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Gemeindeberichte der Schwarzmeerdeutschen 1848.doc
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Gemeindeberichte der Schwarzmeer Deutschen 1848 (M. Woltner)

Published by the Odessa Digital Library - 16 May 2005

http://www.odessa3.org

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notice is included. However, it may not be republished

in any form without permission of the copyright owner.

Copyright 1941, S. Hirzel Verlag

NOTE: This transcription of "Gemeindeberichte der

Schwarzmeer Deutschen 1848" by Margarete Woltner was

prepared by Roger W. Ehrich on 8 Jan 2005 and is

republished with the permission of S. Hirzel Verlag.

SAMMLUNG GEORG LEIBBRANDT

BAND 4

QUELLEN UND ERFORSCHUNG

DES DEUTSCHTUMS IN OSTEUROPA

IM AUFTRAGE HERAUSGEGEBEN

VON

E. MEYNEN

1941

VERLAG VON S. HIRZEL IN LEIPZIG

DIE GEMEINDEBERICHTE VON 1848

DER DEUTSCHEN SIEDLUNGEN

BEARBEITET VON

M. WOLTNER

Mit 1 Karte

1941

Verlag von s. Hirzel in leipzig

Zuschriften, die die Schriftenreihe betreffen, sind zu richten: Dozent Dr. E.

Meynen, Berlin C 2, Burgstrasse 28

Alle Rechte, insbesondere das der Ьbersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten -

Copyright S. Hirzel in Leipzig 1941 - Printed in Germany - Druck von A. Heine

GmbH., Grдfenhainichen

Inhalt

Vorwort VII

I. Das Chortitzaer Mennonitengebiet 1

II. Das Neusatzer Kolonistengebiet 29

III. Das Zьrichtaler Kolonistengebiet 41

IV. Das Molotschnaer Kolonistengebiet 56

V. Das Molotschnaer Mennonitengebiet 88

VI. Das Schwedengebiet 163

VII. Das Mariupoler Kolonisten- und Mennonitengebiet 166

VIII. Alt-Danzig 194

IX. Josefstal 196

X. Rybalsk 199

XI. Die Kolonie Neudanzig 200

Verzeichnis der bis zum Jahre 1848 gegrьndeten deutschen Kolonien 203

Personenverzeichnis 205

Sachverzeichnis 214

Ortsverzeichnis 221

Page VII

Vorwort

Seit den Verцffentlichungen von Georg Leibbrandt(1) und J.A. Malinowsky(2) ist

die Entstehungsgeschichte der sog. "48er Berichte" bekannt, doch bedarf sie in

Einzelheiten noch einiger Klдrung.

Den дuЯeren AnlaЯ zur Abfassung dieser Berichte bot das Rundschreiben des

Staatsrats Eugen von Hahn(3) vom 8. Januar 1848(4) an sдmtliche Schulzenдmter

und Schullehrer der ihm als dem Vorsitzenden des Fьrsorgekomitees in Odessa

unterstehenden deutschen Kolonien(5). Es enthielt die Aufforderung, innerhalb

von vier Monaten "KurzgefaЯte geschichtliche Ьbersichten der Grьndung und des

Bestehens" der einzelnen Kolonien zusammenzustellen.

Diese Aufgabe ьbertrug E. von Hahn "den Schulzenдmtern in Gemeinschaft mit den

Schullehrern, welche ihre Mitwirkung an diesem so gemeinnьtzigen Unternehmen

sicherlich nicht versagen werden". DaЯ E. von Hahn berechtigt war, die

Schulzenдmter zur Abfassung solcher Berichte heranzuziehen, unterliegt keinem

Zweifel. Seit Schaffung dieser Selbstverwaltungsorgane in den Kolonien

unterstanden sie dem Vorsitzenden der Kolonialbehцrde und bedurften seiner

Bestдtigung(6). Es entsprach auch den Gepflogenheiten des Fьrsorgekomitees, mit

den Gebiets- bzw. Schulzenдmtern unmittelbare Beziehungen zu unterhalten. E. von

Hahn wandte sich aber in diesem Rundschreiben auch an die Schullehrer, obgleich

diese der Kolonialbehцrde gegenьber eine andere Stellung einnahmen, und es

fraglich erscheint, ob sie im Schwarzmeergebiet ьberhaupt zum Kompetenzbereich

des Fьrsorgekomitees gehцrten.

________________

(1) Georg Leibbrandt; Die deutschen Kolonien in Cherson und Bessarabien.

Berichte der Gemeindeдmter ьber Entstehung und Entwicklung der lutherischen

Kolonien in der ersten Hдlfte des 19. Jh. Stuttgart 1926.

(2) J.A. Malinowsky; Die deutschen katholischen Kolonien am Schwarzen Meere.

Berichte der Gemeindeдmter ьber Entstehung und Entwicklung dieser Kolonien

in der ersten Hдlfte des 19. Jh. Stuttgart 1927.

(3) Eugen von Hahn (1807-1874), deutscher Herkunft aber griechisch-orthodoxen

Bekenntnisses, wurde, nachdem er sich in dem Ministerien des Auswдrtigen,

der Apanagen und Domдnen ausgezeichnet hatte, 1841 zum "дltesten" Mitglied

und 1845 zum Vorsitzenden des Fьrsorgekomitees ernannt. Vgl. ьber ihn

Russkij Biograficeskij Slovar' (Russisches Biographisches Lexikon). Moskau

1814, f.v.

(4) Vgl. den Wortlaut bei G. Leibbrandt a.a.O. S. 7-9 und bei J.A. Malinowsky

a.a.O. S. 85-86. Ein gedrucktes Original dieser Ziruklaraufforderung

befindet sich in der Handschriftenabteilung der PreuЯischen Staatsbibliothek

unter Mon. Germ. 20, 1242.

(5) Die Zirkularaufforderung wurde wohl von den Gebietsдmtern an die einzelnen

Dorfдmter weitergeleitet, was durch das im Begleitschreiben des Zьrichtaler

Gebietsamts genannte Datum (19. Januar) erwiesen wird (vgl. unten S. 44).

(6) Vgl. Polnoe Sobranie Zakonov Rossijskoj Imperii (Vollstдndige

Gesetzessammlung des Russischen Reiches) = PSZ, I. Serie, Bd. 26, Nr. 19873

und unten S. 2, Anm. 1.

Page VIII

Wir wissen nдmlich, daЯ im Wolgagebiet die deutschen Schulen anlдЯlich der

Einfьhrung des Schulzwanges durch das Gesetz vom 5. Mдrz 1840 Kirchenschulen

geworden waren, wodurch den Geistlichen die Oberaufsicht ьber das Schulwesen

ьbertragen und die Lehrerschaft der Geistlichkeit unterstellt wurde(1). Soweit

sich dieses Gesetz mit der Durchfьhrung des Schulzwanges befaЯte, wurde es

durch die am 7. Dezember 1841 vom Fьrsorgekomitee erlassenen Schulregeln auf das

Schwarzmeergebiet ausgedehnt(2). Es fдllt jedoch auf, daЯ die Bezeichnung

"Kirchenschule" in dieser Fassung vermieden wird, und daЯ darin alle

Paragraphen, welche die Pflichten der Geistlichkeit dem Schulwesen gegenьber im

Sinne des Kirchengesetzes von 1832 behandeln(3), fortgelassen sind. Da die

deutschen Lehrer zumeist auch Kьsterdienste versahen, war die evangelische wie

katholische Geistlichkeit an einer ьberall geltenden gesetzlichen Anerkennung

des Kirchenschulwesens stark interessiert, und es will scheinen, daЯ die

stillschweigend die fьr das Volgagebiet getroffene Regelung auf sдmtliche

Deutsche Siedlungen in RuЯland auszudehnen versuchte, wozu ihr das Kirchengesetz

von 1832 eine gewisse Handhabe bot(4). Die daraus ergebende unklare bzw.

ungeklдrte rechtliche Stellung der deutschen Schule, insonderheit des

Schullehrers in den Schwarzmeerkolonien, mag denn auch der Grund gewesen sein,

warum E. von Hahn, dem eine Mitarbeit der Lehrer an den "KurzgefaЯten

Ьbersichten" besonders erwьnscht erschien, sich auch an die evangelischen

Geistlichen wandte, die mindestens den Anspruch erhoben, Vorgesetzte der

deutschen Dorfschullehrer zu sein. Er Teilte sein Vorhaben zunдchst den

einzelnen evangelischen Pastoren mit(5). AuЯerdem ersuchte er am 20. Januar

1848 Karl Fletnitzer(6), den Propst des Ersten Sьdrussischen Propstbezirks(7)

und geistlichen Beisitzer im Fьrsorgekomitee, auch seinerseits diesbezьgliche

Anweisungen ergehen zu lassen(8).

________________

(1) Vgl. M. Woltner: Das wolgadeutsche Bildungswesen und die russische

Schulpolitik. Leipzig 1937. S. 158-160. (=Verцffentlichungen des Slavischen

Instituts an der Friedrich-Wilhelms-Universitдt Berlin, Bd. 17).

(2) Vgl. die Schulregeln von 1841 bei C. Keller: Die deutschen Kolonien in

SьdruЯland. Bd. 1, Odessa 1905, S. 105-107.

(3) Vgl. den Wortlaut des Kirchengesetzes in II. PSZ, Bd. 7, Nr. 5870.

(4) Das Kirchengesetz von 1832 machte es der evangelischen Geistlichkeit zur

Pflicht, die Dorfschulen (sie werden hier ausdrьcklich Dorfschulen, nicht

Kirchenschulen genannt) eifrig zu besuchen und ьber die religiцse Ausbildung

und Erziehung der Jugend zu machen. Sie werden hierin von den

Kirchenдltesten unterstьtzt, die gleichfalls die Dorfschullehrer zu

beaufsichtigen haben. Vgl. II. PSZ, Bd. 7, Nr. 5780.

(5) Vgl. S. IX, Anm.

(6) Ьber Fletnitzer vgl. unten S. 33, Anm. 1.

(7) Seit 1843 (vgl. II, PSZ, Bd. 9, 1, Nr. 7311 und unten S. 67 Anm. 2) gehцrten

zum ersten Sьdrussischen Propstbezirk die Kirchspiele: Freudental,

GroЯliebental, Glьckstal, Rohrbach, Arzis, Tarutino, Sarata, und Odessa, zum

zweiten: Grunau, Josefstal, Prischip, Hochstдdt, Neusatz, Zьrichtal, Charson

(Stadt).

(8) Das Schreiben ist "An den Herrn Probst des I. Probstbezirks der

evangelisch-lutherischen Kirchen im sьdlichen RuЯland H. Fletnitzer"

gerichtet und hat folgenden Wortlaut:

Aus dem an beifolgenden an sдmtliche Schulzenдmter von mir erlassenen

Zirkulare, wegen Verfassung einer kurzen geschichtlichen Ьbersicht der

Kolonien, werden Ew. Hochehrwьrden zu ersehen belieben, welches Ziel ich

vor Augen habe, wenn ich die Mitwirkung der цrtlichen Schulmeister fьr

dieses Werk in Anspruch nehme.

Als geblidetere Menschen werden die Schullehrer die verlangten Notizen

hoffentlich in jene Formen einzukleiden wissen, welche denselben zur

Mitwirkung des Erfolges und zur Ehre der Kolonien gegeben werden soll.

Ich habe den Herren Lutherischen Geistlichen bereits Mitteilung gemacht, daЯ

sie es den Koloniallehrern aufgeben ihre Mitarbeitung diesem zweckmaЯigen

Unternehmen zu widmen und es bleibe mir noch ьbrig, mich an Ew.

Hochehrwьrden mit dem ergebensten Ersuchen zu wenden, daЯ Sie auch Ihrer

Seits Ihre geneigte diessдchliche Anordnung nicht versagen mцchten.

Vorsitzender Wirklicher Staatsrath E. v. Hahn. (Das Original befindet sich

in der Handschriftabteilung der PreuЯischen Staatsbibliothek unter Mon.

Germ. 20, 1242.)

Page IX

Auf dieses Schreiben hat Propst Fletnitzer VerhдltnismдЯig spдt, erst am 10.

Mдrz 1848, reagiert. Im Gegensatz zur Zirkularaufforderung E. von Hahns spricht

er im Briefentwurf an seine Geistlichen(1) ausschlieЯlich von

Kirchenschullehrern, die der Geistlichkeit unterstehen und von ihr Anweisungen

entgegen zu nehmen haben. Es ist dies ein guter Beweis dafьr, daЯ die zuerst

fьr das Wolgagebiet hinsichtlich der Kirchenschulen getroffene Regelung bereits

1848 von der Geistlichkeit des Schwarzmeergebiets ьbernommen worden war(2),

wдhrend noch das Fьrsorgekomitee in dieser Frage eine unentschlossene Haltung

einnahm.

Ob sich E. von Hahn damals mit einem дhnlichen Schreiben wie an Fletnitzer auch

an E. Kyber(3), den Leiter des Zweiten Sьdrussischen Propstbezirks, wandte,

bleibt vorlдufig noch ungewiЯ. Es fehlen jedenfalls sдmtliche Anhaltspunkte

dafьr, daЯ die "Ьbersichten" dieses Gebiets von der Geistlichkeit durch gesehen

wurden, wie das auf Anweisung von Fletnitzer im Ersten Propstbezirk geschah(4).

Wohl auf Grund des allgemeinen, vom Fьrsorgekomitee an die lutherischen

Geistlichen direkt gerichteten Schreibens lieferte E. Kyber einen mit dem 7.

Februar 1848 datierten Bericht ьber die Kolonie Zьrichtal, der in der Mдrznummer

des "Unterhaltungsblattes"(5) seine Verцffentlichen fand(6).

________________

(1) Vgl. ebenda Mon. Germ. 20, 1242:

An den Herrn Pastor N.

Nachdem es dem Fьrsorge Comitй der auslдndischen Ansiedler im sьdlichen

RuЯland bereits im Monat Januar a.c. beliebet hat, sich direkt an Ew.

Hochwohlehrwьrden - Behufs einer von den Kirchenschullehrern Ihres

Kirchspiels abzufassenden kurzen, geschichtlichen Ьbersicht ьber die

Entstehung uff. einer jeden Colonie und desfallsigen von dem Fьrsorge Comitй

bereits an die Schulzenдmter und Kirchenschullehrer erlassenen

Cirkular-Aufforderung zu wenden: finde mich veranlaЯt, Ew. Hochwohlehrwьrden

zu ersuchen, auf erwдhnte in Folge Aufforderung von Ihren

Kirchenschullehrern verfaЯten Aufsдtze gefдlligst ein wachsames Auge haben,

dieselben zuvor scharf censieren als auch wohlgeneigt emendiren und zugleich

anordnen zu wollen, daЯ ein jeder Ihrer Kirchenschullehrer eine getreue

Copie von seinem ьber die Colonie, in welcher er angestellt ist, gefertigten

und von Ew. Hochwohlehrwьrden genehmigten Aufsatze Ihnen zur Einsendung fьr

das Probstarchiv einreiche, und werden Sie sodann von einer jeden Colonie

Ihres Kirchspiels, dieselben zusammen bei einem Berichte anher gelangen

lassen. Odessa den 10. Mдrz 1848. W. Fletnitzer.

Die auf dieses Schreiben hin dem Propstarchiv eingereichten Fassungen der

48er Berichte wurden von G. Leibbrandt a.a.O. herausgegeben.

(2) Vgl. hierzu auch N.A. Korf im Zurnal Ministerstva Narodnogo Prosvescenija

(Journal des Ministeriums fьr Volksaufklдrung) Bd. 135, Petersburg 1867, S.

168.

(3) Vgl. unten S. 41, Anm. 3.

(4) Vgl. Leibbrandt a.a.O., 9-12.

(5) Vgl. unten S. XI.

(6) Dieser Bericht lag damals in den Mitteilungen und Nachrichten fьr die

evangelische Geistlichkeit RuЯlands Bd. 3, Dorpat 1841, S. 291-294, ohne

Zensurstreichungen (vgl. unten S. XVI) verцffentlicht vor.

Page X

Fьr welche Zwecke E. von Hahn die "KurzgefaЯten Ьbersichten" benцtigte, ist

schwer zu entscheiden. Statistische Erhebungen und Rechenschaftsberichte

spielten stets eine groЯe Rolle in der Verwaltung der deutschen Kolonien. Dir

Fьhrung von Personenstandsregistern war der Geistlichkeit und den Schulzen zur

Pflicht gemacht. Sie waren in Abschriften von den Pastoren halbjдhrlich, von den

Schulzen jдhrlich der Kolonialbehцrde einzureichen(1). Darьber hinaus hatten die

Schulzen jeweils zum 1. Januar ьber die wirtschaftliche Lage(2), zum 1. Mai und

1. November ьber den Viehbestand(3) und zum 1. Oktober ьber die Baumanlagen zu

berichten(4). Besondere Fragebogen wurden auch aus AnlaЯ der sog. Revisionen,

der Zдhlung der steuerpflichtigen Bevцlkerung, verschickt(5). Die Russische

Regierung hatte ja Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Interesse

daran, ьber die Ansiedlungstermine der einzelnen Familien und den

wirtschaftlichen Stand in den Kolonien unterrichtet zu sein, um dementsprechend

eine Regelung der Schuldentilgung vorzunehmen. Sie scheint sich Anfang des 19.

Jahrhunderts auch mit den Herkunftsorten der deutschen Siedler befaЯt zu haben,

denn in den vorliegenden Revisionslisten des Jahres 1811 stehen sie

verzeichnet(6).

Die Umfrage E. von Hahns nimmt aber unter diesen Erhebungen eine Sonderstellung

ein. Sie will nicht den jeweiligen wirtschaftlichen Stand der Kolonien

festgestellt wissen, sondern sie bezweckt, einen Ьberblick ьber die

Entwicklungsgeschichte der deutschen Siedlungen zu erhalten. Aus diesem Grunde

werden neun ganz bestimmte Gruppen von Fragen zur Beantwortung vorgelegt(7). Es

wird auch ausdrьcklich danach gefragt, welchen besonders gьnstigen Verhдltnissen

die Gemeinde ihr Wohlsein verdankt.

DaЯ E. von Hahn sich aus wissenschaftlichem Interesse der Vergangenheit der

deutschen Kolonie zuwandte, ist unwahrscheinlich. Sollte er selbst, wie die

Zirkularaufforderung andeutet, anfдnglich beabsichtigt haben, eine Geschichte

der deutschen Kolonien zu schreiben, so hдtte er damit ein wichtiges Material

den Kommissionen geliefert, die besonders seit Beginn des 19. Jahrhunderts an

________________

(1) Vgl. I. PSZ, Bd. 26, Nr. 19373 (16. Mai 1801) Punkt 6.

(2) Solche Schulzenberichte fьr das Jahr 1825 verцffentlichte Hans Rempel:

Deutsche Bauernleistung am Schwarzen Meer. Leipzig 1940 = Sammlung Georg

Leibbrandt, Bd. 3. Zum Teil wurden sie auch im "Unterhaltungsblatt"

(vgl. unten S. XIV) herausgegeben.

(3) Vgl. I, PSZ, Bd. 26, Nr. 19873 (16 Mai 1801) Punkt 26.

(4) Vgl. I, PSZ, Bd. 27, Nr. 20841 (7. Juli 1803).

(5) Bei Johannes Brendel: Aus deutschen Kolonien im Kutschurganer Gebiet.

Geschichtliches und Volkskundliches. Stuttgart 1930, S. 107-108 werden zwei

solcher Fragebogen erwдhnt und einer abgedruckt.

(6) Vgl. die Revisionsliste fьr die Kolonien Baden, Selz, Kandel, ElsaЯ,

Mannheim bei Brendel a.a.O., S. 80-107. Vollstдndige Namensverzeichnisse

wohl aus der gleichen Quelle fьr Kolonien Landau, Sulz, Karlsruhe, Speier,

Rastadt, Mьnchen, finden sich bei C. Keller: Die Beresaner katholischen

deutschen Kolonien zum hundertjдhrigen Jubilдum ihres Bestehens 1809/1810 -

1909-1910. In: Deutscher Volkskalender fьr Stadt und Land, auf das Jahr

1910. Odessa 1909, S. 103-109, und fьr Heidelberg, Kostheim, Waldorf im

Aufsatz des gleichen Verfassers: Zum Andenken an das hundertjдhrige Jubilдum

der deutschen Katholischen Kolonien Heidelberg, Kostheim, Leitershausen, und

Waldorf an der Molotschna. In: Deutscher Volkskalender fьr Stadt und Land

auf das Jahr 1911. Odessa 1910, D. 71-86.

(7) Vgl. Leibbrandt a.a.O., S. 8. Merkwьrdigerweise unterlieЯ es E. von Hahn,

der viel zur Verbesserung des Bildungswissens beigetragen hatte, sich nach

dem Stande von Kirche und Schule in den Kolonien zu erkundigen.

Page XI

der Lцsung der Bauernfrage in RuЯland arbeiteten. Es sei daran erinnert, daЯ auch

A. Klaus, gleichfalls Beamter in der Kolonialverwaltung, sein Buch

verцffentlichte(1), um die mit den deutschen Siedlern gemachten Erfahrungen in

den Dienst des russischen Bauernstandes zu stellen.

Auf jeden Fall hдtten die "Ьbersichten" E. von Hahn, diesem besonders

tatkrдftigen Beamten, genьgend Anregungen bieten kцnnen, um die seit der

Grьndung des Fьrsorgekomitees von der Regierung erwarteten Reformvorschlдge zur

Umgestaltung der Kolonialverwaltung ausarbeiten zu kцnnen(2).

Und doch will es uns scheinen, daЯ E. von Hahn mit der Anforderung dieser

"Ьbersichten" ganz andere Plдne verfolgte. 1846 hatte er das "Unterhaltungsblatt

fьr deutsche Ansiedler im sьdlichen RuЯland" gegrьndet aus dem Wunsche heraus

"die Kolonisten auf ihren jetzigen Zustand aufmerksam und mit denjenigen Mitteln

vertraut zu machen, welche sie schon besitzen oder sich verschaffen kцnnen,

ihnen zu zeigen, wie sie mit Berьcksichtigung der цrtlichen Bedingungen ihre

Landwirtschaft und Gewerbe verbessern und ihren Wohlstand erhцhen kцnnen, in

ihnen WiЯbegierde und lцblichen Wetteifer zu erwecken; ihnen eine angenehme und

lehrreiche Unterhaltung zu gewдhren"(3). Die Beschaffung eines geeigneten

Lesestoffes muЯte sich unter den damaligen Verhдltnissen besonders schwierig

gestalten. Es fдllt daher auf, daЯ jene Fragen, die E. von Hahn den Verfassern

den angeforderten "Ьbersichten" zur Beantwortung vorlegte, sich durchaus mit dem

Programm des "Unterhaltungsblattes" decken. Wenn man ferner bedenkt, daЯ E. von

Hahn 1847 die Herausgabe des "Unterhaltungsblattes" dem Kolonisten Joh. H.

Sonderegger(4) ьbertrug, weil eine Zeitschrift, die ausschlieЯlich den deutschen

Ansiedlern gewidmet sei, keine bewandeteren Mitarbeiter haben kцnne als

Kolonisten selbst(5), so ist es durchaus wahrscheinlich, daЯ die "Ьbersichten"

zur Verцffentlichung im "Unterhaltungsblatt" angefordert wurden. Fьr diese

Annahme wьrde auch die Tatsache sprechen, daЯ bereits Anfang 1848 Beschreibung

des Liebentaler Kolonienbezirks(6), der Kolonie Zьrichtal(7), GroЯliebental(8)

und der oben erwдhnte Aufsatz von Propst Kyber wohl zur Anregung und Nachahmung

der Kolonisten erschienen.

Wie dem auch sei, ehe die "KurzgefaЯten Ьbersichten" dem Fьrsorgekomitee

vorlagen, wurde E. von Hahn am 16. Mai 1848 zum Direktor des ersten Departements

________________

(1) A. Klaus Nasi kolonii. Opyty i materialy po istorii statistike inostrannoj

kolonizacii v Rossii (Unsere Kolonien. Versuche und Materialien zur

Geschichte und Statistik der auslдndischen Kolonisation in RuЯland). Lief.

1. Petersburg 1869.

(2) Vgl. I, PSZ, Bd. 35, Nr. 27312.

(3) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 2, 1847, S. 1.

(4) Ьber Sonderegger vgl. Deutsche Post aus dem Osten. Jg. 9, Berlin 1937, Nr.

7, S. 15-17.

(5) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 2, 1847, S. 1.

(6) "Цrtliche Beschreibung des liebentaler Kolonienbezirks und einige Worte ьber

die hiesigen Ansiedlungen." In: "Unterhaltungsblatt", Jg. 3, 1848, S. 1 f.

(7) "Unterhaltungsblatt" Jg. 3, 1848, S. 9 f.

(8) "Unterhaltungsblatt" Jg. 3, 1848, S. 10 f. Leider sit uns diese Nummer des

"Unterhaltungsblattes" nicht zugдnglich, was besonders zu bedauern ist, als

wir wissen, daЯ Joh. H. Sonderegger die Abfassung der "KurzgefaЯten

Ьbersicht" fьr GroЯliebental selbst ьbernommen hatte, vgl. Leibbrandt,

a.a.O., S. 10.

Page XII

der Reichsdomдnen ernannt(1). Allerdings verblieb Joh. H. Sonderegger

Herausgeber des "Unterhaltungsblatts". Im sinne E. von Hahns versuchte er auch

weiterhin in Geschickt ausgewдhlten Aufsдtzen durch Belehrung und Aufmunterung

EinfluЯ auf das Wirtschaftsleben der deutschen Siedler zu nehmen. Anregend und

fцrdernd konnten besonders heimatkundliche Notizen wirken, galt es doch unter

anderem den Nachweis zu erbringen, daЯ sich die deutschen Kolonien aus

дrmlichsten Verhдltnissen heraus zu blьhenden Gemeindewesen heraufgearbeitet

hatten. Es ist daher begreiflich, daЯ Sonderegger auЯer Rechenschafts- und

Lageberichten auch historische Darstellungen zu verцffentlichen suchte. 1849

lieЯ er eine Beschreibung des Molotschnaer Kolonistenbezirks(2) erscheinen.

Verfasser dieses Aufsatzes war der Kolonist Ernst Walther aus Kostheim, der

im Auftrage des Gebietsamts der Molotschnaer Kolonisten auch die "KurzgefaЯten

Ьbersichten" dieser Siedlungen geschrieben hatte(3). Unter Zugrundelegung eines

reichen Materials entwarf hier Walther ein anschauliches Bild von der

Entwicklungsgeschichte dieser Kolonien. Er fьhrte auch die

Ansiedlungsbestimmungen sogar mit Verweisen auf den Kolonialkoder(4) an. Je ein

Gedicht am Anfang und Ende der Beschreibung gaben ihr einen den Kolonisten

zusagenden Rahmen.

Der Verцffentlichung der "48er Berichte" selbst wandte sich Sonderegger erst

1851 zu. Es erschien zunдchst die "KurzgefaЯte Ьbersicht" der Kolonie Neuburg,

Gouv. Cherson(5) mit dem Bemerk: "DaЯ diese Geschichte ganz mit der Aussage der

noch lebenden Ansiedler ьbereinstimmt, bezeugen mit Unterschrift Mayer, Schulz,

F. Eberhard, Schullehrer, Reister, Gemeindeschreiber"(6). Die Fassung des

Propstarchivs(7) weist gegenьber diesem Bericht nur einige unwesentliche, meist

stilistische Abweichungen auf und trдgt nur die Unterschrift des Schullehrers F.

Eberhard, der "die Arbeit ohne das Schulzenamt daselbst allein ausgefertigt und

der Hohen Fьrsorge Comitдt eigenhдndig und zwar schon vor einem Monat

ьbergeben"(8) hatte, wie Pastor Hьbner, zu dessen Kirchspiel Neuburg gehцrte,

am 17. Mai 1848, Propst Fletnitzer mitteilte(8).

Auch den Bericht der Kolonie Hoffnungstal vom 1. Juli 1848 Nr. 123,

unterschrieben vom Schulzen Friedrich Metzger wie den Bьrgermeistern(9) Mich.

Fiechtner und Christ. Schaffert(10), druckte Sonderegger in engster Anlehnung

________________

(1) Eine Abschrift des Rundschreibens, mit dem sich E. von Hahn am 10. Juni

1848 von den deutschen Kolonisten verabschiedete, befindet sich im

Sammelbesitz Georg Leibbrandt.

(2) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 40-48, 50-55, 57-63, 65-67.

(3) Vgl. "Jahrbuch des Landwirt" fьr das Jahr 1913. Eugenfeld 1912, S. 126.

(4) Der Kolonialkoder, 1842 herausgegeben, umfaЯt alle fьr die Kolonisten

geltenden Sondergesetze und Verfьgungen, vgl. Svod zakonov Rossijskoj

Imperii (Gesetzeskoder des Russischen Imperiums). Petersburg 1842, Bd. XII.

(5) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 6, 1851, S. 28 ff.

(6) Vgl. daselbst S. 30 - Der Bericht war also ordnungsgemдЯ auch vom Schulzen

unterschrieben.

(7) Vgl. den Text dieser Fassung bei Leibbrandt a.a.O., S. 47-52.

(8) Vgl. Leibbrandt a.a.O., S. 52.

(9) Bьrgermeister wurden in dieser Kolonie wohl die Beisitzer genannt.

(10) Die im Dorfarchiv aufbewahrte Fassung ist dagegen von den "Bьrgermeistern:

Schlichtenmayer, Zweigardt" unterschrieben, vgl. Leibbrandt a.a.O., S. 119.

Page XIII

an das dem Fьrsorgekomitee eingereichte Original(1). Die in der Fassung des

Propstarchivs vorliegenden Zusдtze gehen auf einen Geistlichen zurьck.

SchlieЯlich folgte noch im selben Jahrgang des "Unterhaltungsblattes" eine

zusammenfassende Darstellung ьber das Chortitzaer Gebiet(2), die wir in diesem

Bande zum Abdruck bringen(3).

1852 verцffentlichte Sonderegger die "KurzgefaЯten Ьbersichten" dir Kolonien

Bergtal, Schцnfeld, Schцntal und Heuboden(4). Er hatte hier selbst "die von

jedem Dorfsamt einzeln abgegebene Ьbersicht... im Zusammenhange dargestellt und

diese Urkunden nachstehend so wortgetreu als mцglich wiedergegeben"(5).

Eine zusammenfassende Ьberarbeitung der Schulzenberichte der Kolonien Sarata,

Gnadental und Lichtental wurde vom Lehrer der Wernerschule zu Sarata Karl Baisch

herausgegeben(6).

"Aus den Papieren der Dorfsдmter vom Jahre 1848 ausgezogen und zusammengestellt

durch den Redaktor J.H. Sonderegger" kam 1853 die Beschreibung des Mariupoler

Kolonistenbezirks heraus(7), der sich im selben Jahrgang eine gedrдnkte

"Ьbersicht der Grьndung und des Bestehens der deutschen Kolonien der Bezirke

Malojaroslawetz und Kljastitz" in Bessarabien(8) anschloЯ. Ьber die

ursprьngliche Textgestalt der diesem zusammenfassenden Aufsatz zugrunde

liegenden sog. "48er Berichte", ist es ganz besonders schwer, ein Urteil zu

fдllen. Einerseits liegt es auf der Hand, daЯ sie von Sonderegger stark gekьrzt

wurden - der Kolonie Paris widmete er nur drei Zeilen -, andrerseits gelangten

die Berichte der Kolonien Klцstitz, Berezina, Borodino und Hoffnungstal in einer

von Pastor Rique "wegen ihrer Unbrauchbarkeit... grцЯtenteils umgearbeiteten"

Fassung an das Propstarchiv(9).

Sonderegger war aber auch bemьht, im "Unterhaltungsblatt" Berichte von Kolonien

erscheinen zu lassen, die nicht zum Kompetenzbereich des Fьrsorgekomitees

gehцrten. Er Berьcksichtigte z.B. den Bezirk Kamenka an der Wolga(10) und die

Kolonien im Gouv. Saratow und Samara(11). In einer FuЯnote forderte er auch die

deutschen Ansiedlungen im Gouv. Tschernigow auf, nдhere "Nachrichten ьber ihre

________________

(1) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 6, 1851, S. 49 ff.

(2) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 6, 1851, S. 57-60, 66-70, 73-77.

(3) Vgl. unten S. XV und S. 1-26.

(4) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 7, 1852, S. 9-11.

(5) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 7, 1852, S. 10-11 und unten S. 191 f., 193 f.

(6) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 7, 1852, S. 57-60, 65-70. Abgedruckt unter

dem Titel: KurzgefaЯte geschichtliche Ьbersicht der Grьndung und des

Bestehens der Colonien des Sarataer Bezirks auch im: Magazin fьr die Kunde

des geistigen und sittlichen Lebens in RuЯland. Wissenschaftliche

Mitteilungen aus den Beilagen der St. Petersburger Zeitung. Hrsg. von Dr.

Clemens Friedrich Meyner. Petersburg 1854, S. 101-116.

(7) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 8, 1853, S. 1-5 und die Berichte der

einzelnen Schulzenдmter unten S. 166-194.

(8) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 8, 1853, S. 73-77.

(9) Vgl. Leibbrandt a.a.O., S. 10 und den Text der Fassungen des Propstarchivs,

ebenda S. 133-196.

(10) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 7, 1852, S. 29 ff.

(11) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 7, 1852, S. 81-88, 90-92.

Page XIV

Einwanderung und jetzigen Verhдltnisse" an ihn gelangen zu lassen(1). Trotzdem

hцrte 1854 die Verцffentlichung von historischem Material im

"Unterhaltungsblatt" auf; die Schilderungen der Entstehung und Entwicklung

wurden seitdem verdrдngt durch "Kurze Ьbersichten des landwirtschaftlichen

Zustandes" der verschiedenen Koloniebezirke.

Die nur zu einem geringen Teil im "Unterhaltungsblatt" erschienen "48er

Berichte" stellen fьr unsere Kenntnis des Schwarzmeerdeutschtums wдhrend der

ersten Hдlfte des 19. Jahrhunderts eine wahre Fundgrube dar. Teile daraus wurden

hдufig nach den in den Dorfarchiven befindlichen Abschriften von der

heimatkundlichen Literatur verwertet. Sie drangen ьber die Bьcher von Busch(2)

und Pingoud(3), die durch Rundfragen bei den Pastoren entstanden waren, in die

wissenschaftliche Literatur, ohne daЯ man die Mцglichkeit hatte, die

Zuverlдssigkeit der Angaben auf Grund von Quellen nachzuprьfen. Das

Vorhandensein der 48er Berichte selbst schien in der wissenschaftlichen

Literatur vergessen, obgleich sie in einigen Bьchern wie dem von Epp ьber

Chortitza(4) Erwдhnung fanden.

Das Verdienst, die 48er Berichte Anfang des 20. Jahrhunderts im ehemaligen

Archiv des Fьrsorgekomitees wieder entdeckt und das Material daraus

(allerdings ohne Quellenangaben) in seinen Arbeiten ьber die katholischen

Kolonien(5) verwandt zu haben, kommt C. Keller zu. Durch diesen unermьdlichen

Forscher erhielt auch J. Stach Kunde von diesen Berichten, und er war es, der

erstmalig viele dieser Berichte in den Zeitungen und Zeitschriften des

Schwarzmeergebiets verцffentlichte.

Wдhrend C. Keller und J. Stach nur das im ehemaligen Archiv des Fьrsorgekomitees

befindliche Material kannten, fьhrte Georg Leibbrandt 42 "Ьbersichten" nach den

dem Propstarchiv eingereichten und z.T. von der Geistlichkeit geдnderten

Abschriften der Forschung zu. Eine wertvolle Ergдnzung dazu bildeten die 16 von

Malinowsky(6) herausgegebenen Berichte, ьber deren Herkunftsorte wir leider

nichts wissen.

Im vorliegenden Bande werden erstmalig acht, bisher unbekannte "KurzgefaЯte

Ьbersichten" (Friedental, Heilbrunn, Herzenberg, Kronsgarten, Neudanzig,

Neusatz, Sudak, Zьrichtal) mit einigen aufschluЯreichen Begleitschreiben der

Gebiets- bzw. Schulzenдmter der Цffentlichkeit ьbergeben. Weitere 106 Berichte

gelangen hier aus дlteren, heute kaum zugдnglichen Zeitungen und Zeitschriften

zum Abdruck. Damit erhцht sich die Zahl der bisher bekannten "Ьbersichten" auf

172: Wenn man berьcksichtigt, daЯ im Jahre 1848 202 deutlich Kolonien der

________________

(1) Vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 8, 1853, S. 3, FuЯnote.

(2) E.H. Busch: Materialien zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und

Schulwesens der evangelisch-lutherischen Gemeinde in RuЯland. Petersburg

1862, und Ergдnzungen der Materialien zur Geschichte und Statistik der

evangelisch-lutherischen Gemeinden in RuЯland. Leipzig 1867.

(3) Die evangelisch-lutherischen Gemeinden in RuЯland, Hrsg. vom Zentralkomitee

der Unterstьtzungskasse fьr evangelische Gemeinden in RuЯland. Bd. 1.

Petersburg 1909.

(4) Vgl. unten S. 1, Anm. 1.

(5) Vgl. S. X, Anm. und S. XV, Anm.

(6) Malinowsky a.a.O. verцffentlichte Berichte von 17 Dцrfern. Wir bezweifeln

aber, daЯ der Bericht der Kolonie Krasna wortgetreu wiedergegeben ist.

Page XV

Verwaltung des Fьrsorgekomitees unterstanden(1), Eugenfeld erst 1846(2),

Hochheim 1847(3), Hierschau(4) und Neu-Jamburg(5) 1848 gegrьndet wurden und

folglich keine Berichte liefern Konnten, so betrдgt die Zahl der vorlдufig noch

unbekannten "Ьbersichten" 26. Es fehlen vor allem die Berichte der katholischen

Kolonien des Liebentaler, Kutschurganer und Berezaner Gebiets, die C. Keller in

seinen Arbeiten verwertet, nicht aber in ihrem Wortlauf herausgegeben hat(6).

Ferner fehlen die Berichte der deutschen Kolonien an der Berda (Neuhoffnung,

Rosenfeld, Neuhoffnungstal, Neu-Stuttgart) und die der zu keinem Gebietsamt

gehцrenden Kolonien Huttertal und Jamburg. Ob die Kolonie Stuttgart der

Verwaltung des Fьrsorgekomitees unterstand, is fraglich(7). (Schabeau=Schabo

fehlt bei Leibbrandt a.a.O. und ьber Neudorf vgl. unten S. 83).

Der hier aus dem "Unterhaltungsblatt" abgedruckte Bericht des Chortitzaer

Gebietsamts(8) ьberragt, was Aufbau, Inhalt und genaue Beantwortung der durch E.

von Hahn gestellten Fragen anbelangt, bei weitem alle ьbrigen "KurzgefaЯten

Ьbersichten". Ob aus eignem Antrieb oder, wie wir meinen, auf Befehl des

Fьrsorgekomitees - das lдЯt sich einstweilen nicht entscheiden -, hatte das

Chortitzaer Gebietsamt am 21. Juli 1848 eine zusammenfassende Darstellung der

Grьndung und Entwicklung dieser Siedlungsgruppe an die Kolonialbehцrde

gesandt(9). DaЯ auЯerdem von den Kolonien dieses Bezirks "KurzgefaЯte

Ьbersichten" geliefert wurden, ist wahrscheinlich. Ihr Vorhandensein wird auch

durch den hier erstmalig herausgegebenen Bericht der Kolonie Kronsgarten vom 6.

Mai 1848(10) bestдtigt. Obgleich die Geschichte der Mennoniten in RuЯland

verhдltnismдЯig gut bearbeitet vorliegt, sind der Forschung bisher eine Reihe

wichtiger Fragen aus der Verwaltungsgeschichte dieser Siedlungen entgangen, die

noch einer endgьltigen Lцsung harren.

________________

(1) Die Gesamtzahl der deutschen Kolonien im Schwarzmeergebiet war damals

bereits grцЯer, doch nahmen die auf selbstgekauftem Lande entstandenen

Siedlungen eine Sonderstellung ein.

(2) Vgl. Klaus a.a.O., Beilage 2, S. 40.

(3) Vgl. Klaus a.a.O., Beilage 2, S. 40.

(4) Vgl. Klaus a.a.O., Beilage 2, S. 37.

(5) Vgl. Klaus a.a.O., Beilage 2, S. 33.

(6) Ьber den Liebentaler Bezirk vgl. C. Keller: Die deutschen Kolonien in

SьdruЯland. Bd. 1. Odessa 1905. Wichtig sind darin u.a. die Verzeichnisse

der ersten Ansiedler, die Keller ohne Quellenangabe abdruckte (vgl.

Kleinliebental, S. 160-162, Josefstal, S. 215-217, Mariental S. 242 bis

245, Franzfeld S. 255-256).

Die Kutschurganer Kolonien behandelte C. Keller in : Deutsche Erde.

Zeitschrift fьr Deutschkunde. Beitrдge zur Kenntnis des deutschen Volkstums

allerorten und allerzeiten. Bd. 7, Gotha 1908, S. 213 ff.

Vgl. auch C. Keller: Die Beresaner katholischen deutschen Kolonien zum

hundertjдhrigen Jubilдum ihres Bestehens 1809/10 - 1909/10. In: Deutscher

Volkskalender fьr Stadt und Land auf das Jahr 1910. Odessa 1909, S.

103-129; Ders., Die deutschen Kolonien in SьdruЯland. Bd. 2. Odessa 1914,

worin Einwohnerverzeichnisse fьr die Kolonien Rastadt und Mьnchen aus dem

Jahr 1811 und fьr Landau, Speier, Sulz, Karlsruhe aus den Jahren 1839 und

1840 gebracht werden.

(7) Vgl. oben Anm. 1.

(8) Vgl. unten S. 1-26.

(9) Vgl. unten S. 26.

(10) Vgl. unten S. 27-18.

Page XVI

Fьr das Neusatzer Kolonistengebiet kцnnen in diesem Bande nach den im

Sammelbesitz Leibbrandt befindlichen Abschriften die Berichte von Neusatz und

Friedental vorgelegt werden(1). Dem gleichen Sammelbesitz entstammt der Bericht

der Kolonie Kronental(2), der gegenьber dem von Malinowsky verцffentlichten Text

einige Abweichungen aufweist(3). Somit wдre, den Bericht der Kolonie Rosental(4)

eingeschlossen, das Neusatzer Kolonistengebiet vollstдndig vertreten.

Bezeichnend fьr alle deutschen Siedlungen der Krim ist jenes rege Interesse fьr

das Schulwesen, das in diesen Berichten zutage tritt, obgleich in der

Zirkularaufforderung gerade diese Frage nicht aufgeworfen wurde.

Den "Ьbersichten" aus dem Zьrichtaler Kolonistengebiet wurde hier der

obenerwдhnte Aufsatz von Propst E. Kyber aus dem "Unterhaltungsblatt"

vorausgestellt und in den Anmerkungen jene Abweichungen von dem ursprьnglich

eingereichten, aber in Dorpat bereits verцffentlichten Manuskript, das J. Stach

im ehemaligen Archiv des Fьrsorgekomitees gefunden hat, verzeichnet. Es ergibt

sich daraus, daЯ Sonderegger bei der Verцffentlichung dieses Beitrags darauf

achtete, alle Stellen des Manuskripts zu дndern oder zu streichen, die eine

Kritik an der Kolonialverwaltung enthielten. Gestrichen wurden bei der

Drucklegung die Sдtze, daЯ die Kolonisten in der ersten Zeit, "lдssige,

eigennьtzige oder nicht gehцrig in ihre Lage eingehende Inspektoren" befaЯten,

und daЯ sich die Abgaben jдhrlich vermehren.

Unter Berufung auf das "Unterhaltungsblatt" lieferte da Zьrichtaler Schulzenamt

die gewьnschte "Ьbersicht", die sich in stдrkerem MaЯe an die durch E. von Hahn

aufgeworfenen Fragen hielt, als es bei Propst Kyber der Fall sein konnte. Die

abgedruckten Begleitschreiben geben darьber Auskunft, daЯ alle Berichte des

hiesigen Bezirks ьber das Gebietsamt, also unter Einhaltung des vorgeschriebenen

Dienstweges, an das Fьrsorgekomitee geleitet wurden. Aus ihnen erfahren wir

auch, daЯ sich in Herzenberg niemand fand, der zur Abfassung einer "Ьbersicht"

befдhigt war. Sie muЯte vom Gebietsamt geschrieben werden(5). Wдhrend fьr die

bisher genannten Gebiete alle "Ьbersichten" bekannt sind, kцnnte man fьr das

Molotschnaer Kolonistengebiet(6) die Berichte der Kolonien Eugenfeld(7) und

Hochheim(8) vermissen. Diese beiden Kolonien sind aber kurz vor 1848 entstanden,

und es ist wohl anzunehmen, daЯ sie aus diesem Grunde keine "Ьbersichten" der

Kolonialbehцrde einreichten. Wie weit J. Stach die Berichte der Molotschnaer

Kolonisten wortgetreu abschrieb und im "Jahrbuch des Landwirt"

verцffentlichte(9), lдЯt sich schwer feststellen. Im allgemeinen pflegte Stach

stilistische Дnderungen vorzunehmen, auch grammatikalische seine Texte zu

verbessern, sollten sie doch einen geeigneten Lesestoff fьr die deutschen

Siedler in RuЯland darstellen. Da aber als Verfasser dieser "Ьbersichten" Ernst

Walther aus Kostheim(10) genannt wird, waren sie vermutlich in einem recht guten

________________

(1) Vgl. unten S. 29-37.

(2) Vgl. unten S. 37-41.

(3) Vgl. Malinowsky a.a.O. S. 26-29.

(4) Vgl. Malinowsky a.a.O. S. 29-32.

(5) Vgl. unten S. 51.

(6) Die Berichte der katholischen Kolonien Kostheim, Leitershausen, Heidelberg,

Blumental, Waldorf verцffentlichte Malinowsky a.a.O. S. 21-25.

(7) 1857: 40 Wirtschaften (154 Mдnner) auf 2400 Desj. und 3 landlose Familien

(50 Mдnner) vgl. Klaus a.a.O., Beilage 2, S. 40.

(8) 1857: 38 Wirtschaften (193 Mдnner) auf 2310 Desj. Vgl. Klaus a.a.O.,

Beilage 2, S. 40.

(9) Vgl. unten S. 56-87.

(10) Vgl. unten S. 56, Anm. 1.

Page XVII

literarischen Stil geschrieben. Walther legte auch sдmtlichen Berichten den

gleichen Aufbau zugrunde, er vermied nach Mцglichkeit Wiederholungen und brachte

am Ende der Berichte stets statistische Angaben, die sich sowohl auf die

Bevцlkerungshцhe der Siedlungen im Jahre 1848 als auch auf den

Bevцlkerungszuwachs seit der Grьndung beziehen. Besondere Beachtung wird den

Handwerkern gezollt. Es Fдllt ferner auf, daЯ nicht eine einzige dieser

Ьbersichten den Namen des Verfassers trдgt oder datiert ist. Verfassernamen und

Datum kцnnen natьrlich auch von J. Stach fortgelassen sein, wie er es bei den

anderen Berichten mitunter tat. Wir vermuten aber, daЯ Walther im Gegensatz zu

Heese(1) keine "Ьbersichten" von den Gemeinden erhielt, sondern sie auf Grund

des von ihm selbst gesammelten Materials schrieb, die Unterschriften der

Schulzen und Beisitzer einholte und dann sдmtliche Berichte geschlossen mit

einem Datum Versehen, dem Fьrsorgekomitee ьbergab.

Das Molotschnaer Mennonitengebiet umfaЯte im Jahre 1848 ausschlieЯlich der in

diesem Jahre gegrьndeten Kolonie Hierschau 44 Kolonien, deren sichten" am 15.

Mai 1848 durch das Gebietsamt dem Fьrsorgekomitee zugestellt wurden. 43 dieser

Berichte(2) druckte J. Stach in der Odessaer Zeitung. Aus unbegreiflichen

Grьnden fehlte bei ihm der Bericht von Ohrloff, den auch wir nur nach dem stark

gekьrzten, 1925 in Moskau erschienen Text bringen kцnnen(3). Sдmtliche

"Ьbersichten" dieses Gebiets sind ordnungsgemдЯ vom Schulzen und zwei Beisitzern

unterschrieben; mit Ausnahme von Wernersdorf und Gnadenfeld tragen sie auch die

Unterschriften der Lehrer, woraus auf diese als Verfasser der Berichte

geschlossen werden darf(4).

Hцchst unbefriedigend gab J. Stach die "Ьbersichten" des Schwedengebiets

heraus(5). Nicht nur stilistische Дnderungen, sondern auch die Fortlassung

wichtiger Einzelheiten kцnnen ihm am Beispiel der Kolonie Klosterdorf

nachgewiesen werden(6). Dabei wдre ein genauer Abdruck dieser Berichte besonders

erwьnscht, weil sie gleichzeitig den Bildungsgrad der Lehrer, die diese

Darstellungen schrieben, veranschaulichen wьrden.

Mit Ausnahme des Berichts der Kolonie Neuhof sind die "Ьbersichten" aus dem

Mariupoler Gebiet teils hier(7), teils bei Malinowsky(8) verцffentlicht, wenn

auch gleichfalls nach Abschriften, die wenig befriedigen. So darf man auf Grund

der mehrfach eingeschobenen Verweisungssдtze zahlreiche Kьrzungen vermuten. Auch

stilistische Дnderungen scheinen in grцЯerer Zahl vorzuliegen.

SchlieЯlich konnten in diesem Bande noch die "Ьbersichten" der zu keinem

Gebietsamt gehцrenden Kolonien Altdanzig, Josefstal, Rybalsk und Neudanzig aus

dem "Jahrbuch des 'Landwirt'" herausgegeben werden(9).

________________

(1) Vgl. unten S. 1 und oben S. XV.

(2) Vgl. unten S. 88-160.

(3) Vgl. unten S. 161-163. Fьr die Ьberlassung dieses Berichts sei auch an

dieser Stelle Prof. Unruh-Karlsruhe gedankt.

(4) Die Unterschriften des Berichts von Ohrloff wurden wohl bei der Drucklegung

fortgelassen.

(5) Vgl. unten S. 163-166.

(6) Vgl. Malinowsky a.a.O., S. 32-33 und unten S. 163-164.

(7) Vgl. unten S. 166-194.

(8) Vgl. Kaiserdorf, Gцtland, Eichwald, Tiegenort, Tiergart, Kleinwerder,

GroЯwerder, Bergtal bei Malinowsky a.a.O., S. 8-17. -Einiger Anmerkungen

wegen der Bericht der Kolonie Bergtal auch hier wiederholt.

(9) Vgl. unten S. 194-202.

Page XVIII

Inhaltlich sind die hier verцffentlichten "48er Berichte" auЯerordentlich

verschieden. Im allgemeinen halten sie sich an die durch Eugen von Hahn

aufgeworfenen Fragen; besonders gern verweilen sie aber bei den wirtschaftlichen

MaЯnahmen der russischen Regierung und legen hдufig genug Zeugnis ab fьr das

umsichtige Vorgehen der Fьrsorgebehцrde, die in ihrem Verhalten den deutschen

Kolonien Gegenьber zu Recht ihren Namen trug. Wenn auch die Bevormundung durch

diese Behцrde den Deutschen bisweilen lдstig erschien, so trug sie doch

wesentlich dazu bei, daЯ die deutschen Hцfe gemдЯ dem ursprьnglichen Plan der

Regierung zu Musterwirtschaften des Schwarzmeergebiets wurden. Fьhrer wie

Gefьhrte haben daher in gleicher Weise Anteil an den wirtschaftlichen

Leistungen dieser Siedlungen. Als ein besonderes Verdienst der die deutsche

Ansiedlung leitenden Mдnner sei aber herforgehoben, daЯ sie stets die deutschen

Kolonisten in der Erhaltung des deutschen Brauchtums bestдrkten und es rein

erhalten wissen wollten(1). Entnationalisierungsbestrebungen waren ihnen den

Deutschen gegenьber fremd. Mit gutem Recht konnte daher Harthausen 1847

schreiben: "Wir fьhlten uns auf einmal nach WestpreuЯen in die

Weichselniederungen verfetzt, so heimatlich deutsch war alles um uns! Nicht bloЯ

die Menschen, ihr Wesen, ihre Sprache, ihre Trachten, die Wohnhдuser und ihre

Einrichtungen, jedes Geschirr und GefдЯ, selbst die Haustiere, der Spitz und

Pudel, Kuh und Ziege waren deutsch; die Kolonisten haben es aber sogar

verstanden, der Natur selbst, nдmlich der ganzen Gegend, ein deutsches Ansehen

zu geben. Der Maler, der hiesige Landschaften malte, wьrde sie leicht fьr

deutsche ausgeben kцnnen! Man sieht den Feldern deutsche Einteilung und

Bearbeitung an, Kдmpe und Wiesen sind mit deutschen Zдunen eingehegt. Die Anlage

der Dцrfer und aller einzelnen Gehцfte, die Gдrten, ihre Einteilung, die

Pflanzen, die Gemьse, vor allen Dingen die Kartoffeln, alles ist deutsch! Das

war bei der deutschen Wolga-Kolonie keinesweges der Fall, dort waren nun die

Menschen in ihrer Sprache, den Trachten und Sitten, Deutsche geblieben, alles

um sie her hatte einen viel mehr russischen Charakter, nur noch mit der

Beimischung von deutschen Bequemlichkeiten."(2) Dieses Urteil, zunдchst fьr das

Chortitzaer Gebiet abgegeben, hatte damals fьr alle deutschen Kolonien des

Schwarzmeergebiets Geltung.

________________

(1) Am 16. Mai 1801 wurde z.B. befohlen, daЯ in den Steinhдusern der deutschen

Kolonisten die gleiche Anordnung wie in der Heimat zu beachten sei, vgl. I.

PSZ Bd. 26, Nr. 19873.

(2) Vgl. A. von Harthausen: Studien ьber die innern Zustдnde, das Volksleben und

insbesonders die lдndlichen Einrichtungen RuЯlands. Hannover 1847, Bd. 2, S.

171-172.

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