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Немецкий для политологов и право

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Die DDR kannte keine Verwaltungsgerichte; nunmehr ist auch in den neuen Ländern eine umfassende Kontrolle der Verwaltung durch die Gerichte gewährleistet. Der Rechtsschutz durch die Fachgerichte wird ergänzt durch die Möglichkeit eines jeden Bürgers, sich mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht zu wenden. Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf gegen Grundrechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt. Der Kläger muss geltend machen, durch eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt, z.B. durch eine gerichtliche Entscheidung oder einen Verwaltungsakt, aber auch durch ein Gesetz, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein. Die Verfassungsbeschwerde kann in der Regel erst dann erhoben werden, wenn alle zulässigen Rechtsmittel vor den Fachgerichten ausgeschöpft worden sind.

Das System der Rechtsmittel ist vielfältig und eröffnet zahlreiche Möglichkeiten der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen. Die Berufung eröffnet eine Urteilskontrolle in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Vor der Berufungsinstanz können also auch neue Tatsachen vorgebracht werden. Die Revision führt dagegen nur zu einer rechtlichen Überprüfung dahin, ob das materielle Recht richtig angewandt und die wesentlichen Verfahrensvorschriften beachtet wurden.

Die Rechtsprechung wird in der Bundesrepublik Deutschland von etwa 20 000 Berufsrichtern wahrgenommen, von denen mehr als drei Viertel in der ordentlichen Gerichtsbarkeit tätig sind. Die meisten Richter sind auf Lebenszeit bestellt und in ihrer Rechtsprechung nur an Recht und Gesetz gebunden. Bei den Amtsgerichten werden die Aufgaben der Freiwilligen Gerichtsbarkeit überwiegend von Rechtspflegern wahrgenommen. Das sind Justizbeamte des gehobenen Dienstes, keine Richter. In mehreren Gerichtszweigen wirken Laienrichter mit. Als Kenner der jeweiligen Lebensverhältnisse – etwa in Sachen der Arbeitsund Sozialgerichtsbarkeit – tragen sie zur Lebensnähe der Entscheidung bei. Zudem verkörpern sie ein Stück unmittelbare Verantwortung des Bürgers für die Rechtspflege.

Die Staatsanwälte, von denen es über 4000 gibt, sind im Wesentlichen im Strafverfahren tätig. Ihnen obliegen bei Vorliegen eines Verdachts einer Straftat die Ermittlung und die Aufklärung des Sachverhalts. Sie entscheiden darüber, ob das Verfahren einzustellen oder Anklage zu erheben ist; im gerichtlichen Verfahren haben sie die Anklage zu vertreten. Staatsanwälte sind nicht wie Richter persönlich und sachlich unabhängig, als Beamte sind sie an Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden; allerdings sind dieser Weisungsgebundenheit Grenzen gesetzt.

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Mehr als 60000 Rechtsanwälte üben als unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten einen freien Beruf aus. Durch die Vertretung ihrer Mandanten vor Gericht wirken sie wesentlich an der Rechtspflege mit. Sie haben besondere Berufspflichten, deren Einhaltung von Ehrengerichten überwacht wird. Berufsrichter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte müssen die "Befähigung zum Richteramt" besitzen. Das bedeutet: Sie müssen ein juristisches Studium und eine anschließende praktische Ausbildung absolviert und mit je einer staatlichen Prüfung abgeschlossen haben [49, c. 197–199].

Text 8.

Zur Verfassungsgeschichte

Bereits im Mittelalter existierten im deutschsprachigen Raum grundlegende Vorschriften, die man als eine Art von Verfassungsrecht ansehen kann. Die „Goldene Bulle“ von 1356 bestimmte die Formalien der Königswahl und die Anzahl der Kurfürsten. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 wurde die zentrale Staatsgewalt erheblich geschwächt. Entwicklungsimpulse lieferte die französische Revolution, die auch in Deutschland Forderungen nach Reformen und der Beachtung von Menschenrechten hervorrief. Das Heilige römische Reich deutscher Nation fand sein Ende mit der Abdankung von Kaiser Franz Josef im Jahr 1806. 1815 bildete sich der Deutsche Bund als Vereinigung souveräner Fürsten. Die einzelnen Länder gaben sich nach und nach eigene, monarchistisch ausgerichtete Verfassungen. Mit der Revolution von 1848 versuchten bürgerliche Kreise, eine Vereinigung Deutschlands zu erzielen und Grundrechte in eine Verfassung zu integrieren. In der Frankfurter Paulskirche tagte eine Versammlung, die eine demokratische Verfassung entwickelte – welche nie in Kraft trat. Preußische und österreichische Truppen beendeten den Versuch, einen demokratischen deutschen Nationalstaat zu schaffen, mit Gewalt.

1870/71 wurde das Deutsche Reich gegründet. Seine Verfassung festigte die starke Zentralgewalt des Staates und enthielt die Grundrechte nur als allgemeine Zielvorstellungen. Nach dem ersten Weltkrieg beendete die Revolution von 1918 – ausgehend von Arbeitern und Marinesoldaten - die Monarchie und führte zur Gründung der Weimarer Republik. Auch hier existierten noch keine verfassungsmäßig verankerten Grundrechte. Die Nationalsozialisten machten sich diverse Schwächen der Weimarer Verfassung zu Nutze, um an die Macht zu gelangen. Ab 1933 wurden die bestehenden Rechtsstrukturen zu Machtmitteln der Nazis umgewandelt.

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Grundrechte existierten de facto nicht, Sondergerichtshöfe und Verhaftung ohne gerichtliche Anordnung waren üblich. Ein unrühmliches Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte sind die Sondergesetze gegen Juden, die ganz offiziell die Rechte von Deutschen jüdischen Glaubens einschränkten oder aufhoben. Der Massenmord an Juden und politisch Andersdenkenden in Konzentrationslagern wurde zwar auf politischer Ebene beschlossen, jedoch wurde nicht mehr der Versuch einer rechtlichen Legitimation unternommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit Zustimmung der Alliierten 1949 das heute noch geltende Grundgesetz als Verfassung geschaffen, die die Grundrechte ausdrücklich garantiert. Dabei wurde zwischen Menschenrechten und den spezielleren Bürgerrechten differenziert. Es wurde eine Gewaltenteilung bei den drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative vorgenommen. Fehler der Weimarer Zeit – etwa die erheblichen Befugnisse des Reichspräsidenten und die relativ einfachen Möglichkeiten zur Änderung der Verfassung oder zum Sturz der Regierung – wurden bewusst behoben. Eine der seit 1949 vorgenommenen Änderungen waren die Einführung der Wehrpflicht und die Schaffung der Bundeswehr 1956. Seit 1990 gilt das Grundgesetz auch für das Gebiet der ehemaligen DDR [34].

Text 9.

Geschichte des Bürgerlichen Rechts

Das deutsche Zivilrecht wurde wie auch die Rechtssysteme anderer europäischer Länder stark beeinflusst durch die Rezeption des römischen Rechts zwischen 13. und 15. Jahrhundert. Italienische Rechtsschulen beschäftigten sich mit der von Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert geschaffenen Rechtssammlung. Rechtswissenschaftler wie Bartolus de Saxoferrato (1314–1357) und Baldus de Ubaldis (1327–1400) begründeten dabei die Schule der Kommentatoren, die eine praxisorientierte Kommentierung der Rechtstexte betrieb. Auch deutsche Studenten erlernten in Italien die Methoden der Rechtswissenschaft. Das römische Recht wurde in Deutschland in Bereichen angewendet, in denen lokale Rechtssysteme keine Lösungen boten. Zur Zeit der Aufklärung setzte sich das Vernunftrecht durch. Das römische Recht wurde im „usus modernus“ neu ausgelegt. Herausragende Gesetzbücher dieser Zeit waren das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 und der französische Code Civil von 1804, der auch von deutschsprachigen Ländern wie dem Großherzogtum Baden übernommen wurde. Während der Zeit der Aufklärung herrschte das vernunftrechtliche Denken vor, welches als

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vernünftig erkannte und ewig gültige Rechtssätze in den Vordergrund stellte. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts sprachen sich die Mitglieder der historischen Rechtsschule, z.B. Carl v. Savigny, (1779–1861) gegen diese Ansicht aus und befürworteten eine Rückbesinnung auf das römische Recht. Ein eigenständiges deutsches Privatrecht wollten Wissenschaftler wie Otto von Gierke (1841–1921) entwickeln; es wurden Modelle wie das der Genossenschaft entwickelt und – beeinflusst durch die Industrialisierung – soziale Überlegungen einbezogen. Am 1.1.1990 trat das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft, das noch heute gilt, aber ständigen Änderungen unterworfen ist.

Das Bürgerliche Gesetzbuch besteht aus fünf Büchern und beginnt mit einem Allgemeinen Teil. Die Regelungen dieses Teils gelten für die Vorschriften aller anderen vier Bücher. Es definiert natürliche und juristische Personen, regelt das Vereinsrecht und bestimmt, wer geschäftsfähig ist und wann Geschäftsunfähigkeit eintritt. Ein wichtiger Abschnitt widmet sich den Willenserklärungen, die etwa beim Abschluss eines Vertrages abgegeben werden. Der Allgemeine Teil bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Fristen Willenserklärungen angefochten werden können. Auch Vertretung und Vollmacht werden im Allgemeinen Teil behandelt. Wichtig sind ferner die Verjährungsregelungen. Zivilrechtliche Ansprüche verjähren in Deutschland grundsätzlich in 30 Jahren, es gibt jedoch für verschiedene Bereiche kürzere Verjährungsfristen.

Das zweite Buch – Schuldrecht – regelt die Beziehungen zwischen Personen. Im Vordergrund stehen dabei Vertragsverhältnisse und die Rechtsfolgen unerlaubter Handlungen. In § 242 BGB findet sich eine zentrale Vorschrift: Danach muss eine geschuldete Leistung so bewirkt werden, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Es handelt sich dabei um eine Generalklausel, mit der Fälle geregelt werden sollen, die von keiner anderen Regelung erfasst werden. § 249 und die folgenden Vorschriften definieren den Schadenersatz und seinen Umfang. Das zweite Buch enthält auch Regelungen über spezielle Schuldverhältnisse, wie den Kaufoder Mietvertrag. Arbeitsrechtliche Regelungen finden sich in den §§ 611 ff.

Es folgt das Sachenrecht, welches das Verhältnis zwischen Personen und Sachen betrifft. Hier werden Besitz und Eigentum definiert. Das Sachenrecht enthält die zentralen Vorschriften über Besitz und Übertragung von Grundstücken; hier werden Rechtsinstitute wie die Hypothek oder die Grundschuld dargestellt. Das Familienrecht regelt

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Verlobung, Eheschließung, Ehescheidung, Unterhalt und Kindschaftsrecht. Das fünfte Buch des BGB ist dem Erbrecht gewidmet. Es regelt z.B. die gesetzliche Erbfolge und trifft Bestimmungen über Testamente und die Testamentsvollstreckung [34].

Text 10.

Geschichte der Rechtsanwaltschaft in Deutschland

Über die Anfänge der Anwaltschaft in Deutschland ist wenig bekannt. In einigen Schweizer Kantonen hat sich die Berufsbezeichnung als Fürsprecher erhalten. Es ging aber ursprünglich weniger darum, für eine andere Fürsprache einzulegen, als für ihn vorzusprechen. Prozessuale Formalien hatten damals ähnliche, wenn nicht größere Bedeutung als heute. Jeder freie Mann hatte das Recht, seine Sache vor Gericht selbst zu vertreten. Wenn er sich versprach, war der Fehler nicht mehr zu heilen. Deshalb bestand die Möglichkeit, einen anderen statt seiner selbst sprechen zu lassen. Der Fürsprecher musste männlich sein. Er durfte nicht Geistlicher, rechtsoder prozessunfähig sein beziehungsweise, sich in Reichsacht befinden. Der Richter war verpflichtet, die Partei zu befragen, ob sie die Worte ihres Fürsprechers gegen sich gelten lassen wollte. Diese konnte bestätigen, verneinen oder um Bedenkzeit bitten. Wenn eine Partei die Worte ihres Fürsprechers nicht bestätigte, durften diese keine Berücksichtigung finden. Jeder gerichtsfähige Mann war verpflichtet, das Amt eines Fürsprechers zu übernehmen, wenn der Richter ihn dazu bestimmte. Ausnahmen galten für benannte Fälle einer Interessenkollision. Bei Sexualdelikten hatte der Richter für einen Vormund der Geschädigten als Prozessvertreter sorgen, wenn kein Mitglied ihrer Sippe zur Verfügung stand.

Der Sachsenspiegel besagt nicht ausdrücklich, dass es seinerzeit Leute gab, die regelmäßig als Fürsprecher tätig wurden und dafür Geld erhielten. Wenn beide Parteien denselben Mann als Fürsprecher für sich begehrten, lag die Entscheidung beim Richter. Entweder musste der Fürsprecher gerichtsbekannt vermögend sein oder dem Richter Bürgen für die Geldbußen stellen, die gegen ihn persönlich verhängt werden konnten, bevor er tätig werden durfte. Selbst bei Familienbanden erscheint zweifelhaft, ob man für den Prozess eines anderen selbst haften wollte. Dieses Haftungsrisiko wird sich der Fürsprecher angemessen bezahlt haben lassen.

Mit der Rezeption des römischen Rechts seit dem Hochmittelalter in Europa wurde das Gerichtsverfahren professionalisiert und es entstanden dazu Funktionen, die mit ausgebildeten Juristen besetzt waren. Hierbei bildete sich ein Berufsstand professioneller Juristen heraus, die eine Partei

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in der Verhandlung vor dem Gericht vertraten, die so genannten Prokuratoren. Daneben gab es andere Anwälte, die den Kontakt mit dem Rechtssuchenden pflegten, die Mandanten berieten und sie auch in außergerichtlichen Geschäften rechtlich betreuten, die so genannten Advocaten. Diese Trennung zwischen Advokaten und Prokuratoren gab es allerdings in manchen Ländern nur vor den höchsten Gerichten.

In Deutschland kannte man diese Zweiteilung in den süddeutschen Gebieten, die ursprünglich einmal unter römischer Verwaltung gestanden hatten. Im Landrecht des Schwabenspiegels, dessen erste Aufzeichnung um 1275 erfolgte, wurde zwischen dem Fürsprecher, der vor Gericht vertrat, und dem Ratgeber unterschieden. Beide konnten für ihre Tätigkeit Geld verlangen. Bei dem Fürsprecher bestand ähnlich wie heute ein Verbot, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Seine Reisekosten konnte er aber gesondert ersetzt verlangen. Im Gegensatz dazu war für den Ratgeber geregelt, dass er für schlechten Rat keinen Lohn erhielt und für einen daraus entstandenen Schaden haftete. Hieraus dürfte sich das Sprichwort „Guter Rat ist teuer“ entwickelt haben.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Zweiteilung der Anwaltschaft in Kontinentaleuropa immer weiter gelockert und mit den Rechtsreformen der napoleonischen Zeit weitgehend beseitigt, sodass das Berufsbild eines einheitlich tätigen Rechtsanwaltes entstand.

Das zweigeteilte System gibt es heute noch in Spanien, wo auch die traditionellen Bezeichnungen „Advokat“ und „Prokurator“ fortbestehen, sowie in den Rechtssystemen in England, Wales und anderen Ländern, wo die Advokaten „Solicitor“ und die Prokuratoren „Barrister“ heißen [34].

Text 11.

Eigentumsrecht in Antike

Die überlieferte Reflexion über die Bedeutung von Eigentum beginnt mit den Werken von Platon und Aristoteles im antiken Griechenland. Die Gesellschaft dieser Zeit war noch ganz überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Selbst in der Polis von Athen lebten noch mehr als dreiviertel der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Die Gesellschaft wurde vom Adel und von Großgrundbesitzern dominiert, wenn auch die Reformen des Kleisthenes den Bürgern eine Beteiligung an den Entscheidungen der Polis ermöglicht hatten. Gesellschaftlicher und ökonomischer Kern war der Familienhaushalt. Zu diesem Haushalt gehörten auch Sklaven, die man kaufte oder die im Zuge der Kolonialisierung nach Athen gelangt waren. Die Schuldsklaverei war durch die Gesetze abgeschafft worden. Alles war

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dem Hausvater untergeordnet, der über das Vermögen, die Frau, die Kinder und die Sklaven die Rechte des Eigentümers ausübte, aber auch die Verantwortung für ihr Wohlergehen hatte.

Platon entwarf das Konzept eines idealen Staates, in dem jeder die ihm angemessene Position einnimmt. So gibt es den Nährstand der Handwerker und Bauern, die auch in diesem Staat über Eigentum verfügen. Den Zusammenhalt des Staates gewährleisten die Wächter (Wehrstand). Diese haben kein Eigentum, sondern erhalten ihr Auskommen von der Gesellschaft und im Gegenzug ist ihr gesamter Lebensbereich, auch die Wohnung, der Öffentlichkeit zugänglich.

Ähnlich wie für Platon ist für Aristoteles das Ziel des menschlichen Lebens das Gute, nicht der Reichtum, der nur ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist. Das Institut des Eigentums entstammt nicht der natürlichen Ordnung, sondern ist Ergebnis der menschlichen Vernunft. Individuelles Eigentum ist dem gemeinschaftlichen Eigentum vorzuziehen, weil persönliches Eigentum eine größere Sorgfalt gegenüber den Sachen bewirkt. Zum zweiten entspricht Privateigentum dem Prinzip der Leistung.

Die frühe Kodifizierung des Rechts im antiken Rom war das Zwölftafelgesetz, das den Zweck hatte, die Konflikte zwischen den Grund besitzenden Patriziern und den Plebejern zu ordnen. Kaufverträge wurden hier sehr formalisiert geregelt. Ähnlich wie in Griechenland war die römische Gesellschaft in Haushalten organisiert. Der Hausherr war uneingeschränkter Eigentümer. Auch erwachsene Söhne waren nicht geschäftsfähig, wenn sie im Haus des Vaters lebten, selbst wenn sie verheiratet waren und Kinder hatten. Der Pater familas konnte seine Kinder sogar in die Sklaverei verkaufen. Er konnte durch Testament sein Eigentum uneingeschränkt vererben. Lag kein Testament vor, erfolgte die Erbfolge in männlicher Linie.

Im römischen Recht gab es keine formale Definition des Eigentumsbegriffs, wohl aber verschiedene Formen des Eigentums. Aus der Beschreibung „meum esse aio“ (ich behaupte, dass es mein ist) lässt sich anhand der Praxis ableiten, dass die Definition in § 903 Satz 1 BGB weitgehend mit der inhaltlichen Bestimmung zur Zeit Ciceros übereinstimmt. Cicero setzte sich mit der Begründung von Eigentum auseinander. Für ihn entsteht Privateigentum ursprünglich durch Okkupation. Das Land der eroberten Provinzen betrachteten die Römer als Eigentum des römischen Volkes und begründeten hiermit das Recht auf eine Bodensteuer. Die Römer kannten bereits ein Immissionsverbot, d.h. jemand konnte sein Grundstück nicht beliebig nutzen, wenn er damit den

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Besitz anderer beeinträchtigte, z.B. durch Entwässerungsgräben, deren Wasser auf fremden Grund abfloss.

Eine neue Sicht auf das Eigentum kam in der Patristik durch die Verbreitung christlich-jüdischer Gedanken auf, nach denen das Naturrecht mit dem göttlichen Recht gleichzusetzen ist. Im Alten Testament wird das Land dem Menschen zur Verwaltung übergeben – es bleibt aber im Eigentum Gottes. Bei den Kirchenvätern wie Clemens von Alexandria stand daher die Frage des richtigen Gebrauchs von Eigentum im Vordergrund. Sie forderten, das Eigentum, das über den eigenen Bedarf hinausgeht, an die Armen weiterzugeben. Die Reichen in der Gemeinde haben entsprechend der paulinischen Lehre eine Fürsorgepflicht gegenüber den Armen [51].

Text 12.

Zur Privileggeschichte

Die Ausdehnung des Begriffs Privileg auf Gruppen oder ein Grundstück (Realprivileg), die Vererbbarkeit von Privilegien sowie die Beschränkung des Inhalts auf Vorrechte sind Entwicklungen aus der Zeit nach dem Untergang des Römischen Reichs.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde durch die Ausstellung eines Privilegs (in Form einer Urkunde) für Einzelpersonen oder Gruppen neues Recht gesetzt, wodurch die Inhaber der Privilegien einen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern erlangten. Zum Wesen des Privilegs gehört, dass es im Gegensatz zum Mandat auf Dauer einen neuen Rechtstatbestand schuf, der auch weitervererbt werden konnte. Nur in Ausnahmefällen (z. B. Fehlverhalten oder Untreue des Begünstigten) konnte die Privilegierung wieder aufgehoben werden. Es gab allerdings bis in die Neuzeit hinein auch immer wieder Privilegien, die der wiederkehrenden (z. B. jährlichen) Bestätigung bedurften.

Privilegien konnten jene Personen erteilen, die Rechte oder Besitz an Untertanen frei weitergeben durften. Dies waren in erster Linie der Kaiser (bzw. König) und die Päpste. Aber auch ein Grundherr konnte einen seiner Untertanen privilegieren, indem er ihn zum Beispiel vom Frondienst befreite.

Gegenstand mittelalterlicher Privilegien waren die unterschiedlichsten Dinge: So zählen Schenkungen an Untergebene, die Erteilung eines Monopols, das Recht, Münzen zu prägen oder ein Wappen zu führen, die Befreiung von Zinsen und Diensten und die Verleihung von Gerichtsbarkeiten zu den Privilegien. Auch die Erteilung des Stadtrechts gehört zu den Privilegien, weil die Angehörigen der Kommune gleich ein ganzes Bündel von Rechten erhielten. Unter anderem waren die Stadtbürger persönlich frei.

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Die Summe aller Privilegien, die den Ständen eines ganzen Landes im Laufe der Zeit verliehen wurden, bildete die Grundlage für die ständischen Verfassungen in der Frühen Neuzeit. Sie definierten das Verhältnis zwischen dem Land und seinem Fürsten, indem sie die Rechte des Landesherrn zu Gunsten der Stände beschränkten. In der Zeit des Absolutismus verloren die ständischen Korporationen viele Privilegien wieder an die Fürsten.

Zu den umfassenden Privilegien kamen zahllose speziell erteilte. In Residenzstädten bewarben sich einzelne Unternehmer um den Titel „Privilegierter Lieferant des Hofes“. In der Druckindustrie wurden zudem Privilegien auf einzelne Druckwerke erteilt – eine Positionierung, die insbesondere große Buchprojekte anstrebte, die mit hohen verlegerischen Investitionen verbunden waren. Der Landesherr, der das Privileg erteilte, drohte im Fall des Raubdrucks mit Ahndung. (Im "normalen" Fall des Raubdrucks blieb es den Buchhändlern überlassen, "schwarze Schafe" unter sich auszumachen und Verstöße mit Sanktionen untereinander zu brandmarken.)

Im Sinne der Gleichberechtigung aller Menschen werden Privilegien heute vielfach kritisch gesehen. Insbesondere Privilegien, die mit der Geburt erworben werden, sind seit dem Ende des Absolutismus in der westlichen Welt meist nicht mehr akzeptiert. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Erteilung dieser Art von Privilegien durch den Artikel 3 Absatz 3 ausgeschlossen: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Folglich wird der Begriff Privileg heute fast ausschließlich herabsetzend zur Markierung sozialer Ungleichheit eingesetzt. Birgit Rommelspacher definiert Privilegierung als das Gegenüber von Diskriminierung: Diskriminierung erzeuge Privilegierung, Privilegierung erzeuge Diskriminierung.

Andere Privilegien entfielen durch die Schaffung neuer Rechtssicherheit und durch den Zwang neuer Nachweise der Berechtigung. So wurde mit dem begünstigenden Verwaltungsakt, der durch die Gesetzesbindung und seine Bestandskraft eine Garantiefunktion für den Adressaten erhielt, das Privileg im späten 19. und im 20. Jahrhundert auch nahezu überflüssig. Aus dem Gnadenerweis wurde vielfach ein Rechtsanspruch auf Erteilung, d. h. aus dem Einzelfallgesetz wurde eine verwaltungsrechtliche Handlung in Form des Verwaltungsakts auf gesetzlicher Basis [34].

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Text 13.

Entwicklung des Urheberrechts

Im Verlauf eines langwierigen historischen Prozesses hat sich schließlich im 18. Jahrhundert das Bewusstsein herausgebildet, dass "geistiges Eigentum", u.a. in Form von musikalischen Werken, mit ebensolchen Rechten auszustatten sei wie materielles Eigentum. Fortan bestimmten technologische und gesellschaftliche Entwicklungen die Veränderung der gesetzlichen Umsetzungen im Urheberrecht. War es ursprünglich nur die Frage nach der Sicherung der Autorenrechte beim Verkauf von gedruckten Notensätzen und Partituren, so kam später im Zuge der erweiterten kommerziellen Verbreitung von Musik der Schutz von Aufführungen und Tonträgern unterschiedlicher Art hinzu. Die althergebrachten Regelungen mussten dabei immer wieder den Entwicklungen angepasst werden, um die legitimen Schutz Bedürfnisse der Berechtigten weiter sichern zu können. Durch die zunehmende Komplexität der Musikwelt wurde es den einzelnen Akteuren (Autorinnen und Autoren, Musikerinnen und Musiker, Tonträgerproduzenten) mit der Zeit unmöglich, eigenständig die Einhaltung ihrer Rechte zu überwachen. Verwertungsgesellschaften (in Deutschland u. a. die Gesellschaft für musikalische Aufführungsund mechanische Vervielfältigungsrechte, GEMA) entstanden, die diese Aufgabe übernahmen. Allerdings dauerte es in Deutschland bis zum Jahr 1965, bis mit der Verabschiedung des Urheberrechtsgesetzes ein umfassender Schutz der Autorinnen und Autoren gewährleistet wurde. Und bereits in den 70er Jahren, mit Aufkommen der Möglichkeit massenhafter privater Kopien von Musikstücken durch Bandaufnahmegeräte, wurden Modifikationen notwendig. Dabei zeugt die im Zeitverlauf regelmäßig beobachtbare Verzögerung zwischen der Veränderung der Verbreitungswege von Musik und der entsprechenden Anpassung des Urheberrechts von der Schwerfälligkeit institutioneller Umgestaltung und dem evolutionären Charakter gesellschaftlicher Ordnungen, die nie eine abschließende Form aufweisen, sondern durch stete Anpassung an veränderte äußere Rahmenbedingungen gekennzeichnet sind.

Diese Anpassung bzw. Weiterentwicklung des Ordnungssystems ist im Bereich des Musikmarkts, wie andernorts auch, das Resultat umfangreicher Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Interessensgruppen. Gerade im Bereich der Musik liegt dabei die enge Verflechtung der Wirtschaftsordnung mit den anderen gesellschaftlichen Subordnungen auf der Hand. Musik gilt als Kulturgut, weshalb neben den

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