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Zum 200. Geburtstag des deutschen Dichters und französischen Weltbürgers Heinrich Heine

Dem folgenden Artikel können Sie zum einen bedeutende Lebensdaten Heinrich Heine entnehmen, zum anderen erfahren Sie etwas über drei lebenswichtige Themen des Dichters. Diese drei Themen werden in angeführten Zitaten aus „Ein Wintermärchen“ von der Mutter durch Fragen angesprochen.

Von Heiko Postma

EINE Heimkehrszene, wie nur Heine sie schildern konnte - Hamburg 1843, im Haus der Mutter: Dreizehn Jahre hatte sie den Sohn nicht mehr zu Gesicht bekommen, so lange lebte er schon in der Fremde, im selbstgewählten Exil Paris. Nach der Juli-Revo­lution 1830 war er, Deutsch­lands lyrischer Jungstar, be­schwingt zu den Lieblingsfein­den aller deutschen Philister übergelaufen.

Auf Helgoland, wo er damals Urlaub machte, hatte ihm ein Fi­scher lachend die Botschaft übermittelt - „die armen Leute haben gesiegt!“ Das gab den Ausschlag. Und wenn er auch schon gleich bei seiner Ankunft in der „Hauptstadt der Revolu­tion“ einräumen musste, „dass die Dinge in der Wirklichkeit ganz andere Farben trugen, als ihnen die Lichteffekte meiner Begei­sterung in der Ferne geliehen hatten“ – er war geblieben und blieb dort wohnen bis zum Ende seines Lebens. Die Reise nach Deutschland sollte nur eine Episode bleiben: Ein Wintermärchen.

Der Mutter freilich ist das egal, und mit klar mütterlicher Logik zieht sie aus der dreizehn­jährigen Abwesenheit des Soh­nes nur einen Schluss: „Du wirst gewiss sehr hungrig sein - / Sag an, was willst du essen?“ Da sie „Fisch und Gänsefleisch und schöne Apfelsinen“ vorbereitet hat, bleibt dem Sprössling (der das Ganze sogleich versepisch protokolliert) freilich ohnehin keine Wahl.

Doch auch die Mahlzeit selber verläuft ein bisschen heikel. Denn die gute Mutter hat, nahe­liegend, eine Menge Fragen zu stellen.,, Verfängliche Fragen mitunter“. Beim Fischgericht ist es die Frage nach der französi­schen Schwiegertochter und de­ren „Haushaltung“. Schon beim Gänse­braten folgt der nächste Punkt: In welchem Land lässt es sich am besten leben? Hier oder in Frankreich? Da gibt das „liebe Kind“ ei­ne diplomatische Auskunft: „Die deutsche Gans, lieb Mütterlein, / Ist gut, jedoch die Franzo­sen, / Sie stopfen die Gänse besser als wir, / Auch haben sie bessere Sau­cen.“

Dann aber, beim Apfelsinen-Nach­tisch, ist sie fällig, die Frage aller Fra­gen - die nach der momentanen Denk­weise: „Treibst du noch immer aus Neigung / Die Politik? Zu welcher Partei / Gehörst du mit Überzeugung?“ Und es folgt die Antwort à la Heine: „Die Apfelsinen, lieb Mütterlein, / Sind gut, und mit wahrem Vergnügen/ Verschlucke ich den süßen Saft, / Und lasse die Schalen liegen.“

Ein wunderbarer Dialog. Vol­ler Ironie und Selbstironie. Es waren drei kitzlige Komplexe, die hier zur Sprache kommen - lebenswichtige für ihn. (Das vierte Thema hatte in diesem Gespräch mit der Mutter keine Priorität mehr: sein Übertritt vom Judentum zum Protestan­tismus, mit dem sich Heine, der heiter Ungläubige, 1825 das „Entreebillett zur europäischen Kultur“ verschaffen wollte.)

SEINE Ehe war echt berühmt: Crescentia Miret war ein Bau­ernmädchen gewesen, bevor sie nach Paris ging - lustig, char­mant, lebensprall. Heine, der sie in „Mathilde“ umgetauft hatte, blieb ihr auf immer verfallen. Am Anfang ihrer Beziehung war sie noch Analphabetin. Sei­ne eigenen Schriften kannte sie nur vom Hörensagen, bei seinen Kollegen erkundigte sie sich einmal, ob ihr Henri wirklich so ein groβer Dichter sei. Für „Haushaltung“, da hat Mutter Heine den Punkt getroffen, war Mathilde ehrlich nicht zu haben.

Nicht minder kratzig der zwei­te Passus aus dem mütterlichen Fragen-Katechismus: Deutsch­land oder Frankreich? Es war Heine klar, dass ihm dieses Exil im Land der „Franzen“ als Vaterlandsverrat ausgelegt werden würde. Hat er es selber womög­lich auch so ausgelegt? In sehnsüchtig sentimentalen Pha­sen klingt es so: „Oh, Deutsch­land, meine ferne Liebe, / Ge­denk ich deiner, wein' ich fast!,“

Er lebte in Frankreich und dachte (nicht nur nachts) an Deutschland. Er würde notfalls für Frankreich sterben, sagte er, aber niemals auch nur einen einzigen Vers in französicher Sprache schreiben. Heine, oh­nehin als französischer Citoyen und deutscher Dichter. Und als Vermittler beider Kulturen: Für die „Augsburger Allgemeine“ be­richtete er als Korrespondent über die „Französischen Zustän­de“, und zwar brillant.

Für die französischen Leser verfasste er zwei Deutschland-Bücher: Das eine, „Die romantische Schule“, sollte die Gegenwartsliteratur den Nachbarn nahebringen; das andere, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“, sollte die rationalen Franzosen mit dem befremdlichen deutschen Denken vertrauter machen und – mit der noch befremdlicheren Sprachkunst, dem „so grauen, trockenen Packpapierstil“ eines Immanuel Kant.

Der dritte Kitzelpunkt schließlich aus der mütterlichen Befragung: Wie hältst du's mit der Politik? Die Antwort ist we­niger ausweichend, als es aufs erste Hinsehen scheint. Süßen Saft zu schlürfen, ist sehr wohl ein sozialpolitisches Programm: “Wir wollen auf Erden glücklich sein,/ Und wollen nicht mehr darben,/ Verschlemmen soll nicht der volle Bauch, / Was fleißige Hände erwarben“. So steht es im selben „Wintermär­chen“, schon im ersten „Caput“: „Es wächst hienieden Brot ge­nug / Für alle Menschenkinder, / Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, / Und Zuckererbsen nicht minder.“

Das ist es und da liegt auch das Problem: Was sich Heine als Reich der Freiheit vorstellte („Ja, Zuckererbsen für jeder­mann, / Sobald die Schoten plat­zen“), war ein lustvoll genieße­rischer ästhetischer Sozialismus. Kein Zufall, dass der Erstdruck eben dieses „Wintermärchens“ in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ erschien, heraus­gegeben von Heines Freund Karl Marx.

Heines Versepos „Deutsch­land. Ein Wintermärchen“ ist ein Elementarbuch. Für ihn selber war diese Reise „nach Deutschland hinüber“ nicht nur eine Begegnung mit der fremd gewordenen deutschen Aktualität, sondern auch eine Suche nach der Vergangenheit. Er fuhr, auch wenn er es im Buch nicht ganz routengerecht wie­dergibt, durchs Rheinland, wo er aufgewachsen war - geboren am 13. Dezember 1797 in Düs­seldorf. Er kreuzte durch West­falen, dem seine stille Liebe gehörte. Er schaute im König­reich Hannover vorbei; wo er einst an der Landesuniversität Göttingen studiert hatte, zum Doktor jur. promoviert und zwi­schenzeitlich auch mal relegiert worden war. „Deutschland. Ein Wintermärchen“ wurde für Hei­nes Verleger Campe ein Ver­kaufserfolg, wenn auch kein so triumphaler wie der erste Lyrikband des jungen Autors, das „Buch der Lieder“, von dem zu Lebzeiten Heines sagenhafte dreizehn Auflagen erschienen.

Schon zur Zeit seines Deutschlandbesuchs hatte Heine über Lähmungserscheinungen geklagt. Die Krankheit, eine multiple, vom Rückenmark aus­gehende Lähmung, verschlim­merte sich immer mehr. In sei­nen letzten Lebensjahren konnte Heine die Wohnung nicht mehr verlassen und blieb ans Bett, seine „Matratzengruft“, gefes­selt. Am 17. Februar 1856 ist er in Paris gestorben.

Hannoversche Allgemeine Zeitung

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