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Erich Maria Remarque -Die Nacht von Lissabon.doc
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08.11.2019
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Ich sch"uttelte den Kopf.

›Warum nicht?‹

›Weil ich Angst vor Feststellungen habe. Und Angst vor Worten, die etwas feststellen. Du magst es nicht glauben, aber es ist so. Dazu kommt noch die Angst vor der anonymen Angst, die irgendwo draussen durch die Strassen schleicht, an die ich nicht denken und von der ich nicht reden will, weil ein dummer Aberglaube in mir annimmt, dass die Gefahr nicht existiere, solange ich sie nicht zur Kenntnis nehme. Deshalb haben wir dieses abwegige Gespr"ach. Die Zeit scheint dadurch aufgehoben zu sein, so wie in einem Film, der gerissen ist. Pl"otzlich steht alles still, so dass nichts passieren kann.‹

›Das ist mir zu kompliziert.‹

›Mir auch. Ist es nicht genug, dass ich hier bin, bei dir, dass du noch lebst und dass ich noch nicht wieder gefangen bin?‹

›Bist du deshalb gekommen?‹

Ich antwortete nicht. Sie sass da wie eine zierliche Amazone, nackt, mit einem Glas Wein in der Hand, fordernd, nicht ausweichend, listig und k"uhn, und ich erkannte, dass ich fr"uher nichts von ihr gewusst hatte. Ich begriff nicht, wie sie es mit mir ausgehalten hatte, und ich kam mir vor wie jemand, der geglaubt hat, ein h"ubsches Lamm zu besitzen und f"ur es zu sorgen, wie man f"ur ein h"ubsches Lamm sorgt, und der auf einmal entdeckt, dass er einen jungen Puma unter den H"anden hat, der keinen Sinn f"ur blaue Halsb"ander und weiche B"ursten hat, sondern durchaus f"ahig ist, die streichelnde Hand zu zerbeissen.

Ich befand mich auf gef"ahrlichem Grund. Wie Sie sich denken k"onnen, war geschehen, was vorauszusehen war in der ersten Nacht; ich hatte versagt in der primitivsten Weise. Ich hatte es vorausgeahnt, und vielleicht war es auch so gekommen, weil ich es erwartet hatte. Tatsache war, dass ich unf"ahig gewesen war, aber, weil ich es erwartete, zum Gl"uck nicht die verzweifelten Versuche angestellt hatte, die sonst in solchen F"allen gemacht werden. Man kann noch so "uberlegen sein wollen und erkl"aren, dass nur Stallburschen dagegen immun seien, und Frauen m"ogen vorgeben, dass sie es verstehen und den Verzweifelten mit fataler M"utterlichkeit tr"osten – es bleibt trotzdem eine verdammte Sache, bei der jedes Pathos schauderhaft l"acherlich wird.

Da ich keine der "ublichen Erkl"arungen abgegeben hatte, war Helen gest"ort und griff mich an. Sie konnte nicht begreifen, weshalb ich sie nicht genommen hatte, und f"uhlte sich beleidigt. Ich h"atte ihr einfach die Wahrheit sagen k"onnen, aber ich war nicht ruhig genug dazu. Es gibt da auch zwei Wahrheiten – eine, bei der man sich preisgibt, und eine zweite strategische, bei der man nichts preisgibt. Ich hatte in f"unf Jahren gelernt, dass, wenn man sich preisgibt, man sich nicht wundern soll, dass auf einen geschossen wird.

›Menschen in meiner Lage sind abergl"aubisch geworden‹, sagte ich zu Helen. ›Sie glauben, wenn sie etwas direkt sagen oder tun, w"urde das Gegenteil geschehen. Deshalb sind sie vorsichtig. Auch mit Worten.‹

›Was f"ur ein Unsinn!‹

Ich lachte. ›Den Glauben an den Sinn habe ich l"angst aufgegeben. Ich w"are sonst bitter wie eine wilde Zitrone geworden‹

›Ich hoffe, dein Aberglaube geht nicht zu weit.‹

›Nur so weit, Helen‹, sagte ich sehr ruhig, ›dass ich glaube, wenn ich dir sage, dass ich dich "uber alle Massen liebe, ich erwarten w"urde, die Gestapo eine Minute sp"ater gegen die T"ur schlagen zu h"oren.‹

Sie hielt eine Sekunde still wie ein Tier, das ein unge-wohntes Ger"ausch geh"ort hat. Dann wendete sie mir lang-sam ihr Gesicht zu. Es war erstaunlich, wie es sich ver-"andert hatte. ›Ist das wirklich der Grund?‹ fragte sie leise.

›Es ist nur einer‹, erwiderte ich. ›Wie kannst du erwarten, dass ich Ordnung in meinen Gedanken habe, wenn ich gerade aus einer trostlosen H"olle in ein gef"ahrliches Paradies gesp"ult worden bin?‹

›Ich habe manchmal dar"uber nachgedacht, wie es sein w"urde, wenn du zur"uckk"amest‹, sagte sie nach einer Weile. ›Es war ganz anders.‹

Ich h"utete mich zu fragen, wie es anders gewesen w"are. Man fragt in der Liebe immer zuviel, und wenn man anf"angt, die Antworten wirklich wissen zu wollen, ist sie bald vorbei. ›Es ist immer anders‹, sagte ich, ›Gott sei Dank!‹

Sie l"achelte. ›Es ist nie anders, Josef Es sieht nur anders aus. Ist noch Wein da?‹

Sie ging um das Bett herum wie eine T"anzerin, stellte ihr Glas auf den Boden neben sich und streckte sich aus. Sie war braun von einer fremden Sonne und sorglos in ihrer Nacktheit wie eine Frau, die nicht nur weiss, dass sie begehrt wird, sondern der es auch oft gesagt worden ist.

›Wann muss ich gehen?‹ fragte ich.

›Das M"adchen kommt morgen nicht zur"uck.‹

›"Ubermorgen?‹

Helen nickte. ›Es war einfach. Heute ist Sonnabend. Ich habe ihr Urlaub "uber das Wochenende gegeben. Sie kommt Montag mittag zur"uck. Sie hat einen Geliebten. Einen Polizisten mit einer Frau und zwei Kindern.‹

Sie sah mich aus halbgeschlossenen Augen an. ›Sie war gl"ucklich.‹ Von draussen kamen Marschtritte und Gesang. ›Was ist das?‹ fragte ich.

›Soldaten oder Hitlerjugend. Irgendeine Gruppe marschiert immer irgendwo in Deutschland.‹

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