to steal children and bring them to a secret place, where she enjoyed her company. She had kidnapped some 500 children before the parents of the stolen children turned in their grief to the king and asked him to find the guilty person. He himself was at a loss and could give no advice, so he turned to the Buddha, who happened to be staying at Svayambhå. Buddha knew the yakùinã and he also knew the place where she hid

the children. So, to teach her a lesson, Buddha stole her most beloved of her 500 children, whereupon Hàratã came to him to lament, saying that she had lost her

favourite child and that he should help her to find it. Buddha convinced her that the parents of the children she had stolen were suffering just as she was now; Hàratã understood, turned over a new leaf and became the caretaker of the Svayambhå caitya, the custodian of the treasures that lie under the caitya, the

guardian of the Buddhist law and above all the protector and saviour of children up to the age of 12.”44

In vergleichbarem Wortlaut wird diese Legende auch in anderen Quellen wiedergegeben (vgl. Chaudhuri 1941: 425f; Coon 1989: 4; Strong 1992: 36f; Vaidya 1986: 147ff;) und dabei häufig auf das Svayambhåpuràõa verwiesen, einem

buddhistischer Text, der in Sanskrit und Newari geschrieben ist und wahrscheinlich

41Nhuchhen Ratna Shakya, pers. Mitteilung, Juli 1994

42Bhuwan Lal Pradhan, pers. Mitteilung, August 1991

43Folgende Version wurde mir im August 1991 von dem Historiker Bhuwan Lal Pradhan in Nepal erzählt; sie wird hier stark gekürzt wiedergegeben.

44Ähnlich verläuft auch der Weg eines (männlichen) Dämons, von dem Obeysekere (1987: 68) aus Sri Lanka berichtet. Der Dämon wird zunächst zum persönlichen Beschützer von Priestern und erreicht schließlich den Status einer Gottheit. Ebenso verhält es sich mit einem anderen Dämon, der ursprünglich für Hexerei zuständig war, schließlich zum Beschützer gegen Hexerei mutierte (Obeysekere (1987: 70)

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aus dem 15. Jhrd. stammt.45 Die Legende ist in dieser ausführlichen Form darin zwar nicht zu finden, es wird dort aber berichtet, dass Buddha (øàkyamuni) während der Herrschaft des Kiràtã-Königs JitÓdàsti nach Nepal gekommen sei und sich auf den westlichen Hügeln Svayambhås aufgehalten habe. Während seines Aufenthalts soll er eine yakùinã namens Cundà ‘bekehrt’ (skt. prabrajit) und sie in die buddhistische Lehre eingeweiht haben.46 Diese Legende scheint jedoch aus einer wesentlich älteren Chronik aus Ceylon (Sri Lanka), dem Mahàva ÷a zu stammen.47 Darüber hinaus ist in anderen buddhistischen Texten wie dem Sa yukta ratna piñaka såtra (Peri 1917: 1) und dem Sa yuktanikàya ebenfalls die Legende der Göttin zu finden, wenngleich dort ihr Leben und Wirken nicht in Nepal, sondern vor allem in Indien verortet wird

(vgl. Joshi 1986: 74; Peri 1917: 43; Rosenfield 1993: 246, Strong 1992: 36f). Große Übereinstimmungen zeigt ihre Legende auch mit der Legende von Kuntã, einer anderen yakùinã, die von Buddha bekehrt worden sein soll und die im Målasarvàstivàda Vinaya zu finden ist. Diese großen Übereinstimmungen haben teilweise dazu geführt, dass Kuntã mit Hàratã gleichgesetzt wurde (vgl. Peri 1917: 44; Strong 1992: 36).

45 Für einen Überblick über den Inhalt einzelner Kapitel des Svayambhåpuràõa siehe Mitra (1981:

249-59), sowie auszugsweise Lévi (1990, 1: 208-12). Für Hinweise und Erklärungen bezüglich des Svayambhåpuràõa bin ich vor allem Hemraj Shakya, Badri Ratna Bajracharya, Alexander von Rospatt,

sowie den Mitarbeitern des Asa Archivs in Kathmandu zu Dank verpflichtet.

46Badri Ratna Bajracharya, pers. Mitteilung, Juli 1995. Siehe auch Shakya (1977: 76).

47Bhuwan Lal Pradhan, pers. Mitteilung, August 1991. Er betonte, dass dies die älteste Quelle sei. Auch Badri Ratna Bajracharya machte mich im August 1995 darauf aufmerksam. Erwähnt wird es auch von Josephson (1982: 2).

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