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Немецкий для политологов и право

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ökonomischen vor allem soziokulturelle Aspekte eine Rolle spielen, insofern als im Sinne des öffentlichen Interesses nur eine eingeschränkte Sicherung der Verfügungsrechte der Autoren durchgesetzt werden kann. Diskussionsgegenstand ist zu jedem Zeitpunkt der Umfang dieser Einschränkungen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang also längst nicht mehr die Frage, ob die Autorin bzw. der Autor eines Musikstückes oder der Hersteller eines Tonträgers für die – wie auch immer geartete – Aufführung seines Werkes einen Vergütungsanspruch hat. Die Frage liegt vielmehr darin, welche Verfügungsrechte die Konsumenten über die private Nutzung hinaus mit dem Kauf eines Tonträgers oder einer Konzertkarte erwerben. Während Verwertungsgesellschaf. ten, Künstler, Autoren, Produzenten und Tonträgerhersteller in dieser Auseinandersetzung eine möglichst umfassende Rechtssicherung verlangen verfolgen z. B. die Hersteller von Aufnahmegeräten, Betreiber öffentlicher Bibliotheken aber auch Vertreter von Verbraucherinteressen andere Ziele Der Staat hat hier die Aufgabe, die anstehende Neuordnung des rechtlicher Rahmens soweit möglich im Konsens zu lösen [43, c. 92].

Text 14.

"Raubkopierer" vor Gericht – Verstöße gegen das Urheberrecht

(Philipp Otto)

Inzwischen hat sich in der Berichterstattung der Presse und im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort “Raubkopie” oder “Raubkopierer” für Kopien/das Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken durchgesetzt. Dieser Wortgebrauch ist jedoch sehr umstritten, da das Kopieren einer CD, DVD oder von MP3-Files juristisch nicht mit einem Raub zu vergleichen ist. Bei einem Raub wird die bewegliche Sache mithilfe von Gewalt oder körperlicher Bedrohung erlangt. Dies ist beim Kopieren von urheberrechtlich geschütztem Material nicht der Fall. Im deutschen Urheberrecht kommt der Begriff der “Raubkopie” deswegen auch nicht vor. Kampagnen der Filmwirtschaft oder anderen Rechteinhabern mit Slogans wie “Raubkopierer sind Verbrecher” oder “Raubkopierer können sich nicht verstecken” dienen alleine der Abschreckung. Nicht jede Kopie urheberrechtlich geschützten Materials ist strafbar. Es gibt beispielsweise das Recht zur Privatkopie in § 53 UrhG. Diese Regelung ist eine Schrankenvorschrift im Urheberrecht die das ausschließliche Nutzungsrecht des Urhebers einschränkt. Die Privatkopie kann an Dritte weiter gegeben werden, muss aber im privaten Kreis (verknüpft durch ein “persönliches Band”) bleiben. Deswegen fällt die

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Weitergabe in Online-Tauschbörsen in den allermeisten Fällen nicht mehr darunter. Praktisch ist das Recht zur Privatkopie inzwischen durch DRMSysteme jedoch stark eingeschränkt, da es nach §§ 95a ff. UrhG untersagt ist einen wirksamen Kopierschutz zu umgehen.

In einem aktuellen Fall hatte das AG Meschede über den Fall eines Familienvaters aus dem Sauerland zu entscheiden. Dieser hatte aus dem Internet über 100 verschiedene urheberrechtlich geschützte Werke aus den Bereichen Film, Musik und PC-Spiele herunter geladen. Anschließend hatte er sie auf CDs gebrannt und zu Hause gelagert. Das Gericht stellte das Verfahren wegen Verletzung des Urheberrechts gegen Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 2300.- Euro ein. Der Richter wies jedoch daraufhin, dass der “Raubkopierer” noch mit zivilrechtlichen Forderungen der Rechteinhaber zu rechnen habe. Vor dem Hintergrund dieser Forderungen verfügte der Richter die Einstellung des Verfahrens.

Vor dem Landgericht Mühlhausen hat gestern einer der bislang größten Prozesse in Thüringen gegen mutmaßliche “Raubkopierer” begonnen. Den vier Angeklagten wird vorgeworfen im Zeitraum von Juni 2003 bis September 2004 “Raubkopien” von Software, Filmen, MusikDateien und PC-Spielen im Internet auf der Webseite “ftp-welt.com” verkauft zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten die gewerbsmäßige und unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützten Materials vor. Dabei geht es um eine Schadenssumme von ca. 850.000,- Euro. Am ersten Tag der Verhandlung legten die Beklagten bereits Geständnisse ab. Dem war ein sog. “Deal” vorausgegangen. Hierbei handelt es sich um Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und der Verteidigung über die zu erwartende Strafe. In diesem Fall ging es um das Angebot der Verhängung von Verjährungsstrafen und der Zahlung von Geldbußen in Höhe von jeweils 90.000 Euro. Da ein “Deal” im Strafprozessrecht nicht geregelt ist, wird er von Kritikern häufig als “Handel mit der Gerechtigkeit” bezeichnet.

Das Verfahren gegen einen der Angeklagten wurde gestern bereits gegen Zahlung von 2500.- Euro Geldbuße und der Ableistung von 100 Arbeitsstunden eingestellt. Nach Ansicht des Gerichts habe er in dem Fall nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 21.02.2007. Von den ca. 15.000 Kunden des Quartetts hat die Polizei nach eigenen Angaben die Identitäten der meisten Personen ermittelt. Es wurde bekannt, dass parallel alleine in Thüringen gegen 120 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Dabei kam es auch schon zu Hausdurchsuchungen und Verurteilungen [44].

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Text 15.

Der Datenschutz

Der Einzug der automatisierten Datenverarbeitung (ADV) in fast alle Lebensbereiche der modernen Industriegesellschaft hat neue Probleme für das Rechtsleben und die Rechtsordnung entstehen lassen. Computer werden heute zur Kontenführung der Banken eingesetzt, zur Platzreservierung der Fluggesellschaften, zur Ausfertigung von Steuerbescheiden beim Finanzamt oder zur Sammlung von Daten über Straftäter durch die Polizei – die ADV ist fast überall unentbehrlich geworden. Sie erlaubt es, riesige Mengen von Daten so zu speichern, dass sie jederzeit auch über weltweite Netze abrufbar sind. Die moderne Technik hat die Arbeit vieler Unternehmen und Behörden enorm erleichtert und ist dabei, unsere Gesellschaft in eine Informationsgesellschaft zu verändern.

Die moderne Datentechnik birgt aber auch Risiken. Die gespeicherten Daten können missbräuchlich verwendet werden und in die Hände von Unbefugten gelangen. Wer im Besitz hinreichender Datenmengen ist, gewinnt Einblick in die Privatsphäre der Bürger, die unantastbar bleiben muss. Um dem vorzubeugen, hat man in Deutschland 1977 begonnen, den Datenschutz durch Bundesund Landesgesetze zu regeln. Die Gesetze bestimmen den Umgang von Behörden und Privaten, z.B. Wirtschaftsunternehmen, mit personenbezogenen Daten. Das Bundesdatenschutzgesetz wurde 1990 novelliert.

Die Mitarbeiter von Stellen, die Daten verarbeiten, sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, von jeder Daten verarbeitenden Stelle Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erhalten. Er kann die Berichtigung falscher, die Sperrung strittiger und die Löschung unzulässig erhobener Daten verlangen.

Auf Vorschlag der Bundesregierung wählt der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit seiner Stimmen den Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Er wird vom Bundespräsidenten ernannt. Seine Aufgabe ist es, Regierung und Parlament in Gesetzgebungsverfahren datenschutzrechtlich zu beraten, den Umgang der Behörden des Bundes mit personenbezogenen Daten zu kontrollieren und diesen Behörden Empfehlungen zur Verbesserung des Datenschutzes zu geben. Jeder Bürger, der sich durch öffentliche Stellen des Bundes in seinen Datenschutzinteressen verletzt fühlt, kann sich an den Bundesbeauftragten

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für den Datenschutz wenden. Alle zwei Jahre erstattet er dem Bundestag einen Tätigkeitsbericht.

Auch die Bundesländer haben Beauftragte für den Datenschutz. Wirtschaftsbetriebe, die Daten verarbeiten, müssen einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten benennen. Private Unternehmen werden von den Aufsichtsbehörden nach dem Bundesdatenschutzgesetz kontrolliert; grundsätzlich muss es hierfür einen Anlass geben.

Die verfassungsrechtliche Dimension des Datenschutzes hat das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil 1983 deutlich gemacht. Es leitete aus Artikel 2 des Grundgesetzes ein Recht des Bürgers auf Selbstbestimmung über seine persönlichen Daten ab. Der einzelne, so das Gericht, habe die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Folge des Urteils war neben der Novellierung des Datenschutzrechts auch die Schaffung von bereichsspezifischen Vorschriften zum Datenschutz (zum Beispiel im Sozialgesetzbuch, im Melderecht, in den Polizeigesetzen).

Die deutsche Datenschutzgesetzgebung ist weltweit eine der modernsten und umfassendsten. Sie hat dazu beigetragen, das öffentliche Bewusstsein für die Notwendigkeit des Schutzes des Persönlichkeitsrechts zu schärfen. 1995 wurde eine EU-Richtlinie zum Datenschutz geschaffen, die maßgeblich vom deutschen Recht beeinflusst wurde. Sie ist bis 1998 in nationales Recht umzusetzen [49, c. 199–200].

Text 16.

Vernetzen kann verletzen

Der offene Profilaustausch in sozialen Netzwerken widerspricht der Datenschutzidee. Doch gibt es Unterschiede zwischen den Angeboten. Aus Sicht des Datenschutzes sind Soziale Netzwerke eine gefährliche Idee: Geht es bei Angeboten wie Facebook oder StudiVZ doch darum, private Informationen möglichst vielen Menschen möglichst leicht zugänglich zu machen. Denn nur so hat das Mitmachen dort auch Sinn. Eine freiwillige Aufgabe von Anonymität und Privatsphäre also, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Damit jedoch ist nicht automatisch jeder Schutz dieser Daten verwirkt. Auch wenn das ein gern vorgebrachtes Argument ist, vor allem bei Politikern.

Nach innen zwar sind möglichst wenige Barrieren gewünscht, außerhalb des Netzwerks aber sollen die Daten nicht jedem zugänglich sein. Wie gut es bei den Sozialen Netzen um diesen Schutz bestellt ist, hat

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nun das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie untersucht. Die Studie macht dabei durchaus Unterschiede aus.

Insgesamt schauten sich die Wissenschaftler von März bis August 2008 die Netzwerke MySpace, Facebook, StudiVZ, Wer-kennt-wen, Lokalisten, Xing und LinkedIn an. Vor allem interessierte die Forscher, wie einfach die Streuung der Daten kontrolliert werden kann, zum Beispiel, indem Teile des Profils nur festgelegten Nutzergruppen zugänglich sind und ob gesperrte Informationen von außen nicht erreichbar sind. Schließlich, so die Prämisse, werde die Privatsphäre von den Nutzern nicht vollständig aufgegeben, immerhin "möchte man bestimmte Fotos zwar mit seinen Freunden teilen, aber nicht mit einem potenziellen Arbeitgeber".

Nicht untersucht wurde, wie die Daten bei den Anbietern gesichert und verarbeitet werden und ob es möglich ist, gegen den Willen der Nutzer und Betreiber an sie heranzukommen.

Die Wissenschaftler geben zu, dass offener Informationsaustausch und Schutzbedürfnisse sich widersprechen. Daher beschäftigten sie sich vor allem mit den Kontrollmöglichkeiten, also "ob, wie, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln Nutzer den Informationsfluss in der Plattform steuern können". Von Interesse waren dabei nur jene Daten, die auch "privatsphärenrelevant" sind, mit deren Wissen also sich andere manipulieren lassen oder ihr Verhalten vorhersagbar wird. Gemeint sind damit – laut Definition im §3 Absatz 9 Datenschutzgesetz – politische und religiöse Überzeugungen oder auch Hinweise auf die Gesundheit oder sexuelle Vorlieben.

Was besagen die Ergebnisse? Erstens: Alle Sozial-Netzwerke sammeln mehr Daten, als sie eigentlich brauchen. Es sei "im Grunde überflüssig", dass für die Anmeldung vollständige Geburtsdaten (Facebook, StudiVZ) oder die Postleitzahl des Wohnortes (MySpace) angegeben werden müssen. Bei den Geschäftsplattformen (Xing, LinkedIn) seien Angaben zur beruflichen Situation unnötig: "Dieser umfangreiche Datensatz ist nicht zwingend notwendig, um den Dienst technisch zu realisieren oder rechtliche Anforderungen abzudecken."

Zweitens: "Das Thema 'Verschlüsselung' ist bei fast allen Plattformen problematisch." Lediglich Xing schütze die gesamte Sitzung. Bei Facebook, StudiVZ und LinkedIn seien zumindest Anmeldung und Konfigurationsseiten verschlüsselt und somit Nutzername und Passwort geschützt. Nicht verschlüsselt werde bei MySpace, Wer-kennt-wen und Lokalisten.

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Drittens: MySpace, StudiVZ und Facebook böten die besten Möglichkeiten, die eigenen Daten zu verwalten und den Zugang zu ihnen zu kontrollieren. Bei den beiden letzteren aber müsse der Nutzer Kompromisse eingehen. Schlusslicht sind demnach die Lokalisten, dort gebe es solche Einstellungsmöglichkeiten nicht. Bei den voreingestellten Standardkonfigurationen im Übrigen hätten alle Plattformen "mangelhaft abgeschnitten". Die Profile seien weitgehend offen und für einen Datenschutz "völlig ungeeignet" gewesen [27].

Text 17.

Lüth-Urteil

Das „Lüth-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Januar 1958 ist ein in der deutschen Rechtswissenschaft viel zitiertes Grundsatzurteil zur Grundrechtsdogmatik. Es beschäftigt sich mit dem Umfang des Grundrechts der Meinungsfreiheit und hebt dessen Bedeutung als „Grundlage jeder Freiheit überhaupt“ hervor. Zudem konstituiert es eine „objektive Wertordnung“ als konstitutiven Bestandteil der deutschen Verfassung.

Der Hamburger Senatsdirektor Erich Lüth hatte über die Presse dazu aufgerufen, den unter der Regie von Veit Harlan entstandenen Film „Unsterbliche Geliebte“, gedreht nach der Novelle von Theodor Storm, zu boykottieren. Harlan war in der Nazizeit als Regisseur des antisemitischen Films „Jud Süß“ bekannt geworden. Sein neuer Film sollte bei der „Woche des deutschen Films“ gezeigt werden. Dies hatte Lüth bei deren Eröffnung am 20. September 1950 als Vorsitzender des Hamburger Presseklubs scharf kritisiert: Der Autor von „Jud Süß“ sei am wenigsten geeignet, den im Nationalsozialismus verwirkten moralischen Ruf des deutschen Films wiederherzustellen.

Die Domnick-Film-Produktion-GmbH, die den umstrittenen Regisseur beschäftigte, forderte Lüth daraufhin zu einer Klarstellung auf. In einem öffentlichen Antwortbrief weitete er seine Vorwürfe aus und bezeichnete Harlan als „Nazifilm-Regisseur Nr. 1“, der mit „Jud Süß“ einer der wichtigsten Exponenten der mörderischen Judenhetze der Nazis gewesen sei. Es sei daher nicht nur das „Recht anständiger Deutscher“, sondern sogar ihre Pflicht, sich im „Kampf gegen diesen unwürdigen Repräsentanten des deutschen Films über den Protest hinaus auch zum Boykott bereitzuhalten.“

Die Produktionsfirma und die Herzog-Film-GmbH, die den HarlanFilm bundesweit verlieh, erwirkten daraufhin beim Landgericht Hamburg

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eine einstweilige Verfügung gegen Lüth. Ihm wurde verboten, „die deutschen Theaterbesitzer und Filmverleiher aufzufordern, den Film nicht in ihr Programm aufzunehmen und das deutsche Publikum aufzufordern, diesen Film nicht zu besuchen.“ Das Landgericht sah in seinem Aufruf eine sittenwidrige Aufforderung zum Boykott mit dem Ziel, ein Wiederauftreten Harlans „als Schöpfer repräsentativer Filme“ zu verhindern. Harlan sei in dem wegen seiner Beteiligung an dem Film „Jud Süß“ gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden und unterliege aufgrund der Entscheidung im Entnazifizierungsverfahren in der Ausübung seines Berufes keinen Beschränkungen. Die persönliche Meinung Lüths über Harlan spiele hier keine Rolle. Er habe jedoch die Öffentlichkeit aufgefordert, durch ein bestimmtes Verhalten die Aufführung von Harlan-Filmen und damit das Wiederauftreten Harlans als Filmregisseur unmöglich zu machen. Dies sei eine unerlaubte Handlung nach § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und daher durch eine Unterlassungsverfügung zu unterbinden.

Gegen diese Entscheidung wandte sich Lüth mit seiner Verfassungsbeschwerde an das BVerfG. Er machte geltend, in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt worden zu sein. Das BVerfG gab schließlich Lüths Verfassungsbeschwerde statt [38, c. 313–322].

Text 18.

Garantie und Gewährleistung

Jeder kennt die Situation: Man hat etwas gekauft, beispielsweise ein Fahrrad oder eine Stereoanlage, und nach wenigen Wochen tritt ein Mangel – beispielsweise in Form einer Funktionsstörung – auf, die Nutzung ist eingeschränkt bzw. unmöglich. Gut, dass es die Garantie gibt, und der Händler für die Kosten der Instandsetzung aufkommt. Schon beim Kauf einer Ware ist die Einräumung von Garantiefristen ein wichtiger Impuls für die Kundinnen und Kunden, denn längere Garantiegewährung zeugt von materieller Qualität und schafft Sicherheit – beispielsweise wenn ein Autohersteller mit einer lebenslangen Garantie gegen Durchrostung wirbt. Doch obwohl allen der Nutzen von Garantieregelungen bekannt ist und sie diese in Anspruch nehmen, ist das Wissen um die konkreten Rechte im Einzelfall bei vielen eher rudimentär. Oder kennen Sie den Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung?

Die Garantie ist das vom Verkäufer oder Hersteller dem Verbraucher gegenüber gewährte Recht, innerhalb einer festgelegten zeitlichen Frist

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Mängel am Kaufgegenstand kostenfrei zu beheben. Es handelt sich also um ein freiwilliges Versprechen auf Seiten des Anbieters. Deshalb finden sich auch im Konkurrenzmarkt oftmals für vergleichbare Güter unterschiedliche Garantiegewährungen. Doch kann jetzt jeder Händler bzw. Hersteller selbst entscheiden, ob überhaupt und wenn ja, wie lange er Garantie gewährt? Nein! Die gesetzlich festgelegte Gewährleistung setzt hier den Rahmen, der in der Garantiegewährung nicht unterschritten werden darf. Die Regelungen der Gewährleistung sind im BGB in den Paragrafen 437 und folgende festgehalten. Im Zuge der europaweiten Rechtsanpassung wurden dabei die Rechte der Konsumenten deutlich verbessert: Heute beträgt die Frist, in der Händler bzw. Hersteller für die Mangelhaftigkeit ihrer Produkte haftbar gemacht werden können, mindestens zwei Jahre. Gleichzeitig wurde die Beweispflicht in den ersten sechs Monaten umgekehrt. Die Beweispflicht, dass der Mangel nicht bereits zum Zeitpunkt des Kaufs vorgelegen hat, liegt nun auf der Seite der Anbieter. Im anschließenden Zeitraum muss weiterhin der Verbraucher belegen, dass der Mangel schon beim Kauf vorgelegen hat. Darüber hinaus gilt, dass Aussagen zum Produkt, also auch klassische Werbung, als Teil des Vertrags gelten. Das bedeutet, dass eine Abweichung als Mangel verstanden wird: Verbraucht das angepriesene ,,3-Liter-Auto" im Durchschnitt erheblich mehr als diese Menge, hat der Händler dafür einzustehen, wenn der Kauf gerade wegen des günstigen Verbrauchs zu Stande gekommen ist.

Insgesamt unterscheidet man vier Mängelrechte: Verbesserung, Austausch, Preisminderung und Wandlung. In diesem Zusammenhang gilt, dass die letzten beiden Varianten nur in Betracht kommen, wenn Verbesserung und Austausch z. B. unmöglich sind, nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand oder erheblichen Unannehmlichkeiten auf Verbraucherseite durchführbar sind, der Anbieter die Verbesserung bzw. den Austausch verweigert oder diese nicht in angemessener Frist vornimmt. Die Wandlung, also die Rücknahme der Ware gegen Auszahlung des gezahlten Geldbetrags, ist bei geringfügigen Mängeln immer ausgeschlossen [43, c. 210].

Text 19.

Sachmängelhaftung beim Kauf

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 10.03.2010 entschieden, dass ein Käufer, der Ansprüche wegen Mängeln der gekauften Sache geltend macht, dem Verkäufer die Kaufsache zur Untersuchung zur Verfügung stellen muss.

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Der Kläger bestellte bei der beklagten Autohändlerin im April 2005 einen Renault-Neuwagen zum Preis von 18.500 €. Das Fahrzeug wurde ihm im Juni 2005 übergeben. Kurz darauf beanstandete der Käufer Mängel an der Elektronik des Fahrzeugs. Die Verkäuferin antwortete, dass ihr die Mängel nicht bekannt seien, und bat den Käufer, ihr das Fahrzeug nochmals zur Prüfung vorzustellen. Dem kam der Käufer nicht nach. Er vertrat die Auffassung, es sei ihm unzumutbar, sich auf Nachbesserungen einzulassen, weil er befürchte, dass Defekte der Elektronik trotz Nachbesserungen immer wieder auftreten würden; mit dieser Begründung verlangte er unter Fristsetzung "eine komplette Lieferung eines anderen Fahrzeugs, das der Bestellung entspricht". Die Verkäuferin antwortete, sie könne auf die begehrte Ersatzlieferung nicht eingehen, erklärte sich aber für den Fall, dass nachweislich ein Mangel vorliegen sollte, zu dessen Beseitigung bereit. Es kam noch zu weiterer Korrespondenz, ohne dass eine Einigung erzielt wurde. Im November 2005 erklärte der Käufer den Rücktritt vom Vertrag. Er begehrt mit seiner Klage die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Die Klage ist in den ersten beiden Instanzen erfolglos geblieben. Auch die dagegen gerichtete Revision des Käufers vor dem Bundesgerichtshof hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der vom Käufer erklärte Rücktritt vom Vertrag nicht wirksam ist, weil der Käufer es versäumt hat, der Verkäuferin in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise Gelegenheit zur Nacherfüllung gemäß § 439 BGB zu geben. Das Nacherfüllungsverlangen als Voraussetzung für die in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte des Käufers beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen. Denn dem Verkäufer soll es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die verkaufte Sache daraufhin zu untersuchen, ob der behauptete Mangel besteht und ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann. Der Verkäufer kann von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt.

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Im entschiedenen Fall hat der Käufer der Verkäuferin keine Gelegenheit zu einer Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf die erhobenen Mängelrügen gegeben. Er hat eine Untersuchung in unzulässiger Weise von der Bedingung abhängig gemacht, dass sich die Verkäuferin zuvor mit der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung - der Lieferung eines neuen Fahrzeugs - einverstanden erklärt. Darauf brauchte sich die Verkäuferin nicht einzulassen. Sie war nicht verpflichtet, der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung zuzustimmen, bevor ihr Gelegenheit gegeben wurde, das Fahrzeug auf die vom Käufer gerügten Mängel zu untersuchen. Denn von den Feststellungen des Verkäufers zur Ursache eines etwa vorhandenen Mangels und dazu, ob und auf welche Weise dieser beseitigt werden kann, hängt auch ab, ob sich der Verkäufer auf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung einlassen muss oder ob er sie nach § 275 Abs. 2 und 3 oder § 439 Abs. 3 BGB verweigern kann [36].

Text 20.

Das Vertragsrecht im Internet-Zeitalter

(Markus Schließ)

„Verträge im Internet – die sind ja alle unwirksam!“ Das ist die Auffassung vieler, wenn über E-Commerce gesprochen wird. Die meisten Vorgänge im Internet sind anonym; die Vertragspartner kennen sich nicht und werden sich auch nie in die Augen schauen. Bei Alltagsgeschäften ist dies kein Problem; die jeweiligen Leistungen werden sofort erbracht.

Was aber, wenn das bei einem Webshop bestellte Kleid in natura doch nicht so edel aussieht, wie auf der Homepage des Anbieters? Hier galt noch bis vor kurzem: Rückgabe der Ware nur, wenn sie Mängel hat

– und schlichtes Nichtgefallen wird nicht als Mangel in diesem Sinne angesehen. Dies ist seit letztem Jahr deutlich vorteilhafter zugunsten des Käufers geregelt.

In der Branche der E-Commerce-Anbieter findet es bislang noch erstaunlich wenig Beachtung. Beachtenswert jedoch ist das Gesetz – denn es enthält eine Vielzahl von Informationspflichten, die der OnlineVerkäufer vor Vertragsabschluss, aber auch danach, zu beachten hat.

Ein kurzer Einblick in die Bestimmungen des Gesetzes, das sich sowohl auf Geschäfte mit Waren, wie mit Dienstleistungen bezieht, soll dies verdeutlichen: Bereits auf der Website ist der potenzielle Käufer der angebotenen Ware klar und verständlich zu informieren über:

Identität und Anschrift des WebshopBetreibers; wesentliche Merkmale der Ware, wie etwa Stoffart, Größe;

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