- •Verlag von s. Hirzel in leipzig
- •I. Das Chortitzaer Mennonitengebiet(1)
- •II. Das Neusatzer Kolonistengebiet(1)
- •III. Das Zьrichtaler Kolonistengebiet
- •IV. Das Molotschnaer Kolonistengebiet(1)
- •V. Das Molotschnaer Mennonitengebiet(1)
- •VI. Das Schwedengebiet(2)
- •VII. Das Mariupoler Kolonisten- und Mennonitengebiet(4)
- •VIII. Alt-Danzig
- •X. Rybalsk(3)
- •XI. Die Kolonie Neudanzig
IV. Das Molotschnaer Kolonistengebiet(1)
Was die Alten erzдhlen. KurzgefaЯte geschichtliche Ьbersicht
der Grьndung und des Bestehens der evangelischen Gemeinden
des Molotschnaer Kolonistenbezirks bis zum Jahre 1848. Aus
archivalischen Quellen herausgegeben von J. Stach.
Abdruck aus: Jahrbuch des "Landwirt" fьr das Jahr 1913, 1. Jg.,
Eugenfeld (1912) S. 128-158.
1. Molotschna
Ehemals Prischib(2) genannt, 45 Werst von der Kreisstadt Melitopol(3), 320 Werst
von der Gouvernementsstadt Simferopol und 150 Werst von Jekaterinoslaw entfernt,
am FlьЯchen Molotschna gelegen, wurde dieser Ort im Jahr 1804 vom Gutsbesitzer
________________
(1) nach J. Stach: Jahrbuch des "Landwirt" fьr das Jahr 1913, S. 126, wurden die
folgenden Berichte am 26. Juni 1848 vom Molotschnaer Kolonistengebietsamt
(Gebietsvorsteher Glцckler, Gebietsbeisitzer: Zimmermann und Schдfer,
Amtsschreiber Jos. Robal) an das "Fьrsorgekomitee" gesandt. Als Verfasser
wird Ernst Walther aus der Kolonie Kostheim genannt, der auch einen
zusammenhдngenden Bericht unter dem Titel "Beschreibung des molotschnaer
Kolonistenbezirks" im "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 40-48, 50-55, 57-
63, 65-67, verцffentlichte. Ergдnzungen daraus sind in den folgenden
FuЯnoten zum grцЯten Teil verarbeitet.
Ьber die hier fehlenden Berichte der Gemeinden: Waldorf, Leitershausen,
Kostheim, Heidelberg, Blumental, Eigenfeld und Hochheim, vgl. das Vorwort.
1848 verfьgten die Molotschnaer Kolonisten ьber 173387 Desj. 2029 Faden
(Sashen), und zwar an
Kronsland:
besiedeltes taugliches 54360 Desj.
unbesiedeltes:
zwischen Heidelberg und Blumental 2587 Desj. 2327 F.
auf Nr. 15 und 16 8864 Desj. 425 F.
in verschiedenen Kolonien 1426 Desj.
untaugliches unter StraЯen und Wegen 4498 Desj. 1429 F.
Bezirksschдferei 8945 Desj. 248 F.
Kirchenland 360 Desj.
Selbsterworbenes Land 65746 Desj.
Pachtland 26600 Desj.
Vgl. "Unterhaltungsblatt", Jg. 4, 1849, S. 60.
(2) Die Umbenennung fand 1810 statt (vgl. unten), doch bьrgerte sich der neue
Name nicht ein.
(3) Katharina hatte die Absicht, eine Stadt Melitopol am Molotschna-See zu
grьnden, daher wurde die цstliche Hдlfte Tauriens auf dem Festlande zu einem
Melitopoler Kreise zusammengeschlossen. Erst 1841 erhielt die Anfang des 19.
Jh. gegrьndete Siedlung Nowo-Aleksandrowka den Namen Melitopol; im Jahre
darauf wurde sie zum Verwaltungszentrum dieses Kreises erhoben, vgl. Semenov
a.a.O. Bd. 3, S. 216 und P. von Koeppen: Ьber einige Landesverhдltnisse
zwischen dem untern Dnjepr und dem Asowschen Meere. Petersburg 1845, S. 25.
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Dubinsky(1) mit ungefдhr 6500 Dessjatinen Landes gegen Entschдdigung eines
gleich groЯen, unweit der Taschtschenak befindlichen Areals zur Ansiedlung
abgetreten.
Die in 8 Kolonien(2) verteilten Ansiedler vom Jahr 1805 wдhlten unter der
Leitung des Oberschulzen Ludwig Kircher(3) mit Bewilligung der Behцrde das im
Mittelpunkt der Ansiedelungen gelegene Prischib zum Hauptort ihres kleinen
Bezirks, und der damalige Inspektor, Baron Uexkьll(4), fand fьr sich und seine
Kanzlei in dem ehemaligen Wohngebдude des Dubinsky ein fьr jene Zeit allen
Anforderungen entsprechendes Unterkommen. Bei diesem Gebдude wurde ein Haus fьr
die Gebietsverwaltung errichtet und nur 4 aus PreuЯisch Polen eingewanderte
Familien evangelischer Konfession erhielten in der nдchsten Umgebung
Ansiedelungsplдtze und Wirtschaftsland, weil Seine Exzellenz, Herr Wirklicher
Staatsrat Kontenius, damaliger Oberrichter des Jekaterinoslawschen
Vormundschaftskontors Prischib fьr die etwa zu errichtende allgemeine
Hauptschдferei(5) bestimmt hatte. Handwerkern, die kein Land beanspruchten, ward
einstweilen erlaubt, sich hier niederzulassen, was aber aus Mangel an Arbeit
wenige sich zu nutze machen konnten. Auch wurde auf der Stelle des heutigen
Pastoratsgebдudes ein gerдumiges Bethaus fьr den ganzen Bezirk aus Bindwerk
errichtet(6).
Nach der zweiten Einwanderung im Jahre 1810 wurde durch gepflogene Ratssitzung
des Herrn Kontenius mit den Herren Inspektor Sieber(7), Feldmesser Hausteck(8)
und Gebietsvorsteher Walther der BeschluЯ gefaЯt, die allgemeine Schдferei im
________________
(1) Auf dem von Dubinskij ьbernommenen Lande wurden u.a. auch Weinau und Durlach
begrьndet, vgl. S. 77-80.
(2) d.h. Montal, Neudorf, das 1833 einging (vgl. S. 81), Rosental, Molotschna,
Hoffental, Nassau, Weinau, Wasserau mit rd. 250 Familien, vgl.
"Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 46.
(3) aus der Kolonie Altnassau, ein verabschiedeter preuЯischer Rittmeister, vgl.
ebenda S. 47.
(4) vgl.: in Prischib "wohnt der Inspector ьber die Colonien and der Molotschna,
dermalen ein junger Baron v. Uexkьll, der in Deutschland studiert hatte, und
sich noch mit Vergnьgen an seinen Aufenthalt in diesem Lande der Cultur und
Humanitдt erinnerte", Reiswitz und Madzeck a.a.O. S. 350.
(5) vgl. Grьntal, S. 72 ff.
(6) Da die russische Regierung den Kirchenbesuch an Sonn- und Feiertagen unter
Androhung schwerer Strafen allen Kolonisten zur Pflicht gemacht hatte (vgl.
I. PSZ Bd. 26, Nr. 19873, 16 Mai 1801) sorgte sie auch fьr den Bau von
Kirchen und Pfarrhдusern in den Kolonien. Wдhrend das Pfarrhaus in Prischib
1811 (oder 1813, vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 58)
fertiggestellt war, wurde der Bau der Kirche, fьr den die Regierung zunдchst
25000 Rbl. Banco angewiesen hatte, infolge des Napoleonischen Krieges
unterbrochen. Als eine weitere Bewilligung von 35000 Rbl. B. erfolgte,
konnte er 1820 wieder aufgenommen und 1823 vollendet werden. Das verwandte
Material scheint schlecht gewesen zu sein, denn Contaenius (vgl. S. 9)
vermachte der Gemeinde Prischib testamentarisch 500 Rbl. B. zur Ausbesserung
des Kirchendaches, vgl. Pingoud a.a.O. Bd. 1, Teil 1, S. 316, und
"Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 58.
(7) Inspektor Sieber, von Uexkьlls Nachfolger, war Tierarzt, vgl.
"Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 47.
(8) August Hausteck, vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 48. - Die erste
Landvermessung des Molotschnaer Kolonistenbezirks fand 1810 statt. Eine jede
Familie erhielt damals 60 Desj. Land und 200 Rbl. B. VorschuЯ zur
Anschaffung von Saatgetreide, ferner von zwei Pferden, einer Kuh und eines
Wagens, vgl. ebenda S. 52. Bei der zweiten Landvermessung 1820-1823 wurde
auch die Anzahl des Viehs festgelegt, die eine jede Wirtschaft weiden
durfte, vgl. ebenda S. 62 und unten S. 73 Anm. 2.
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rechten Winkel westlichen und nцrdlichen Grenze des Bezirks an dem SteppenfluЯ
Popowaja Balka unweit der damals neu zu grьndenden Kolonie Grьntal, zu
errichten, Prischib zu einer stдrkeren Kolonie zu erheben, dieselbe auch in der
Zukunft, weil am passendsten gelegen, als Hauptort zu bestimmen und ihr den
Namen Molotschna beizulegen.
Infolge dieses Beschlusses haben sich unter Anfьhrung des Schulzen Georg Fritz
noch 11 evangelische und 30 rцmisch-katholische Familien in Prischib
niedergelassen, die teils aus der Umgebung der wьrttembergischen Residenz
Stuttgart und der badischen Gegend bei Karlsruh und Mannheim stammten.
Molotschna zдhlte nur 45 Wirtschaften(1) mit je 60 Dessjatinen, im ganzen 2700
Dessj. Landes(2). Den Ansiedlern(3) wurde bei ihrer Niederlassung auЯer den
Reise- und Nahrungsgeldern bis zur ersten Ernte im Jahre 1811 durchschnittlich
auf jede Wirtschaft 200 Rubel banko nebst Holz zum Bau eines Wohnhauses und der
notdьrftigen Stallung von der Krone aus der Ansiedelungskasse verabfolgt(4).
AuЯerdem wurden einige zurьckgekommene oder vielmehr nicht vorwдrts gekommene
Wirte im Jahre 1813 mit vier Pflьgen und vier paar Ochsen aus derselben Kasse
unterstьtzt. Zwei von ihnen aber, bei welchen die Bezirksbehцrde Grьnde zu haben
glaubte, daЯ auch dies Hilfe vergeblich sein wьrde, wurden nach Jekaterinoslaw
im dortigen Garten(5) auf zweijдhrige Kronarbeit abgegeben und ihre Wirtschaften
anderen zuverlдssigen Wirte zugewiesen.
In den Jahren 1815 und 1816 wurden noch mehrere Handwerker, die sich bei ihrer
Einwanderung in Jekaterinoslaw niedergelassen und daselbst mehrere tausend Rubel
VorschuЯ zur Vervollkommnung ihrer Gewerbe erhalten hatten, ohne Land dieser
Kolonie zugezдhlt. Da diese Handwerker ungeachtet des empfangenen Vorschusses
wohl z.T. aus eigener Schuld verarmt waren, so wurde ihre Kronsschuld auf die
damals vorhandenen Wirtschaften verteilt. Die eigenen Mittel der Einwanderer der
ersten und zweiten Ansiedlung bestanden hцchsten aus 1000 Thalern, bei vielen
nur aus Pferd und Wagen und bei vier Fьnfteilen war die Hoffnung allein -
freilich verschiedener Art - die Erhalterin ihres Daseins.
Die Molotschna wird durch den ZusammenfluЯ des Tokmak und des Tschingul am
nцrdlichen Ende der Kolonie Molotschna gebildet, von wo aus sie ihren Lauf nach
________________
(1) Auch 1857 45 Wirtschaften, vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(2) Diese Landmenge war den Kolonisten von der Krone bewilligt worden. AuЯerdem
besaЯen bereits 1841 einzelne Kolonisten des Molotschnaer Gebiets
selbsterworbene Lдndereien wie z.B. Fein (vgl. S. 61 Anm. 3) 3675 Desj.,
Dentzer 3000 Desj., Lukowitsch 2799 Desj., Schmidt 1000 Desj, vgl. Klaus
a.a.O. Beilage 7.
(3) d.h. den Ansiedlern des Jahres 1810.
(4) In die der Verwaltung des Fьrsorgekomitees unterstehende Ansiedlungskasse
flossen auЯer den von der Regierung bewilligten Summen, die sich z.T. aus
den von den Kolonisten aufgekommenen Steuern und Rьckzahlungen der
Kronschulden zusammensetzten, auch die Strafgelder aus den Kolonien und die
Einnahmen aus der Branntweinverpachtung, vgl. S. 31 Anm. 2 und I PSZ Bd. 36,
Nr. 27635.
(5) Der Kronsgarten in Jekaterinoslaw - er war bereits von den Zaporoger Kosaken
angelegt und durch Potemkin ausgebaut worden -, besaЯ seit 1806 eine
Baumschule, aus der junge Bдume kostenlos and die Bevцlkerung abgegeben
wurden. Besonders, als Contaenius diesen Garten verwaltete, trug er viel zur
Verbreitung der Gartenkultur in NeuruЯland bei, vgl. Skalkovskij a.a.O. Bd.
2, S. 104 f., Fadeev a.a.O. im Russkij Archiv, 1891, Nr. 2, S. 327.
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Sьden nehmend die natьrlich Grenze zwischen dem am linken Molotschnaer
Mennonitenbezirk am linken und dem Molotschnaer Kolonistenbezirk am rechten Ufer
befindlich bildet(1). Das FlьЯchen trocknet auch in den dьrrsten Sommermonaten
nicht aus, wдhrend der Tschingul und Tokmak in dьrren Jahren kein Wasser haben.
Krebse, Hechte, Barschen und Zugvцgel in und an der Molotschna bieten dem
Liebhaber nicht selten eine angenehme Erholung und Speise; freilich auch
mitunter dem MьЯiggдnger Gelegenheit, die Zeit zu tцten. Das FlьЯchen
durchschlдngelt hier eine Talflдche von ein bis zwei Werst Breite, wovon hier
auf das rechte Ufer vom seichten FluЯbett bis an das Hochufer des Tales 100 bis
300 Faden kommen. Am FuЯe des Talufers, 4 bis 5 Arschin ьber der Talflдche ist
die Kolonie in der Richtung von Nordost nach Sьdwest angebaut, deren Obstgдrten
unmittelbar an die Hofrдume stoЯen und in Vor- und Hintergдrten zerfallen.
Hinter der цstlichen Seite des sog. Unterdorfes in der Talflдche, wo der FluЯ
sich dicht an der Mennonitenkolonie Halbstadt und an der Tuchfabrik des
Mennoniten Klassen(2) vorbeiwindet, ist im Jahre 1830 auf besonderen Antrag des
seligen Herrn Kontenius in Gemeinschaft mit dem damaligen Dorfschulzen Leopold
Supper(3) ein Ort zur Anlage einer Obst- und Maulbeerenplantage gewдhlt und
trotz Widerstrebens der Gemeindeglieder zum grцЯten Vorteil der gegenwдrtigen
Besitzer durchgefьhrt. Dieser Ort, der ehemals nur zum Weiden der Schweine
benutzt wurde und infolge dessen auЯer seinem цden Anblick nur unbrauchbares
Gestrьpp hervorbrachte, wo sich in nдchtlicher Stille nur die Werke der
Finsternis hineinwagten, gleicht gegenwдrtig einem Paradiese. Man muЯ im
Frьhling das hohe Ufer besteigen auf welchem die Kirche erbaut ist, um sich in
einer Gegend, wo die Naturschцnheit weniger andauernd ist, als anderswo, an dem
Anblick auf ein ganzes Jahr zu laben. Der Blick schweift weit im Tale hin dem
FlьЯchen entlang, wo sich Garten an Garten reiht, und verliert sich zuletzt im
fernen lazurblauen Nebel, aus welchem die Tannen der allgemeinen Plantage unweit
Alt-Nassau auftauchen(4). Glьcklich fьhlt sich der Mensch, der, auf flacher цder
Steppe aufgewachsen, aber fьr den Reiz der schцnen Natur empfдnglich ist, an
einem stillen Maimorgen das Gotteshaus besucht, um sich an dem schцnen Anblick
zu weiden. Tieferschьttert muЯ er dem Ausruf des Charkower Apothekers Karl
Schmiedt(5) zustimmen; "Die Wildnis ist dem FleiЯe gewichen, schaut ahnend in
die Zukunft! Ich sehe im Geiste aus diesem Tal eine Kultur aufwachsen, die alle
bis jetzt von den Ansiedlern gehegten Erwartungen in Nьtzlichkeit fьr ihr neues
Vaterland zu ьbertreffen im Stande sein wird!"
________________
(1) sic! soll wohl heiЯen: "zwischen dem am linken Ufer befindlichen
Molotschnaer Mennonitenbezirk und dem Molotschnaer Kolonistenbezirk am
rechten Ufer bildet".
(2) vgl. S. 92 Anm. 1.
(3) vgl. S. 95 Anm. 1.
(4) Die Gebietsplantage zur Fцrderung des Obst- und Maulbeerbaumanbaus, 1806
zwischen Weinau und Altnassau gegrьndet, hatte 1810 einen gewissen Wilke als
Gдrtner angestellt, unter dessen Leitung eine jede landbesitzende Familie
des Gebiets verpflichtet war, je zwei Tage jдhrlich mit einer Person zu
arbeiten. Auch gewisse Vergehen (vgl. I PSZ Bd. 27 Nr. 20841) wurden mit
Arbeiten in der Plantage bestraft, vgl. "Unterhaltungsblatt", Jg. 4, 1849,
S. 58.
(5) Nдheres lieЯ sich hierьber nicht ermitteln. - Ein Karl Schmiedt ist auch bei
A. Dцllen: Kurze Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche und Gemeinde
zu Charkow, Charkow 1880, nicht erwдhnt.
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Der jetzige Oberschulz Glцckler hat im Jahr 1847 von einem einzigen Baum fьr 43
Rbl. Birnen verkauft. Auch der Seitenbaum verspricht gute Einnahmen.
Obgleich auf dem Dubinskischen Gehцft im Jahr 1804 mehrere Bдume in gutem
Wachstum standen und die Natur am Ufer des Tschingul nur auf einigen Stellen
der molotschnaer Talflдche Schwarzdorn und anderes Gestrдuch hervorbrachte, so
verstrichen doch zwei Jahrzehnte, bevor die hiesigen Bewohner sich zur
Baumanpflanzung ermuntern lieЯen. Die Ursache davon waren Armut und Mangel in
Sachkenntnis.
Das Land zum Getreidebau, Wiese und Weide befindet sich grцЯtenteils ьber dem
Talufer auf einer Ebene und hat den Charakter der Steppe. Jeder Wirt hat 25
Dessjatinen Land unter dem Pfluge und steht in der Bearbeitung derselben hinter
den besten Ackerbauern der ganzen Gegend nicht zurьck.
Das bis etwa 300 FuЯ hohe Talufer besteht meistenteils aus Sand und Mergelton,
an welchem sich hundert FuЯ hohe deutliche Spuren eines das ganze Tal
bedeckenden Wasserstandes zeigen. Das war wahrscheinlich noch zur Zeit des
Herodot, der diese Gegend die mцotischen Sьmpfe nennt(1), der Fall. Die Brunnen
sind 15 bis 25 FuЯ tief und enthalten das vorzьglichste Wasser des ganzen
Bezirks. Der Boden der Kolonie Molotschna scheint ein FluЯlager zu sein. Die
oberste mit FluЯsand vermengte Humusschicht ist 1Ѕ Arschin tief, die Unterlage
ist Mergelton mit angeflцЯten Erdarten zum Teil animalischen Ursprungs
vermischt, weiter unten stцЯt man auf Sandsteingerцlle. In letzterer Erdschicht
fand man an verschiedenen Stellen versteinerte Knochen und bedeutende Stьcke
versteinerten Eichenholzes, die aus Unachtsamkeit in jener Zeit nicht gewьrdigt
und gesammelt wurden(2).
Die Rindviehpest befiel die Kolonie Molotschna im Lauf der Zeit sieben Mal,
zuletzt im Jahre 1839. Jedesmal raffte sie durchschnittlich ѕ des gesamten
Viehbestandes dahin, welcher Verlust bei den damaligen wohlfeilen Preisen fьr
landwirtschaftliche Erzeugnisse ungleich langsamer und schwerer zu ersetzen war,
als in der Gegenwart.
AuЯer mдЯigem Scharlach und Masernepidemien sind keine verheerenden Krankheiten
vorgekommen, auЯer daЯ die Bewohner der am nцrdlichen Ende des Tschingul
gelegenen StraЯe frьher je und je von einem hartnдckigen kalten Fieber befallen
wurden, wдhrend die ьbrigen Bewohner Prischibs damit verschont blieben.
Gegenwдrtig ist die Krankheit verschwunden, was Schreiber dieses auf den EinfluЯ
der hier gepflanzten Obstgдrten zurьckzufьhren geneigt ist.
In Prischib sind bereits 10 Hдuser von gebrannten Ziegeln, einige mit
Dachpfannenbedeckung, aufgefьhrt und 12 im Bau begriffen. An цffentlichen
Gebдuden besitzt die Gemeinde:
1) ein evangelisches Schulhaus im Mittelpunkt des Orts von Luftziegeln im
gewцhnlichen Stil hoch gebaut und gerдumig mit einer Abteilung als
Lehrerwohnung.
________________
(1) soll heiЯen: "maiotische".
(2) Es fдllt auf, daЯ in diesen Berichten aus dem Molotschnaer Gebiet stets die
Tiefe der Brunnen und die Art der Bцden angegeben wird. Vermutlich stehen
diese Angaben in Verbindung mit den Erhebungen, die P. von Koeppen anstellte
und verwertete, vgl. Koeppen, Landesverhдltnisse, besonders S. 51, wo auch
die "Zahl der Gewдnder, in welche das Ackerland eingeteilt ist" gebracht
wird.
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2) ein katholisches Schulhaus, ebenso gebaut und mit 2 Glocken versehen, welche
die Gemeinde morgens, mittags und abends zum Gebete mahnt, die Jugend zur
Schule und die Bewohner sonntдglich zum Besuch der Gottesdienste mahnt. Auch
zeigen die Glocken durch eigentьmliches, jedem verstдndliches Gelдute an,
wenn ein Mitglied mit Tode abgegangen ist.
3) zwei hцlzerne Getreidemagazine zur Aufbewahrung von Vorrдten fьr teure
Zeiten(1).
4) das Inspektionsgebдude im Mittelpunkt an der StraЯe mit 8 Faden Front von
gebrannten Ziegeln auf Feldsteinfundament, gerдumig, gut dauerhaft, mit
Bedachung von Eisenblech, im Jahre 1840 in Gemeinschaft mit den Mennoniten
und berdjansker Kolonisten auf Rechnung der Gemeindesummen neu erbaut mit
zwei Wirtschaftsgebдuden versehen. Dabei ist eine halbe Dessj. Gartenland
mit verschiedenen Obstbдumen bepflanzt, welche sich der besonderen Pflege
und Sorgfalt des Herrn Inspektors Pelschmeier erfreuen.
5) das Amtshaus dem Inspektionsplatze sich anschlieЯend mit 8 Faden Front an
der StraЯe, worin das Gebietsamt seine Schriftfьhrung plaziert und
Amtsverhandlungen pflegt, im Jahre 1836 auf alter Stelle von Luftziegeln im
gewцhnlichen Stil, gegenwдrtig mit Dachpfannen gedeckt vom damaligen
Oberschulzen Werner auf Rechnung der Gemeindesumme erbaut.
6) die Schreiberwohnung an derselben StraЯe der nцrdlichen Reihe mit 10 Faden
Front im gewцhnlichen Stil von Luftziegeln mit Strohbedachung in zwei
gerдumigen Abteilungen an der alten Stelle vom Oberschulzen Glцckler mit
auЯerordentlichen цkonomischen Hilfsmitteln im Jahre 1839 erbaut, wird von
den Schriftfьhrern des Gebietsamtes bewohnt.
7) die Hauptschule im Jahre 1844 erbaut an der nцrdlichen StraЯenreihe in
schrдger Richtung dem Amtshause gegenьber mit Dachpfannenbedeckung hoch und
gerдumig fьr 60 Zцglinge berechnet(2). Dieses Gebдude ist vom hiesigen
Kolonisten und Gutsbesitzer Friedrich Fein(3), Eigentьmer mehrerer
Schдfereien hochedler spanischer Rasse und auЯerordentliches Mitglied des
________________
(1) Durch die "Instruktion der inneren Ordnung und Verwaltung der Kolonien
NeuruЯlands" war u.a. auch die Errichtung von Vorratsmagazinen, wie sie in
RuЯland seit dem 18. Jh. ьblich waren, angeordnet worden. Eine jede
Revisionsseele hatte von jeder Ernte Ѕ Tschetwerik Roggen und Ѕ Garnitz
Sommergetreide fьr Notzeiten als Getreidevorrat abzuliefern, worьber das
Dorfamt jдhrlich im November an das "Fьrsorge-Kontor" bzw. "-Komitee" zu
berichten hatte, vgl. I PSZ Bd. 26, Nr. 19875, § 67, 16. Mai 1801.
(2) Die Haupt- bzw. Zentralschule sollte der Heranbildung von geeigneten
Dorfschullehrern und Schreibern dienen. Nach dem am 18. Juli 1846 von der
russischen Regierung bestдtigten Schulstatut hatte sich der Unterricht auf
Religion, Schцnschreiben, Deutsch und Russisch, Rechnen, Erdkunde,
allgemeine Geschichte, Statistik NeuruЯlands und Bьrgerkunde unter
besonderer Berьcksichtigung der fьr die Kolonien erlassenen Gesetzte und
Bestimmungen zu erstrecken. Vorgesehen waren tдglich 7 Unterrichtsstunden,
von denen mindestens zwei Stunden tдglich der Erlernung des Russischen zu
dienen hatten. Vgl. P. Luppov: Nemeckie nacal nye skoly v Rissii. K voprosu
o nemeckich kolonijach v russkoj zemle (Die deutschen Grundschulen in
RuЯland. Zur Frage der deutschen Kolonien im russischen Lande). Petersburg
1916, S. 28.
(3) Friedrich Fein, geb. 1794, gest. 1864 war 1807 mit seinem Vater Johann Fein,
der zunдchst Arbeiter in Jekaterinoslaw war und sich dann an der Molotschna
niederlieЯ, eingewandert. Johann Fein begrьndete 1814 auf selbstgekauftem
Lande (3500 Desj,) ein Schafzucht, aber erst seinem Sohne Friedrich Fein
gelang es, durch Kreuzungen eine der Steppe angepaЯte Merinorasse zu zьchten
und damit der russischen Schafzucht neue Wege zu weisen. Er erwarb u.a.
groЯe Lдndereien am unteren Dnepr und 1856 vom Hause Anhalt-Dessau fьr
525000 Taler Ascania Nova, 200 km westlich der Molotschna-Siedlung. Seine
Tochter Elisabeth (geb. 1819) heiratete den aus Sachsen gebьrtigen
Schafzьchter Joh. Gottlieb Pfalz (geb. 1808) und erhielt in Anerkennung der
Verdienste ihres Vaters fьr sich und ihre Nachkommen vom Zaren die Erlaubnis
zur Fьhrung des Doppelnamens Falz-Fein. Vor dem Weltkrieg hatte diese
Familie ьber eine Million Desj. Land in Nutzung, vgl. A. Drьcke: Askania
Nova. Die Geschichte einer Kolonie Anhalts in SьdruЯland. Diss. Halle 1906:
W. von Falz-Fein: Ascania Nova. Das Tierparadies. Neudamm 1930 (wenig
zuverlдssig); M. Woltner: Askania Nova. In: Handwцrterbuch des Grenz- und
Auslanddeutschtums. Bd. 1, Breslau 1934, S. 161.
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Landwirtschaftlichen Vereins des Molotschnaer Kolonistenbezirks, als
Geschenk fьr die fдhigere Jugend gestiftet worden. Da die von vielen
sehnlichst erwartete Erцffnung der Schule noch nicht erfolgt ist, so wird
das Gebдude gegenwдrtig vom Arzt bewohnt.
8) Die Apotheke wurde im Jahre 1840 vom Provisor Podstowsky mit Erlaubnis der
Behцrde gegrьndet, wodurch er einem schon viele Jahre gehegten Wunsch der
hiesigen Ansiedler entgegenkam, welche ihm auch die Bewilligung zum Ankauf
eines Hausplatzes gaben(1). Allem Anschein nach hat sich derselbe gut
gefunden, trat aber aus Spekulation im Jahre 1846 die Apotheke an Herrn
Mьller ab, welcher sie in Ordnung gesetzt hat und zur allgemeinen
Zufriedenheit fьhrt.
9) Vier Krambuden von hiesigen Landwirten errichtet, die unter dem Schutze
dritter Gilde(2) Schnittwaren und andere dem Landmann nцtige Kleinigkeiten
feil halten. An einer zweckmдЯigen Kolonialwarenhandlung fehlt es leider
noch, obwohl die Mittel, eine solche zu errichten, vorhanden wдren.
10) Цffentliche, dem Bezirk angehцrende Brьcken fьhren: a) ьber den Tschingul
zum Verkehr mit Tokmak(3) und den Kolonien, welche oberhalb des Tschingul
und Gurkulak(4) belegen sind, b) ьber die Molotschna zwecks Kommunikation
mit den am linken Ufer des Flusses befindlichen Mennonitenkolonien, welche
auch am Bau und Unterhalt derselben beteiligt sind.
11) Ein evangelisches Pastorat und eine von der Krone erbaute Kirche(5).
________________
(1) vgl. II PSZ Bd. 7. Nr. 5404.
(2) 1721 erfolgte in RuЯland die erste Zusammenfassung der Stadtbevцlkerung (mit
Ausnahme der Adligen, Geistlichen und Auslдnder) zu zwei Gilden und seit
1775 galt die Zugehцrigkeit zur russischen Kaufmannschaft durch Eintragung
in eine der drei Gilden auf Grund des angemeldeten Vermцgens als erwiesen.
Im 19. Jh. betrug des erforderliche Vermцgen fьr die Kaufleute erster Gilde
50000 Rbl., zweiter - 20000 Rbl. und dritter - 8000 Rbl. Das Recht, sich den
bestehenden Gildenorganisationen anzuschlieЯen, wurde den einwandernden
Auslдndern am 22. Juli 1763 (vgl. I PSZ Bd. 16 Nr. 11880) § 4) ausdrьcklich
eingerдumt, vgl. Brokgauz Efron: Novyj Enciklopediceskij Slovar (Neues
Enzyklopдdisches Wцrterbuch) Bd. 13, S. 682.
(3) vgl. S. 89 Anm. 3.
(4) = Kuru-Kulak, vgl. Semenov a.a.O. Bd. 3, S. 301, bzw. Kurkulak, vgl. Spisok
naselennych mest po svedenijam 1864 goda (Verzeichnis der bewohnten
Ortschaften auf Grund der Erhebungen des Jahres 1864), Bd. 41, Petersburg
1865, S. 32.
(5) vgl. S. 57 Anm. 6.
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Eine Windmьhle(1), eine Oelmьhle und eine Ziegelhьtte kцnnen der vorhandenen
Nachfrage lange nicht Genьge leisten. Drei Schmiede, 2 Wagner, 6 Tischler, 10
Schuster, 4 Schneider, 1 Schlosser, 2 Drechsler und 1 Tцpfer sind hinlдnglich
beschдftigt und haben ein gutes Auskommen(2).
Gegenwдrtig besteht die Kolonie Molotschna aus 45 Wirtschaften(3), worunter nur
noch 8 von Katholiken besetzt sind, die ьbrigen 22 haben sich im Lauf der Zeit
in Kolonien ihrer Konfession eingetauscht oder ihr Land verkauft, und aus 37
Freihдusern ohne Land, von Handwerkern, Tagelцhnern und Handeltreibenden
bewohnt. Die Kolonie zдhlt 115 Familien mit 959 Seelen, 519 mehr als bei der
Einwanderung 1809. Das der Kolonie Molotschna bei der Uebersiedlung Neudorfs im
Jahre 1833 zugeteilte Land, in 360 Dessjatinen bestehend, zum Vorteil der
Gewerbetreibenden wird bis jetzt noch von den Wirten dieser Kolonie gegen eine
mдЯige Pacht benutzt.
Schulz Hein.
Beisitzer Zцngler.
2. Hoffental(4)
Unmittelbar an die Kolonie Molotschna angrenzend, wo das Talufer eine ѕ Werst
lange west-sьd-westliche Richtung nimmt, ist diese Kolonie am Ufer etwa 2 bis 3
FuЯ ьber der Talflдche und 200 bis 300 Faden vom FluЯbett entfernt mit einer
Hдuserreihe angelegt, deren Obst- und Gemьsegдrten den Hдusern gegenьber in
sanfter Abdachung in die Talflдche hinabziehen.
Von 17 im Jahr 1804 aus PreuЯisch Polen eingewanderten Familien, worunter einige
1802 und 1803 aus Baden und Wьrttemberg dorthin gewanderte Familien sich
befanden, gegrьndet, ist die Kolonie im Jahre 1810 noch um zwei Familien
Wьrttemberger vermehrt worden.
Der selige Herr Kontenius wдhlte mit dem Schulzen Michael FiЯke den
Ansiedlungsplatz. Bei dem Abstecken der Bauplдtze hatte Se. Exzellenz, die
Klagen ьber Armut erhцrend, Gelegenheit, trцstend zu Geduld und FleiЯ zu
ermahnen und, nachdem sein Blick einige Minuten auf der grьnen Talflдche
verweilt hatte, wandte er sich mit den Worten an die Versammlung: "Hier die
Hoffnungen eures FleiЯes!" Einstimmig wurde die Kolonie sofort Hoffental
genannt. Eigene Mittel haben die Ansiedler bei der Einwanderung nicht gehabt,
doch bekamen sie die ьblichen Vorschьsse von der Regierung. Der Boden ist dem
der Molotschna gleich, doch sind die Ansiedler eine Reihe von Jahren in der
Landwirtschaft zurьckgeblieben und haben sich erst in neuerer Zeit zu einer
regeren Betriebsamkeit aufgeschwungen. Auch die Anpflanzung von Bдumen ist in
der ersten Zeit sehr vernachlдssigt worden, so daЯ Herr Kontenius bei der
________________
(1) Windmьhle und Schmiede waren bei der Grьndung auf Koste der
Ansiedlungskasse erbaut worden, vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849 S. 47.
(2) Im ganzen Molotschnaer Kolonistengebiet gab es 1848 nur einen Schlosser,
vgl. S. 84 Anm. 1.
(3) 1857: 45 Wirtschaften (124 Mдnner) auf 2700 Desj. und 70 landlose Familien
(432 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(4) Russischer Name: Tschajkino.
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jдhrlichen Revision цfters seine besondere Unzufriedenheit zu erkennen gegeben
hat, einmal mit den Worten: "Eure Hoffnungen sind einigermaЯen erfьllt, denn
ich sehe, ihr seid gekleidet und genдhrt; allein die meinigen, die ich mit
Vertrauen auf euch setzte in Hinsicht der Baumzucht, habt ihr nicht erfьllt und
zeigt auch bis heute wenig Luft, solches zu tun."
Zwei Jahre nach der 1830 angeordneten Obst- und Maulbeerplantage in der Kolonie
Molotschna folgte auch Hoffental der gleichen Aufforderung Sr. Exzellenz. Die
Anpflanzung steht mit Ausnahme der Anteile einiger Wirte in gutem Wachstum.
Die 25 bis 35 FuЯ tiefen Brunnen enthalten sehr gutes Wasser. Der Boden hat die
gleichen Eigenschaften wie derjenige der Kolonie Molotschna.
Die Lцserdьrre (Rindviehpest) hat in 6 Malen je ѕ des Viehbestandes
dahingerafft.
AuЯer Masern und Scharlach bei Kindern sind kine Epidemien unter den Menschen
vorgekommen.
Ein Wohnhaus aus gebrannten Ziegeln und fьnf ebensolche im Bau begriffene
beweisen, daЯ man anfдngt, festere Hдuser zu bauen.
Das Schulhaus in der Mitte des Dorfes unterhalb der Obstgдrten ist aus
Luftziegeln im gewцhnlichen Stil erbaut.
Das Getreidevorratsmagazin ist aus Holz gebaut. Ein Wirt hat 1846 eine Ziegelei
errichtet. Derselbe hat auch die aus der Ansiedlungskasse erbaute Windmьhle
gekauft und umgebaut. Drei Schmiede, ein Wagner und ein Schuster sind
hinlдnglich mit lohender Arbeit beschдftigt(1).
Gegenwдrtig besteht die Kolonie aus 20 Wirten und 9 FreisaЯen mit 253
Einwohnern, 188 mehr als bei der Ansiedlung(2). Die Kolonie hat sich also in 44
Jahren vervierfacht; ein sprechender Beweis fьr den auЯerordentlich guten
Gesundheitszustand.
Am 29. August 1822 starb hier Johann Jakob Schmidt im 116. Jahr seines Lebens.
1707 den 25. August als schwedischer Untertan in Stockholm geboren, in seinem
20. Lebensjahr in den Militдrstand getreten, wurde er beim Ausbruch des
schlesischen Erbfolgekrieges von den Oesterreichern bei einer Rekognoszierung
als Gemeiner gefangen genommen, desertierte aber zu den Truppen Friedrichs des
GroЯen und machte alle Feldzьge des siebenjдhrigen Krieges als Gemeiner unter
Feldmarschall Ziethen mit. Zwei Stichwunden und drei Kugeln hatten ihn nur
leicht beschдdigt. Nach dem FriedensschluЯ in seinem 60. Lebensjahr verheiratete
er sich auf dem Rittersitze des Herrn von Hahn unweit Berlin. V. Hahn erwirkte
ihm fьr seine Verdienste zwei Hufen Landes als unbeschrдnktes Eigentum, welches
er auch eine lange Reihe von Jahren besaЯ. Vor Ablauf des vorigen Jahrhunderts
aber verkaufte er sein Land und lieЯ sich in PreuЯisch Polen nieder, wo er sich
im Jahre 1804 in seinem 97 Lebensjahr noch gesund und rьstig mit seinen zwei
Sцhnen der Auswanderung nach SьdruЯland anschloЯ. Er verrichtete bis zu seinem
110. Jahr alle auf einer Wirtschaft vorkommenden schweren Arbeiten, wie Mдhen,
Garben auf- und abgabeln, selbst Dreschen ohne sich je ьber Erschцpfung zu
beschweren und an Ausdauer oft seine Sцhne beschдmend.
Schulz Schmidt.
________________
(1) vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 20 Wirtschaften (85 Mдnner) auf 1200 Desj. und 4 landlose Familien
(93 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
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3. Hochstдdt(1)
Vom Hauptort Molotschna 12 Werst westlich, 24 Werst von der Kreisstadt
Melitopol, 308 Werst von der Gouvernementsstadt Simferolol und 140 Werst von
Jekaterinoslaw entfernt, wurde diese Kolonie im Jahre 1810 in der kleinen
Jedekorin(2) gegrьndet, die hier eine mehrere hundert Dessjatinen umfassende
seichte Flдche bildet und keinen AusfluЯ hat.
Die Ansiedler dieser Kolonie hatten sich teils schon auf der Reise,
hauptsдchlich aber in Winterquartier 1809 miteinander befreundet, wдhlten unter
ihrem Anfьhrer und Schulzen Jakob Gugenheimer diesen Ort zu ihrer Ansiedlung und
nannten ihn aus Gefдlligkeit gegen dein letzteren nach dessen Geburtsort
Hochstдtten am Rhein Hochstдdt. Die 39 Ansiedlerfamilien stammten grцЯtenteils
aus Baden-Durlach, einige aus der Gegend Stuttgarts, einige aus der Rheinpfalz
und waren sдmtlich evangelischer Konfession. Sie erhielten auЯer der
gewцhnlichen Unterstьtzung im Jahre 1813 fьr die Unbemittelten noch je 3 Pflьge
und ein paar Ochsen aus der Ansiedlungskasse. Eigene Mittel waren nur bei
wenigen im Gesamtwert von etwa 500 Thalern Rheinisch vorhanden; 3/5 waren ohne
Mittel angekommen(3).
Die Absteckung der Kolonie geschah durch den Feldmesser August Haussteck. Sie
liegt in einer geraden Linie von Ost nach West und hat zwei Hдuserreihen. Die
ersten Wohnungen waren eilig angefertigte, mit Erde bedeckte Keller, welche
Semljanken(4) genannt wurden. Bei einigen vergingen 2 bis 3 Jahre, bevor sie
ihre Hamsterwohnungen zu verlassen im Stande waren, weil sie sich mit dem
Hдuserbau nicht gerade beeilten. Deshalb muЯte zu diesem Endzweck mitunter
polizeiliche Strenge eintreten.
Die Folge hat gelehrt, daЯ Hochstдdt seine Dorflage schlecht gewдhlt hat, weil
bei schnellem Abgang des Schnees und bei starkem Gewitterregen einige Werst in
der Runde das Wasser gegen die Kolonie anlдuft, was bis jetzt durch Grдben und
Dдmme nie gдnzlich verhindert werden konnte.
Die Lдnderei bildet ein langes Viereck nach Westen hin, welches etwa 3 Werst von
der Kolonie entfernt, von dem SteppenfluЯ GroЯ-Jedekorin in sьdlicher Richtung
von Friedrichsfeld kommend, der Breite nach durchschnitten wird. Hier befindet
sich eine Viehtrдnke. Weiterhin im Westen grenzt das Land an dasjenige des
Kronsdorfes Michailowka(5) an.
Die oberste Erdschicht besteht aus einer 1 bis 1Ѕ Arschin schwarzen Gartenerde,
auf welcher alle Gattungen Getreide und Gartengewдchse gedeihen. Im Getreidebau
stand Hochstдdt im ersten Jahrzehnt in Bezug auf die Menge der Aussaat hinter
mehreren Kolonien zurьck, befleiЯigte sich jedoch, soweit es die damaligen
unvollkommenen Ackergerдte erlaubten, einer guten Bearbeitung des Landes. Die
Unterlage des Bodens ist ein 12 FuЯ tiefer gelber Lehm, welcher nach 6 FuЯ Tiefe
eine weiЯe Farbe annimmt.
________________
(1) Russischer Name: Wysokoje.
(2) Die richtige Namensform dieses Flusses lieЯ sich nicht ermitteln.
(3) obgleich 1804 angeordnet wurde, daЯ die Einwanderungserlaubnis nur Familien
mit 300 Gulden Vermцgen erteilt werden dьrfe, vgl. S. 31 Anm. 3.
(4) russisch zemljanka "Erdhьtte".
(5) Michajlowka, am Tschumakenweg aus Aleksandrowsk nach Perekop wurde erst
1809-1811 besiedelt, vgl. Semenov a.a.O. Bd. 3, S. 262 und
"Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 51.
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Ganz unten ist lettenartiges FluЯlager. Das Wasser ist durchschnittlich sьЯ und
wohl das beste aller sogenannten Steppendцrfer.
Die Baumzucht ist trotz aller Ermahnungen und Befehle seitens der Obrigkeit mehr
als zwei Jahrzehnte lang in unbegreiflicher Weise vernachlдssigt worden. Erst
gegen Ende des Jahrzehnts pflanzten einige Wirte wohl aus Liebhaberei hinter den
Wirtschaftsgebдuden je eine halbe Dessjatine mit Obstbдumen an(1). Der Erfolg
hat bewiesen, daЯ Hochstдdt eine der vorzьglichsten Lagen fьr Baumanpflanzung
hat. Die seit 15-18 Jahren gepflanzten Bдume verraten eine Gesundheit, wie sie
in diesem Bezirk als Ausnahme betrachtet werden muЯ und nur in der Kolonie
Molotchna ьbertroffen wird. Die im Jahre 1845 auf dem цstlichen Ende,
angepflanzte unmittelbar an die Kolonie sich anschlieЯende, auf beiden Seiten
des nach Michailowka fьhrenden Weges befindliche Waldanpflanzung weist bis jetzt
blos Maulbeerbдume auf, gewдhrt aber einen hoffnungsvollen Anblick, der den
Uneingeweihten kaum glauben lдЯt, daЯ das erst ein zweijдhriges Kind sei.
Sonderbar genug: es waren gerade die Maulbeerbдume, welche die Ansiedler so zu
sagen, auf der "Muck" hatten, und nicht nur hier, sondern allgemein von
denselben behaupteten, daЯ sie die undankbarsten im Wachstum seien.
Bei der zweiten Vermessung der Lдndereien des Molotschnaer Kolonistenbezirks in
den Jahren 1820 bis 1822 war die Gemeinde Hochstдdt in Verbindung mit
Reichenfeld und Friedensfeld(2) darauf bedacht, von der Oberkolonialbehцrde fьr
eine in Zukunft zu errichtende Kirchspiels abgeteilt, worauf die Gemeinde bald
bei dem damaligen Superintendenten Bцttiger(4) mit der Bitte um einen
Geistlichen einkam.
Im Jahre 1825 kam der Pastor Fцll(5) als provisorischer Prediger an die Stelle,
________________
(1) vgl. jedoch S. 108.
(2) soll heiЯen: Friedrichsfeld, vgl. S. 82, denn Friedensfeld wurde erst 1861
gegrьndet, vgl. Pingoud a.a.O. Bd. 1, Teil I, S. 321.
(3) Dem ersten Pfarrer der Schwarzmeerkolonisten Hiob Adolf Kirchmann hatte die
russische Regierung sogar 500 Desj. bewilligt (vgl. Zapiski Odesskogo
Obscestva Istorii i Drevnostej Bd. 2, 1848, S. 661), doch waren spдter 120
Desj. die ьbliche Norm fьr das Pfarrland, vgl. I PSZ Bd. 31 Nr. 24166.
(4) Carl August Bцttiger, geb. 1779 in Oberwiesental/Erzgebirge, studierte in
Leipzig Theologie und Jura. 1804-06 war er Konsulent am Justizkollegium in
Petersburg, 1808-10 Gehilfe des Direktors am Petersburger Kommerzinstitut
und darauf seit 1811 (?) Pastor in Odessa. Da die Gemeinde infolge der
schweren Pest von 1812 verarmte, muЯte B. 1814-1818 sich seinen Unterhalt
als Erzieher verdienen. 1818 zum Superintendenten des neugebildeten Odessaer
Konsistoriums ernannt, wurde er 1828 amtsenthoben. Er starb 1848 in
Wologda. Eine eingehende Wьrdigung der ungemein interessanten Plдne
Bцttigers zur Schaffung eines Schulwesens fьr die deutschen Siedler in
SьdruЯland und seiner Arbeit an einem Verfassungsentwurf fьr die
evangelische Kirche RuЯlands gibt Bienemann a.a.O.
(5) Gottlieb Theophil Friedrich Fцll aus Marbach der am Baseler Missionsinstitut
seine Ausbildung erhalten hatte, wirkte Mai bis November 1824 als Pastor-
Adjunkt in Hochstдdt (Odessa). 1826 ernannte ihn das Petersburger
Justizkollegium zum Pastor von Grunau. 1831 folgte er einem Ruf nach
Hochstдdt, wo er 1875 in hohem Alter starb, vgl. Mitteilungen und
Nachrichten fьr die evangelische Kirche in RuЯland Bd. 63, 1910, S. 467 und
Bienemann a.a.O. Index.
Page 67
folgte aber bald dem Ruf als Pastor in die Kolonien des Mariupoler Bezirks,
worauf im Jahre 1826 Prediger Steinmann(1) an die Stelle rьckte.
Im Jahre 1827 entschlossen sich die drei Kolonien am westlichen Ende der Kolonie
Hochstдdt aus eigenen Mitteln eine Pfarrerwohnung mit 8Ѕ Faden Front und 4 Faden
Breite zu erbauen und darin zugleich einen grцЯeren Saal fьr den
Konfirmandenunterricht provisorisch einzurichten. Als Pastor Steinmann im Jahre
1828 dem Ruf als Pastor nach Josefstal folgte, war das junge Kirchspiel wieder
vakant bis im Jahre 1831 Herr Pastor Fцll zum zweiten Mal herkam und nun seit 17
Jahren ununterbrochen in der Eigenschaft eines Propstes des 2. Propstbezirks im
sьdlichen RuЯland, ja gegenwдrtig als Konsistorialrat eine gesegnete Wirksamkeit
zum Wohl der Kirche und der Schulen seiner Gemeinden entfaltet(2). Die Wirkungen
eines so lange mit gleichem Eifer und beharrlicher Ausdauer gefьhrten Amtes
lassen sich an dem sittlichen Charakter der Eingepfarrten erkennen.
Der bei dem Pastorat und der Kirche angepflanzte im Wachstum stehende
Baumgarten hat sein Dasein ebenfalls ganz allein der Fьrsorge des
Konsistorialrat Fцll zu verdanken.
Obgleich die Teilung der Kirchspiele bereits im Jahre 1826 vom Superintendenten
Bцttiger angeordnet und vom Minister des Innern bestдtigt worden war, so wдhrte
es in Folge von Intriguen doch bis zum Jahre 1831, bis durch einen Machtspruch
der hцheren Obrigkeit die Teilung auf der Basis der Seelenzahl endgiltig
vollzogen und allen starrsinnigen Umtrieben ein Ende gemacht wurde. So wurde
Molotschna das erste und Hochstдdt das zweite lutherische Kirchspiel im
Molotschnaer Kolonistenbezirk genannt.
Durch den Zuwachs von 6 Kolonien(3) war die Kirchengemeinde insoweit erstarkt,
daЯ sie im Jahre 1832 ein gerдumiges Bethaus von 11Ѕ Faden und 5 Faden Breite
aus Feldsteinen auf dem Pfarrhofe, 80 Faden sьdlich von der Wohnung des Pastors
erbauen konnte.
Auch sind in neuerer Zeit auf de цstlichen Seite des Pastorats ein Kantorhaus
von gebrannten Ziegeln mit Pfannenbedachung 7 Faden lang und 4ѕ Arschin(4)
breit, sowie die цkonomischen Nebengebдude fьr das Pastorat von demselben
Material zweckmдЯig erbaut.
Durch das alles ist die im Jahre 1820 verbreitet gewesene Ansicht, als befдnden
sich die evangelischen Christen an der Molotschna in einer erbarmungswьrdigen,
dem Heidentum дhnlichen Zustande widerlegt(5).
Die Namen Adam Grдber, Michael Man und Peter Schmidt aus Reichenfeld, Michael
Gugenheimer und Georg Hering aus Hochstдdt, Philipp Kammerloch und Andreas Benke
________________
(1) Laurenz Steinmann, gleichfalls in Basel ausgebildet, war, nachdem er
Hochstдdt verlassen hatte, bis 1863 Pastor in Josefstal, vgl. Mitteilungen
und Nachrichten fьr die evangelische Kirche in RuЯland, Bd. 63, 1910, S.
467.
(2) Am 31. Juli 1834 wurden die evangelischen Gemeinden SьdruЯlands zu zwei
Propstbezirken zusammengefaЯt, vgl. II PSZ Bd. 9, 1, Nr. 7311.
(3) d.h. von Rosental, Neu-Nassau, Wasserau, Karlsruh, Grьntal, Kronsfeld, vgl.
Pingoud a.a.O. Bd. 1, Teil 1, S. 316.
(4) muЯ heiЯen "Faden".
(5) Nдheres hierьber lieЯ sich nicht ermitteln.
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aus Friedrichsfeld, die sich mit besonderer Aufopferung fьr Errichtung dieses
Kirchspiels bemьht und sich auch sonst von wohltдtigem EinfluЯ auf die Ansiedler
erwiesen haben, verdienen dankbar genannt zu werden.
Die Rindviehpest hat im Laufe der Zeit und zum letzten Mal 1845 viermal
durchschnittlich ѕ der Gesamptzahl hinweggerafft. Im Jahr 1824 hat die
Pockenepidemie die Hдlfte der Schafe zum Opfer genommen.
Scharlach und Masern haben beim Ablauf des Jahres 1847 2/5 der Jugend im Alter
von 1 bis 7 Jahren dahingerafft.
An цffentlichen Bauten ist vorhanden:
1) Ein Schulhaus gerдumig von Luftziegeln gebaut mit Lehrerwohnung. Eine Glocke
mahnt die Einwohner morgens, mittags und abends zum Gebet, an Sonn- und
Feiertagen zum Gottesdienstbesuch, ladet tдglich die Jugend zur Schule und zeigt
das Ableben eines Mitpilgers an.
2) Ein Magazin von Holz erbaut zur Aufbewahrung von Getreidevorrдten fьr
schlechte Zeiten.
3) Eine Krambude, deren Eigentьmer ein armenischer Krдmer aus Nachitschewan ist
(1).
4) zwei Windmьhlen.
3 Schmiede, 1 Wagner, 2 Tischler, 3 Schuster und 1 Schneider finden lohnende
Beschдftigung.
Von gebrannten Ziegeln sind bis 4 Privathдuser aufgefьhrt und 5 im Bau
begriffen.
Die Kolonie besteht gegenwдrtig aus 39 Wirtschaften und 11 Freihдusern von
Handwerkern bewohnt(2). Die Gemeinde besteht aus 81 Familien mit 433 Seelen; 234
mehr als bei der Einwanderung(3).
Schulz Schneider.
Beisitzer Hoffmann.
4. Reichenfeld(4).
Vom Hauptorte Molotschna 20 Werst in westsьdwestlicher Richtung entfernt wurde
die Kolonie auf einer seichten, nach der groЯen Jedekorin(5) sich abflдchenden
Ebene 1Ѕ Werst цstlich von der Generalgrenze, welche den molotschnaer
Kolonistenbezirk vom Kreisort Michailowka trennt, in den Jahren 110 und 1811
gegrьndet. Die Gegend wurde frьher von Nomaden mit ihren zahlreichen Tschuduk(6)
Herden alljдhrlich ьberzogen, doch ist sie einst bewohnt gewesen, was ein unter
einem kleinen Hьgel von mehreren Jahren aufgefundenes mit Steinplatten belegtes
und mit gebrannten Ziegeln ьbermauertes Kindergrab beweist, dessen Alter man
aber nicht bestimmen konnte. In der Nдhe dieses Grabes sind auch in nur 6
Werschok Tiefe eine Pistole und eine Flinte aufgefunden worden; letztere 7 Pfund
________________
(1) 1848 besaЯ der gesamte Bezirk 8 Krambuden, vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4,
1849, S. 61 und S. 62 Anm. 1.
(2) 1857: 39 Wirtschaften (156 Mдnner) auf 2340 Desj und 9 landlose Familien
(113 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) d.h. 1819
(4) Russische Namen: Kosogorje oder Andrijew.
(5) Jedokorin?
(6) = grobwollige Schafe.
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schwer, noch mit einer Kugel geladen, schien schwedischer Arbeit zu sein.
Im Maimonat 1810 wurde unter Anfьhrung des Schulzen Adam Grдber der Ort gewдhlt
und ihm seiner ьppigen Vegetation wegen mit Zustimmung der Дltesten vom
Inspektor Sieber der Name Reichenfeld gegeben.
Ursprьnglich hatten sich hier 30 evangelische und 1 rцmisch-katholische Familie
als Grundbesitzer niedergelassen. Sie stammten grцЯtenteils aus den badischen
Gegenden Mannheims und Heidelbergs. Wдhrend der Einquartierung auf der Reise
hatten sich ihnen noch einige Wьrttemberger aus der Gegend Stuttgarts und einige
ElsдЯer aus dem Bistum Speier angeschlossen.
Im Jahre 1823 im Spдtherbst muЯten auf obrigkeitlichen Befehl noch 10 Familien,
wovon 6 evangelisch und 4 katholisch waren, aufgenommen werden. Diese neuen
Ankцmmlinge waren von der St. Petersburger Ansiedlung wegen Unzufriedenheit mit
dem dortigen Klima entlassen worden(1). Sie stammten aus PreuЯisch Pommern und
waren teils auf erhaltenen Konsens, teils heimlich aus PreuЯen zur Zeit der
Konfцderation in den Jahren 1807 bis 1809 nach St. Petersburg gewandert. Der
Arbeit entwцhnt, mit ьberspannten Hoffnungen wollten sie, 37 Familien an der
Zahl, eine besondere Ansiedlung bilden, allein der unmittelbar hierher
nachgeschickte Beamte Budenbrock(2) ging darauf nicht ein, sondern befahl dem
damaligen Oberschulzen Jakob Walther(3), sie in kleiner Anzahl in solchen
Kolonien zu Verteilen, wo noch Kronslдndereien zugemessen werden kцnnten.
Die Reichenfelder Kolonisten erhielten von der Krone 200 Rbl. banko VorschuЯ auf
die Familie und Bauholz zu einem Gebдude von 4 Faden Breite und 8 Faden Lдnge im
Werte von 105 Rbl. banko. AuЯerdem wurden im Jahre 1813 den дrmsten von ihnen
noch auЯerordentliche Unterstьtzungen und je nach Bedьrfnis im Ganzen drei Paar
Ochsen und 5 Pflьge auf Rechnung der Ansiedlungskasse zu teil. Die aufgebrachten
Mittel bestanden hцchstens aus ein paar hundert Thalern und bei bemittelteren
nebst ordentlicher Bekleidung aus einem Pferde und Wagen. Doch waren sie reich
an Hoffnung und Mut. Den furchtbar kalten Winter von 1812 auf 1913, ein der
Tradition "Franzosenwinter" genannt, ьberlebten die meisten in ihren Erdhьtten
und teilten diese unterirdische Wohnung mit ihren einzigen Haustieren Kuh und
Pferd. Wenn einmal ihr geringer Futtervorrat derart verschneit war, daЯ man es
nicht erlangen konnte, so verbrauchte der Mensch zu ihrer Nahrung sein
Strohlager, wogegen ihm die Tiere durch ihre Ausdьnstung die gemeinschaftliche
________________
(1) Es handelt sich hier vermutlich um einen Teil jener Familien, die 1810 bei
Carskoje Selo auf dem sog. Jzwarskij Obrez angesiedelt worden waren. Da es
sich bald darauf herausstellte, daЯ die Gegend fьr sie ungeeignet sei,
genehmigte der Zar am 12. September 1811 ihre Ьbersiedlung (vgl. I PSZ Bd.
31, Nr. 24766, S. 836). Daraufhin zogen schon im gleichen Jahre 46 Familien
ins Gouvernement Jekaterinoslaw, vgl. P. von Koeppen: Ьber die Deutschen im
St. Petersburgischen Gouvernement. Petersburg 1850 S. 13 ff. Nдhere Angaben
ьber die Aussiedlung des Jahres 1823 stehen uns nicht zur Verfьgung. Vgl.
aber auch unten S. 81.
(2) Budenbrock war wohl Inspektor der Petersburger Kolonisten. Vgl. I PSZ Bd. 30
Nr. 23733.
(3) Jakob Walther, der erste Schulz von Waldorf, gab dieser Kolonie ihren Namen
und siedelte, als er Oberschulz des Molotschnaer Kolonistengebiets wurde,
nach Kostheim ьber, vgl. Deutscher Volkskalender fьr Stadt und Land auf das
Jahr 1911. Jg. 3, Odessa 1910, S. 86.
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Wohnung erwдrmten. Der nдchste Sommer brachte Brot, bei mehreren zum erstenmal
eigenes, und lieЯ das ьberstandene Elend bald vergessen.
Der Grund und Boden besteht aus einer halben bis ganzen Arschin tiefen,
auЯerordentlich fruchtbaren, schwarzen, vollstдndig sandfreien Humusschicht. Die
Unterlage ist gelber Lehm, mit etwa einem Prozen Sand. Bis auf die Nдhe des
Wassers bei 20 bis 25 FuЯ Tiefe entfдrbt sich der Lehm und geht allmдhlich in
eine kalkartige Substanz ьber, die eine aufrecht stehende Lagerung hat. Das
Wasser ist in der Mitte des Dorfes weiЯlich gefдrbt und fast so weich wie
Regenwasser, an beiden Enden des Dorfes ist es klar, aber bitter und salzig, zum
Kochen unbrauchbar, fьr die Haustiere, die es mit Begierde aufsuchen, dagegen
sehr zutrдglich.
Der mit Salpeter geschwдngerte fьr Getreideaussaaten дuЯerst gьnstige Boden
eignet sich weniger fьr Holzanpflanzungen, doch ist die 1847 begonnene
Waldanpflanzung an der Sьdseite des Dorfes in hoffnungsvollem Wachstum
begriffen. Die Rindviehpest ist hier nur zweimal infolge von Ansteckungen,
gegen die in frьheren Jahren aus Vorurteil nicht angekдmpft wurde, ausgebrochen.
Jetzt ist das Vorurteil, als sei die Viehseuche eine Schickung Gottes, gegen die
man nicht ankдmpfen dьrfe, Gottlob ьberwunden.
Obwohl Reichenfeld namentlich im ersten Jahrzehnte seines Bestehens, im
Getreidebau obenan stand, so sind doch bis jetzt wenig neue und massive Bauten
aufgefьhrt worden. Zwei neue Ziegeleien werden im Laufe dieses Jahres das
Material fьr Neubauten liefern. Bis jetzt sind erst 2 Wohnhдuser aus gebrannten
Ziegeln vorhanden. Das Schulhaus ist eben von gebrannten Ziegeln gerдumig gebaut
und mit einer Glocke versehen worden. Ein Vorratsmagazin aus gebrannten Ziegeln
ist im Bau begriffen. Endlich hat Reichenfeld 3 Windmьhlen, 2 Oelmьhlen, 1
Grьtzmьhle, 2 Schmiede, 2 Wagner, 2 Tischler und 4 Schuster, welche alle
hinlдnglich beschдftigt sind und ihr gutes Auskommen haben(1).
Die Kolonie besteht gegenwдrtig aus 41 Wirtschaften und 6 Freistellen(2) mit
insgesamt 101 Familien. Die Seelenzahl belдuft sich auf 550(3); 360 mehr als bei
der Ansiedlung. Acht Familien mit 33 Seelen bekennen sich zur katholischen
Konfession, die ьbrigen haben sich im Laufe der Zeit durch Tausch und Verkauf zu
ihren Glaubensgenossen transponieren lassen.
Schulz: Zeller.
Beisitzer: Prieb, Lorenz.
5. Wasserau(4)
Die Ansiedler dieser Kolonie bestanden grцЯtenteils aus Wьrttembergern der
Gegend Rottenburgs, die im Anfange dieses Jahrhunderts nach PreuЯisch Polen
wanderten und im Jahr 1804, mit einigen dortigen Einwohnern vereinigt nach
SьdruЯland kamen, wo sie sich im Jahre 1805 unter der Anfьhrung ihres Schulzen
________________
(1) Vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 41 Wirtschaften (177 Mдnner) auf 2460 Desj. und 10 landlose Familien
(135 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Vgl. S. 69.
(4) Russischer Name: Prochladnoje.
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Valentin Bьgler 38 Familien stark unweit Weinau am Flusse Molotschna
niederlieЯen. Der Name Wasserau wurde dem Orte erteilt, weil seine Talflдche im
Frьhling lдngere Zeit unter Wasser stand und dann in ьppigster Vegetation
aufblьhte.
Im Jahr 1810 wurden noch 4 Familien Baden-Durlacher, aufgenommen.
AuЯerordentliche Unterstьtzungen hat die Kolonie nicht erhalten, von eigenen aus
dem Auslande mitgebrachten Mitteln ist nichts bekannt.
Da das Land der Kolonie vom Ufer der Molotschna sich bei geringer Breite 12
Werst ausdehnte und deshalb bei der Bearbeitung Unbequemlichkeiten bot, so
entschlossen sich im Jahre 1815 16 Wirte in Gemeinschaft mit 15 Weinauer
Familien an einen 12 Werst vom Wohnsitz entfernten Ort ьberzusiedeln. Nach
langer Beratung wurde auf Ansuchen bei der Obrigkeit die gдnzliche
Uebersiedelung Wasseraus im Jahre 1823 entschieden, wobei Weinau in den Besitz
des Landes an der Molotschna kam und dafьr ein entsprechendes Landquantum unweit
Neunassau an Wasserau abtreten muЯte, worauf unter dem Schulzen Friedrich Bьgler
10 Werst westlich vom alten Wohnsitz entfernt auf einer vollkommenen, der
kleinen Jedekorin zu abgedachten Ebene, 10 Werst weit vom Hauptort Molotschna
das neue Wasserau gegrьndet wurde.
Die Kolonie besteht aus zwei Hдuserreihen und zieht sich von Ost nach West. Sie
liegt in der Mitte ihrer ein Viereck bildenden Lдndereien. Die Oberflдche ist
mit 4Ѕ Arschin tiefer Schwarzerde bedeckt und ist am ergiebigsten fьr alle
Getreidearten. Die Unterlage bis auf den 15 bis 22 FuЯ tiefen Wassergrund
enthдlt gelben Lehn in aufrechtstehendem Geschiebe mit leiser
Salpeterbeimischung, weshalb auch das Brunnenwasser stellenweise mit
Salpeterteilen geschwдngert ist. Der Ackerbau wird nach den heutigen Regeln und
Vorschriften betrieben. Die Bдume, besonders die Rьster, erfreuen sich eines
raschen Wachstums. Mit der Waldanpflanzung ist erst 1847 an der Nord- und
Sьdseite des Dorfes unmittelbar an die Obstgдrten sich anschlieЯend der Anfang
gemacht. Die Baumzucht wurde bis jetzt nur betrieben, weil die Obrigkeit es
verlangte(1).
Die Rindviehpest hat in 25 Jahren dreimal die Hдlfte des Viehbestandes
aufgerieben. AuЯer unbedeutenden Kinderkrankheiten sind keine Epidemien unter
Menschen vorgekommen.
In Hinsicht der Bauten macht Wasserau schцne Fortschritte; es sind bereits 8
Gebдude von gebrannten Ziegeln vorhanden und ebenso viel im Bau begriffen.
Auch besitzt Wasserau ein Schulhaus von gebrannten Ziegeln mit Strohbedachung im
gewцhnlichen Stil erbaut und ein ebensolches Vorratsmagazin.
Die in Wasserau ansдЯigen 2 Schmiede, 1 Wagner, 3 Tischler und 2 Schuhmacher
haben vollauf zu tun.
Die Kolonie zдhlt gegenwдrtig 26 Wirtschaften und 1 Freistelle(2). Sie ist von
61 Familien mit 341 evangelischen Seelen bewohnt; 219 Seelen mehr als bei der
Ansiedlung.
Schulz: Schlдgel
Beisitzer: Glцckler. Kersch.
________________
(1) Auffallenderweise wird in den vorliegenden Berichten immer wieder der
Abneigung gegen die Anlage von Gдrten und Waldungen Ausdruck gegeben.
(2) 1857: 26 Wirtschaften (96 Mдnner) auf 1560 Desj. und 8 landlose Familien (84
Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
Page 72
6. Neunassau(1)
Die Kolonie wurde 1814 durch 20 Familien Uebersiedler aus der Kolonie Nassau
unter Anfьhrung des Schulzen Georg Kuppert 9 Werst vom alten Wohnsitz und vom
Hauptort Molotschna entfernt in seinem seichten Steppental ohne Namen gegrьndet
und bildet 2 Hдuserreihen in der Richtung von Nord nach Sьd. Die Uebersiedelung
geschah aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten. Sie war durch den miЯlichen
Umstand hervorgerufen, daЯ die groЯe Kolonie Nassau von der дuЯersten Grenze
ihres nur 4 Werst breiten Landes 15 Werst entfernt war. Bei der Landvermessung
im Jahre 1823 wurden der Kolonie Neunassau noch fьr 8 Wirtschaften Land
zugeschnitten und teils aus solchen, die bei der Ansiedelung ohne Land geblieben
waren, teils mit der heranwachsenden Jugend besetzt. Bei einer nochmaligen
genaueren Vermessung im Jahre 1844 muЯte noch ein Wirt von Alt-Nassau
aufgenommen werden. Was die Bodenbeschaffenheit und das Wasser anbelangt, so
unterscheidet sich das neue Nassau nicht vom alten. Die Baumzucht wird hier sehr
mittelmдЯig betrieben. Bдume im Alter inwieweit der Salpetergehalt des Bodens
daran schuld ist. Die Waldanpflanzung an der Ostseite des Dorfes, welche mehr
der Kontrolle des landwirtschaftlichen Vereins unterliegt(2), sieht
hoffnungsvoll aus.
Die Rinderpest hat hier zweimal geherrscht und jedesmal den sechsten Teil des
Viehbestandes dahingerafft. Unter den Menschen sind keine Epidemien
ausgebrochen.
Von gebrannten Ziegeln sind 2 Wohnhдuser, das Schulhaus mit Pfannenbedachung und
das Vorratsmagazin erbaut.
1 Ziegelhьtte, 2 Windmьhlen, 1 Schmiede, 3 Tischler und 1 Schusterwerkstдtte
sind hinlдnglich beschдftigt.
Die Kolonie besteht gegenwдrtig aus 29 Wirtschaften und 4 Freistellen und zдhlt
51 Familien mit 301 Seelen evangelischer Konfession; 200 mehr als bei der
Ansiedlung(3).
Schulz: Ardes.
Beisitzer: Hьtenmeier. Rцder.
7. Grьntal(4)
Als im Jahr 1810 in der Ratssitzung Sr. Exzellenz des seligen Herrn Kontenius
beschlossen ward, die Bezirksschдferei im nordwestlichen Winkel des Bezirks zu
errichten, wurde auch zugleich bestimmt, in deren Nдhe eine kleine Kolonie
anzusiedeln, um in vorkommenden Notfдllen Hilfe von den Ansiedlern erhalten zu
kцnnen, hauptsдchlich aber, um in der Ansiedelung einen Schutz gegen Viehdiebe
und Wцlfe zu haben. Diese zwei- und vierbeinigen Rдuber waren im Anfang um so
gefдhrlicher, als die nur einige hundert Stьck zдhlende Schafheerde sehr wenig
Personen beschдftigte.
________________
(1) Russischer Name: Nesterewo.
(2) d.h. 1814.
(3) 1857: 28 Wirtschaften (98 Mдnner) auf 1680 Desj. und 5 landlose Familien (89
Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2 S. 39.
(4) Russische Namen: Weselyj Gaj, Popow Balka.
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Unter Anfьhrung des Schulzen Heinrich Mцllmann, der im Jahr 1805 aus Mecklenburg
eingewandert und seine in Molotschna in Besitz gehabte Wirtshaft einem
Neueingewanderten abgetreten hatte, sammelten sich noch 5 im Jahr 1804 aus
PreuЯisch Polen und 4 aus Baden 1807 und 1810 eingewanderte Familien, um die fьr
10 Wirte bestimmte Kolonie nach Anweisung der Bezirksbehцrde unmittelbar auf der
цstlichen Seite der Schдferei mit einer Hдuserreihe an dem rechten Ufer der
sogenannten Popowa Balka mit 80 Faden Baustellenbreite zu grьnden. Da das Tal in
jener Zeit durch seine ьppige Vegetation mit der ьbrigen Steppe im auffallenden
Kontrast stand, so trugen die Ansiedler darauf an, den Ort Grьntal zu benennen.
Diese nur aus 10 Wirten bestehende 16 Werst westnordwestlich von Molotschna
entfernte, rundum vom Schдfereiland begrenzte, drei Jahrzehnte lang durch
Vorteile aller Art beforzugte Kolonie ist wohlhabender, als alle anderen. Die
Bewohner Grьntals waren nдmlich mit von den ersten, welche die veredelte
spanische Schafrasse einfьhrten und die Schafzucht au auЯergewцhnlicher Blьte
brachten, als die Mehrzahl der anderen Kolonien noch wenig Begriffe davon
hatten. Da Grьntal die Strenge(1) ihrer Grenznachbarn nicht zu fьrchten hatte,
wurde es den Bewohnern mцglich, bis 1000 spanischer Schafe auf den Wirt zu
halten, wдhrend noch im Anfange des zweiten Jahrzehnts in anderen Kolonien nur
hцchstens 100 Stьck auf den Wirt genдhrt werden konnten(2).
Die Baumzucht wurde auch betrieben und namentlich von Gottlieb KrieЯe frьhe und
mit Nachdruck, aber wohl mehr aus Gefдlligkeit gegen die Person des seligen
Herrn Kontenius, als aus gemeinnьtzigen Absichten mit Erfolg fortgefьhrt(3).
Ebenso wurden von KrieЯe schon im Jahr 1821 Versuche mit Waldanpflanzungen und
sogar mit Weinbau gemacht, welch letzterer damals schon auch an anderen Orten
versucht, aber sich keiner ermunternden Erfolge erfreut hatte. Ein von Sr.
Exzellenz an KrieЯe gerichtetes eigenhдndiges Schreiben ist der sprechende
Beweis von der besonderen warmen Teilnahme fьr die Gartenkultur und liefert ein
lebendiges Bild von dem Zustand, in welchem sie sich damals befand. Der Brief
lautet:
"Werter KrieЯe! Zu seiner ersten und gut geratenen Weinlese wьnsche ich Ihm
teilnehmend Glьck und danke Ihm fьr die guten, mir zugeschickten Trauben. Suche
Er nur, lieber KrieЯe, die sich weise dьnkenden Mдnner und Frauen, die in ihrem
blinden Wahne, von ihrer Sorglosigkeit, Faulheit und Unsinn irre gelenket, im
Rausche oder auch nьchtern die frechste aller Lьgen zu verbreiten suchen, als
________________
(1) d.h. Ьberfдlle, die in der ersten Zeit der Ansiedlung hдufig waren, vgl. S.
97.
(2) P. von Koeppen: Ьber einige Landesverhдltnisse S. 25 f. berichtet, daЯ die
Zahl des GroЯviehs von den Kolonisten selbst nach MaЯgabe des Gemeindelandes
beschrдnkt worden war. Bei den Molotschnaer Kolonisten durfte ein jeder Wirt
40 Stьck (Weinau 35, Grьntal und Tiefenbrunn 45) halten oder die vierfache
Anzahl von Schafen (vgl. ebenda S. 51). Vom einjдhrigen Hornvieh worden zwei
und von jungen Kдlbern vier auf ein Stьck GroЯvieh gerechnet (vgl. ebenda).
- Zur Fцrderung der Schafzucht schloЯ Contaenius im Molotschnaer
Kolonistengebiet auch 7 besonders tьchtige Wirte zu einem Verein zusammen,
der unter dem Vorsitz des Gebietsschulzen einmal monatlich in der
Hauptschдferei tagte, vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 53. - 1848
besaЯ die Bezirksschдferei 9023 Mutterschafe bzw. Hammel und 3897
Zuchtbцcke, vgl. ebenda S. 60. Doch hatte Contaenius bereits Ende der
zwanziger Jahre des 19. Jh. eine intensivere Wirtschaftsweise auf Kosten der
Schafzucht angeraten, vgl. ebenda S. 54.
(3) vgl. S. 58 Anm. 5.
Page 74
kцnne hier zu Lande kein Baum noch Rebenfrьchte gedeihen, durch den infolge
Seines beharrlichen FleiЯes bewerkstelligten, im Obst- und Weinbau gelungenen
Erfolge zu beschдmen und die in Hinsicht des Gehцlz-, Obst-, Gemьse- und
Weinbaues zum wahren Glauben zu bekehren.
"Zur Nachricht und als Fingerzeig fьr die Zukunft zeige ich ihm hiermit an, daЯ
ein Tuch- und Wollenhдndler aus Krementschug, namens Gцrlitzer, vorigen Juli die
Dorfswolle der Kolonie Jamburg, die nicht besser is, als die Seinige, in
geschwemmtem Zustande das Pud zu 30 Rbl. gekauft und nachdem er selbige in
Krementschug nochmals leicht hatte waschen und trocknen lassen ist, selbige in
Romna(1) das Pud zu 65 Rbl. verkauft worden. Die Wдsche in Krementschug hat zwar
das Gewicht um 20 Prozent vermindert, dennoch aber hat der Gцrlitzer, nach Abzug
des Verlustes am Gewicht, noch 22 Rbl. bar an jedem Pud in Romna gewonnen,
welches ausweist, daЯ Er, lieber KrieЯe, Seine Wolle auch zu 52 Rbl. hдtte
verkaufen kцnnen.
"Da Er und Seine braven Nachbarn Lukowitsch und Frey mir zugesagt haben, Gehцlze
anlegen und in gedeihlichen Wuchs bringen zu wollen, so schicke ich Ihm in
beifolgendem versiegelten Pдckchen:
1) eine kleine Portion Wachholdersamen, eine zur Heilung der Schafkrankheiten
sehr nцtige Frucht;
2) Eicheln- 3) Linden- 4) Ahorn- 5) Rhabarber- | Samen
6) Chinesische Hirse- 7) 10 Stьck RoЯkastanien. |
"Die wenigen Sдmereien trage ich Ihm auf, lieber KrieЯe, zu gleichen Teilen mit
seinen obengenannten beiden Nachbarn zu teilen, so daЯ ein jeder die seinige
sorgfдltig in die Erde bringen kцnne, gehцrig pflege und in gehцrigem Wachstum
zu fцrdern suche, damit jeder von Euch sich mit der Zeit als ein geьbter und
fleiЯiger Baumpflanzer ausweisen kцnne.
"Nach freundlichem GruЯe an Seine liebe Frau und Kinder verbleibe ich Ihm stets
gewogen
Jekaterinoslaw, den 30. September 1825. Contaenius.
Mit dem Seidenbau hat KrieЯe's Schwiegersohn, Jakob Greulich, den Anfang
gemacht, doch hat der Wohlstand der Kolonie die Arbeitskrдfte fьr die
vorhandenen Erwerbszweige derart in Anspruch genommen, daЯ derselbe nicht
aufkommen konnte. Dadurch, daЯ die Schдferei des Schutzes der Grьntaler nicht
mehr bedarf und auf seine eigenen Lдndereien beschrдnkt worden ist, hat der
Eifer fьr besonders ausgezeichnete Leistungen nachgelassen, und die Bewohner der
anderen Kolonien finden sich beleidigt, wenn man ihnen die Grьntaler als Meister
hinstellen will, indem sie diese Kolonie immer noch als eine durch das
Schдfereiland begьnstigte betrachten.
________________
(1) = Romny, vgl. S. 95 Anm. 2. - In gleicher Weise, wie sich Contaenius in den
Anfangsjahren der deutschen Siedlungen fьr eine Ausweitung und Veredelung
der Schafzucht einsetzte, war er spдter auch bestrebt, Absatzmдrkte fьr die
Wolle der Kolonisten zu erschlieЯen. So lieЯ er 1828, nachdem im Jahre zuvor
fьr die veredelte Wolle in RuЯland keine nachfrage bestanden hatte, je 30
Pud aus dem Chortitzaer, Molotschnaer Mennoniten- wie Kolonistenbezirk ьber
Petersburg nach London zu Ahlen senden, wo das Pud 22 Kop. B. hцher als die
spanische geschдtzt, die Wollwдscherei jedoch getadelt wurde, vgl.
"Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 53.
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Der Wasserstand im Tal ist flach, kaum einen Faden tief, aber nicht ohne
Beimischung von Salpeter. In einer Arschin Tiefe fand man цfters Menschenknochen
und verrostete Sporen; von einem Grab hat man jedoch keine Spur entdeckt.
In Hinsicht der Gebдude zeichnet sich Grьntal aus. Es hat 5 steinerne und 4
Hдuser aus gebrannten Ziegeln, eines mit Blechbedachung. Damit stehen aber
Schule und Vorratsmagazin in einem schreienden Kontrast, was den Grьntalern im
Vergleich mit den anderen Kolonien mit Recht zum Vorwurf gereicht.
1 Ziegelbrennerei, 2 Windmьhlen, 1 Pferdemьhle von vorzьglicher Einrichtung, 1
Tischler und 1 Schneider haben vollauf zu tun.
Gegenwдrtig besteht die Kolonie Grьntal aus 10 Wirtschaften, wozu noch zwei neue
durch Besiedelung der bei Grьntal befindlichen ьberflьssigen 120 Dessjatinen
hinzukommen sollen. 15 Familien evangelischer Konfession mit 132 Seelen bilden
die Bevцlkerung, deren Zahl jetzt um 96 Seelen hцher ist, als es bei der
Ansiedelung der Fall war(1).
Schulz: Schmidtgall.
Beisitzer: Schweitzer.
8. Altnassau(2)
Vom Hauptort Prischib 3 Werst sьdlich am FuЯe des Talufers Molotschna wurde
diese Kolonie im Jahre 1805 mit 60 Familien aus PreuЯisch Polen eingewanderten
Kolonisten gegrьndet. Diese Kolonisten waren ursprьnglich in den Jahren 1800 bis
1802 aus Nassau-Usingen gekommen, weshalb sie ihr Dorf Nassau nannten. Ihr
Anfьhrer bei der Einwanderung nach RuЯland war der spдtere Schulz Johann Rцder.
Zwischen dem FluЯbette und der in zwei Hдuserreihen von Nord nach Sьd angebauten
Kolonie besetzt dieselbe eine Talflдche von etwa 150 Dessjatinen, welche цfters
vom FluЯe ьberschwemmt wird. Ihr Ackerland erstreckte sich bei 4 Werst Breite
bis and die kleine Jedekorin bei Hochstдdt und war an der дuЯersten Grenze 10
Werst von der Kolonie entfernt, weЯhalb sich 20 Wirte im Jahre 1814 zur
Uebersiedelung auf eigene Kosten entschlossen. Sie nannten ihre junge Ansiedlung
Neunassau (siehe daselbst)(3), und die von ihnen verlassene дltere Kolonie bekam
den Namen Altnassau.
Die Altnassauer erhielten die gleiche Unterstьtzung von der Krone, wie die
anderen Kolonisten, eigene Mittel hatten sie nicht, weshalb sie in der
Landwirtschaft sehr zurьckblieben und sich an geringe Bedьrfnisse gewцhnten. Sie
lebten von einem Tage zum anderen dahin und dachten nicht an den nдchsten. Da
kein grьbelnder Gedanke and die Zukunft bei ihnen aufkommen durfte, so zeichnete
sie Frцhlichkeit bei aller Armut und sorglose Ausgelassenheit bei цffentlichen
Vergnьgungen aus. Im Benehmen der Jungen gegen die Alten und der Untergebenen
gegen die Vorgesetzten herrschte absolute Gleichheit.
Die Bodenbeschaffenheit und Gьte des Landes ist dem der Kolonie Molotschna
gleich, das Brunnenwasser bei 18 bis 30 FuЯ Tiefe salpeterfrei. Die Nдhe der
allgemeinen Plantage hat die Baumzucht der Kolonie gefцrdert. Die Obst- und
________________
(1) 1857: 10 Wirtschaften (46 Mдnner) auf 600 Desj. und 5 landlose Familien (60
Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(2) Russischer Name: Strepetowka.
(3) vgl. S. 72. Der in Klammern gebrachte Verweis stammt wohl vom Verfasser
selbst.
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Maulbeerplantage ist im Jahre 1844 etwa 50 Faden vom FluЯ entfernt auf der
erhabensten Stelle, wo einst der Schwarzdorn wild wucherte, angelegt und
verspricht reichlichen Lohn fьr aufgewandte Mьhe. Mit dem Seidenbau ist ein
kleiner Anfang gemacht worden. An ansteckenden Krankheiten hat die Kolonie mit
Ausnahme unbedeutender Schlarlach- und Masernepidemien nicht zu leiden gehabt.
Die Rindviehpest hat 5 Mal den dritten Teil des Viehbestandes dahingerafft.
Von gebrannten Ziegeln sind 7 Wohngebдude aufgefьhrt und ebensoviele im Bau
begriffen. Das gerдumige Schulhaus ist ebenfalls von gebrannten Ziegeln gebaut.
2 Windmьhlen, 2 Schmiede, 3 Wagner, 1 Tischler, 3 Schuster, 1 Schneider sind
genьgend beschдftigt und haben ein gutes Auskommen(1).
Die Kolonie besteht gegenwдrtig aus 29 Wirten und 15 Freisassen mit 86 Familien,
welche insgesamt 487 Seelen zдhlen; 299 mehr als bei der Ansiedlung(2).
Erwдhnung verdient hier das Zutzische Ehepaar. Georg Zutz, 1762 bei Kompin in
PreuЯen geboren, trat im 18 Jahr 1780 noch unter Friedrich dem GroЯen als
Gemeiner in den Militдrstand und wurde in seinem 26. Lebensjahr verabschiedet.
1788 verheiratete er sich mit der 25-jдhrigen Rosine geb. Grцning und lieЯ sich
als Kolonist in PreuЯisch Polen nieder, wo er sich im Jahre 1804 der
Auswanderung nach SьdruЯland anschloЯ. Seitdem lebt er als Landmann in der
Kolonie Altnassau, keine anderen Bedьrfnisse kennend, als Nahrung, Arbeit und
eine Pfeife Tabak, die keine jugendliche Lunge vertrдgt. Mit seiner Rosina lebt
er still und zufrieden im 61-ten Jahr seiner Ehe. Die geschдftige Rosina geht
wohl noch цfters auch im Winter im leichten Unterkleid und am Oberleib bis aufs
Hemd entblцЯt auf den Hof, um sich zur altdeutschen Suppe das nцtige Wasser zu
holen. Sie hat stets bei den Weibern Nassaus die Dienste einer Wehemutter
versehen.
O, ihr undankbaren Nassauer! Sie hat euer erstes Klagegeschrei mit Geduld
hingenommen und euch den Mund, mit dem ihr heute so gelдufig das Alter
lдcherlich zu machen versteht, noch mehr geцffnet. Und wie vielen hat die gute
Rosine beim letzten Seufzer Glaube, Liebe und Hoffnung vorgebetet!...
Schulz: Mayer.
9. Tiefenbrunn(3)
Als im Jahre 1818 Ihre hochselige Majestдt die Kaiserin Elisabeth Feodorowna(4)
hцchstderen Vaterstadt Karlsruhe mit Ihrem Besuch beehrte, haben sich einige
badische Familien aus dem Durlacher Amte die besondere Erlaubnis erbeten, nach
SьdruЯland einwandern zu dьrfen. Ihre Majestдt geruhte fьr deren Erlaubnis zur
Auswanderung am badischen Hofe selbst zu sprechen und genehmigte bei Ihrer
Rьckkehr nach St. Petersburg die Verabfolgung eines Vorschusses von 600 Rbl.
banko fьr jede Familie(5).
________________
(1) Vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 40 Wirtschaften (164 Mдnner) auf 2400 Desj. und 7 landlose Familien
(162 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Kolodeznoje.
(4) = Gemahlin Alexanders I., geb. 1779 als Tochter (Luise Marie Auguste) des
Erbmarkgrafen Karl Ludwig von Baden, gest. 1826, vgl. M. Lindemann: Die
Heiraten der Romanovs und der deutschen Fьrstenhдuser. Bonn 1935, S. 52 f.
Hier Feodorowna statt Aleksejewna.
(5) vgl. S. 106 Anm. 1.
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Die Ankunft dieser Auswanderer im Jahre 1819 gab die nдchste Veranlassung zur
Grьndung Tiefenbrunns im Jahre 1820. Die Oberkolonialbehцrde gab die Erlaubnis,
daЯ Familien von der ersten Ansiedlung, die ohne Land geblieben waren, sowie aus
der nachgewachsenen Jugend der schon vorhandenen Kolonien sich anschlieЯen
durften, um mit ihnen eine neue Kolonie zu grьnden. So hatten sich 29 Familien
zusammengefunden, welche unter dem Schulzen Karl Fuhrman einen Ort unmittelbar
am Kurkulak, 15 Werst nцrdlich von Molotschna, wдhlten und die Kolonie
grьndeten, welcher sie infolge der ungewцhnlich, 50 bis 60 FuЯ tiefen Brunnen
den Namen Tiefenbrunn gaben.
Obwohl auЯer den direkt aus Deutschland gekommenen Familien, alle anderen auf
ihre eigenen Mittel beschrдnkt waren, so arbeitete sich doch die Mehrheit mit
FleiЯ und Eifer in den ersten 10 Jahren aus der drьckendsten Armut heraus.
Obschon einigen Taugenichtsen in der Folge ihre Grundstьcke abgenommen werden
muЯten, so erfreute sich Tiefenbrunn doch bald eines durchschnittlichen mдЯigen
Wohlstandes, wozu einige mehr durch Nebenspekulationen, als durch
Bewirtschaftung ihrer Grundstьcke gelangt waren.
Der Ackerbau wird auf dem an Gьte den anderen Kolonien nicht nachstehenden Boden
nach den neueren Wirtschaftsregeln betrieben, doch kцnnen nur 20 Dessjatinen auf
die Wirtschaft unter den Pflug genommen werden. Dem Gartenbau wird kein Wert
beigelegt, obwohl einige in der Kolonie wachsende gute Bдume beweisen, daЯ der
Boden sich dazu eignet. Von der erst im Jahre 1847 am sьdlichen Ende des Dorfes
in der schmalen Talflдche des Kurkulak angefangenen Waldplantage ist noch nichts
zu sagen.
Die bis zu einer Arschin tiefe Schwarzerdschicht ist auf gelbem Lehm gelagert,
worunter sich vorzьgliches Wasser enthaltender FlцЯsand befindet, in welchem
hдufig Knochen von unbekannten Tiergattungen gefunden werden. Auch wurde aus
einem 60 FuЯ tiefen Brunnen beim Graben ein Dolch herausgeholt.
Die Wohngebдude und Wirtschaftsgebдude sind in gutem Zustande und zwei Neubauten
werden von gebrannten Ziegeln aufgefьhrt. Das neue, gerдumige Schulhaus ist von
gebrannten Ziegeln, und das hцlzerne Vorratsmagazin wird bald einem massiven
weichen. 1 Windmьhle, 2 Schuhmacher, 1 Schneider und 1 Tischler sind hinlдnglich
beschдftigt(1).
Tiefenbrunn zдhlt auf 29 Wirtschaften und 3 Freistellen 57 Familien mit 335
Seelen(2).
Schulz: Hecht.
Beisitzer: Noll. Gillung.
10. Weinau(3)
Sieben Werst sьdlich vom Hauptort Prischib, 50 bis 250 Faden vom FluЯbett der
Molotschna entfernt, 6 bis 8 Arschin ьber der Talflдche, mit 2 von Nord nach Sьd
sich hinziehenden Hдuserreihen, wurde die Kolonie unter Anfьhrung des Schulzen
________________
(1) vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 39 Wirtschaften (94 Mдnner) auf 1200 Desj. und 8 landlose Familien
(121 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Arbuzowka.
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Philipp Bittner im Jahr 1805 gegrьndet. Die Einwanderer waren aus der Gegend
Stuttgarts stammende Wьrttemberger, die einige Jahre in PreuЯisch-Polen gelebt
hatten.
Da die Mehrheit derselben sich in Wьrttemberg mit Weinbau beschдftigt hatten, so
nannten sie ihre Kolonie Weinau. Sie haben die ьbliche Unterstьtzung von der
Regierung erhalten und etwa 500 Thaler eigenes Vermцgen mitgebracht. Ihr Land
gehцrte zur Zeit der Ansiedlung zu demjenigen des Gutsbesitzers Dubinsky(1).
Im Jahr 1810 wurden noch von den 1809 Eingewanderten 12 aus der badischen Gegend
bei Karlsruh stammende Familien in die Gemeinde aufgenommen, wodurch ihr
Landquantum bedeutend verlдngert und die Benutzung desselben erschwert wurde.
Diesen Fehler sah man schon im Jahre 1815 ein, und es zogen infolgedessen 15
Wirte zu den Uebersiedlern von Wasserau. Im Jahre 1840 zogen drei nach
Kronsfeld, nachdem schon im Jahre 1823 der Rest von Wasserau gдnzlich
ьbersiedelt war. Dadurch kam Weinau wieder in eine vorteilhaftere Lage.
Die Bewohner von Weinau haben den Schlendrian, grobe Vorurteile und Zanksucht
lange Zeit auf eigene Unkosten gepflegt. Die Baumkultur lag bis tief ins zweite
Jahrzehnt hinein ganz im argen, obwohl der am nцrdlichen Ende des Dorfes vom
Kolonisten Jakob Wacker bei seiner Behausung im Jahr 1820 angelegte Obstgarten
ein auЯerordentliches Wachstum an den Tag legte und schon nach einigen Jahren
schцne Frьchte brachte.
Im Jahre 1833, durch Wacker und einige seiner Gesinnungsgenossen aufgemuntert,
wurde die Mehrheit einig, in der Talflдche an der цstlichen Seite des Dorfes
eine Obst- und Maulbeerplantage anzupflanzen, welche sich in gutem Wachstum
befindet.
Das Wasser is bei 30 bis 40 FuЯ tiefe mit Bittersalz geschwдngert. Die Unterlage
der ѕ Arschin dicken schwarzen Gartenerde ist rotgelber Lehm mit etwas Sand und
Kalksteingerцlle vermengt in aufrecht stehender Lagerung. Die sьdliche Talflдche
enthдlt viele Salzstellen, auf welchen der Graswuchs ohne Ueberschwemmung sehr
kьmmerlich ist.
Die Viehseuche hat 5 Mal ѕ der Gesamtzahl des Viehes zum Opfer genommen.
Epidemien unter Menschen sind nicht gewesen.
Von gebrannten Ziegeln sind 6 Hдuser erbaut und 2 im Bau begriffen. Das
Schulhaus ist von gebrannten Ziegeln mit Pfannenbedachung, das
Getreidevorratsmagazin von Holz.
3 Ziegelhьtten, 2 Windmьhlen, 3 Schmiede, 1 Tischler, 3 Schuster, 1 Schneider
und 3 Tцpfer sind hinlдnglich beschдftigt(2).
Gegenwдrtig besteht Weinau aus 33 Wirtschaften und 9 Freistellen mit 36
Familien, welche aus 373 Seelen evangelischer Konfession bestehen; 242 Einwohner
mehr als bei der Ansiedlung(3).
Schulz: Kempf.
Beisitzer: Weber. Lohrer.
________________
(1) Vgl. S. 57 Anm. 1.
(2) Vgl. S. 84 Anm. 1.
(3) 1857: 36 Wirtschaften (241 Mдnner) auf 2160 Desj., vgl. Klaus a.a.O. Beilage
2, S. 39.
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11. Durlach(1)
Im Jahre 1810 wurde dieser Ort von 12 evangelischen Familien aus Baden-Durlach
an der sьdlichen Generalgrenze, die den Molotschnaer Bezirk von den
Duchoboren(2) scheidet, 11 Werst vom Hauptort Molotschna, 34 Werst von
Melitopol, 311 von Simferopol und 176 Werst von Jekaterinoslaw entfernt unter
dem Schulzen Michael Lutz gegrьndet und ihm der Name Durlach gegeben.
Das sehr fruchtbare ebene Land mit seiner arschintiefen schwarzen Gartenerde war
zur Zeit der Ansiedlung unbewohnt und gehцrte dem Gutsbesitzer Dubinsky (siehe
die Beschreibung von Molotschna)(3). Die Kolonie besteht aus zwei von Nord nach
Sьd sich hinziehenden Hдuserreihen von 20 Faden Hofstellenbreite; ebensoviel
betrдgt auch die Breite der StraЯe. Sie liegt an der Talflдche der Molotschna
auf einer mehrere Arschin betragenden Erhцhung, welche eine sanft aufsteigende
Ebene an der Westseite des Dorfes bildet und von dem hier auЯerordentlich hohen
Talufer in Form einer Bucht eingefaЯt wird.
AuЯer der allgemeinen Kronsunterstьtzung erhielten im Jahre 1813 die Aermsten je
ein paar Ochsen; eigene Mittel hat bei der Einwanderung niemand besessen(4).
Da die Kolonie aus nur 12 Wirten besteht, so ist der Kostenaufwand fьr
Gemeindebedьrfnisse fьr den einzelnen hцher als in anderen Kolonien, doch haben
die mit ihrem Los zufriedenen Durlacher nie ernste Klagen darьber gefьhrt und
bewiesen, daЯ auch eine kleine Kolonie sich zu unterhalten imstande ist.
Das 35 bis 45 FuЯ tiefe Brunnenwasser ist von auЯerordentlicher Gьte(5). Der
Untergrund ist mit Sand vermengter Mergelton. Die Baumanlagen gedeihen sehr gut,
nur fehlt es noch an den entsprechenden Leistungen auf diesem Gebiet. Mit dem
Anpflanzen des Waldes ist 1846 begonnen worden.
Die Viehseuche hat zu 5 Malen je 4/5 des Rindviehs dahingerafft. 4 Wirte sind
im Begriff Wohnhдuser von gebrannten Ziegeln zu bauen. Das Schulhaus und
Vorratsmagazin sind von Luftziegeln.
________________
(1) Russische Namen: Terny, Gontscharskij.
(2) Die Duchobory oder Duchoborcy (der Name wird von ihnen selbst als "Kдmpfer
fьr den Geist", von ihren Gegnern als "Kдmpfer gegen den Geist" gedeutet)
bilden eine mystisch-rationalistische Sekte der russischen Kirche. Sie
leiten ihren Ursprung von Ananias, Azarias und Misael ab, in denen jedoch O.
Novickij den in Moskau 1689 verbrannten Breslauer Mystiker Quirinus
Kuhlmann, ferner Baschkin und Tweritinow, zwei unter dem EinfluЯ des
Protestantismus im 17. und 18. Jh. in ihrem Glauben wankend gewordene und
von der russischen Kirche verfolgte Ketzer sieht. Der erste ZusammenschluЯ
der Duchobory fand Mitte des 18. Jh. statt. Von der russischen Regierung
anfangs geduldet, setzten Ende des 18. Jh. gegen sie Verfolgungen ein. Doch
erhielten sie 1802 unter sehr gьnstigen Bedingungen (Steuerbefreiung auf 5
Jahre, zinsloses Darlehn, Selbstverwaltung) die Ansiedlungserlaubnis an der
Molotschna, wo sie zu einem gewissen Wohlstand gelangten. Erneute
Verfolgungen unter Nikolaus I. fьhrten zu ihrer Umsiedlung nach
Transkaukasien (1841-1845) und schlieЯlich zu einer Auswanderung von 7400
Personen nach Canada (1898-1899), vgl. V1. Bonc Bruevic: Materialy po
istorii i izuceniju russkogo sektantstva i raskola (Materialien zur
Erforschung des russischen Sektentums und Schismas). Bd. 2, Petersburg 1909
und Brokgauz Efron a.a.O. Bd. 16, Sp. 922-926; C.A. Dawson: Group
settlement. Ethnic communities in Western Canada, Toronto 1936, Teil 1, S.
1-68: The Doukhobers.
(3) Vgl. S. 75 Anm. 3.
(4) Vgl. S. 31 Anm. 3.
(5) Vgl. S. 60 Anm. 2.
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1 Schmied, 1 Tischler, 1 Schuster und 2 Tцpfer pflegen ihr lohnendes Handwerk(1).
Die 12 Wirtschaften der Kolonie sind mit 21 Familien bewohnt, welche 149 Seelen
zдhlen; 105 mehr als bei der Einwanderung(2).
Schulz: Lutz.
Beisitzer: Lutz. Keller.
12. Karlsruh(3)
Die Kolonie wurde 1815 von 15 Familien aus Weinau und 16 Familien aus Wasserau
gegrьndet. Weinau und Wasserau, diese zwei groЯen bei einander gelegenen
Kolonien, deren Land sich 10 bis 15 Werst in die Lдnge erstreckte und bei der
Bearbeitung groЯe Beschwerlichkeiten bot, wдhlten unter ihrem Schulzen Philipp
Groh eine neue Stelle zur Ansiedlung eines Teiles ihrer Wirte 12 Werst
sьdwestlich von Molotschna entfernt. Da dieser Schulz aus der badischen Gegend
um Karlsruh stammte, so wurde das neue Dorf auf seinen Vorschlag "Karlsruh"
genannt.
Im Jahre 1821 wurden noch 5 neu eingewanderte Familien aufgenommen. Die
schwдchsten Wirte erhielten von der Krone auЯer der allgemeinen Unterstьtzung
noch 3 Pflьge und 4 Paar Ochsen aus den Mitteln der Ansiedlungskasse. Die
eigenen Mittel waren bei der ersten Ansiedelung sowohl als auch bei der
Uebersiedelung gering und viele muЯten in den Jahren 1815 und 1816 einen Teil
ihrer Saat- und Brotfrucht mit Dreschen in anderen Kolonien verdienen.
Die Sittlichkeit dieser aus Wьrttembergern, StraЯburgern, Badenern aus der
Gegend Durlachs und Eppingens und aus der polnischen Gegend Kalisch
eingewanderten Leute lieЯ in den ersten Jahren der Ansiedelung manches zu
wьnschen ьbrig, doch hat sich ein Emporsteigen in wirtschaftlicher Hinsicht bald
geltend gemacht.
Der Boden ist 1Ѕ Arschin tiefe Gartenerde mit gelber, salpeterhaltiger
Lehmunterlage, das Brunnenwasser ist 40 bis 50 FuЯ tief und salpeterhaltig. Die
Baumzucht gedeiht gut, doch will man hier auch wie in anderen Kolonien dieser
Gegend bemerkt haben, daЯ die Bдume mit Ausnahme der Rьster und der Maulbeeren
nur von kurzer Lebensdauer sind, was man dem EinfluЯ des Salpeters zuschreibt,
der sich hier wie auch an anderen Orten in Gestalt eines Reifs auf der
Oberflдche des Humus ansetzt. Die im Jahr 1846 begonnene Waldanpflanzung besteht
hauptsдchlich aus Rьstern und Maulbeeren.
Die Rindviehpest hat dreimal 2/3 des Viehbestandes dahingerafft(4). AuЯer
Scharlach und Masern sind unter Menschen keine Epidimien ausgebrochen.
5 Wohnhдuser sind von gebrannten Ziegeln erbaut und 3 im Bau begriffen. Das
gerдumige Schulhaus ist von Luftziegeln gebaut, ein Vorratsmagazin aus Ziegeln
ist im Bau begriffen.
________________
(1) Vgl. S. 84, Anm. 1.
(2) 1857: 12 Wirtschaften (42 Mдnner) auf 720 Desj. und 9 landlose Familien (43
Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Kreschtschenka.
(4) Nach den MiЯjahren Anfang der 40er Jahre des 19. Jh. wurde in Karlsruh "den
дrmsten Kolonisten von ihren Dorfgenossen nur erlaubt, ihre Lдndereien an
andere gegen die Hдlfte der Nachzucht zu ьberlassen, auf welche Weise sie
dann wieder zu Vieh kamen", vgl. P. von Koeppen: Ьber einige
Landesverhдltnisse S. 25.
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1 Windmьhle, 3 Schmiede, 1 Tischler, 1 Schneider sind stets hinlдnglich mit
Arbeit versehen(1).
Die Kolonie besteht gegenwдrtig aus 36 Wirtschaften und 6 Freistellen und ist
von 492 Seelen evangelischer Konfession bewohnt; 35 mehr als bei der
Einwanderung(2).
Schulz: Ullmann.
Beisitzer: Fцll. Schelle.
13. Kronsfeld(3)
Kronsfeld wurde im Jahr 1825 unweit Reichenfeld, 25 Werst vom Hauptort
Molotschna entfernt, auf bis dahin unbesetztem Kronsland gegrьndet und auf
Vorschlag des damaligen Oberschulzen Jakob Ricker, dem man die Benennung des
Ortes anheimgestellt hat, Kronsfeld genannt.
Die nдchste Veranlassung zur Grьndung Kronsfelds gaben einige einzeln aus den
Gegenden Heidelberg und Tьbingen mit eigenen Mitteln eingewanderte Familien von
der St. Petersburger Ansiedlung, welche dort ihre bereits angetretenen
Wirtschaften mit Erlaubnis der Behцrden verkauft hatten und hier mit 60 Dessj.
pro Familie belehnt werden sollten(4). Ihnen wurden auch einige im Jahr 1809
ohne Land gebliebene Familien, sowie einige vom Nachwuchs in den Kolonien
beigesellt. So waren 19 Familien zusammengekommen, welche unter ihrem aus der
St. Petersburger Ansiedlung gekommenen Schulzen Adam Schatz ihr auf einer
vollkommenen Ebene gelegenes Land zu bebauen anfingen. Land und Wasser sind dem
der Kolonie Karlsruh дhnlich. Der Baumwuchs ist hier schwach, doch ist mit der
Waldanlage im Jahre 1848 an der Nord- und Sьdseite des Dorfes der Anfang gemacht
worden.
Indes muЯte Kronsfeld im Jahr 1833, als die unweit Altmontal gelegene Kolonie
Neudorf(5) von der Kolonialobrigkeit aufgelцst wurde, noch 12 dortige Wirte
aufnehmen, weil es in seinen Grenzen ьbriges Land hatte. Die Uebersiedler von
Neudorf wurden hier wie in den anderen Kolonien nur sehr ungern aufgenommen,
weil sie einen hцchst ьblen Ruf hatten. Ihre mit dem Glauben an Hexen und
Gespenster verbundene Faulheit hatte die Obrigkeit veranlaЯt, diese Ansiedler in
den anderen Kolonien zu verteilen, um sie unter einen besseren EinfluЯ au
bringen. Die Zeit hat diese MaЯregel vollkommen gerechtfertigt, indem mehrere
dieser Uebersiedler nunmehr andere, unter besseren Umstдnden heraufgekommene in
wirtschaftlicher Beziehung eingeholt, wenn nicht ьberflьgelt haben. Im Jahre
1839 muЯten auf Befehl hцherer Behцrde noch 3 Wirte aus Weinau aufgenommen
werden, weil dort nach einer genauen Landvermessung fьr sie keine Wirtschaften
ьbrig geblieben waren.
Eine Viehpestepidemie hat ѕ des Rindviehs zum Opfer genommen.
In Kronsfeld steht 1 Haus aus gebrannten Ziegeln, im Bau begriffen sind 4. Das
1847 von gebrannten Ziegeln neuerbaute Schulhaus hat ein Ziegeldach. Das
________________
(1) Vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 36 Wirtschaften (194 Mдnner) auf 2160 Desj. und 19 landlose Familien
(126 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. S. 39.
(3) Russische Namen: Prosjanoje, Nowyj Numer.
(4) Vgl. S. 69 Anm. 1.
(5) gegr. 1805, vgl. Skalkovskij a.a.O. Teil 2, S. 328.
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Vorratsmagazin ist von Holz. Eine Ziegelhьtte ist in diesem Jahre errichtet. 1
Schmiede, 3 Tischler, 2 Schuhmacher und 1 Schneider sind hinlдnglich
beschдftigt(1).
Die Kolonie zдhlt 34 Wirtschaften und 1 Freistelle mit 69 Familien, welche 366
Seelen zдhlen(2).
Schulz: Nelde.
Beisitzer: Mayer. Schatz.
14. Friedrichsfeld(3)
Die Kolonie wurde 1810 und 1811 von 49 aus den badischen Gegenden Mannheims und
Heidelbergs stammenden Familien, die sich in ihren Winterquartieren befreundet
hatten, gegrьndet. Zu ihnen hatten sich einige wьrttembergische Familien aus der
Stuttgarter Gegend gesellt. Im Jahre 1811 wurden noch mehrere, 1804 aus
PreuЯisch Polen eingewanderte Familien, die in Neudorf ohne Land geblieben
waren, und nach der zweiten Lдndereivermessung 1823 noch 10 Wirte aus der
nachgewachsenen Jugend der Kolonie zugezдhlt. Das Dorf ist 15 Werst
westnordwestlich vom Hauptort Molotschna am SteppenfluЯ Jedekorin in einer
Biegung des hier schmalen Tales gelegen, wodurch es in der Umgegend den Namen
Kriwoi Nommer(4) erhalten hat. Sie selbst nannten es Friedrichsfeld, weil ihr
Schulz Friedrich Lupp hieЯ und der Ansiedler Schmidtgall, welcher den ersten
Brunnen auf dem sьdlichen Ende des Dorfes gegraben und gutes Wasser entdeckt
hatte, ebenfalls den Taufnamen Friedrich fьhrte. Das Land und die
Bodenbeschaffenheit gleichen denjenigen der Kolonie Kronsfeld. Die Lage des
Landes ist sehr gьnstig.
AuЯer den gewцhnlichen Unterstьtzungsmitteln erhielten einige Kolonisten im
Jahre 1813 noch 2 Pflьge und 3 Paar Ochsen. Etwa 300 Thaler eigene Mittel waren
vorhanden.
Die Friedrichsfelder haben zu lange Zeit die Pferde- und Rindviehzucht auf
Kosten der Schafzucht vernachlдssigt, woran der sonst ausgezeichnete
tonangebende Wirt Friedrich Schmidtgall schuld war, welcher Sr. Excellenz
Kontenius einst in massiven Ausdrьcken zu bedenken gab, daЯ die Schafzucht den
Ruin der Ansiedler zur Folge haben werde. Auch unter sich hatten die
Friedrichsfelder viele Streitigkeiten, und es wдhrte geraume Zeit, bis sie sich
zu friedlicher Eintracht aufschwangen.
Die Baumzucht kam erst im Jahre 1829 einigermaЯen in Gang durch den Ansiedler
Andreas Benke, welcher einen Obstgarten hinter seiner Baustelle anpflanzte und
darin zunдchst einzelne Nachahmer fand. Mit der Waldanpflanzung ist im Jahre
1846 an der цstlichen und westlichen Seite energisch begonnen worden.
Die Viehseuche mordete dreimal (zuletzt 1839) ѕ der Gesamtzahl des Rindviehs.
Die seit 18 Jahren in diese Kolonie verlegte Arrestantenetappe ist nicht bloЯ
mit Zeitverlust, VerdrieЯlichkeit und Unkosten verknьpft, sondern auch ein die
gute Sitte gefдhrdender Umstand.
________________
(1) Vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 31 Wirtschaften (98 Mдnner) auf 1860 Desj. und 4 landlose Familien
(121 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russische Namen: Schirokoje, Kriwoj Numer.
(4) d.h. "Krumme Nummer", die Kolonien erhielten nдmlich bei der Anlage zunдchst
Nummern statt eines Namens.
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1 Haus is von Feldsteinen, 10 von gebrannten Ziegeln mit Pfannenbedachung gebaut
und 12 sind im Bau begriffen.
Das Schulhaus ist von Luftziegeln, das Vorratsmagazin von gebrannten Ziegeln ist
im Bau begriffen.
Friedensfeld besitzt eine Ziegelhьtte, die zweite ist im Bau begriffen. 4
Windmьhlen, 4 Schmiede, 2 Wagner, 2 Tischler, 4 Schuhmacher und 3 Schneider sind
hinlдnglich beschдftigt und haben ein gutes Auskommen(1).
Die Kolonie besteht aus 63 Wirtschaften und 8 Freistellen mit 116 Familien,
welche 743 Seelen zдhlen; 488 mehr als bei der Ansiedelung(2).
In Abwesenheit des Schulzen hat unterschrieben
Georg Schaad.
Beisitzer: Walter. Dieter.
15. Rosental(3)
Die Kolonie wurde ursprьnglich von 12 im Jahre 1804 aus Preusisch Polen
eingewanderten Familien 1805 3 Werst nцrdlich von Molotschna am Talufer des
Tschingul in einer schцnen Lage unter Anfьhrung des Schulzen Friedrich Mдrtins
gegrьndet. Um nach dem Wunsche dieser Ansiedler die schwache Kolonie zu
verstдrken, wurden im Jahr 1810 noch 3 neueingewanderte Familien von Preusisch
Polen und 3 von Baden aufgenommen. Da aber ihr schmales Land von einer
betrдchtlichen Lдnge war, entschlossen sich die Ansiedler im Jahre 1815 ihre
Kolonie 10 Werst weiter unweit des Steppenflusses Jedekorin in die Nдhe der
Schдfereigrenze auf eigene Kosten zu verlegen, wobei noch 3 landlose Familien
aus Molotschna hinzugenommen wurden. Dieser Ort ist in 12 Werst vom Hauptort
Molotschna, 48 Werst von Melitopol, 313 Werst von Simpferopol und 143 Werst von
Jekaterinoslaw entfernt.
Nach der zweiten Landmessung im Jahre 1823 muЯten nochmals 2 Wirte angenommen
werden, und als im Jahre 1833 die Kolonie Neudorf aufgelцst wurde, fiel ein Teil
ihrer Lдndereien, als am passendsten gelegen, dieser Kolonie zu, wodurch von
jener noch 8 Wirte hierher kamen (siehe Kronsfeld)(4). Von den an der Stelle der
ersten Ansiedlung am Ufer des Tschingul wachsenden Rosen wurde das Dorf Rosental
genannt.
An Unterstьtzung erhielten die Rosenfelder die ьblichen Summen. Eigene Mittel
waren nur bei den 1809 Eingewanderten im Betrage von etwa 300 Talern vorhanden.
Die Oberflдche und Beschaffenheit des Bodens ist derjenigen aller sogenannten
Steppendцrfer дhnlich. Das Wasser ist nur am sьdlichen Teil des Dorfes gut,
weshalb es ein unverzeihlicher Fehler bleibt, daЯ die Kolonie nicht sьdlicher
verlegt worden ist.
Infolge des durch ьppige Weide und nachlдssige Behandlung hervorgerufenen
Milzbrandes gedieh die spдt angefangene Schafzucht schlecht, doch verschaffte
________________
(1) Vgl. S. 84 Anm. 1.
(2) 1857: 63 Wirtschaften (260 Mдnner) auf 3780 Dessj. und 28 landlose Familien
(214 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Schkolnoje.
(4) Ьber Kronsfeld vgl. S. 81 f. - Der Hinweis stammt wohl vom Verfasser.
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die mit Vorliebe betriebene Pferdezucht bei dem billigen Futter nicht
unbedeutende Einnahmen. Die Baumzucht wird mittelmдЯig betrieben, obwohl die im
Wachstum stehenden Bдume eine dauerhafte Gesundheit verraten. Mit der Waldanlage
wurde erst im Frьhling 1848 auf beiden Seiten des Dorfes unmittelbar hinter den
Obstgдrten der Anfang gemacht.
Zwei Rindviehseuchen rafften je ѕ des Viehbestandes hinweg.
Von gebrannten Ziegeln ist ein Wohnhaus aufgefьhrt und zwei im Bau begriffen.
Das Schulhaus ist von Luftziegeln, das Magazin von gebrannten Ziegeln. 1
Windmьhle, 1 Цlmьhle, 2 Schmiede, 2 Wagner, 2 Schuhmacher sind vollauf
beschдftigt(1).
Gegenwдrtig befinden sich in der Kolonie auf 31 Wirtschaften und 5 Freistellen
63 Familien mit 407 evangelischen Einwohnern; 384 mehr als bei der ersten
Ansiedlung(2).
Beisitzer: Ikert. Prieb
16. Neumontal(3)
Im Jahre 1816, als nach der Uebersiedlung Rosentals die Lage der Lдndereien von
dem Kurkulak aus noch immer nicht gьnstig genug zur zweckmдЯigen Bearbeitung des
Landes war, wurde darauf angetragen, daЯ Neudorf sich ьbersiedeln mцchte. Als
aber jene es abschlugen, entschlossen sich 21 Wirte der 4 Werst nцrdlicher
unweit Rosental gelegenen Kolonie Altmontal zu Uebersiedlung (siehe
daselbst)(4). Unter Anfьhrung des Schulzen Michael Kьbler wurde der Ort zwischen
den zwei nicht fern entspringenden Tдlern, die nach ihrer Vereinigung, eine
Werst sьdlich, die Jedekorin bilden, 12 Werst von Molotschna entfernt, zur
Anlage des Dorfes gewдhlt.
Im Jahre 1823 nach der zweiten Lдndereivermessung wurden noch 7 Wirte
aufgenommen, die teils aus Landlosen von der Ansiedlung her, teils aus jungem
Nachwuchs bestanden.
Der Name Montal gefiel den Uebersiedlern dermaЯen, daЯ sie ihre Kolonie
Neumontal nannten, weshalb das дltere Montal den Zusatz "Alt" erhielt.
Die eigenen Mittel der Uebersiedler bestanden mehr in Vieh und Wirtschaftssachen
als in barem Gelde.
Das Land gehцrt in jeder Beziehung zum vorzьglichsten des ganzen Bezirks. Das
gleiche kann auch vom Wasser gesagt werden. Die sofort nach der Ansiedlung
allmдhlich gepflanzten Obstgдrten lieferten schon im Jahr 1826 edles Obst. Die
im Jahr 1844 angefangene Waldanpflanzung ist mit Maulbeerhecken umgeben und
gewдhrt schon heute einen erfreulichen Anblick. Neumontal besitzt die besten
________________
(1) 1848 waren im gesamten Molotschnaer Kolonistengebiet 10 Wagner, 38 Schmiede,
43 Tischler und Zimmerleute, 2 Drechsler, 46 Schuhmacher, 22 Schneider, 7
Tцpfer und 1 Schlosser beschдftigt, vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849,
S. 61. - Ьber das gдnzliche Fehlen von Maurern heiЯt es ebenda S. 59:
"Sonderbar genug ist es, daЯ obgleich in jetziger Zeit so viele, zu Teil
kostspielige Gebдude errichtet werden, dennoch sich Niemand dazu hergibt,
das Maurerhandwerk zu erlernen."
(2) 1857: 31 Wirtschaften (110 Mдnner) auf 1860 Desj. und 8 landlose Familien
(161 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Ordynka.
(4) Wohl Zusatz des Verfassers.
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alten Hдuser, weil man beim Bau derselben schon manche Erfahrung hatte, jedoch
sind schon 2 von gebrannten Ziegeln erbaute vorhanden und 2 im Bau begriffen.
Das gerдumige, von Luftziegeln erbaute Schulhaus ist mit einer Glocke versehen.
Das Vorratsmagazin ist von Holz. 1 Ziegelhьtte, 1 Windmьhle, 3 Schmiede, 2
Schneider und 1 Tischler sind vollkommen beschдftigt.(1).
In der Kolonie wohnen auf 28 Wirtschaften und 4 Freistellen 51 Familien mit 304
Seelen; 194 mehr als bei der Ansiedlung(2).
Im Auftrage des Schulzenamtes: Beisitzer Schilke.
17. Altmontal(3)
Im Jahre 1805 wurde diese Kolonie von 30 aus PreuЯisch-Polen, Brandenburg und
Mecklenburg eingewanderten Familien gegrьndet und nach der Zahlenfolge als No 1
vom seligen Herrn Kontenius ohne weitere Veranlassung "Montal" genannt. Sie
liegt an dem sich hier seicht abflachenden Talufer des FlьЯchens Tschingul, 5
Werst nцrdlich von Molotschna, 50 Werst von Melitopol, 325 Werst von Simferopol
und 142 Werst von Jekaterinoslaw entfernt.
Die Bewohner Montals waren so tцricht, ihre Gemeinde mit noch 20 Familien aus
Baden und ElsaЯ zu vermehren und bedachten damals nicht, daЯ auf diese Weise
die zwischen ihnen und dem 5 Werst entfernten Hautport Molotschna die zwei
Kolonien Rosental und Neudorf eingepreЯt wurden, und daЯ durch die kaum 5 Werst
nцrdlich gelegene Kolonie Waldorf die Lдndereien aller hier gelegenen
Ansiedlungen, von den Grenzflьssen des Kolonistenbezirks Kurkulak und Tschingul
aus noch mehr geschmдlert, desto weiter ьber das Talufer der Molotschna in die
Lдnge sich dehnen muЯten. Es gereicht ihnen und den Ansiedlern Rosentals zur
Ehre, daЯ sie schon im Jahr 1815 die Folge einer solchen Lдndereieneinteilung
einsahen und um Uebersiedlung eines Teils ihrer Bewohner nach der дuЯeren
Grenze hin nachsuchten. Die Kolonialbehцrde billigte ihr Vorhaben und die
Uebersiedlung wurde im Jahre 1816 auf eigene Kosten ausgefьhrt (siehe Neumontal
und Rosental)(4). Hierdurch wurden die Zurьckgebliebenen, was die Bequemlichkeit
der Bewirtschaftung ihrer Lдndereien anbelangt, wesentlich verbessert.
AuЯer den aus der Ansiedlungskasse erhaltenen gewцhnlichen Unterstьtzungsmitteln
wurden einige ganz Mittellose noch mit 2 Pflьgen und 4 Paar Zugochsen
unterstьtzt. Die eigenen Mittel haben bei den 1809 Eingewanderten etwa 1000
Thaler betragen.
Als dann im Jahre 1831 endlich noch die Kolonie Neudorf aufgelцst und nach
Kronsfeld und Rosental ьbergefьhrt wurde, erhielt das Land Altmontals eine noch
vorteilhaftere Lage. Auch fielen dieser Kolonie 360 Dessjatinen ьberflьssigen
Landes zur einstweiligen NutznieЯung gegen eine mдЯige jдhrliche Pachtsumme zu,
was unstreitig viel zu dem erhцhten Wohlstand Altmontals beigetragen hat.
________________
(1) Vgl. S. 84, Anm. 1.
(2) 1857: 28 Wirtschaften (87 Mдnner) auf 1860 Desj. und 5 landlose Familien (85
Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Kurgany.
(4) Vgl. S. 84 Anm. 4.
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Von dem an Fruchtbarkeit den ьbrigen Kolonien vollkommen ebenbьrtigen Lande kann
jeder Wirt nur 22 Dessjatinen zum Ackern benutzen, was freilich wenig wдre, wenn
man den Ackerbau nicht nach den jetzt eingefьhrten besseren Regeln eingerichtet
hдtte.
Die Unterlage der 1 Arschin dicken Gartenerde ist roter Lehm, der stellenweise
ins Graue ьbergeht und eine aufrecht stehende Lagerung hat. Die Brunnen sind 20
bis 40 FuЯ tief. Das Wasser sammelt sich in einem dem Tцpferton дhnlichen
Grunde, in welchem man versteinerte Knochen von unbekannten Tiergattungen
findet.
Ein auf der Anhцhe des Talufers entdecktes Grab mit bearbeitetem Stein ьberdeckt
und einem Sarge von Eichenholz ohne Inschrift und andere Merkmale lassen
vermuten daЯ ehemals hier ein Wohlhabender beerdigt worden, da weder Steine noch
Eichen in dieser Gegend zu finden sind.
Die Baumkultur ist in Altmontal spдt und nicht ganz zweckentsprechend begonnen,
doch ist im Laufe der letzten 15 Jahre hierin mehr FleiЯ und Umsicht an den Tag
gelegt worden.
Die Obst- und Maulbeerenplantage, eine Werst sьdlich von der Kolonie, in der von
Neudorf ьberkommenen Talflдche im Jahre 1834 angepflanzt, steht in gutem
Wachstum. Die Lage ist vortrefflich, doch sollen Birnbдume nicht gut gedeihen.
Mit dem Seidenbau ist 1846 die Anfang gemacht worden.
Die Rinderpest hat viermal ѕ des Viehbestandes getцtet.
Von gebrannten Ziegeln hat Altmontal erst 1 Wohngebдude; es sind aber 6 solche
im Bau begriffen. Das Schulhaus ist von Luftziegeln, das Vorratsmagazin von Holz
erbaut.
1 Windmьhle, 1 Ziegelhьtte, 1 Schmied, 1 Wagner, 2 Schuster, 2 Schneider und 1
Tцpfer haben immer hinlдnglich Beschдftigung(1).
In den Kolonien wohnen auf 31 Wirtschaften und 4 Freistellen 357 Seelen
evangelischer Konfession; 225 mehr als bei der Ansiedlung(2).
Schulz: Hecht.
Beisitzer: Reschki. Krebs.
18. Kaisertal(3) und Darmstadt(4)
Diese Kolonien, obgleich sie sich zum Molotschnaer Kolonistenbezirk zдhlen, sind
auf einem von diesem Bezirk abgesonderten Land angesiedelt, welches an den
SteppenfluЯ Taschtschenak цstlich und im Sьdost an den SteppenfluЯ
________________
(1) Vgl. S. 84 Anm. 1 und die ДuЯerung ьber die Handwerker des gesamten
Molotschnaer Kolonistenbezirks aus dem Jahre 1849; "an tьchtigen Handwerkern
fehlt es uns noch, nur Schmiede und Wagner verdienen eine ehrenvolle
Erwдhnung. Dieselben entsprechen zwar nicht an Zahl, aber an Tьchtigkeit den
Bedьrfnissen der Zeit", vgl. "Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 59.
(2) 1857: 31 Wirtschaften (82 Mдnner) auf 1860 Desj. und 6 landlose Familien
(102 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 39.
(3) Russischer Name: Utljuk, Staryj Numer.
(4) Russischer Name: Tschabanowka.
(5) Nach M. Basmer (mьndlich): Azyz Ukljuk bzw. Utljuk (aus dschag. otluk)
"GroЯer Utljuk".
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Asis-Ustljuk(5) grenzt, und 60 Werst sьdцstlich von Molotschna, 18 Werst von
Melitopol, 250 Werst von Simferopol und 210 Werst von Jekaterinoslaw angesiedelt
ist.
Kaisertal wurde im Jahr 1838 mit 44 Familien evangelischer Konfession an dem
Steppenflusse Klein-Utljuk(1) gegrьndet. Es soll laut Bestimmung der Behцrde 50
Wirtschaften zдhlen, daher wurde fьr die noch fehlenden 6 ein entsprechendes
Refervegrundstьck der Kolonie zugemessen, welches bald mit landlosen Familien
besetzt werden wird. Kaisertal hat eine weit angenehmere Lage, als die im Jahr
1840 mit 46 evangelischen Familien, etwa 3 Werst цstlicher, auf einer
vollkommenen Ebene begrьndete Kolonie Darmstadt. Auch hinsichtlich der Brunnen
ist Kaisertal gegen diese im bedeutenden Vorteil, indem selbige hier 18 bis 25,
in Darmstadt aber 75 bis 100 FuЯ tief sind. Dagegen ist das Wasser in Darmstadt
durchschnittlich von besserer Gьte als in Kaisertal. Die Ansiedler beider
Kolonien bestehen aus nachgewachsener Jugend aus allen evangelischen Kolonien
des Molotschnaer Kolonistenbezirks, die, nachdem sie sich als fleiЯige und
fдhige junge Anfдnger legitimiert und eigenes Vermцgen aufzuweisen hatten, mit
Erlaubnis der hцheren Obrigkeit zugelassen wurden.
Die junge Steppe bildet eine erhцhte Ebene, auf welcher verschiedene Tдler
entspringen. Kaum mit 4 Werschock Gartenerde bedeckt, ist sie дuЯerst mager und
mit dьnnem Graswuchs ьberzogen. Daher, und besonders infolge des hier цfters
ausbleibenden Regens, ist eine ergiebige Ernte etwas Seltenes. VerhдltnismдЯig
ist hier noch viel zu wenig Land unter dem Pfluge. Es wird den Ansiedlern
besondere Ehre machen, wenn sie den Beweis liefern, daЯ auch solchem Lande durch
FleiЯ, Nachdenken und Beharrlichkeit Vorteile abzugewinnen sind.
Kaisertal hat in kurzer Zeit hinsichtlich der Baumanpflanzung Befriedigendes
geleistet. Man will in beiden Kolonien bemerkt haben, daЯ Birnen und Maulbeeren
am besten gedeihen.
Die Hдuser sind durchschnittlich von Lehmziegeln auf Fundamenten von Stein oder
gebrannten Ziegeln erbaut. Nur Darmstadt hat ein Wohnhaus von gebrannten
Ziegeln, und ein Schulhaus von demselben Material ist im Bau begriffen.
Kaisertal hat ein gerдumiges, gut erhaltenes Schulhaus von Luftziegeln. Jede
Kolonie besitzt eine eingedeichte Viehtrдnke.
1 Ziegelhьtte, einem Darmstadter Wirt gehцrig, 3 Windmьhlen, 1 Pferdemьhle, 3
Schmiede, 3 Wagner, 2 Tischler, 2 Schneider und 2 Schuhmacher haben hinlдngliche
Beschдftigung.
Beide Kolonien zusammen haben jetzt 90 Wirtschaften und ebensoviel Familien mit
665 Seelen(2).
Schulz: Martins. Beisitzer: Fust.
Schulz: Schuhmacher. Beisitzer: Walter.
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(1) = Malyj Utljuk, vgl. Semenov-Tjan-Sanskij a.a.O. Bd. 14, S. 670.
(2) Das Molotschnaer Kolonistengebiet umfaЯte:
1825: 852 Familien 3072 Mдnner 2813 Frauen, Rempel a.a.O. S. 3.
1834: 1040 Familien 3847 Mдnner 3939 Frauen, Klaus a.a.O. Beilage 7.
1841: 4551 Mдnner 4232 Frauen, (darunter 840 Wirte, 205
landlose Familien, 281 Handwerker, vgl. Klaus a.a.O. Beilage 7.
1848: 1096 Familien 10432 Personen (darunter 897 Wirte, 109 Freisassen vgl.
"Unterhaltungsblatt" Jg. 4, 1849, S. 60.
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