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Diss_Brigitte_Merz Бхакти и Шакти (нем)

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ausführlich auf die Probleme hin, die mit einer solchen Annahme verbunden sind. Zum einen wird der tatsächliche Einfluss von Geistern in der nordafrikanischen Gesellschaft unterschätzt, zum anderen wird den Kultmitgliedern eine Intentionalität unterstellt, die zwar auch vorhanden sein, aber keineswegs verallgemeinert und auf alle Mitglieder übertragen werden kann; darüber hinaus setzt diese Annahme voraus, dass Frauen den selben Status wie Männer einnehmen wollen, was in einer islamischen Gesellschaft aufgrund der kulturell bedingten starken Trennung von männlichen und weiblichen Bereichen unwahrscheinlich anmutet. Kritik wurde außerdem daran geäußert, dass die rein soziologische Argumentation von Lewis auf einem westlichen Personenkonzept beruhe, in dem ein Individium im Mittelpunkt stehe. Das westliche Personenkonzept kann aber nicht ohne weiteres auf nordafrikanischen Kulturen übertragen werden (vgl. Boddy 1989: 139; Lambek 1989), ebenso wie es auch nicht auf asiatische Kulturen übertragen werden kann (vgl. Marriott 1990; Kakar 1996; Sax 2002a: 6-12). Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser sehr wichtigen Kritik würde jedoch über das Anliegen dieses Kapitels hinausgehen, weshalb hier nur auf die erwähnte Literatur verwiesen werden soll. Ein weiterer Kritikpunkt an Lewis Darstellung der Besessenheit als “Strategie” oder als “Protesthandlung” ist, dass in den ‘peripheren’ Kulten Somalias, aber auch in anderen Kulturen, Besessenheit eine religiöse Relevanz hat und zudem eine Fülle anderer Zusammenhänge eine Rolle spielen (vgl. Claus 1979: 37). Boddy merkt daher auch an: “The social status model is unidimensional, at once too general in application and too narrow in concern to deal adequately with the complexities of zàr” (1989: 139).

Im Anschluss an die Darstellung der Theorie von Lewis und einiger Kritikpunkte daran, soll gezeigt werden, wie Gellner diese Theorie auf Besessenheitsphänomen in Nepal angewandt hat.

Gellners Anwendung der Theorie von Lewis

In seiner Doktorarbeit von 1987, die 1992 veröffentlicht wurde, wendet Gellner die Theorie von Lewis auf Newar-Frauen in Nepal an, die regelmäßig von der Göttin Hàratã 70 besessen werden und die er als “mediums” bezeichnet (1992: 330). Den Beweis dafür, dass die Medien eher dem ‘peripheren’ Ende von Lewis’ Spektrum

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zuzuordnen sind, sieht Gellner darin, dass die meisten Frauen zunächst von Hexen besessen sind, welche in Lewis’ Terminologie zu den ‘amoralischen’ Entitäten zählen, die aber dann vertrieben werden, wenn die Frauen regelmäßig von einer Gottheit besessen werden. Damit, so Gellner, würden die Frauen versuchen, sich vom ‘peripheren’ Ende zum ‘zentralen’ Ende des Kontinuums hin zu bewegen. Unterstützt würde diese Bewegung zum ‘zentralen’ Ende hin dadurch, dass sie in ihre Heilsitzungen sowohl religiöse als auch hochmoralische ‘Predigten’ einfließen ließen (Gellner 1992: 320). Die peripheren Kulte sieht Gellner daher eher als “half-way central cults” (1994: 29). Für Lewis ist die Existenz der ‘peripheren’ Kulte ein Ausdruck dafür, dass die Frauen (und einige Männer) vom sozialen und politischen Leben ausgeschlossen sind (Lewis 1966: 321) und er geht davon aus, dass in einer ‘modernen’ Gesellschaft, in der Frauen mehr Möglichkeiten und einen besseren Status hätten, die Zahl der Besessenheitskulte abnehmen würde (Lewis 1989: 12). Im Gegensatz dazu sieht Gellner die zunehmende Verbreitung der Medien im Kathmandutal “as a slow democratization, whereby it is increasingly possible for those of low status at least to imitate the religious technology of the priestly castes” (1992: 330), d.h. Gellner geht davon aus, dass in Nepal, in der die Modernisierung parallel mit der Demokratisierung71 verlaufen sei, die ‘peripheren’ oder “half-way central cults” gerade wegen der besseren Bedingungen für die Frauen zunehmen würden. Gellner bezeichnet die Medien daher auch als “beneficiaries of ‘democracy” (Gellner 1994: 41) und versucht damit, auch die Zunahme der weiblichen Medien in den Städten des Kathmandutals zu erklären (Gellner 1994: 42). Damit geht er praktisch zur Ausgangsposition von Lewis zurück, dessen Anliegen am Anfang seiner Forschung vor allem darin bestand, die Epidemologie der Besessenheit zu erklären, d.h. herauszufinden, warum in den verschiedenen Gesellschaften insbesondere Frauen (und einige Männer) eher als andere besessen werden. Gellner sieht den Grund für die Zunahme der weiblichen Besessenheit also in der ‘Demokratisierung’ begründet, betont aber gleichzeitig die Grenzen dieser ‘Demokratisierung’, denn trotzdem würde die von den Medien öffentlich praktizierte Besessenheit weiterhin als eine

70 Gellner verwendet für die Göttin zwar die Sanskrit-Form ‘Hàrãtã’, ich habe jedoch die umgangssprachliche Bezeichnung beibehalten, die ich auch im übrigen Text benutze.

71 Mit der Abschaffung des autokratischen Sytems der Rana-Herrscher, wurde 1951 erstmals offiziell eine ‘Demokratie’ (nep. prajàtantra) eingeführt. Ein Mehrparteiensytem wurde nach einer

Volksrevolution erstmals 1990 eingeführt.

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“predominantly low-status activity” (Gellner 1994: 43) angesehen und nicht positiv bewertet werden, wie etwa die Besessenheit durch bestimmte Gottheiten, die in geheimen, tantrischen Ritualen von hochkastigen Newar rituell evoziert werden. Die Annahme von Lewis, dass es sich bei den Besessenheitskulten von Frauen vor allem um “Protestbewegungen” handle, wird schließlich von Gellner hinsichtlich der Medien in Nepal, weitgehend bestätigt: “…it is right to see witch attack and spirit mediumship among the Newars as a kind of rebellion by some women and a few men against the circumstances in which they find themselves and, in the women’s case, against the limitations of the female role expected of them, but it is a rebellion that call into question neither the hierachy of caste nor that of gender. The spirit medium role, addressing itself as it does to mundane problems, and beneficial though it may be both to incumbent and those who consult, tends to confirm stereotypes of gender and social lowness” (Gellner 1994: 43-44).72

Die Übertragung von Lewis’ Theorie auf die Medien in Nepal kann nicht unkommentiert bleiben. An dieser Stelle muß die Kritik jedoch zurückgestellt werden, da erst anhand konkreter ethnografischer Beispiele aus dem weiteren Text deutlich gemacht werden kann, dass Gellners Anwendung der Theorie von Lewis auf die Medien in Nepal in dieser Form nicht haltbar ist.

Im zweiten Kapitel, geht es um den ‘Werdegang’ von zweien der drei Medien (um Raj Kumari Shakya und Chandika Shrestha), bei denen eine Feldforschung durchgeführt wurde. Auf das dritte Medium, Laksmi Shrestha wird deshalb nicht ausführlich eingegangen, weil ihr ‘Werdegang’ im Vergleich mit den anderen beiden nichts wesentlich Neues ergeben würde und die Darstellung zweier so unterschiedlicher Medien, wie die beiden erstgenannten, für den Zweck der Arbeit genügen sollte.

72 Gellner sieht sich damit auch im Einklang mit Höfers (1974a) These, der in der zunehmenden Laienbesessenheit in Südasien, einen Widerstand gegen die Vorherrschaft der Priester vermutet.

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Abb. 1 Raj Kumari Shakya während einer Heilsitzung auf ihrem àsana

Abb 2 Raj Kumari Shakya während der Übermächtigung durch Hàratã

Abb 3a Hàratã während einer Dankes-påjà für die Erfüllung des Kinderwunschs

Abb 3b Raj Kumari Shakya, besessen von Jila Bhàju, dem jüngsten Sohn Hàratãs

Abb 4: Ein Medium vor ihrem àsana kurz vor Beginn einer Heilsitzung

Abb. 5 Ein àsana, mit Löwen als Fußstützen

Abb. 6 Ein einfacher asana aus Holz

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