Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:

Remarque, Erich Maria - Arc de Triomphe

.pdf
Скачиваний:
295
Добавлен:
08.06.2015
Размер:
2.15 Mб
Скачать

»Und ihn mißtrauisch machen.« Morosow goß die Gläser wieder voll. »Hör zu, Ravic. Ich weiß, du sitzt jetzt da und glaubst,alles falsch gemacht zu haben.Werde das los! Hau was kaputt, wenn du das willst. Irgend etwas Großes und nicht zu Teures. Den Palmengarten im »International« meinetwegen.«

»Zwecklos.«

»Dann rede.Rede darüber,bis du schlapp wirst.Rede es aus dir heraus. Rede dich ruhig. Du bist kein Russe, sonst würdest du das verstehn.«

Ravic richtete sich auf. »Boris«, sagte er. »Ich weiß, Ratten muß man vernichten und sich nicht auf eine Beißerei mit ihnen einlassen. Aber ich kann nicht darüber reden. Ich werde dafür nachdenken. Nachdenken, wie ich es machen kann. Ich werde es präparieren wie eine Operation. Soweit man etwas präparieren kann. Ich werde mich gewöhnen. Ich habe vierzehn Tage Zeit. Das ist gut. Das ist verdammt gut. Ich kann mich darin gewöhnen, ruhig zu sein. Du hast recht. Man kann etwas zerreden, um ruhig und überlegt zu werden. Man kann aber auch etwas zerdenken und dasselbe erreichen. Den Haß. Kalt zerdenken in Zweck. Ich werde so oft töten in meinen Gedanken, daß es schon wie eine Gewohnheit sein wird, wenn er wiederkommt. Das tausendste Mal ist man überlegter und ruhiger als das erstemal.Und jetzt laß uns reden.Aber von was anderem.Von den weißen Rosen drüben meinetwegen! Sieh dir sie an! Sie sind wie Schnee

in dieser schwülen Nacht. Wie Gischt auf der unruhigen Brandung der Nacht. Bist du nun zufrieden?«

»Nein«, sagte Morosow.

»Gut. Sieh dir diesen Sommer an. Den Sommer 1939. Er riecht nach Schwefel. Die Rosen sehen bereits aus wie Schnee auf einem Massengrab im nächsten Winter. Eine fröhliche Gesellschaft sind wir dafür, wie? Es lebe das Jahrhundert der Nichteinmischung!

Der moralischen Gefühlsversteinerung! Es wird viel getötet in dieser Nacht, Boris. In jeder Nacht. Viel getötet. Städte brennen, Juden heulen irgendwo, Tschechen verrecken in Wäldern, Chinesen brennen unter japanischem Gasolin, durch Konzentrationslager kriecht der Peitschentod – sollten wir da sentimentale Weiber sein, wenn ein Mörder eliminiert wird?Wir werden ihn kriegen und ihn auslöschen, fertig – wie wir es oft genug haben tun müssen mit unschuldigen Leuten, die sich nur durch eine Uniform von uns unterschieden …«

»Gut«, sagte Morosow. »Oder wenigstens besser. Hast du je gelernt, was man mit einem Messer machen kann? Ein Messer knallt nicht.«

»Laß mich damit heute in Ruhe. Ich muß schlafen, irgendwann.Weiß der Teufel, ob ich’s kann, trotzdem ich so ruhig tue. Verstehst du das?«

»Ja.«

»In dieser Nacht werde ich töten und töten. In vierzehn Tagen muß ich ein Automat sein. Es kommt darauf an,

die Zeit herumzukriegen. Die Zeit, bis ich zum erstenmal schlafen kann. Saufen nützt nichts. Eine Spritze auch nicht. Ich muß vor Erschöpfung einschlafen. Dann ist es am nächsten Tag richtig. Verstehst du?«

Morosow saß eine Zeitlang still da. »Hol dir eine Frau«, sagte er dann.

»Was soll das nützen?«

»Irgend etwas. Mit einer Frau schlafen ist immer gut. Ruf Joan an. Sie wird kommen.«

Joan. Richtig. Die war vorhin dagewesen. Hatte irgend etwas geredet. Er hatte es schon vergessen. »Ich bin kein Russe«, sagte Ravic. »Sonst noch Vorschläge? Einfache. Nur die einfachsten.«

»Guter Gott! Sei nicht kompliziert! Das einfachste, von einer Frau loszukommen, ist gelegentlich wieder mit ihr zu schlafen. Keine Phantasie ansetzen zu lassen. Wer will einen Naturakt dramatisieren?«

»Ja«, sagte Ravic. »Wer will?«

»Dann laß mich telefonieren gehen. Ich telefoniere dir etwas heran. Ich bin nicht umsonst Portier.«

»Bleib hier. Ist schon alles richtig. Laß uns trinken und die Rosen ansehen. Tote Gesichter können so weiß aussehen im Mond, nach Maschinengewehrfeuer. Sah das einmal in Spanien.

Der Himmel war eine Erfindung der Faschisten, sagte der Metallarbeiter Pablo Nonas damals. Hatte nur noch ein Bein. War etwas bitter gegen mich, weil ich ihm das

andere nicht in Spiritus konservieren konnte. Kam sich vor, als wäre er schon ein Viertel begraben. Wußte nicht, daß die Hunde es gestohlen und gefressen hatten …«

25 Veber kam in den Verbandsraum.Er winkte Ravic. Sie gingen hinaus.»Durant ist am Telefon.Er möchte,daß Sie sofort ’rüberkommen. Redet was von Spezialfall und besonderen Umständen.«

Ravic sah ihn an. »Das heißt, er hat eine Operation verpfuscht und will sie jetzt mir anhängen, wie?«

»Das glaube ich nicht. Er ist aufgeregt. Weiß scheinbar nicht, was er machen soll.«

Ravic schüttelte den Kopf.Veber schwieg. »Woher weiß er überhaupt, daß ich zurück bin?« fragte Ravic.

Veber zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Durch irgendeine Schwester wahrscheinlich.«

»Warum ruft er Binot nicht an? Binot ist sehr tüchtig.«

»Das habe ich ihm schon gesagt. Er hat mir erklärt, dies sei eine besonders komplizierte Sache. Gerade Ihr Spezialgebiet.«

»Unsinn. Es gibt für jedes Spezialgebiet sehr tüchtige Ärzte in Paris. Warum ruft er Martel nicht an? Das ist einer der besten Chirurgen der Welt.«

»Können Sie sich das nicht denken?«

»Natürlich. Er will sich vor seinen Kollegen nicht blamieren. Bei einem schwarzen Refugié-Arzt ist das anders. Der muß die Schnauze halten.«

Veber sah ihn an.

»Es ist dringend. Wollen Sie gehen?«

Ravic riß die Bänder seines Kittels los.»Natürlich«,sagte er wütend. »Was soll ich anders machen? Aber nur, wenn Sie mitkommen.«

»Gut. Wir können meinen Wagen nehmen.«

Sie gingen die Treppe hinunter. Der Wagen Vebers glänzte vor der Klinik in der Sonne. Sie stiegen ein. »Ich arbeite nur, wenn Sie dabeibleiben«, sagte Ravic. »Weiß Gott, ob der Bruder einen sonst nicht ’reinlegt.«

»Ich glaube nicht, daß er daran im Augenblick denkt.« Der Wagen fuhr an. »Ich habe andere Sachen gesehen«, sagte Ravic. »Ich habe in Berlin einen jungen Assistenten gekannt, der alles hatte, um ein guter Chirurg zu werden. Sein Professor operierte halb beso en,verschnitt sich,sagte nichts, ließ den Assistenten weiterarbeiten; der merkte nichts – eine halbe Stunde später machte der Professor Radau, hängte dem Jungen den falschen Schnitt an. Der Patient starb in der Operation.Der Junge einen Tag später.

Selbstmord. Der Professor operierte und so weiter.« Sie stoppten an der Avenue Marceau; eine Kolonne

Lastwagen rasselte die Rue Galilee entlang. Die Sonne schien heiß durch die Fenster. Veber drückte auf einen Knopf am Armaturenbrett. Das Verdeck des Wagens glitt langsam zurück. Er blickte Ravic stolz an. »Habe mir das kürzlich einbauen lassen. Elektrisch. Großartig! Was die Leute alles erfinden, wie?«

Der Wind kam durch das o ene Dach. Ravic nickte. »Ja, großartig. Das Neueste sind magnetische Minen und

Torpedos. Las das gestern irgendwo. Wenn sie ihr Ziel missen, machen sie in einem Bogen kehrt, bis sie es doch tre en. Fabelhaft konstruktive Rasse sind wir.«

Veber wandte ihm sein rotes Gesicht zu.Er strahlte von Gutmütigkeit.»Sie mit Ihrem Krieg,Ravic!Wir sind weiter davon entfernt als vom Mond. Alles Gerede darüber ist nur ein politisches Druckmittel, weiter nichts, glauben Sie mir!«

Die Haut war blaues Perlmutter. Das Gesicht war Asche. Darum flammte, im weißen Licht der Operationslampen, eine Fülle goldenen Haares. Es flammte um das aschenfarbene Gesicht mit einer Intensität, die fast unanständig wirkte.Es war das einzige,das lebte,funkelnd lebte,schrie, als wäre das Leben bereits aus dem Körper entwichen und hinge nur noch in den Haaren.

Die junge Frau, die da lag, war sehr schön. Schmal, lang, mit einem Gesicht, dem selbst die Schatten tiefster Ohnmacht nichts anhaben konnten – eine Frau, gemacht für Luxus und Liebe.

Die Frau blutete nur wenig. Zu wenig. »Sie haben die Gebärmutter geö net?« sagte Ravic zu Durant.

»Ja.« – »Und?«

Durant antwortete nicht. Ravic sah auf. Durant starrte ihn an.

»Gut«, sagte Ravic. »Wir brauchen die Schwestern im Augenblick nicht. Wir sind drei Ärzte, das genügt.«

Durant machte eine Bewegung und nickte. Die Schwestern und der Assistent zogen sich zurück.

»Und?« fragte Ravic noch einmal, als sie fort waren. »Das sehen Sie doch selbst.«

»Nein.«

Ravic sah es, aber wollte, daß Durant es vor Veber aussprach. Es war sicherer.

»Eine Schwangerschaft im dritten Monat. Blutungen. Notwendigkeit zu curettieren. Curettage. Scheinbare Verletzung der Innenwand.«

»Und?« fragte Ravic weiter.

Er sah in das Gesicht Durants.Es war voll ohnmächtiger Wut. Der wird mich für immer hassen, dachte er. Schon, weil Veber es mit anhört.

»Perforation«, sagte Durant. »Mit dem Lö el?«

»Natürlich«, sagte Durant nach einer Weile. »Womit sonst?«

Die Blutung hatte völlig aufgehört. Ravic untersuchte schweigend weiter. Dann richtete er sich auf. »Sie haben perforiert. Es nicht gemerkt. Eine Darmschlinge dabei durch die Ö nung hereingezogen. Nicht erkannt, was geschehen war.Sie wahrscheinlich für eine Fötus-Membrane gehalten. Sie angekratzt. Verletzt. Ist das richtig?«

Die Stirn Durants war plötzlich voller Schweiß. Der Bart unter der Gesichtsmaske arbeitete, als kaue er einen zu großen Bissen.

»Könnte sein.«

»Wie lange arbeiten Sie schon?«

»Insgesamt, bis Sie kamen, dreiviertel Stunden.« »Blutung nach innen. Verletzter Dünndarm. Äußerste

Sepsisgefahr. Darm muß genäht, Gebärmutter entfernt werden. Sofort.« – »Was?« fragte Durant.

»Sie wissen das selbst«, sagte Ravic.

Durants Augen flatterten. »Ja, ich weiß es. Dafür habe ich Sie nicht kommen lassen.«

»Es ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Rufen Sie Ihre Leute wieder herein und arbeiten Sie weiter.Ich rate Ihnen

– schnell.«

Durant kaute. »Ich bin zu aufgeregt. Wollen Sie die Operation für mich machen?«

»Nein. Ich bin, wie Sie wissen, illegal in Frankreich und habe kein Recht, zu operieren.«

»Sie …«, begann Durant und verstummte. Heilgehilfen, halb ausgelernte Studenten, Masseure,

Assistenten, das gibt sich für Ärzte aus Deutschland aus

– Ravic hatte nicht vergessen, was Durant zu Leval gesagt hatte.»Monsieur Leval erklärte mir einiges darüber«,sagte er. »Vor meiner Ausweisung.«

Er sah, daß Veber den Kopf hob. Durant erwiderte nichts. »Doktor Veber kann die Operation für Sie machen«, sagte Ravic.

»Sie haben doch oft genug für mich operiert.Wenn der Preis …«

»Der Preis spielt keine Rolle. Ich operiere nicht mehr, seit ich zurück bin.Besonders nicht an Patienten,die keine Erlaubnis für diese Art von Operation gegeben haben.« Durant starrte ihn an. »Man kann die Patientin doch

jetzt nicht aus der Narkose holen, um sie zu fragen.« »Doch, man kann. Aber Sie riskieren die Sepsis.« Durants Gesicht war naß. Veber sah Ravic an. Ravic

nickte. »Sind Ihre Schwestern zuverlässig?« fragte Veber Durant.

»Ja …«

»Den Assistenten brauchen wir nicht«, sagte Veber zu Ravic. »Wir sind drei Ärzte und zwei Schwestern.«

»Ravic …«, Durant verstummte.

»Sie hätten Binot rufen sollen«, erklärte Ravic. »Oder Mallon, oder Martel. Erstklassige Chirurgen.«

Durant antwortete nicht.

»Wollen Sie hier vor Veber erklären, daß Sie eine Perforation des Uterus gemacht und eine Darmschlinge, die Sie für eine Fötus-Membrane hielten, verletzt haben?« Es dauerte eine Zeitlang. »Ja«, sagte Durant dann heiser. »Wollen Sie weiter erklären, daß Sie Veber bitten, mit mir als zufällig anwesendem Assistenten eine Hysterektomie, eine Darmresektion und eine Anastomose zu

machen?«

»Ja.«

»Wollen Sie die volle Verantwortung für die Operation und ihren Ausgang und die Tatsache übernehmen, daß

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]