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Remarque, Erich Maria - Arc de Triomphe

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08.06.2015
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Auch von Durants Hospital nicht. Er rief noch das Lancaster an. Die Telefonistin sagte ihm, niemand habe von da seine Nummer angerufen.Es mußte also Joan gewesen sein. Wahrscheinlich hatte sie von der Scheherazade aus telefoniert.

Nach einer Stunde klingelte das Telefon wieder. Ravic legte das Buch beiseite.Er stand auf und ging zum Fenster. Er stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett und wartete. Der leichte Wind brachte den Geruch von Lilien herauf. Der Emigrant Wiesenho hatte die abgeblühten Nelken vor seinem Fenster damit ersetzt.In warmen Nächten roch das Haus jetzt wie eine Grabkapelle oder ein Klostergarten. Ravic wußte nicht, ob Wiesenho es aus Pietät für den alten Goldberg getan hatte, oder einfach, weil Lilien sich gut in Holzkästen ziehen lassen.Das Telefon schwieg. Diese Nacht werde ich vielleicht schlafen, dachte er und ging zum Bett zurück.

Joan kam, während er schlief. Sie knipste sofort das Dekkenlicht an und blieb in der Tür stehen. Er ö nete die Augen. »Bist du allein?« fragte sie.

»Nein. Mach das Licht aus und geh.«

Sie zögerte einen Moment. Dann ging sie und ö nete die Tür des Badezimmers. »Schwindel«, sagte sie und lächelte.

»Scher dich zum Teufel. Ich bin müde.« »Müde? Wovon?«

»Müde. Adieu.«

Sie kam näher. »Du bist jetzt erst nach Hause gekommen. Ich habe alle zehn Minuten angerufen.«

Sie spähte zu ihm hinüber. Er sagte nicht, daß sie lüge. Sie war umgezogen. Sie hat mit dem Kerl geschlafen, ihn nach Hause geschickt und ist jetzt gekommen,um mich zu überraschen und um Kate Hegström, die sie hier glaubte, zu zeigen,daß ich ein verfluchter Hurenbock bin,bei dem die Frauen nachts aus und ein gehen und dem man ausweichen muß, dachte er. Wider seinen Willen lächelte er. Perfekte Aktion zwang ihn leider stets zur Bewunderung

– selbst, wenn sie gegen ihn gerichtet war. »Was lachst du?« fragte Joan heftig.

»Ich lache. Das ist alles. Mach das Licht aus. Du siehst schauderhaft darin aus. Und geh.«

Sie beachtete es nicht. »Wer war die Hure, mit der du warst?«

Ravic richtete sich halb auf. »Scher dich ’raus, oder ich werfe dir etwas an den Kopf!«

»Ach so …«, sie betrachtete ihn. »So ist das! Soweit ist das schon.«

Ravic gri nach einer Zigarette. »Sei nicht lächerlich. Du lebst mit einem andern Mann und machst hier eifersüchtiges Theater. Geh zurück zu deinem Schauspieler und laß mich in Ruhe.«

»Das ist ganz was anderes«, sagte sie. »Natürlich!«

»Natürlich ist es etwas anderes!« Sie brach plötzlich aus. »Du weißt ganz genau, daß es etwas anderes ist. Es ist etwas, wofür ich nichts kann. Ich bin nicht glücklich darüber. Es ist gekommen, ich weiß nicht wie …«

»Es kommt immer, man weiß nicht wie …«

Sie starrte ihn an. »Du … du warst immer so sicher! Du warst so sicher, daß es einen verrückt machen konnte! Da war nichts, was dich aus deiner Sicherheit bringen konnte! Ich haßte deine Überlegenheit! Wie oft habe ich sie gehaßt! Ich brauche Enthusiasmus! Ich brauche jemand, der verrückt mit mir ist! Ich brauche jemand, der ohne mich nicht leben kann! Du kannst ohne mich leben! Du konntest es immer! Du brauchst mich nicht. Du bist kalt! Du bist leer! Du weißt nichts von Liebe! Du warst nie wirklich für mich da! Ich habe gelogen, damals, als ich sagte, es sei so gekommen, weil du zwei Monate fort warst! Es wäre auch gekommen,wenn du hier gewesen wärest.Lach nicht! Ich weiß die Unterschiede, ich weiß alles, ich weiß, daß der andere nicht klug ist und nicht ist wie du, aber er wirft sich weg für mich, nichts ist ihm wichtig außer mir, er denkt nichts als mich, er will nichts als mich, er weiß nichts als mich, und das ist es, was ich brauche!«

Sie stand heftig atmend vor dem Bett. Ravic gri nach einer Flasche Calvados. »Weshalb bist du denn hier?« fragte er.

Sie antwortete nicht gleich.»Du weißt es«,sagte sie dann leise. »Warum fragst du?«

Er goß ein Glas voll und hielt es ihr hinüber. »Ich will nicht trinken«, erklärte sie. »Was war das für eine Frau?« »Eine Patientin.« Ravic hatte keine Lust,zu lügen.»Eine

Frau, die sehr krank ist.«

»Das ist nicht wahr. Lüg besser. Eine kranke Frau ist im Hospital. Nicht in einem Nachtklub.«

Ravic stellte das Glas zurück. Wahrheit wirkte oft so unwahrscheinlich. »Es ist wahr«, sagte er.

»Liebst du sie?«

»Was geht es dich an?« »Liebst du sie?«

»Was geht es dich wirklich an, Joan?«

»Alles! Solange du niemand liebst …« Sie stockte. »Vorher hast du die Frau eine Hure genannt.Wie kann

da von Liebe die Rede sein?«

»Das habe ich nur so gesagt. Ich habe sofort gesehen, daß sie keine war.Deshalb habe ich es gesagt.Wegen einer Hure wäre ich nicht gekommen. Liebst du sie?«

»Mach das Licht aus und geh.«

Sie kam näher. »Ich wußte es. Ich sah es.«

»Geh zum Teufel«,sagte Ravic.»Ich bin müde.Geh zum Teufel mit deiner billigen Scharade, von der du glaubst, sie sei etwas Niedagewesenes – den einen für den Rausch, die rasche Liebe oder die Karriere – und den andern,dem man erklärt, man liebe ihn, tiefer und anders – als Hafen für die Zwischenzeit,wenn der Esel es hinnimmt.Geh zum Teufel; du hast mir zu viele Arten von Liebe.«

»Das ist nicht wahr. Nicht wie du es sagst. Es ist anders. Es ist nicht wahr. Ich will zu dir zurück. Ich werde zu dir zurückkommen.«

Ravic füllte sein Glas wieder.»Möglich,daß du es willst. Aber es ist nur eine Täuschung.Eine Täuschung,die du dir selbst vormachst, leider, um darüber hinwegzukommen. Du wirst nie zurückkommen.«

»Doch!«

»Nein. Und wennschon, so nur für kurze Zeit. Dann wird wieder ein anderer kommen, der nichts will als dich, nur dich, und so wird es weitergehen. Eine großartige Zukunft für mich.«

»Nein, nein! Ich werde bei dir bleiben.«

Ravic lachte. »Meine Süße«, sagte er fast zärtlich. »Du wirst nicht bei mir bleiben. Man kann den Wind nicht einsperren. Das Wasser auch nicht. Wenn man es tut, werden sie faul. Eingesperrter Wind wird abgestandene Luft. Du bist nicht gemacht für Dableiben.«

»Du auch nicht.«

»Ich?« Ravic trank sein Glas aus.Die mit dem rotgoldenen Haar vom Morgen, dachte er – dann Kate Hegström, mit dem Tod im Bauch und der Haut wie brüchige Seide

– und nun diese hier, rücksichtslos, voll Gier zum Leben, fremd noch sich selbst und doch vertrauter sich, als je ein Mann wissen würde, naiv und hingerissen, treu in einem sonderbaren Sinne und treulos wie ihre Mutter,die Natur, treibend und getrieben, halten wollend und verlassend.

»Ich?« wiederholte Ravic. »Was weißt du von mir? Was weißt du davon, wenn in ein Leben, in dem alles fragwürdig geworden ist, die Liebe fällt? Was ist dein billiger Rausch dagegen? Wenn aus Fallen und Fallen plötzlich Halt wird, wenn das endlose Warum zu einem endlichen Du wird,wenn wie eine Fata Morgana über der Wüste des Schweigens auf einmal das Gefühl sich hochwirft, sich formt, und über machtlosen Händen die Gaukelei des Blutes zu einer Landschaft wird, gegen die alle Träume blaß und bürgerlich sind? Eine Landschaft aus Silber, eine Stadt aus Filigran und Rosenquarz, glänzend wie der hellste Widerschein von glühendem Blut – was weißt du davon? Glaubst du, daß man darüber gleich reden kann? Daß eine eilfertige Zunge es sofort pressen kann in das Klischee der Worte und eben der Gefühle? Was weißt du davon, wenn sich Gräben ö nen und man steht in Furcht vor den vielen farblosen Nächten des Gestern – doch sie ö nen sich, und keine Gerippe bleiben mehr darin, nur Erde ist noch darin. Erde, fruchtbarer Keim und das erste Grün bereits.Was weißt du davon? Du liebst den Rausch, die Überwältigung, das fremde Du, das in dir untergehen will und nie untergehen wird, du liebst den stürmischen Betrug des Blutes,aber dein Herz wird leer bleiben – denn man behält nichts,als was selber in einem wächst.Und im Sturm wächst nichf viel.Die leeren Nächte der Einsamkeit sind es, in denen es wächst – wenn man nicht verzweifelt. Was weißt du davon?«

Er hatte langsam gesprochen, ohne Joan anzusehen, als hätte er sie vergessen. Nun sah er sie an. »Was rede ich da?« sagte er. »Alte, törichte Dinge. Zuviel getrunken heute. Komm, trink auch etwas und geh.«

Sie setzte sich zu ihm auf das Bett und nahm das Glas. »Ich habe es verstanden«, sagte sie. Ihr Gesicht hatte sich verändert. Wie ein Spiegel, dachte er. Immer wieder spiegelt es zurück, was man dagegen sprach. Es war jetzt gesammelt und schön. »Ich habe es verstanden«, sagte sie. »Und manchmal auch gefühlt. Aber, Ravic, über deiner Liebe zur Liebe und zum Leben hast du mich oft vergessen. Ich war ein Anlaß – und dann gingst du in deine silbernen Städte und wußtest nur noch wenig von mir.«

Er sah sie lange an. »Vielleicht«, sagte er.

»Du warst so sehr mit dir beschäftigt, du entdecktest so viel in dir, daß ich irgendwie am Rande deines Lebens stehenblieb.«

»Vielleicht. Aber du bist nichts, um etwas darauf zu bauen, Joan. Das weißt du auch.«

»Wolltest du das?«

»Nein«, sagte Ravic nach einigem Nachdenken. Dann lächelte er. »Wenn man ein Refugié ist von allem, was fest war,gerät man manchmal in sonderbare Situationen.Und man tut sonderbare Dinge. Natürlich wollte ich das nicht. Aber wer nur ein einziges Lamm hat, will manchmal so viele Dinge damit tun.«

Die Nacht war plötzlich voll Frieden. Sie war wieder

wie eine der Nächte, eine Ewigkeit her, wenn Joan neben ihm gelegen hatte. Die Stadt war weit, fern, nur noch ein sanftes Summen am Horizont, die Kette der Stunden war losgehakt, und die Zeit war so lautlos, als stände sie still. Das Einfachste und Unfaßbarste der Welt war wieder da: zwei Menschen, die miteinander sprachen, jeder für sich – und Laute,Worte genannt, formten trotzdem gleiche Bilder und Gefühle in der zuckenden Masse hinter den Knochen der Schädel – und aus sinnlosen Stimmbandvibrationen und den unerklärlichen Reaktionen darauf und den schmieriggrauen Windungen wuchsen plötzlich wieder Himmel, in denen sich Wolken, Bäche, Vergangenheit, Blühen, Welken und gefaßtes Wissen spiegelten.

»Du liebst mich, Ravic …«, sagte Joan, und es war nur halb eine Frage.

»Ja. Aber ich tue alles, um von dir loszukommen.«

Er sagte es ruhig, wie etwas, was beide wenig anging. Sie beachtete es nicht. »Ich kann mir nicht denken, daß wir jemals nicht mehr zusammen sind. Für eine Zeit, ja. Aber nicht für immer.Nie für immer«,wiederholte sie,und ein Schauer lief über ihre Haut. »Nie ist ein entsetzliches Wort, Ravic. Ich kann es mir nicht denken, daß wir nie mehr zusammen sind.«

Ravic antwortete nicht. »Laß mich hierbleiben«, sagte sie. »Ich will nie wieder zurückgehen. Nie.«

»Du würdest morgen zurückgehen. Du weißt das.«

»Ich kann mir nicht denken, wenn ich hier bin, daß ich nicht hierbleibe.«

»Das ist dasselbe. Du weißt das auch.«

Der Hohlraum inmitten der Zeit.Die kleine,erleuchtete Kabine des Zimmers wieder, dieselbe wie früher – und da war auch der Mensch wieder, den man liebte, und er war es auf eine sonderbare Weise schon nicht mehr, man konnte ihn greifen, wenn man nur die Arme ausstreckte, und man konnte ihn doch wieder nicht erreichen.

Ravic setzte das Glas nieder. »Du weißt, du würdest wieder gehen – morgen, übermorgen, irgendwann …«, sagte er.

Joan senkte den Kopf. »Ja.«

»Und wenn du wiederkämest – du weißt, du würdest immer wieder gehen?«

»Ja.«

Sie hob ihr Gesicht. Es war überströmt von Tränen. »Was ist das nur, Ravic. Was ist es?«

»Ich weiß es auch nicht.« Er lächelte flüchtig. »Liebe ist nicht sehr fröhlich manchmal, wie?«

»Nein.« Sie sah ihn an. »Was ist das nur mit uns, Ravic?«

Er hob die Schultern. »Ich weiß es auch nicht, Joan. Vielleicht weil wir nichts anderes mehr haben, um uns festzuhalten. Früher hatte man vieles – Sicherheit, Hintergrund, Glauben, Ziele –, alles freundliche Geländer, an denen man sich halten konnte, wenn die Liebe einen

schüttelte. Heute hat man nichts – höchstens ein bißchen Verzweiflung, ein bißchen Mut und sonst Fremde innen und außen. Wenn die Liebe dahinfliegt – das ist wie eine Fackel in trockenes Stroh.Man hat nichts als sie,das macht sie anders – wilder, wichtiger und zerstörender.« Er goß sein Glas voll.»Man soll nicht zuviel darüber nachdenken. Wir sind nicht in einer Situation, um viel nachzudenken. Es macht nur kaputt. Und wir wollen doch nicht kaputtgehen, wie?«

Joan schüttelte den Kopf. »Nein. Was war das für eine Frau, Ravic?«

»Eine Patientin. Ich war schon einmal mit ihr da. Damals, als du noch sangst. Hundert Jahre her. Tust du jetzt irgend etwas?«

»Kleine Rollen. Ich glaube, ich bin nicht gut. Aber ich verdiene genug, um unabhängig zu sein. Ich will jeden Augenblick weggehen können. Ich habe keine Ambitionen.«

Ihre Augen waren trocken. Sie trank das Glas Calvados aus und stand auf. Sie wirkte müde. »Warum ist das alles so in einem, Ravic? Warum? Es muß doch einen Grund haben. Wir würden doch sonst nicht fragen?«

Er lächelte trübe.

»Das ist die älteste Frage der Menschheit, Joan.Warum

– die Frage, an der alle Logik, alle Philosophie, alle Wissenschaft bis jetzt zerbrochen sind.«

Sie ging. Sie ging. Sie war an der Tür. Etwas schnellte in

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