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Erich Maria Remarque -Die Nacht von Lissabon.doc
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08.11.2019
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Ich war m"ude und gegen meinen Willen ungeduldig geworden. Von Gl"uck zu h"oren ist uninteressant, und die Kaprice von Schwarz mit der Ewigkeit wurde es ebenso.

»Ich weiss es nicht«, erwiderte ich gedankenlos.

»Vielleicht ist es Gl"uck oder Ewigkeit, wenn man darin stirbt; dann kann die Zeit keinen Kalendermassstab mehr anlegen und muss es gelten lassen. Wenn man aber weiterlebt, kann man nichts dagegen tun, dass es trotz allem wieder ein St"uck Verg"anglichkeit wird.«

»Es soll nicht sterben!«sagte Schwarz pl"otzlich heftig.»Es soll stehenbleiben wie eine Skulptur aus Marmor! Nicht wie eine Sandburg, von der jeden Tag etwas wegweht! Was geschieht denn mit den Toten, die wir lieben? Was geschieht damit, Herr? Werden sie nicht immer noch einmal get"otet? Wo anders sind sie denn, als noch in unserer Erinnerung? Und werden wir da nicht alle zu M"ordern, ohne es zu wollen? Soll ich das Gesicht dem Hobel der Zeit "uberlassen, das Gesicht, das ich allein kenne? Ich weiss, dass es in mir verwittern muss und gef"alscht wird, wenn ich es nicht herausbringe aus mir, es aufstelle, ausser mir, so dass die L"ugen meines weiterlebenden Gehirns es nicht umranken k"onnen wie Efeu und es zerst"oren, bis schliesslich nur noch Efeu da ist und es zum Humus f"ur den Schmarotzer Zeit wird! Ich weiss das! Deshalb muss ich es ja sogar vor mir selbst retten, vor dem fressenden Egoismus des Weiterlebenwollens, der es vergessen und zerst"oren will! Verstehen Sie das denn nicht?«

»Ich verstehe es, Herr Schwarz«, erwiderte ich behutsam.»Deshalb sprechen Sie ja mit mir – um es vor sich selber zu retten -«

Ich "argerte mich, dass ich ihm vorher so achtlos geantwortet hatte. Der Mann vor mir war in einer logischen und poetischen Weise verr"uckt, ein Don Quichote, der gegen die Windm"uhlen der Zeit k"ampfen wollte – und ich hatte zu viel Achtung vor Schmerz, um feststellen zu wollen, warum und wieweit er damit kommen k"onnte.»Wenn es mir gelingt -«, sagte Schwarz und stockte.»Wenn es mir gelingt, dann ist es vor mir sicher. Sie glauben das doch?«

»Ja, Herr Schwarz. Unsere Erinnerung ist kein elfenbeinerner Schrein in einem staubdichten Museum. Sie ist ein Tier, das lebt und frisst und verdaut. Sie frisst sich selbst wie der Ph"onix der Sage, damit wir weiterleben k"onnen und nicht durch sie zerst"ort werden. Sie wollen das verhindern.«

»So ist es!«Schwarz sah mich dankbar an.»Sie sagten, nur wenn man st"urbe, versteinere die Erinnerung. Ich werde sterben.«

»Es war Unsinn, was ich gesagt habe«, erkl"arte ich m"ude. Ich hasste solche Gespr"ache. Ich hatte zu viele Neurotiker kennengelernt; das Exil brachte sie hervor wie eine Wiese Pilze nach dem Regen.

»Ich werde mir auch nicht das Leben nehmen«, sagte Schwarz und l"achelte pl"otzlich, als w"usste er, was ich dachte.»Dazu sind Leben im Augenblick zu brauchbar f"ur andere Zwecke. Ich werde nur als Josef Schwarz sterben. Morgen fr"uh, wenn wir Abschied nehmen, wird es ihn nicht mehr geben.«

Ein Gedanke durchzuckte mich und gleichzeitig eine wilde Hoffnung.»Was wollen Sie tun?«fragte ich.

»Verschwinden.«

»Als Josef Schwarz?«

»Ja.«

»Als Name?«

»Als alles, was Josef Schwarz in mir war. Und auch als das, was ich vorher war.«

»Und was wollen Sie mit Ihrem Pass machen?«

»Ich brauche ihn nicht mehr.«

»Haben Sie einen anderen?«

Schwarz sch"uttelte den Kopf.»Ich brauche keinen mehr.«

»Haben Sie ein amerikanisches Visum darin?«

»Ja.«

»Wollen Sie ihn mir verkaufen?«fragte ich, obschon ich kein Geld hatte.

Schwarz sch"uttelte den Kopf.

»Warum nicht?«

»Ich kann ihn nicht verkaufen«, sagte Schwarz.

»Ich habe ihn selbst geschenkt bekommen. Aber ich kann ihn Ihnen schenken. Morgen fr"uh. K"onnen Sie ihn brauchen?«

»Mein Gott!«sagte ich atemlos.»Brauchen! Er w"urde mich retten! Ich habe in meinem kein amerikanisches Visum und w"usste nicht, wie ich eins bis morgen nachmittag bekommen k"onnte.«

Schwarz l"achelte schwerm"utig.»Wie sich alles wiederholt! Sie erinnern mich an die Zeit, als ich im Zimmer des sterbenden Schwarz sass und nur an den Pass dachte, der mich wieder zu einem Menschen machen sollte. Gut, ich werde Ihnen meinen geben. Sie brauchen nur die Fotografie auszuwechseln. Das Alter wird ungef"ahr stimmen.«

»F"unfunddreissig«, sagte ich.

»Sie werden ein Jahr "alter werden. Haben Sie jemand, der geschickt mit P"assen ist?«

»Ich weiss jemand hier«, erwiderte ich.»Eine Fotografie ist leicht ausgewechselt.«

Schwarz nickte.»Leichter als eine Pers"onlichkeit.«

Er starrte eine Weile vor sich hin.»W"are es nicht sonderbar, wenn Sie jetzt auch beginnen w"urden, Bilder zu lieben? So wie der tote Schwarz – und dann ich?«

Ich konnte mir nicht helfen, aber ich f"uhlte einen leichten Schauder.»Ein Pass ist ein St"uck Papier«, sagte ich.»Keine Magie.«

»Nein?«fragte Schwarz.

»Doch«, erwiderte ich.»Aber nicht so. Wie lange blieben Sie in Paris?«

Ich war so voll Aufruhr "uber das Versprechen von Schwarz, mir seinen Pass zu geben, dass ich nicht h"orte, was er sagte. Ich dachte nur dar"uber nach, was ich tun k"onnte, um auch f"ur Ruth ein Visum zu bekommen. Vielleicht konnte ich sie beim Konsulat als meine Schwester ausgeben. Es war unwahrscheinlich, dass es n"utzte, denn die amerikanischen Konsulate waren sehr strikt; aber ich musste es versuchen, wenn nicht ein zweites Wunder passierte. Dann h"orte ich pl"otzlich Schwarz sprechen.

»Er stand pl"otzlich in der T"ur unseres Zimmers in Paris«, sagte Schwarz.»Es hatte ihm sechs Wochen genommen, aber er hatte uns gefunden. Dieses Mal hatte er keinen Beamten vom deutschen Konsulat mobilisiert; er war selbst gekommen und stand vor uns in dem kleinen Hotelzimmer mit den amour"osen Drucken nach Zeichnungen des achtzehnten Jahrhunderts an der Wand, Georg J"urgens, Obersturmbannf"uhrer, der Bruder Helens, gross, breit, zweihundert Pfund schwer und dreimal so deutsch als in Osnabr"uck, obschon er in Zivil war. Er starrte uns an.

›Also alles L"ugen‹, sagte er. ›Ich dachte mir doch, dass es irgendwo gewaltig st"anke!‹

›Was wundert Sie daran?‹ erwiderte ich. ›Es stinkt "uberall, wohin Sie kommen. Gewaltig! Weil Sie kommen.‹

Helen lachte.

›Lass das Lachen!‹ br"ullte Georg.

›Lassen Sie das Br"ullen!‹ erwiderte ich. ›Oder ich lasse Sie hinauswerfen!‹

›Warum versuchen Sie das nicht selbst?‹

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