- •Verlag von s. Hirzel in leipzig
- •I. Das Chortitzaer Mennonitengebiet(1)
- •II. Das Neusatzer Kolonistengebiet(1)
- •III. Das Zьrichtaler Kolonistengebiet
- •IV. Das Molotschnaer Kolonistengebiet(1)
- •V. Das Molotschnaer Mennonitengebiet(1)
- •VI. Das Schwedengebiet(2)
- •VII. Das Mariupoler Kolonisten- und Mennonitengebiet(4)
- •VIII. Alt-Danzig
- •X. Rybalsk(3)
- •XI. Die Kolonie Neudanzig
III. Das Zьrichtaler Kolonistengebiet
1. Zьrichtal(2)
a.
Aufsatz des Zьrichtaler Pastors, Propst E. Kyber(3), unter dem
Titel "Die Kolonie Zьrichtal" vom 7. Februar 1848. Abdruck
aus: Unterhaltungsblatt fьr deutsche Ansiedler im Sьdlichen
RuЯland, 3. Jg., Nr. 3, Mдrz 1848, unter Hinzufьgung der
wesentlichsten Abweichungen, die eine von J. Stach im
ehemaligen Archiv des "Fьrsorgekomitees" wortgetreu
angefertigte und im Sammelbesitz Georg Leibbrandt befindliche
Abschrift der Originalfassung aufweist.
Im Spдtjahr 1803 sammelten sich gegen 40 Schweizer-Familien, an 200 Seelen,
unter dem ihnen vorgesezten Herrn von Escher in Konstanz am Bodensee, und
schifften in einigen Stunden ьber denselben nach Mцrsburg, erreichten darauf Ulm
und fuhren von dort die Donau hinab bis PreЯburg in Ungarn, nachdem sie zuvor
14 Tage in Wien geweilt hatten. Von PreЯburg ging ihr Weg nach Rosenberg in
Ober-Ungarn, woselbst ьberwintert wurde. Hier fanden ьber 30 ihr Grab durch
Krankheiten und Hilflosigkeit. Neue Ankцmmlinge stieЯen indeЯ wieder zu ihnen,
und durch sie vermehrt, brach der Zug im Jahr 1804 wieder auf, gelangte
glьcklich nach der Krim und lieЯ zuerst in der Umgegend von Feodosia auf einem
________________
(1) 1857: 52 Wirtschaften (210 Mдnner) auf 3185 Desj. und 5 landlose Familien
(95 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 42.
(2) Russischer Name: Dshaijlaw.
(3) Emil Kyber, geb. 12. Juli 1804 in Riga, besuchte die Muraltsche
Privatanstalt in Petersburg und darauf die Domschule in Reval. 1824-1831
studiert er Theologie und Philologie in Dorpat, wo er auЯerdem medizinische
Vorlesungen hцrte. 1831 wurde er in Petersburg zum Pastor der Gemeinde
Zьrichtal ordiniert, die er bis 1858 bediente, weil ihm, dem begeisterten
Naturwissenschaftler, die Krim besonders verlockend schien. Er starb 1873
als korrespondierendes Mitglied verschiedener gelehrter Gesellschaften, vgl.
Mitteilungen und Nachrichten fьr die evangelische Kirche in RuЯland, Bd. 63,
Riga 1910, S. 470 f.
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dem Herrn General von Schьz gehцrigen Gute (Karakoos) nieder(1). Die Krone
erstand aber noch in demselben Jahre das zwei Meilen davon gelegene tartarische
Dorf und Gebiet Dschailau, wohin zu Ostern 1805 die Schweizer ьbergesiedelt
wurden, und das nun, in der Erinnerung and die heimatlichen Thдler, den Namen
Zьrichtal erhielt, von Escher selbst aber und seinem Sohne, die bereits
abgereist waren, nie gesehen worden ist. Der Herr Major von Escher starb im
Jahre 1830 zu St. Petersburg.
Zьrichtal ist von der Natur in vielfacher Hinsicht begьnstigt. An dem
nordцstlichen Vorsprunge des taurischen Gebirges und dem auf demselben
entspringenden Bache Jendol(2) gelegen, ist es 2 Meilen von dem armenischen
Flekken Alt-Krimm, 5 Meilen von der Kreisstadt Feodosia und in entgegengesetzter
Richtung ebensoweit von Karassubasar(3) und dem groЯen sudaker Weinthale
entfernt. Von Osten her verdekt dem Wanderer eine lange, den Bach einfassende
Hьgelkette den Anblik des Dorfes, bis er an dem von Weingдrten unsдumten Abhange
derselben unmittelbar in dieses eintritt. Nach Westen hin liegt es frei und ist
auf Stunden weit schon sichtbar mit seinen roten Ziegeldдchern, die sich, einer
kleinen Stadt дhnlich, eine Werst lang an einander reihen. Mit freudiger
Ueberraschung weilt auf diesem heimatlichen Anblikke das Auge eines jeden
Deutschen. Gegen Norden grдnzt ein anmutiges Wдldchen von wilden Obstbдumen,
Rьstern, WeiЯ- und Silber-Pappeln daran, und im Sьden endlich entfaltet das
benachbarte Gebirge eine wahrhaft liebliche Schweizer-Landschaft. Am Bache
liegen Gдrten und Wiesen, die derselbe zum groЯen Nuzzen der Besizzer wдsssert,
wo er aber auch oft durch Ueberschwemmungen wie zulezt am 20. Juni 1847,
bedeutenden Schaden anrichtet. UeberdieЯ treibt er eine Mьhle, mit zwei Gдngen,
deren Einkьnfte zum Besten der Gemeinde verwendet werden. Das Dorf selbst
zerfдllt durch die in der Mitte desselben stehenden Haupt-Gebдude - das kleine
Kirchlein, das Pfarr- und Schulhaus und einigen anderen - in das so genannte
Ober- und Unterdorf, die beide durch eigene Springbrunnen mit frischem und
gesundem Wasser hinlдnglich versehen sind. Jeder Wirt hat einen gerдumigen
Hofplaz, den er mit Stallungen vortheilhaft bebauen kann, nach der StraЯe hin
mit einer steinerenen Mauer verwahrt und hie und da mit jungen Bдumen besezt
hat.
Das ist ein kleines Bild von Zьrichtals Lage in dem hoffnungsvollen Lichte der
Gegenwart! - Nur hier, am FuЯe der Berge, nahe dem schattenden Walde, am
rieselnden Bache, bei quellenden Brunnen, konnten Zьricher eine zweite Heimat
finden.-
Aber wie erging es nun den ersten zьrichthalern Ansiedlern vor 43 Jahren? Ach,
wohl nicht so gut, als ihren Nachkommen jezt! Die Krone hatte ihnen zwar Land
und auch einen VorschuЯ zum Bauen gegeben, jedoch war dieser bald verbraucht,
und die Wenigsten von ihnen verstanden etwas von der Landwirtschaft, da sie
daheim mit Baumwollespinnen und Seidewinden sich ihr Brod verdient hatten. Zu
arm, um sich gehцrig einzurichten, - einige Jahre fehlte es sogar an Aussaat, -
ohne Hдuser und Stдlle, wurden sie, unkundig der Landessprache, obendrein noch
________________
(1) = Karagoz, 18 Werst von Feodosija entfernt, vgl. Semenov-Tjan-Sanskij a.a.O.
Bd. 14, S. 800.
(2) = Mokryj Endol (Indol).
(3) = Karasubazar.
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betrogen, und vielfдltig bestohlen(1). Da konnten denn die Vдter nur mit Bangen
in die Zukunft blikken. Reue und Angst preЯte ihnen das Herz. Heimweh regte sich
in der Brust! Eltern hatten sich von ihren Kindern, Kinder von ihren Eltern und
Geschwistern gerissen, und nicht einmal einen Brief wuЯten sie in ihr Vaterland
zu senden!(2) und es war keine Aussicht da, auf einen rechtschaffenen
Geistlichen oder Schullehrer. So kam es denn, daЯ in wenigen Jahren die Hдlfte
der Einwanderer auf dem Gottesakker lag. Namentlich starben im Frьhjahr 1812
nahe an 40 erwachsene Personen am hizzigen Fieber; und zu arm, um den Todten
die lezte Ehre zu erweisen, wurden sie ohne Bahre und Leichenzug in Lumpen der
Erde ьbergeben. GewiЯ hдtte tiefes Mitleid alle Herzen im fernen Schweizerlande
zu milder Beisteuer aufgerufen, hдtte man die Not der Brьder in der Krimm
gekannt, die gern, gleich dem verlorenen Sohne, Knechte hдtten werden mцgen in
dem vдterlichen Hause, hдtten sie nur zurьk gekonnt(3).
Doch gelobt sei Gott, es wurde besser! Ein neues Geschlecht wuchs in der Jugend
heran. Sie erlernten die Landessprache, gewцhnten sich an des Landes Brauch und
Eigenthьmlichkeit, indem der Mangel sie hдufig zwang, bei Russen oder Tataren
sich zu verdingen, und es ist jezt nichts seltenes, daЯ ein Zьrichthaler sich
mit diesen in ihrer Mundart eben so gelдufig, als in der eigenen Muttersprache,
verstдndigt. Die Armut der Vдter brachte den Kindern den groЯen Gewinn, daЯ
sie, unter Entbehrungen und Beschwerden herangewachsen, Zufriedenheit und
Einfachkeit gelernt hatten, und auch die Zahl der bereits ausgestorbenen
Familien wurde im Jahre 1810 schon durch 25 aus der Molotschna herbeigerufene
Hausvдter, grцЯtentheils katholischen Bekenntnisses, ergдnzt(4).
Eine neue Epoche des Aufblьhens begann aber fьr unsere Kolonie mit dem Jahre
1822, als der erste Pfarrer derselben, Namens Heinrich Dietrich aus der Schweiz,
hieselbst ankam. Alles nahm einen andern Umschwung; Ordnung, Thдtigkeit,
Wohlstand traten ьberall hervor. Der Bau der kleinen Kirche war kurz vor
Dietrichs Ankunft vollendet. Nun stand alsbald ihr zur Seite das hьbsche
Pfarrhaus und die gerдumige Schule(5). Auch zwei kleinere Filial-Gemeinden
errichteten Kapellen zum gottesdienstlichen Gebrauche(6). Dietrich selbst
leuchtete ьberall mit gutem Beispiele vor, und rьgte mit ernster Strenge die
eingeschlichenen MiЯbrдuche(7). Besonders verdient machte er sich durch die
Verbesserung des kirchlichen Gesanges. Leider wurde er zu frьh sein
segensreiches Wirken, schon im Jahr 1827 in einem Alter von 33 Jahren durch den
________________
(1) Zusatz der Originalfassung: "ja einzelne sogar erschlagen".
(2) Zusatz der Originalfassung: "denn sie waren noch so unglьcklich, lдssige
eigennьtzige oder nicht gehцrig in ihre Lage eingehende Inspectoren zu
haben". Dieser Satz, der eine Kritik an den von der russischen Behцrde
eingesetzten Verwaltungsbeamten enthдlt, ist vom Herausgeber des
"Unterhaltungsblatts" wohl gestrichen worden.
(3) Ьber die regen Beziehungen zwischen den Wolgakolonien und der Schweiz vgl.
M. Woltner: Das wolgadeutsche Bildungswesen und die russische Schulpolitik.
Teil 1 Leipzig 1937.
(4) vgl. S. 47 Anm. 2.
(5) Die Dorfschule wurde 1812, noch ehe es einen Geistlichen in Zьrichtal gab,
gegrьndet. Bis in die 40er Jahre wurde sie von lutherischen und katholischen
Kindern in gleicher Weise besucht, vgl. Schulblatt fьr die deutschen
Kolonien in RuЯland. Monatsschrift zur Fцrderung der Schulwesens und der
Lehrerbildung. Hsgb. Matthias Schmidt. Jg. 1, Prischib 1912/13, S. 126 f.
(6) wohl Heilbrun und Sudak.
(7) Dieser Satz fehlt in der Originalfassung.
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Tod abgerufen(1); doch die Frucht seines Wirkens ist gesegnet geblieben bis auf
den heutigen Tag.
Ohne ihn wдre wohl Zьrichtal nimmer das geworden, was es jezt ist, die
vorzьgliche Kolonie in der Krimm. Die Hьtten der ersten Grьnder wurden durch
hьbsche und wohnliche Hдuser verdrдngt, und aus der Armut arbeitete sich
Wohlhabenheit hervor. Den Hauptnahrungszweig macht der Weizenbau, welcher einen
reichen Gewinn giebt. Der Viehbestand ist ansehnlich, auch GewerbsfleiЯ bildet
sich mehr und mehr aus(2). Einer Verbesserung bedьrfen noch der Wein- und
Obstbau. Zwar blieben Unglьksfдlle - wie 1822 bis 1825 Heuschrekken, und 1833
und 1834 MiЯwachs, nicht aus(3); dennoch scheint die Zukunft der Kolonie sicher
gestellt, da sie hinreichend mit gutem Lande versorgt ist und zweimal
Gelegenheit fand, angrдnzende Lдndereien vortheilhaft anzukaufen. 74 Wirte haben
an diesem Lande jeder einen feststehenden und zwar gleichen Antheil von etwa je
40 DeЯjatinen. Das Dorf wimmelt von Jung und Alt, und die Seelenzahl der
Evangelischen betrдgt allein 400, unter welchen nur noch wenige Personen von
jenen ersten Einwanderern sich befinden.
Nach dem Tode des unvergeЯlichen Dietrich bekleidete Pastor Kylius aus Baden die
Pfarrstelle drei und ein halbes Jahr(4), bis zu meiner im August 1831 hieselbst
erfolgten Ankunft.
Zьrichthal, den 7. Februar 1848. Probst E. Kyber,
Pastor zu Zьrichthal.
b.
Begleitschreiben des Zьrichtaler Gebietsamtes vom 21 Mдrz 1848
zu nachfolgendem Bericht der Gemeinde Zьrichtal an das
Fьrsorgekomitee". Abdruck der von J. Stach wortgetreu angefertigten
und im Sammelbesitz Georg Leibbrandt befindlichen Abschrift
aus dem ehemaligen Archiv des "Fьrsorgekomitees".
Ans hohe Fьrsorge Comitдt der auslдndischen
Ansiedler SьdruЯlands.
Aus dem Zьrichthaler Gebietsamte.
Rapport
Nachdem den Schulzenдmtern dieses Gebiets, die aus einem hohen Fьrsorge Comitдt
bei Vorschrift vom 19ten Januar d.J. N 62 erlassenen Cirkular Aufforderung[en],
________________
(1) Dietrich, der Basler Missionszцgling war, ist also nicht nach Basel
zurьckgekehrt, wie Th. Meyner in Mitteilungen und Nachrichten fьr die
evangelische Kirche in RuЯland, 63. Bd., Riga 1910, S. 463, behauptet.
(2) Angaben fьr das Jahr 1825 bei Rempel a.a.O. S. 24.
(3) Originalfassung: "Zwar vermehren sich auch die Abgaben jдhrlich und
Unglьcksfдlle - wie 1822 bis 1825 Heuschrecken, und 1833 und 1834 MiЯwachs -
bleiben nicht aus." Die Erwдhnung der ansteigenden Abgaben ist wiederum
unterdrьckt worden.
(4) Christian Friedrich Kylius ging 1831 nach Neusatz, wo er 1854 starb, vgl.
Mitteilungen und Nachrichten fьr die evangelische Kirche in RuЯland. Bd. 63,
1910, S. 467.
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wegen Abfassung einer geschichtlichen Beschreibung ьber die Entstehung und den
Fortgang ihrer Kolonien, zugeschickt worden sind, hat das Zьrichtaler seinen
Aufsatz dem Gebietsamte zugestellt, welcher einer hohen Fьrsorge Comitдt hierbei
unterlegt wird.
Oberschulz: Andreas GroЯ
Beisitzer: Friedrich Lьziger(1).
Zьrichtal 21ten Mдrz 1848.
c.
Bericht der Gemeinde Zьrichtal vom 20. Mдrz 1848. Abdruck der
im Sammelbesitz Georg Leibbrandt befindlichen Abschrift aus
dem ehemaligen Archiv des "Fьrsorgekomitees".
Nachdem der Herr Probst Kyber, laut dem Unterhaltungsblatte Nr. 3 im Februar
Monat d.J. eine Beschreibung ьber die Auswanderung der Schweizer-Kolonie, ihre
Reise, Ankunft in der Krimm, Ansiedlung auf dem tartarischen Dorfe Dschailau(2),
dessen Lage, Eigenschaften, anfдnglichen u. jetzigen Bestande eingereicht
hat(3), so sehen wir doch fьr nцtig, einige dazwischen gebliebenen Lьcken
auszufьllen. -
Nicht alle welche aus der Schweiz ausgewanderten u. die auf Reise sich noch
angeschlossen hatten, wurden auf dem Ansiedlungsorte ansдssig. Drei Familien
lieЯen in der Stadt Feodosia sich nieder, sieben gingen zu der Kolonie
Friedenthal ьber; mehrere ledige Handwerker deren Gewerbe in der Krimm noch
nicht im Gange war, gingen teils in das Innere des Reiches, teils in das Ausland
zurьck, 49 betraten den Standort.
Diesen wurde von der hohen Krone allergnдdigst ein, noch ьber ein Jahr
dauerndes, Nahrungsgeld verliehen, den erwachsenen Personen zu 10 u. den
Minderjдhrigen zu 5 Kopeken Banko tдglich. Ьberdem wurde zum Ankauf des Viehes,
Ackergerдte u. Hausbau jeder Wirtschaft 395 Rubel Assignation erlassen.-(4)
Diese Vorschьsse so gering sie jetzt manchen scheinen mцgen, hдtten in den
damaligen Zeiten die Bedьrfnisse, zu welchen sie bestimmt wurden, ziemlich
befriedigen kцnnen, wenn nicht andere Hindernisse dazwischen getreten wдren.
Neben dem Mangel hiesiger SprachkenntniЯ muЯte man noch den Charakter der
mahomethanischen Nation(5), neidisch auf die neuangekommenen Einwohner
hinblickend, bei manchen Vorfдllen, tief emfinden. Der wenigere Teil der
Ansiedler hatten KenntniЯ von der Landwirtschaft, u. diese Mitgebrachte konnte
________________
(1) Am 14. Mai 1848 unterzeichnet ein Heinrich Lьziger als Beisitzer des
Zьrichtaler Gebietsamtes, vgl. S. 51.
(2) russisch: Dshaijlaw.
(3) vgl. oben S. 41-44.
(4) Wдhrend im 18. Jh. die sich in NeuruЯland niederlassenden deutschen
Kolonisten nur die Hдlfte der den Mennoniten bewilligten Geldzuwendungen
erhielten (vgl. Zapiski Odesskogo Obscestva Istorii i Drevnostej. Bd. 2,
1848, S. 661-663), wurde ihnen am 20. Februar 1804 eine Unterstьtzung von 10
bzw. 6 Kop. wдhrend der Reise, 10 bzw. 5 Kop. nach der Ankunft bis zur
ersten Ernte und von 300 Rbl. zur Errichtung der Wirtschaft zugebilligt,
vgl. I PSZ Bd. 28 Nr. 21163, doch sind auch hцhere Betrдge damals gezahlt
worden.
(5) gemeint sind die mohamedanischen Tataren.
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hier nicht ganz ьblich angenommen werden(1). Die Kolonial-Obrigkeit vermochte
nicht ьber alles in ihren Vorschriften Rat zu geben und kein anderer war nicht
vorhanden. Die 25 vorgefundenen tartarischen Hдuser von Flechtwerk waren, bei
der дrgsten Zusammendrдngung zuwenig, die angekommenen Familien aufzunehmen;
deshalb muЯten Manche in Stдllen, die nur einiger MaЯen gegen Wind u.
Sonnenschein schьtzten, Herberge nehmen, denn in eben demselben Jahre die
eigenen Hдuser aufzufьhren, war eine ganz unmцgliche Sache. Dieses war in
gesunden Tagen und bei warmer Jahreszeit leidlich, aber der Sommer verstrich u.
noch schneller verlor sich die Gesundheit; Kalte Wechselfieber u. andere Anfдlle
traten an ihre Stelle, legten manche zahlreiche Familien ohne eins dem anderen
warten zu kцnnen, aufs Lager u. endlich ins Grab. - So am Rande desselben
stehend, hat manche Seele noch nach geistlicher Speise u. Trost fьr sich u. die
Seinigen geschmachtet, aber auch dieses muЯten sie entbehren, denn nur einmal
jдhrlich hatte ein Besuch des damaligen H. Pastors Biller aus Josephsthal(2)
statt. Und wie armselig es bei dessen Ankunft herging; Jede nur Krankenfreie
Wohnung, mochte sie im ьbrigen auch noch so elend aussehen, muЯte die Stelle der
Kirche vertreten. In der Zwischenzeit wurden geistliche Verrichtungen, das Heil.
abendmahl ausgenommen, von Geistlichen anderer Konfessionen, auch hдufig von
Laien verrichtet. Kurz, die Kolonie Zьrichthal war mehr als die ьbrigen
Krimmschen Kolonien mit Krankheiten behaftet. Ob solches Folgen des Tales, in
welchem nicht selten, mehr als anderwдrts ein Nebel ruht, und des nahe am Dorfe
statt gehabten Sumpfes (jetzt durch Graben abgeholfen in Gдrten verwandelt)
waren, lдЯt sich mit GewiЯheit nicht bestimmen.
So verstrichen die 3 ersten Ansiedlungsjahre und nur wenige, welche minder mit
Krankheiten befallen wurden, gelangten um Aufbau ihrer Hдuser u. zur Bestellung
des zum eigenen Bedarf, erforderlichen Ackerbaues.-
Das unter den Anderen nicht auch solche waren, die nicht aus Wiederspenstigkeit
gegen die Vorgesetzten, sondern in Folge ihrer Unkunde in der Landwirtschaft,
Mangel an Betriebsamkeit aller Ermahnungen der hцheren Kolonial-Behцrde
ungeachtet - spьren lieЯen, ist nicht zu leugnen, deswegen auch die Letztere es
unmцglich bei Ermahnungen konnte bewendet lassen, sondern zu Ahndungen,
verbunden mit Milde greifen muЯte.
Jeder der sich in jene Zeiten noch versetzen kann, muЯ mit der gerьhrtesten
Bewunderung u. dem wдrmsten Danke die groЯe Langmut unserer Monarchi[e], die,
benachrichtigt von dem hoffnungslosen Zustand dieser Kolonie, teils aus den
Berichten der niedern Vorgesetzten, teils von den Auskьnften mehrerer anderer
die Kolonien bereisenden hohe Staatspersonen - dennoch nicht mьde ward, und mit
vдterlicher Geduld zu tragen, anerkennen. -
Im Jahre 1810 da der Mehrteil der Hдuser, jedoch sehr einfach und mit Schilf
bedeckt, erbaut war, hatte sich die Volkszahl, der Viehzustand u. der Ackerbau,
ursдchlich des oben erwдhnten u. der bis zu diesem Jahre schon zum 2ten Mal
________________
(1) Am 20. Februar 1804 machte die russische Regierung die Feststellung, daЯ
Escher ohne Auswahl angeworben hatte, vgl. I PSZ Bd. 28, Nr. 21163.
(2) vgl. S. 27 Anm. 7.
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eingetretenen Viehseuche, noch wenig erhoben. Des Landes war daher ьberflьssig,
man konnte an Auswдrtige Ackerland, Futter und Weideplдtze vermieten, jedem
Einwohner war es um so weniger verwehrt, so viel er konnte zu ackern, Vieh zu
halten u. Futter zu sammeln. Mehreren Kolonisten anderer Kolonien wurden
ausgestorbene Feuerstellen ьberlassen; 25 Familien derer im Jahre 1809 in
Jekaterinoslaw u. an Molotschna ьber Winter gelegene Einwanderer, mehrteils
Katholiken, wurden als Mitbьrger angenommen, u. so vermehrte sich die Kolonie
auf 74 Wirte(1).
Bei allen den niedrigen Zustдnden in welchen sich die Kolonie derzeit noch
bestand, hatten diese Neuankцmmlinge noch manchen Vorteil; sie fanden bessere
Beobdachung als die alten, Letztere konnten ihnen schon mit der Landessprache
u. manch anderer Anleitung zu Hьlfe kommen, obgleich auch der Mehrteil von
Krankheiten nicht frei blieb. -
Ein unverbesserlicher Fehler(2) wurde bei letzterer Vermehrung dieser Kolonie
darin begangen, daЯ nicht bedacht wurde: zwei Konfessionen werden in Hinsicht
auf den Lehrstandunterhaltung auf immerwдhrend jeder Partei kostspielig werden.
Besonderes wachte die Vorsehung ьber und bei der anno 1812 ausgebrochenen
hitzigen Krankheit, daЯ sie im Frьhjahr und nicht im Herbst oder Winter
desselben Jahres grasierte, weil in letzterer Zeit die Pest in diesem Kreise, ja
sogar in einem tartarischen Dorfe nur 2 Werst von Zьrichtal, herrschte;
unausbleiblich wдre die Kolonie im entgegengesetzten Falle gesperrt worden, u.
das gleichsam glimmende Emporkommen, hдtte gewiЯ neue Rьckfдlle erlitten. -
Nach diesem Zeitraume fing an gleichsam eine neue Periode zu beginnen, die
Krankheiten verloren sich, nach und nach kam Jugend zur Hьlfe auf, u. andere in
ersterer Zeit stattgehabten Mдngel beseitigten sich, durchgдngige Viehumfдlle
zerrьtteten nicht mehr den zunehmenden Zustand desselben, der Ackerbau wurde
versterkt u. Gott schenkte sein Gedeihen. Der beinahe entschlafene Sinn fьr
Religion wurde in manchen Herzen reger u. vor Ablauf des zweiten Jahrzehnt wurde
zum Aufbau der jetzt noch bestehenden Kirche geschritten, welche von dem
damaligen Generalsuperintendenten Bцttiger in Odessa(3) im Jahr 1820 noch ehe
ein eigener Geistlicher dazu angestellt war - eingeweiht wurde.
Auch das 3te Jahrzehnt welches fьr die Krimm und namentlich fьr diesen KreiЯ,
hinsichtlich der Heuschrecken, bedeutenden Nachteil brachte, konnte dieser
Kolonie beiweitem das nicht anhaben was der tartarischen Nation, von welchen
sich unterdessen viele zu Knechten u. anderen Arbeitern auch fьr die deutsche
hergeben mьssen. -
Schon in dieser Zeit fьhlte man den Landmangel. Man sah sich genцtigt um dem
vermehrten Viehzustand in der Nдhe Weide zu verschaffen, den Ackerbau auf
fremden Gьtern bestellen. Jetzt wurde man, eingedenk des wohlmeinenden u.
hoffnungsvollen Rats des zu seiner Ruhe eingegangenen H. Contenius damaligen
дltesten Richter des Jakaterinoslawschen Tutil Comptoirs "verдuЯert kein Land u.
keine Wirtschaften"(4).
________________
(1) 1857: 31 Wirtschaften (280 Mдnner) auf 1912 Desj. und 51 landlose Familien
(106 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 42.
(2) Der im 18. Jh. von der russischen Regierung befolgte Grundsatz, die
einzelnen Konfessionen getrennt voneinander anzusiedeln, wurde zu Anfang des
19. Jh. nur in den Mennonitendцrfern, die ja eine Sonderstellung einnahmen,
beachtet.
(3) vgl. S. 66 Anm. 4.
(4) Ein Verkauf des von der russischen Regierung eingerдumten Landes war nicht
erlaubt. Trotzdem kam es in den deutschen Dцrfern der Krim hдufig zu
Wirtschaftsьbergaben mit Erlaubnis der Gemeinde und der ihr vorgesetzten
Behцrde unter der Voraussetzung, daЯ der neue Wirt die auf dem Hof lastenden
Kronsschulden mit ьbernahm. In dieser Beziehung sind die vorliegenden
Berichte sehr aufschluЯreich.
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Besonders wohl zu statten kam in Hinsicht der Benutzung das angrenzende Landgut
eines gewissen Katokowski(1) 1300 Dessetinen. Nach einigen Pachtjahren wurde es
sogar zum Verkauf angeboten. Fьhlbar schwach dieses zu unternehmen, aber die
dringende Notwendigkeit u. die Ьberzeugung von der Einsicht dieses Bedьrfnisses
unserer hohen Kolonial-Behцrde, so wie nicht weniger deren unverkennbare u.
aufopfernde Bereitwilligkeit fьr das Wohl ihrer Untergebenen alles mцgliche zu
tun, machte uns Mut sie auch in diesem Falle um Hьlfe anzuflehen, und wir
blieben nicht ohne Erhцrung(2). Ihre Unterlegung wurde dergestalt gekrцnt, daЯ
Seiner Majestдt unser allergnдdigster Herr u. Kaiser die Gnade hatte zu geruhen
u. zum Ankauf erwehnten Landes die nцtige Summe auf 10 Jahre mit gesetzlichen
Prozenten anzuleihen.
Dieses war der Fund zu Zьrichthals jetzigem wohlbesorgtem Zustande, ohne diesen
wдren sie zu schwach geblieben zehn Jahre hernach aus eigenen Krдften noch 1500
Dessetinen anzukaufen. Wem gebьhrt nun die Ehre? Nicht uns, sondern dem Herrn,
seinem Gesalbten u. der unmittelbar ьber die Ansiedler gesetzten Behцrde. Darum,
ihr Mitbьrger Zьrichthals, die ihr frьher oder spдter alles dieses hцret oder
leset, erwiedert auch ihr noch durch willige Lenksamkeit u. eifrigem Gehorsam
das Gute welches unsere Vдter von der gnдdigen Regierung RuЯlands genossen
haben, u. dessen ihr jetzt selbst teilhaft worden seit. Macht euch eures
jetzigen Vaterlands wьrdig, damit auch die Beschlьsse welche von dem Staate
desselben immer zum Untertanenwohl abzwecken, sich auch auf euch herabsenken
kцnnen.
Kolonie Zьrichtal d. 20ten Mдrz 1848
Schullehrer: B. Fried. Pfeiffer(3) Schulz: Anton NuЯ
Beisitzer Rudolf Dubs(4)
2. Heilbrunn(5)
a.
Begleitschreiben des Heilbrunner Schulzenamts vom 5. April 1848
zu nachfolgendem Bericht an den Vorsitzenden des
Fьrsorgekomitees". Abdruck der im Sammelbesitz Georg Leibbrandt
befindlichen wortgetreuen Abschrift aus dem ehemaligen Archiv
des "Fьrsorgekomitees".
An Seine Exelenz den Herrn Staatsrat von Hahn vom Heilbrunner Schulzenamt.
________________
(1) = Kachowskoj?
(2) vgl. S. 31 Anm. 2.
(3) Bernhard Friedrich Pfeifer, geb. am 23. September 1793 in der Schweiz,
gestorben am 1. Dezember 1875 in Zьrichtal, kam 1805 mit seinen Eltern nach
RuЯland, 1812-1849 wirkte er als Dorfschullehrer bzw. Kьsterlehrer, auЯerdem
auch noch bis zum 4. Juni 1871 als Gemeindeschreiber in Zьrichtal. Vgl.
Schulblatt fьr die deutschen Kolonien in RuЯland. Jg. 1, Prischib 1912/13,
S. 126 f.
(4) Im Mskr. noch der Zusatz: (Duebs?).
(5) Russischer Name: Temesch=Eli.
Page 49
Rapport
Anbei ьbersendet Sr Exilenz das Heilbrunner Schulzenamt gehorsamst u.
untertдnigst unter beigeschriebener No die kurzgefaЯte geschichtliche Ьbersicht
der Grьndung u. des Bestehens der hiesigen Kolonie.
Kolonie Heilbrun den 5ten April 1848 Schulz: Heinrich Stoll
Beisitzer: Jacob Weber
Jacob Stoll
b.
Bericht der Gemeinde Heilbrunn vom 2. April 1848. Abdruck der
im Sammelbesitz Georg Leibbrandt befindlichen Abschrift aus
dem ehemaligen Archiv des "Fьrsorgekomitees".
Die Kolonie ist gegrьndet worden 1805 am 5ten Juli an welchem Tage sich die
Einwanderer daselbst niederlieЯen.
Zur Anlegung der Hдuser aber wurde erst im folgenden Jahre geschritten u. der
Bau derselben 1807 vollens zu Stand gebracht.
Durch Unerfahrenheit u. Mangel an der Landessprache, wurden die
Neueingewanderten am Bau der Hдuser sehr betrogen, denn in wenigen Jahren kam es
so weit, daЯ selbige einfielen u. aus schwachen Mitteln andere an ihrer Stadt
gebaut werden muЯten.
Das Land auf welchem die Kolonie sich befindet heiЯt ursprьnglich Uternisch-
Eli(1) u. gehцrte einem Tatar Mursa(2), Namens Addey(3). Sie ist gelegen an
einem kleinen Bache, dem sogenannten trockenen Jeindol(4). Die Entfernung der
Gouvernementsstadt Simpheropol betrдgt 80 Werst, die der Kreisstadt Feodosia 30
Werst, die des nдchsten Stдdtchens Alt-Krim 10 Werst.
Der Boden des hiesigen Landes besteht zum grцЯten Teil aus einem Gemisch von Kis
u. Lehm u. nur wenige Stellen enthalten Schwarzerde. Im ganzen sind zwei
Dritteln des den Kolonisten zugewiesenen Landes als brauchbar, ein Drittel
dagegen wegen seines steinigen Gehaltes, als weniger brauchbar zu betrachten(5).
An der Abendseite des Dorfes, das seit 1823 eine schцne Kirche u. seit 1844 ein
freundliches Schulhaus besitzt, befindet sich 25 Dessetinen groЯ[r]
Gemeindegarten der, halb mit Bдumen halb mit Weinreben bepflanzt, ein
vorteilhaftes Einkommen dem betriebsamen Landmanne gewдhrt. Dieser Garten sah
frьher, als die Deutschen ankamen, einer WildniЯ gleich.
________________
(1) = Temesch-Eli?
(2) d.h. einem Angehцrigen des niederen tatarischen Adels.
(3) Der Name lieЯ sich nicht feststellen.
(4) = Mokryj ("Feuchter") Endol (Indol).
(5) Die Unterscheidung: "taugliches" und "untaugliches" Land wurde auch bei der
Steuererhebung gemacht, als die Kolonisten nach Ablauf der Freijahre mit
einer Landsteuer belegt wurden.
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Die Wirte der Kolonie haben wдhrend der Zeit ihrer Ansiedlung wegen Mangel an
gutem Lande bestдndig sich bemьht andere in der Nдhe gelegenen Lдndereien zu
erwerben(1). Zuerst im Jahre 1839, da ihnen Gott Krдfte schenkte, kauften sie
ein Gut von 700 Dessetinen Namens Kijana(2), von einem russischen Besitzer. -
Darauf im Jahre 1844 kauften sie wieder ein Gut Islamdermt(3) genannt von dem
Staatsrat Kajefsky(4); groЯ 1350 Dessetinen. Auf welches sich bereits schon
einige der Eigentьmer ьbersiedelt haben u. daher den Namen Neudorf erhielt.
Endlich im laufenden 1848sten Jahre hatten sie Gelegenheit 344 Dessetinen die an
Neudorf grenzen von den Neusatzer Kolonisten Ballthasar Wiedemeyer sich kдuflich
anzueignen. Diese drei Gьter haben die Summa von 56.000 Rubel Banco, gekostet.-
Der Ursprung der Benennung der Kolonie ist auf Veranlassung des, in der Mitte
derselben sich befindenden Springbrunnens gegeben worden, weshalb die Ansiedler
sich vereinigten ihrem Dorfe den ihnen schon von der Heimat her bekannten Namen
Heilbrun zu geben. -
In der Kolonie lieЯen sich 40 Familien nieder, allesamt Auswanderer aus dem
Kцnigreiche Wьrtenberg, grцЯtenteils aus der Umgegend von Stuttgart(5).
Die Heilbrunner wanderten in zwei Partien aus; die Erste am 4ten Juni 1804 hatte
einen Mann Namens Schopf zum Anfьhrer gewдhlt. Die zweite welche den 14 Juni
1804 auszog, hatte gleichfalls einen Vorsteher Namens Gьnthner. Beide Partien
kamen ungefдhr zur nдmlichen Zeit nдmlich ausgangs September in Odessa an und
brachten daselbst den Winter Zu. -
Ihre Reise aus Deutschland ging zunдchst nach Ulm und Lauingen von wo sie sodann
weiter auf der Donau bis nahe von Wien fuhren u. von dort zu Lande durch
Oestereich bis nach Brody. Nicht weiter von diesem Orte betraten sie bei
Kisiwill(6) die russische Grenze und gelangten darauf ьber Tultschin, Balta,
Jampol u. Tiraspol am Dniester nach Odessa. Gleich an der russischen Grenze
bekamen sie von der Krone Tagegeld, erwachsene Personen zu 10 Kop., Kinder zu 5
Kop. Banco(7). -
Von Odessa reisten sie 1805 den 25ten Mai zu Schiffe nach Kaslow(8) an der
Krimmschen Kьste und kamen nach einer sehr stьrmischen u. gefahrvollen Ьberfahrt
in etwa zweimal vier u. zwanzig Stunden am genannten Orte an.
Darauf ging der Weg nach Simpheropol, wo sie eine geraume Zeit sich aufhalten
muЯten, bis sie endlich 1805 den 4ten Juli an dem Ort ihrer neuen Ansiedlung
eintrafen.
Noch besonders verdient bemerkt zu werden, daЯ sie von Odessa aus, sich der
besonderen Fьrsorge des damaligen Kriegsgouverneur Herrn von Richelieu(9) zu
erfreuen hatten.
________________
(1) vgl. hierzu Klaus a.a.O. Beilage 7.
(2) Der Name lieЯ sich nicht ermitteln.
(3) Nach Keller a.a.O. Bd. 1, S. 41: Islam Terek (Neudorf), 1446. Desj.
(4) = Kachowskoj?
(5) 1857: 17 Wirtschaften (125 Mдnner) auf 1946 Desj. und 21 landlose Familien
(111 Mдnner) vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 42.
(6) = Radziwittow.
(7) vgl. I PSZ Bd. 28, Nr. 21163.
(8) Kozlow, vgl. S. 30 Anm. 1.
(9) vgl. S. 35 Anm. 1.
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Die Steppe, auf welcher die Einwanderer sich niederlieЯen, war bei ihrer
Ankunft von Tataren besetzt die ihnen ihre Hьtten und Stallungen abtreten
muЯten.
Von dem Auslande waren es nur wenige welche noch etwas Geld mitgebracht hatten,
denn sie hatten verschiedene Auslagen auf der Reise fьr die meisten Ьbrigen bis
zur Ankunft auf den bestimmten Platz.
Diese ihre Auslage erstattete ihnen die Krone wieder, gab aber doch gleichfalls
ohne Abzug die allgemeine VorschuЯ Summa, welche auf die Familie 370 Rubel Banco
betrug(1).
Epidemische Krankheiten haben nicht geherrscht. Im Jahr 1807 raffte das hitzige
Fieber viele Personen weg! Ja sogar ganze Familien starben aus.
Ihr Wohlsein u. dir gьnstigen Verhдltnisse haben die Gemeindeglieder nur der
weisen und gьtigen Vorsehung Gottes zu verdanken.
Zur Fцrderung der Landwirtschaft u. des Weinbaues haben sie viel der Mittwirkung
der ihnen stets gьtigen u. alles zum Besten leitenden Obrigkeit zu danken.
Heilbrun den 5ten April 1848
Schullehrer: Georg Mьller Schulz: Heinrich Stoll
Beisitzer: Jacob Weber.
Jacob Stoll.
3. Sudak
a.
Begleitschreiben des Zьrichtaler Gebietsamts vom 14. Mai 1848
zu den nachfolgenden Berichten. Abdruck der im Sammelbesitz
Georg Leibbrandt befindlichen Abschrift aus dem ehemaligen
Archiv des "Fьrsorgekomitees".
An eine hohe Fьrsorge Comitet ьber die Kolonisten SьdruЯlands Aus dem
Zьrichthaler Gebietsamte
Rapport
Nachdem das Dorfschulzenamt Sudack hiesigem Gebietsamte seinen Aufsatz ьber die
Grьndung derselben Kolonie zustellte, hat solches die Ehre denselben einer hohen
Fьrsorge Comite zu unterlegen.
Ьber die Kolonie Herzenberg, welche zur Verfassung einer geschichtlichen
Beschreibung der Entstehung ihrer Kolonie der erforderlichen Mдnner ermangelt,
hat das Gebietsamt - um der Verordnung einer hohen Fьrsorge Comite einigermaЯen
Folge zu leisten - von sich aus, eine mцglichst grьndliche Ьbersicht entworfen,
welche ebenfalls sich hier anschlieЯt.
Oberschulz: And. Graz (Groz?)(2)
Beisitzer: Heinrich Lьziger
Zьrichthal den 14ten Mai 1848
________________
(1) Wie die vorliegenden Berichte erweisen, wurden die VorschuЯgelder nicht
einheitlich gezahlt.
(2) wohl Andreas GroЯ, vgl. S. 45. Das Schreiben vom 21. Mдrz 1848 aus dem
Zьrichtaler Gebietsamt hat ein Friedrich Lьziger als Beisitzer
unterschrieben, vgl. S. 45.
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b.
Bericht der Gemeinde Sudak vom 18. Mai 1848. Abdruck der
im Sammelbesitz Georg Leibbrandt befindlichen Abschrift aus
dem ehemaligen Archiv des "Fьrsorgekomitees".
Im Jahr 1803 im August Monat sammelten sich gegen 15 Wьrtemberger Familien an 40
Seelen, unter den von ihnen vorgesetzten Herrn von Ziegler(1) von St.
Petersburg, u. reisten zu Lande bis Ulm, wo sie mehrere neue Ankцmmlinge von
verschiedenen Stationen zu ihnen stieЯen. Durch sie vermehrt wurden sie
eingeschifft, u. fuhren den Donau FluЯ durch Bayern, Ungarn u. Tьrkey bis nach
Galatz. Von Galatz ging ihr Weg zu Lande durch die Moldau nach Dubasar(2) auf
die russische Grenze wo sie 8 Tage Karantaene halten muЯten(3). Von Dubasar
brach der Zug wieder auf u. gelangten glьcklich in Odessa an, wo ьberwintert
wurde. Schon in Odessa trennten sich einige Familien von dieser Partei, was
Handwerker waren suchten ihr Unterkommen in verschiedenen Stдdten, u. eine
Familie ist von Odessa aus wieder zurьckgereiЯt nach ihr Vaterland. Im Frьhjahr
1804 wurden die ьbrigen Familien, wie viel an der Zahl, welche niemand anzugeben
weiЯ, bei Odessa wieder eingeschifft u. gelangten in 8 Tagen bei Kaslow(4) an.
Von dort ging ihr Weg wieder zu Lande bie in die Kolonie Neusatz in der Umgegend
zwischen der Gubernial-Stadt Simpheropol u. Karassubasar, woselbst wieder
ьberwintert wurde. In Neusatz wurde publiziert, wer Luft hat als Weingдrtner
nach Sudack sich zu begeben, soll sich melden; also haben sich gemeldet 9
Wьrtemberger Familien, u. eine ьberrheinische. Zum Frьhjahr 1805 ging sodann der
Zug nach Sudack, wo ihnen von seiner Exelenz den Herrn Kriegs Gouverneur
Richelieu, eine halbe Werst vom Schwarzen Meer bei die Festung(5) zur
Niederlassung u. zwischen der Festung u. dem Tale liegende Kronsland in Betrag
von 260 Dessetinen zum Weinbau angewiesen wurde, wo niemals kein Rebstock
gestanden hat. Hдuser fanden sie zu ihrer Aufnahme keine, sondern Erdhьtten,
worin Invaliden wohnten, welche die Einwanderer von ihnen gekauft hatten um
darinn zu wohnen, bis die Hдuser - zu welchem die hohe Krone jedem 215 Rubel
Banko allergnдdigst erteilte(6) - aufgebaut waren. Eben so wurde auch zum Ankauf
des nцtigen Viehes jedem Wirt 160 Rubel Banko VorschuЯ verabfolgt. Ihre eigenen
Mittel, welche sie vom Auslande mitgebracht hatten, hatten sie an barem Gelde
nicht, blos etwas Mobilien. Auf dieser Reise vom Auslande wurde ihnen von der
hohen Krone in jeder Stadt verabfolgt Nahrungsgelder auf die Seele tдglich 30
Kreuzer nach Wьrtemberger Mьnze gerechnet. Diese Ereignisse welche auf das
________________
(1) vgl. S. 29 Anm. 3.
(2) = Dubossary
(3) vgl. S. 29 Anm. 5.
(4) = Kozlow, vgl. S. 30 Anm. 1.
(5) d.h. bei Sudak. Griechen, die Sugdaia im 3. Jh. grьndeten, legten hier eine
Weinbaukultur an. Sie erreichte eine beachtliche Hцhe in der ersten Hдlfte
des 15. Jh. unter den Genuesen, geriet aber wдhrend der Tьrkenzeit in
Verfall Nach Einverleibung der Krim schuf die russische Regierung 1804 in
Atschikljar bei Sudak unter der Leitung von Peter Pallas eine Schule zur
Fцrderung des Weinbaus. 1809 wurde diese nach Pallas Fortgang unmittelbar
dem Gouverneur von Taurien unterstellt, vgl. Semenov-Tjan-Sanskij a.a.O. Bd.
14, S. 788 f.
(6) Vgl. S. 106 Anm. 1.
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Schicksal EinfluЯ hatte, seit der Ansiedlung, so hat diese Gemeinde einige Jahre
viel Schaden gelitten durch Heuschrecken; wie auch noch zuletzt im Jahr 1845
acht Weingдrten beschдdigt haben. Verlust an Wein 830 Eimer, an Werth 592 Rubel
85 Kop. Silber. Den Hauptzweig ihres Wohlseins hat diese Gemeinde dem Weinbau zu
verdanken. Ackerland zum Fruchtbau haben sie nicht.
Die Kolonie Sudack hat die Benennung nach dem 2 Werst entlegenen Flecken Sudack,
allgemein genannt (auf der Festung) ist von Natur in vielen Hinsichten mitt
begьnstigt. Ringsumgeben mit hohen Steinfelsen, Absturtz u. Schluchten u.
groЯen Mangel an Wasser die Weingдrten zu wдssern. 2 Werst ist die Kolonie von
dem Sudacker groЯen Weinthal entfernt, welches die Gutsbesitzer und Tataren in
Besitz haben. 8 Werst vom Tataren Dorf Taraktasch, 30 Werst von dem armenischen
Flecken Alt-Krimm, 50 Werst von der Kreisstadt Feodosia, u. in entgegengesetzter
Richtung 60 Werst von Karasubasar u. 101 Werst von der Gouvernementsstadt
Simpheropol. 8 Werst von der Kolonie nach Nordost hat diese Gemeinde zu ihrem
Behuf 557 Dessetinen Wald von wilden Obstbдumen; Eichen, WeiЯbuchen, Eschen,
WeiЯdorn u. MaЯholder. In diesem Walde hat auch ein jeder Wirt etwas Heuflur fьr
sein Vieh. Bei der Landmessung 1819(1) wurde der Kolonie das erwehnte zwischen
der Festung u. dem Tale liegende Kronsland auch zugemessen. Dieses Land ist zur
Kultur wenig geeignet, indem es grцЯtenteils felsigen salpeterhaltigen Boden u.
unzдhlig viele zerrissene Schluchten u. absturze enthдlt, so daЯ etwa nur gegen
10 Dessetinen, ohne ьbermдЯige Kosten, zu Weingдrten benutzt werden kцnnen.
Alles ьbrige so gering auch der Wert derselben sein mag u. eine so hцchst
spдrliche Weide es wehrend zweier Monate des Jahres im April u. Mai liefert, ist
gleich wohl fьr die Dorfgemeinde unentbehrlich zum Viehtrieb.
Im Jahr 1830 wurde dieses Land der Gemeinde abgenommen u. die Kronsgrenze hart
um die Hдuser des Dorfes gezogen so, daЯ sie zum Viehaustrieb dieses Land alle
Jahre pachten muЯten. Im Jahre 1847 ist es zum Verkaufen eingeteilt und feil
getan worden, am 30. Mai ist es im taurischen Reichsdomainenhof цffentlich
versteigert worden, wovon diese Gemeinde auch ein Teil von dem nahe um die
Kolonie liegenden Lande gesteigert hat, welches aber noch nicht zugemessen
ist(2).
Wenn sie dieses Land verlieren, so ist die Kolonie sehr eingeschrenkt, da sie
ohne solches keinen Hof erweitern, kein Stьck Vieh halten, viel weniger ihre
Weingartenanlage vermehren kцnnen. Von Osten nach Westen geht nur ein Weg zum
ein u. ausfahren in diese Kolonie zwischen Absturzen und Schluchten, verdeckt
dem Wanderer den Anblick des Dorfes bis er nahe herankommt u. unmittelbar in
dieses hineintritt. Am Ende des Dorfes nach Westen auf einer Anhцhe stehen die
________________
(1) 1818 meldete Inzow (vgl. S. 108 Anm. 3) nach Petersburg, daЯ den Kolonisten
das Land nicht nach Familien zugemessen sei, woraus sich Schwierigkeiten bei
der Steuererhebung ergдben, und bat um die Entsendung von 6 Landmessern zur
Durchfьhrung einer Landumteilung in den Kolonien. Bei der Bestдtigung dieses
Memorials дuЯserte der Zar den Wunsch, daЯ alles ьberschьssige Land fьr
neuankommende Kolonisten zu reservieren sei. Gleichzeitig wurde ein Ankauf
neuer Lдndereien fьr diesen Zweck vorgesehen, vgl. I PSZ Bd. 35, Nr. 27401,
9. Juli 1818.
(2) wohl 225 Desj., vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 42.
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Hauptgebдude: eine Kapelle zum Behuf des Gottesdienstes u. nicht weit davon, ein
neu aufgebautes Schulhaus, ohne die anderen Gebдude welche von Feldsteinen
aufgebaut mit roten Dachziegeln gedeckt sind. Nach der StraЯe hin sind die Hцfe
mit einer steinernen Mauer verwahrt u. hie und da mit jungen Bдumen besetzt.
Mitten im Dorf ein Springbrunnen, der mit frischem und gesundem Wasser
hinlдnglich versehen ist.-
Das ist ein kleines Bild von Sudacks Lage in dem hoffnungsvollen Lichte der
Gegenwart. Nur hier am schwarzen Meer, bei der alten Ruine einer genuesischen
Festung konnten Wьrtemberger eine zweite Heimat finden.
Die Kolonie Sudack welche im Jahr 1805 aus zehn Wirtschaften bestand, zдhlt
jetzt an 20 Familien, unter welchen nur noch wenige Personen von jenen ersten
Einwanderern sich befinden(1).
Sudack den 18. Mai 1848 Schulz: Michael Gegelmann
Beisitzer: Friedrich GroЯ
Schullehrer: Chr. Heine
4. Herzenberg(2)
Bericht des Zьrichtaler Gebietsamts ьber die Kolonie
Herzenberg vom 14. Mai 1848. Abdruck der im Sammelbesitz
Georg Leibbrandt befindlichen Abschrift aus dem ehemaligen
Archiv des "Fьrsorgekomitees".
Diese Kolonie wurde um die nehmliche Zeit wie die Kolonie Neusatz auf Verlangen
des damaligen Stadthalters in Feodosia Herrn General v. Fensch(3) gegrьndet; sie
bestand ursprьnglich aus verschiedenen Gegenden Deutschlands herstammenden, aus
Odessa zu Wasser mit denen in Neusatz angekommenen sieben Familien.
Diese Kolonie liegt 2 Werst von der Seestadt Feodosia, auf einer Flдche in
halber Hцhe des, diese Stadt umgebenden Gebirges, so aus дlteren Zeiten, Spuren
von Wohnungen und Wasserleitungen waren.
Der Zweck, welchen der Grьnder beim Anlegen dieser Kolonie hatte, war: der Stadt
Feodosia, die damals sich anfing zu einer Handelsstadt zu erheben(4),
________________
(1) 1857: 5 Wirtschaften (13 Mдnner) auf 300 (+225) Desj. und 11 landlose
Familien (65 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 42.
(2) vgl. S. 51.
(3) Andreas Fenshaw (1757-1827) hatte so enge Beziehungen zum Deutschtum, daЯ er
1801-1803, als er Kriegsgouverneur von Kiew war, dem Kirchenrat der dortigen
evangelischen Gemeinde vorstand. Das Amt eines Stadthauptmanns, nicht
Statthalters, von Feodosija bekleidete er in den Jahren 1804-1809, vgl. N.
Neese: Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Kiew, Kiew 1882,
S. 74, und Russkij Biograficeskij Slovar s.v.
(4) Feodosija, das alte Kaffa, kam 1774 an RuЯland und wurde 1798 auf 30 Jahre
zum Freihafen erklдrt. Seit 1802 Kreisstadt, hat es trotz ernstlicher
Bemьhungen der russischen Regierung vor 1892, als es an das Eisenbahnnetz
angeschlossen wurde, keine grцЯere handelspolitische Bedeutung besessen,
vgl. Semenov a.a.O. Bd. 5, S. 424 f.
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Kьchengemьse zu verschaffen, weil in jener Zeit die Krimm noch wenig bewohner
anderer Nationen als Tartaren hatte; die sich nur mit einfachem Ackerbau
begnьgten. H. Fensch verordnete fьr die neue Kolonie 100 Dessetinen aus dem
Stadtlande, welche ihr auch zugemessen, aber leider nicht mit gehцrigen Grenzen
u. erforderlichen Dokumenten versehen wurden, daher die Stadtleute auch je
lдnger je mehr Eingriff auf die noch etwas brauchbaren Plдtze deselben machen.
Heuschlag der Ackerland hat diese Kolonie nur einige Dessetinen. Zunдchst den
Wohnplдtzen an etwa 5 Dessetinen zu ihren Pflanzungen und Bдumen; das ьbrige ist
mehrenteils steiniger Boden mit einer zum Teil nicht dicken Erdschicht bedeckt,
einem Gebьsche bewachsen und nur zur Viehweide tauglich.
Zum Hдuserbau und anderen Einrichtungen wurde dieser Kolonie, gleich anderen,
Kronsvorschьsse verliehen. -
Die Bewohner dieser Kolonie und die in der Stadt Feodosia ansдssig gewordenen
Kolonisten, bildeten damals gleichsam eine Gemeinde, standen unter der Aufsicht
eines eigenen Inspectors, dieser aber unmittelbar unter der Inspection aller
Krimmer Kolonien(1). Nachdem aber die in der Stadt wohnhaft gewesenen, zu
Stadtbьrgern gezдhlt worden, wurde die Kolonie Herzenberg im Jahre 1817 dem
Zьrichthaler Gebietsamte untergeordnet. Die Anleitung zur Benennung dieser
Kolonie ist nicht zu erцrtern.
In den ersten 10-15 Jahren hatten die Bewohner dieser Kolonie, bei erwehntem
Gewerbe gutes Auskommen. Nachdem aber die Umgegend nach u. nach mit mehr
christlichen Vцlkern besetzt wurde, welche auch auf verschiedenen Wegen ihr Brot
suchten u. Feodosia ihren Standpunkt erreicht hatte, schmдlerten sich die
Einkьnfte der Kolonisten.
Nach dieser Zeit wurden einige Wirtschaften durch Absterben ihrer, schon alt
gewordenen kinderlosen, Besitzer erledigt; andere welche Professionen
verstanden, ьbergaben ihre Wirtschaften, lieЯen sich in Stдdten nieder, gaben
ihre Sцhne zu Profesionisten u. anderen Gewerben in die Lehre ab, voraussehend,
daЯ ihre Kolonie ein Ort zu ihrem Wohlstande werden werde. Durch die цfteren
Wirtschaftsьbergaben, aber keiner AusschlieЯung, ist die Kolonie auf 10 Familien
gekommen, wovon gegenwдrtig nur 4 Wirte auf Ort u. Stelle sind(2). Unter der
ganzen Seelenzahl die auf 29 beiderlei Geschlechts sich belдuft, ist nur noch
ein Mann von 85 Jahren u. 2 Seelen Kindes Kinder einer Familie aus der
Ansiedlungszeit vorhanden, all Ьbrigen sind Nachkцmmlinge jener, welche aus
anderen Kolonien sich dahin ьbersiedelten.
Da der Gemьsebau sich allenthalben vervielfдltigt hat, so kann diese Kolonie nur
durch Weingдrtenanlage wieder zu einem besseren Fortkommen gelangen;
vorausgesetzt, wenn die Stadt Feodosia ihr nicht noch die wenige dazu tauglichen
Plдtze wegnimmt und auch im Ьbrigen nicht beschrдnkt. Zьrichtal d. 14ten Mai
1848.
Дltester, ebenfalls durch Oberschulz: And. Groz(3)
Wirtschaftsьbernahme, Beisitzer: Heinrich Lьziger
gegenwдrtiger Bьrger Verfasser Gebietsschreiber
Georg Bauer Frid. Pfeiffer.
________________
(1) Ьber die Krimmer Inspektion steht uns kein Material zur Verfьgung. Zu den
Inspektoraten vgl. vorlдufig Keller a.a.O. S. 47 f.
(2) 1857: 1 Wirtschaft (3 Mдnner) auf 100 Desj. und 9 landlose Familien (17
Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 42.
(3) = Andreas GroЯ, vgl. S. 51 Anm. 2.
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