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Deutsche_Stilistik

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Die Eigentümer und Besitzer von Verkehrseinrichtungen können verpflichtet werden, diese ganz oder teilweise an einen zu bezeichnenden Ort zu bringen (§ 15, 2 Verk. SiG).

... Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 sind nur auf Grund einer Weisung oder Ermächtigung des Bundesministers für Verkehr zulässig.

In der expressionistischen Prosa hingegen findet sich bei einzelnen Autoren eine Neigung zur Artikellosigkeit, die eine Form ihrer effektsuchenden Sprachgestaltung darstellt:

Und Dünkel ist Bild der kaum mehr tönenden Gefühle.

(P. Zech, »Auf der Terrasse am Pol«)

»Er mußte über Boden gehen, der war weich ...«

(G. Benn, »Der Geburtstag«)

Wie er nun dalag und ruhen wollte, brach Sonne schräg durchs Fenster ...

Es schien ihm aber ... Gebärde und Lachen infam ...

(Sternheim, »Busekow«)

Ein wirkungsvoller Stileffekt wird auch erreicht, wenn ein Artikel gegen den üblichen Sprachgebrauch dem Substantiv zugefügt wird. Derartige deiktische Artikelsetzungen finden sich in der Alltagssprache oft vor Eigennamen (der Hans, die Liese, der Müller usw.).

In literarischen Texten schafft diese Personenkennzeichnung eine volkstümliche Vertrautheit:

Aber sag doch einer, wo der Moor bleibt?

(Schiller, »Die Räuber«)

Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.

(Schiller, »Wallensteins Tod«)

In der Werbesprache der Gegenwart wird diese deiktische Funktion des bestimmten Artikels, die hier mitunter eine superlativische Funktion erfüllt, gern genutzt:

Philips bringt die Tiefenschärfe. (Rasiererwerbung)

Der große Magenbitter. Sechsämtertropfen. (Likörwerbung)

Die Haut-Hudsons – die ersten mit dem makellosen Sitz von schöner Haut ...

(Strumpfhosenwerbung)

Zu beachten ist dabei die Wirkung des Suggestiv-Vertrauten des bestimmten Artikels, die sich aus seiner syntaktischen Verwendung als Wiederholungspronomen (nach vorheriger Kennzeichnung des Gemeinten)103 ergibt. Während der bestimmte Artikel häufig erst nach einer andersartigen Umschreibung des Bezugssubstantivs im Text erscheint, kann der unbestimmte Artikel (ein) sogleich am Textanfang stehen. Auch er individualisiert das Gemeinte, aber nur, indem er es aus anderem der gleichen Gattung hervorhebt. Der unbestimmte Artikel erweist sich so als charakteristisch für Texte mit geringem Individualisierungsgrad, z.B. Fabeln, Märchen, Exempel, während der bestimmte Artikel zur Individualisierung und größeren Vertrautheit des Bezeichneten beiträgt und daher in Romanen, Erzählungen u.dgl. bevorzugt wird.

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Stilwerte der Personalund Possessivpronomen

Von den übrigen Pronomina seien hier nur die Personalund Possessivpronomen erwähnt. Ihre sprachliche Leistung besteht im Ausdruck der persönlichen Bezugnahme des einzelnen oder kollektiven Sprechers auf sich selbst, auf einen angesprochenen Partner oder eine besprochene Person oder Sache. Diese Kennzeichnung der persönlichen Perspektive, die auch bei den Possessivpronomen (besitzanzeigenden Fürwörtern) gegeben ist, ermöglicht es, die Formen der dritten Person dieser Wörter stellvertretend für Substantive in bestimmten Texten zu verwenden. Personalund Possessivpronomen werden dadurch zu wichtigen Stilmitteln bei der Vermeidung von Wiederholungen und zu wichtigen Mitteln der Textkonstitution.104

In den meisten Fällen erscheinen Personalund Possessivpronomen als stellvertretende Wiederholungswörter, die sich auf ein vorangehendes Substantiv (bzw. Personalpronomen bei 1. oder 2. Person) beziehen.

Texte, die sogleich mit Personalund Possessivpronomen einsetzen, erschweren das Verständnis und gleichen Rätselformen, die die Lösung offenlassen; sie zwingen zu erhöhter Aufmerksamkeit und erwecken den Eindruck, daß man unmittelbar an einem Geschehen teilnimmt,weil die Vertrautheit mit den Fakten vorausgesetzt wird. Dieser Effekt tritt etwa in Werbetexten auf, besonders wenn die Kennzeichnung durch ein Bild gegeben ist (z.B. Er raucht nur x. – Ich wasche nur mit y.). In anderen Texten ist er selten zu finden. Doch sei an die Erzählung »Schwere Stunde« von Thomas Mann erinnert, die nur Personalpronomina als Subjekt kennt und Hauptpersonen, den Wallenstein-Dichter und seinen Weimarer Gegenpart, aus den geschilderten Umständen verdeutlicht. Ähnlich verfährt H. v. Hoffmannsthal in dem Gedicht »Die Beiden«, in welchem ein junger Mann nur durch »er« und ein junges Mädchen durch »sie« gekennzeichnet wird.

Der wiederholte Gebrauch von Personalpronomen bringt für Schreiber und Leser manche Schwierigkeiten mit sich. Je größer der Abstand zwischen Bezugswort (Substantiv) und Pronomen ist, desto unklarer kann der Zusammenhang werden, wenn andere Substantive dazwischentreten (vgl. S. 54 ff.). Meidet man den Ersatz durch Pronomina, so besteht leicht die Gefahr der Wortwiederholung. Hier gilt es, das rechte Maß zwischen Übersichtlichkeit und Ausdrucksvariation zu finden.

Den Personalpronomen (und den zugehörigen Possessivpronomen) kommen im einzelnen recht unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten und Stilwerte zu (vgl. W. Schneider105). Schon die Pronomina der 1. Person können stilbestimmend sein. Sie dominieren natürlicherweise dort, wo es um den persönlichen Erlebnisund Gefühlsausdruck geht (in Briefen, Tagebüchern, Berichten, persönlichen Reden, Gebeten, in der Ich-Lyrik, im Ich-Roman und im dramatischen Gespräch und Monolog), wo die subjektive Sicht der Dinge oder die eigene Absicht hervorgehoben werden sollen. Der Wechsel von Singular zum Plural schafft weitere Aussagevarianten, ermöglicht den Ausdruck des Gemeinschaftsoder Kollektivbewußtseins wie die überrepräsentative Steigerung zum Pluralis mejestatis (z.B. Wir, Wil

helm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ...) oder seinem Gegenstück, dem bescheiden klingenden Pluralis modestiae (Plural der Bescheidenheit) vieler Autoren, die in sachlichen Texten das Ich der Selbstaussage selbst dann zu vermeiden suchen, wenn sie nicht eine Verstehensgemeinschaft mit den Lesern bilden.106

Gelegentlich wird diese kollektive Ausdrucksform auch von der Werbesprache aufgegriffen:

Das ist der Geschmack, der uns lächeln läßt. Genießen Sie ihn. (Weinbrandwerbung)

Die Du-Form, ebenso wie die entsprechende Ihr-Form im Plural, Ausruck der vertraulicheren Anrede, kann auch zur Selbstanrede in monologischen Reflexionen wie in ermahnenden oder belehrenden Texten benutzt werden und dadurch zugleich auf Hörer oder Leser wirken:

Und was ist dein Beginnen? Hast du dir’s

Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht Die ruhig, sicher thronende erschüttern ...

(Schiller, »Wallensteins Tod«)

Vergnüge dich an dir, und acht es für kein Leid,

Hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen ...

(P. Fleming, »An sich«)

In der neueren Prosa tritt an ihre Stelle oft die »erlebte Rede« oder der »innere Monolog« (vgl. S. 155 ff.).

Außerhalb dieser dichterischen Formen und des persönlichen Anredebereichs (zu dem auch die zahlreichen kommunikativen Situationen des Alltags gehören), ist die Du-Anrede nicht oft anzutreffen, allenfalls versteckt in imperativischen Wendungen in der Werbung (z.B. Nimm Blumen mit. Blumen verzaubern.) oder in allgemeinen Ermahnungen auf Plakaten (Hör auf deine Frau. Fahr vorsichtig!). Noch seltener stoßen wir hier auf die Ihr-Anrede, die erstmals eine höfliche Anrede war, bevor sie vom distanzierenden Sie abgelöst wurde. Gelegentlich versuchen Werbetexter ganze Gruppen im unmittelbaren pluralischen Ihr anzusprechen, wenn auch in der imperativischen Form ohne Personalpronomen:

Spült mal – fühlt mal: Kuschelweich macht Eure Wäsche kuschelig weich.

Die gängige Anredeform der Werbung, wie auch des amtlichen und nichtvertrauten Briefverkehrs und Gesprächs bleibt indes das höflichere Sie, das aber nach Situation und Kontext verschiedene Grade der Distanz einschließen kann.

Im Gegensatz zu den vertrauteren Anreden (Du, Ihr) erscheint die Sie-Anrede nur selten in der Lyrik, und zwar fast ausschließlich bei ironischen Dichtern (z.B. Heine, Kästner, Benn).

Die Personalund Possessivpronomen der 3. Person sind als Kennzeichnungen der »besprochenen Personen« insbesondere in erzählenden, berichtenden und erläuternden Texten und Gesprächen anzutreffen. Eine Sonderstellung in stilistischer wie grammatischer Hinsicht kommt dabei den Pronomina es und man zu.

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Es kann auftreten: als Nominativ oder Akkusativ des neutralen Personalpronomens (oft verkürzt zu ’s), als vordeutendes vorläufiges Subjekt (Es war einmal ein König

...), als Subjekt unpersönlicher Verben (es regnet), als allgemeiner Objektsakkusativ (Mit dir nehme ich es noch auf) und als (selten gebrauchter) archaischer Genitiv (Ich bin es sicher). Neben den üblichen Ersatzfunktionen kommen hier also Stilwerte des Archaischen und des Unbestimmten, auch zuweilen Unheimlichen, zur Geltung, z.B. in Balladen, Volksliedern und ähnlichen Dichtungen.

Das unbestimmte indeklinierbare Personalpronomen man »umfaßt singularische und pluralische Vorstellungen und reicht von der Vertretung des eigenen Ich bis zu der der gesamten Menschheit«107, wobei der pluralische Inhaltswert und der Stilwert des Anonym-Allgemeinen überwiegen. Das Pronomen eignet sich daher für Texte, die etwas Allgemeingültiges ausdrücken, ohne hier das Subjekt des Handelns näher bestimmen zu wollen, z.B. für Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte, aber auch für Gerüchte und (»gezielte«) Indiskretionen.

Die wenigen Hinweise machen deutlich, daß mit den einzelnen Personalpronomina durchaus Gebrauchsund Stilnormen verknüpft sind, die bestimmte Wirkungen zeitigen.

Stilweite des allgemeinen und des besonderen Wortschatzes

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß den meisten Sprechern ein verhältnismäßig kleiner Teil des riesigen Wortschatzes der deutschen Sprache zur Verfügung steht (vgl. S. 199f.). Dabei handelt es sich in der Regel um den Wortschatz, der zur zwischenmenschlichen Kommunikation notwendig ist, sowie um kleinere Teilbereiche, die nur bestimmten Personen, Gruppen, Schichten u.dgl. eigen sind. Den zuerstgenannten wollen wir als allgemeinen Wortschatz bezeichnen, weil er von den meisten einigermaßen sprachgewandten Mitgliedern der Sprachgemeinschaft verwendet oder nur verstanden wird, den zuletztgenanten dagegen als besonderen Wortschatz. Feste Abgrenzungen zwischen beiden Bereichen sind zwar kaum möglich, doch bietet der allgemeine Bekanntheitsgrad ein wichtiges Differenzierungskriterium. Das Vorhandensein eines allgemeinen Wortschatzes (bzw. Grundwortschatzes108) ermöglicht erst sprachliche Verständigung und damit menschliches Zusammenleben, der stärker differenzierte besondere Wortschatz hingegen erlaubt den gruppenmäßigen Erfahrungsaustausch sowie die Aktivierung bestimmter Vorstellungsassoziationen und Gefühlsgehalte.

Mit den Elementen der einzelnen Wortschatzbereiche sind Stilwirkungen verbunden, die sowohl in der Erreichung bestimmter Stilzüge, z.B. größerer Anschaulichkeit, Klarheit o.ä., bestehen als auch im Auftreten einer bestimmten Stilfärbung (z.B. des lokalen Kolorits, einer bestimmten Fachsprache o.ä.) erkennbar werden können (vgl. S. 200f.).

Die Stilistik wird neben der Analyse nach der Funktion und Angemessenheit

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solcher stilistischen Prägungen fragen müssen, sie kann dabei leicht zur Stilkritik werden, wenn die anderweitig entliehenen Sprachformen sich als unpassend erweisen.

Das Erkennen einer Stilfärbung setzt eine gewisse Vertrautheit mit der gruppenmäßigen Herkunft und Verwendung bestimmter Wörter voraus. Die Einschätzung kann allerdings je nach dem Standort des Betrachters verschieden ausfallen. Diese Relativität der Bezugssysteme gilt es zu beachten, wenn im folgenden einige gruppenmäßige Differenzierungen des Wortschatzes vorgenommen werden. Ausgangspunkt soll dabei stets die Ebene des allgemeinen Wortschatzes der Hochund Schriftsprache sein.

Der allgemeine Wortschatz der Hochund Schriftsprache

Der deutsche Wortschatz läßt sich nach den Gebrauchsweisen der Wörter in verschiedener Weise gliedern. Die größte Gruppe bilden die am häufigsten verwendeten Wörter, die im wesentlichen der nur kommunikativen Verwendung bei gefühlsmäßig neutraler Haltung vorbehalten sind. Diese Wörter erscheinen vor allem im schriftsprachlichen Gebrauch in den Presseund Sachbuchveröffentlichungen, im Wirtschaftsverkehr und in allgemeinbildenden Texten; aber auch in der mündlichen Ausdrucksweise des öffentlichen Verkehrs wie in der Verkehrssprache der Gebildeten.

Je nach der Verwendungsweise und dem Textinhalt können die Wörter dieses Bereichs im Stilwert schwanken. Sie können ebenso den Eindruck strenger Sachlichkeit wie den beherrschter Emotionalität hervorrufen. Diese Breite der Verwendungsmöglichkeiten läßt es zu, daß diese normalsprachliche Schicht109 des Wortschatzes auch in Texten der Dichtung oder der Werbung begegnen kann, soweit es dabei nicht auf besondere semantische Wirkungen ankommt.

Als Teil der normalsprachlichen Schicht kann in bestimmten Grenzen auch der Wortschatz der Umgangssprache angesehen werden, soweit er nicht zu sehr von den Mundarten her bestimmt ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob die jeweilige Umgangssprache, die regional modifizierte Ausdrucksweise zwischen der Hochund Schriftsprache, in der Aussprache stärker mundartlich geprägt ist oder nicht. Allerdings finden sich in der Umgangssprache immer wieder Wörter, die im normalen Schriftdeutsch nicht auftauchen (z.B. kriegen für bekommen).

Solche Wörter der Umgangssprache können den jeweiligen Texten ein bestimmtes Lokalkolorit verleihen, sie bestimmten Landschaften zuordnen, in denen diese Wörter heimisch sind (z.B. obd. Knödel, Janker, Leberkäs, Jänner). Andere bringen ein sozial geprägtes Kolorit in die hochsprachlichen Texte, das auf die Sprache einfacher Menschen oder bestimmter Berufe etc. verweist. Damit gelangen wir allerdings in den Bereich des besonderen Wortschatzes.

Die Gruppen des besonderen Wortschatzes im Deutschen

Das »Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache«110 unterscheidet neben der normalsprachlichen und der gehobenen umgangssprachlichen Schicht

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des Wortschatzes weitere Schichten, die über oder unter diesen genannten Bereichen einzureihen sind.

Über dem normalsprachlichen Wortschatz wird hiernach die gehobene Schicht angesiedelt. Mit dieser Bewertung werden Wörter oder Redewendungen »als Ausdruck einer gepflegten Sprache« gekennzeichnet, die sich bewußt über Rede und Schrift der Normallage erhebt und u.a. bei feierlichen Gelegenheiten des öffentlichen Lebens verwendet wird (z.B. ableben, empfangen, bekommen, entschlafen). Zu dieser gehobenen Schicht werden auch die »dichterischen« Wörter und Wendungen gezählt, die nur noch in poetischen Texten vorkommen (z.B. Aar, Fittich, Odem).111

Im einzelnen lassen sich diese Gruppen allerdings noch weiter differenzieren nach bestimmten Stilfärbungen, nach der Häufigkeit oder Seltenheit ihres Vorkommens, nach der Bildungsweise u.dgl. Insbesondere die »Dichtersprache«, vor allem in der Lyrik, ist hier genauer zu untersuchen.112

Unter der normalsprachlichen Schicht ordnet das »Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache« zwei andere Stilschichten an: die salopp-umgangssprachliche Schicht und die Schicht vulgärer Wörter und Redewendungen.

Als salopp-umgangssprachlich wird hier der Wortgebrauch bezeichnet, der durch eine gewisse Nachlässigkeit gekennzeichnet ist, wie er im alltäglichen Verkehr der Menschen untereinander sehr verbreitet sei.113 »Die Wörter und Redewendungen dieser Stilschicht sind mehr oder weniger gefühlsbetont (z.B. Abreibung fürSchelte, Prügel, Affe für Rausch).« Den Redewendungen hingen ist oft eine bestimmte volkstümliche Bildhaftigkeit eigen (z.B. Das ist ein Abwasch. Das kannst du dir an den fünf Fingern abzählen!). Wörter dieses Bereichs besitzen den Stilwert des Volkstümlich-Ungezwungenen, oft auch den des UnverblümtVertraulichen.114

Die vulgären Wörter und Wendungen werden vom Standpunkt der anderen Stilschichten aus als ausgesprochen grob empfunden und in der Regel vermieden. In literarischen Texten erscheinen sie gelegentlich zur Charakterisierung bestimmter Personen und ihrer Ausdrucksweise. Am häufigsten begegnen Wörter dieser Stilschicht jedoch in expressiver mündlicher Rede, z.B. bei Beschimpfungen, Zornesausbrüchen o.ä. Bevorzugt werden dabei Zusammensetzungen mit Wortelementen des bäuerlichen oder fäkalen Bereiches

(Schweine-, Mist-, Sau-, Drecks-, Scheiß- u.dgl.). Mitunter begegnen diese Wörter aber auch ohne groben Stilwert (z.B. Mistwetter = schlechtes Wetter). Manchmal sind bestimmte Gruppensprachen von asozialen oder gesellschaftsfernen Gruppen durch die Dominanz von Wörtern dieser Stilschicht gekennzeichnet (Slangwörter oder Argotismen115). Einzelne Wörter dieser Stilschicht entstammen dem Rotwelsch, der früheren Gauneroder Kunden-(Vagabunden-)sprache, in die sie aus dem Hebräischen oder dem Jiddischen gelangt sind (vgl. S. 206).

Die Grenzen zwischen den verschiedenen Stilschichten sind nicht immer klar festlegbar und oft von der individuellen Einschätzung des Sprechers oder Hörers abhängig. Insbesondere die Übergange zwischen normalsprachlichem und gehobenem bzw. umgangssprachlichem Wortschatz sind zumeist

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fließend. Die stilistische Zuordnung zu den extremen Schichten fällt dagegen leichter. Zu beachten ist dabei auch, daß das gleiche Wort in verschiedenem Kontext zuweilen einen unterschiedlichen Stilwert ausweisen und unterschiedlichen Stilschichten angehören kann. Das »Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache« nennt z.B. bei »aufbauen» mehrere normalsprachliche Verwendungsweisen und Bedeutungen (z.B. ein Haus bauen, etwas wiederaufbauen, Teile zusammenfügen, bestimmte chemische. Umwandlungen, sich auf Gesichertes stützen), daneben den gehobenen Ausdruck (für auftürmen, zusammenziehen: z.B. Wolkenberge) und die metaphorisch-saloppe Ersatzform für sich aufstellen. Ähnliches ist bei vielen anderen Wörtern zu beobachten.

Solche stilistischen Unterschiede sind zuweilen das Ergebnis von Umnormungsprozessen116, die zu Wandlungen in der Wortverwendung wie im Stilwert führen. Das Wort Weib z.B. galt früher als normalsprachliche Bezeichnung für Frau, verlor jedoch mit der Durchsetzung des Wortes Frau (ursprünglich: adlige Dame) seinen Rang und rutschte in die salopp-umgangssprachliche, ja sogar in die vulgärsprachliche Stischicht ab. Die Bedeutungsverschlechterung führte zur stilistischen Umnormung.

Stilfärbungen

Die grobe Einteilung in vier Stilschichten und zwei Untergruppen wird im »Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache« durch eine Skala von Stilfärbungen ergänzt. Darunter wird hier nicht die Stilwertung verstanden, die ein Wort einer bestimmten Stilschicht in einem stilfrernden Kontext zeitigt (vgl. S. 200ff.), vielmehr gewisse Konnotationen (Nebenbedeutungen, Nebenwirkungen), die mit manchen Wörtern verbunden sind.

R. Klappenbach führt elf solcher »Stilfärbungen« auf, ohne sie genauer zu systematisieren. Es handelt sich meistens um Tendenzen der Stilfiguren, wie sie schon die traditionelle Stilistik kannte (z.B. Metaphern, Umschreibungen):

1.scherzhaft (z.B. Adamskostüm, Angsthase). Hierbei handelt es sich um metaphorische Umschreibungen mit leicht komischer Wirkung.

2.vertraulich (z.B. Schön(en) guten Abend, Alterchen). Die normal-sprachliche Grußform wird hier durch ein weiteres Adjektiv verstärkt, die Anrede durch eine Diminutivform verniedlicht.

3.verhüllend oder euphemistisch (z.B. Absetzbewegung für »Rückzug«,

»Flucht«). Durch solche Umschreibungen soll Unangenehmes beschönigt, Peinliches oder Nachteiliges vertuscht werden. Das Beispiel entstammt den deutschen Wehrmachtsberichten, die so den fluchtartigen Rückzug deutscher Truppen zu verschleiern suchten.

4. altertümelnd (z.B. alldieweil, Konterfei), »Die Bewertung altertümelnd erhalten (im Wb. d. dt. Ggw. Spr.) Wörter und Redewendungen, die bereits veraltend oder veraltet sind, aber bewußt verwendet werden, um einen besonders gewichtigen oder altertümlich wirkenden Eindruck zu erzielen. «117 – Wir kommen auf diese Gruppe im Zusammenhang der Archaismen zurück (vgl. S. 241 ff.).

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5.gespreizt (z.B. Wendungen mit beehren, Bedacht). Die damit gekennzeichneten Wörter und Redewendungen besitzen eine unnatürliche, gezierte Färbung. – Wir begegnen solchen preziösen Wörtern oft bei manieristischen Autoren, aber auch in Kitschtexten (vgl. S. 223).

6.papierdeutsch (»Wörter und Redewendungen, die ausgesprochen gebläht wirken und als unschön empfunden werden. Sie stammen vielfach aus der früheren Kanzleisprache und werden heute vornehmlich in amtlichen Schreiben oder in der Zeitung verwendet«, z.B. anteilig, aktenkundig, abschlägig).

7.übertrieben (z.B. abscheulich reich). Hierbei handelt es sich meistens um

übersteigerte adjektivische Charakterisierungen, die zur Stilfigur der Hyperbel gehören (vgl. S. 265).

8.abwertend oder pejorativ (z.B. Abhub der Menschheit, Ablaßkrämer).

Wörter dieser Gruppe besitzen zumeist durch die Verwendung im negativen Kontext eine negative Bedeutung (vgl. z.B. Weib, S. 240).

9.spöttisch (z.B. Amtsmiene). Ausdrücke dieser Art nähern sich der Ironie, dem

Ausdruck einer spottenden Meinung durch ihr ernsthaftes Gegenteil.

10.Schimpfwörter (z.B. Aas, Esel).

11.derb (z.B. abkratzen für sterben).

Wörter mit besonderer Zeitgeltung

Der besondere Wortschatz kennt indes noch weitere Untergruppen, die unabhängig von den bereits genannten Stilschichten existieren. Einen stilistisch wichtigen Wortschatzbereich bilden die Wörter mit unterschiedlicher zeitlicher Geltung. Ihre stilistische Wirkung beruht auf der Tatsache, daß bestimmte Wörter in Mode kommen oder veralten können und dann nur noch selten gebraucht werden, zumeist weil ihre Bedeutung und Funktion von anderen vorhandenen oder neugebildeten Wörtern übernommen worden ist. Innerhalb der Wörter mit zeitgebundener Geltung lassen sich mehrere Gruppen unterscheiden: 1. die veralteten Wörter (Archaismen); 2. die veraltenden Wörter; 3. die historischen Wörter; 4. die zeitgebundenen Modewörter.

Veraltete Wörter: Bei den Archaismen handelt es sich um Wörter, die heute nicht mehr zum aktiven Sprachschatz gehören, aber noch verstanden werden. Das Verständnis dieser Worter beruht mitunter auf ihrer Neubelebung durch einen Schriftsteller. Erinnert sei etwa an die Wiederbelebung mhd. Wörter im Gefolge der Edition mittelalterlicher Texte durch J. J. Bodmer um 1750, durch den Wörter wie Minne, Hain, Hort, Fehde, Gau, Recke, Aar, Degen, Lindwurm, Tafelrunde, weidlich, hehr, fromm (= tüchtig), küren, hegen wieder heimisch wurden.118

Ähnlich verfuhren die Romantiker Brentano, Eichendorff, Uhland und auch neuere Dichter, wie St. George oder R. M. Rilke. Archaismen besitzen einen zweifachen Stilwert: Zum einen wirken sie aufgrund ihrer Ungewohnheit und Seltenheit preziös-verfrerndend, zum anderen geben sie einem Text mitunter ein be-

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stimmtes historisches Kolorit. Und nebenbei wird auf diese Weise manches Synonym oder Reimwort gewonnen.

Archaismen sind nicht nur ein beliebtes Stilmittel der Dichtung. In der NS-Zeit bediente sich die NS-Jugend- und -Parteiführung, in Anlehnung an neuromantische Bestrebungen der Jungendbewegung, veralteter Wörter zur Kennzeichnung von Ämtern und Einheiten, um dem Regime eine historische Pseudo-Legitimität zu verschaffen; vgl. z.B. Bann, Gau, Stamm, Schar, Fähnlein. Arbeitsmaid, -wart, Gefolgschaft, Ostmark u.dgl.

Die stets um neue Ausdrucksmöglichkeiten bemühte Werbung verhält sich Archaismen gegenüber recht zurückhaltend. Nur gelegentlich wird auf alte Wörter oder Wortformen zurückgegriffen. Als Beispiel einer erfolgreichen Neubelebung einer alten Form kann der archaische Plural von »Land« die Lande gelten, der in der Wendung »aus deutschen Landen« aufgegriffen wurde. Die Lexika119 führen hierzu nur die Verbindung aus fernen Landen als archaisch poetischen Ausdruck auf. Der Eindruck des Alten wird in der Werbesprache lieber durch Neubildungen mit archaischen Wortbildungselementen erstrebt, z.B. mit ur- (uralt, urig, urgemütlich, urplötzlich).

Veraltende Wörter: Der Prozeß des Alterns und Vergehens der Wörter führt dazu, daß Begriffe, die bereits durch Neubildungen oder Neubedeutungen ersetzt worden sind, weiterhin benutzt werden, wenn auch seltener und oft nur von älteren Sprechern. Das Vorkommen solcher Wörter kann als Stilcharakteristikum angesehen werden. Einige Autoren verwenden solche veraltenden Wörter und Wendungen bewußt, um etwa das Sprachkolorit einer inzwischen vergangenen Epoche zu treffen oder um ältere Menschen in der ihnen vertrauten Sprache anzureden. Als Beispiel nennt R. Klappenbach u.a.: Absud, Boudoir, Gendarm, Schuld beimessen, Abkommen (für »Herkunft«), ablohnen, abnehmen (für folgern), abtafeln (für Essen beenden), abverdienen (für abarbeiten), abwendig (für abgeneigt) usw.

Historische Wörter: Von den bisher genannten Archaismen sind die Namen historischer Gegebenheiten zu unterscheiden, die an die jeweilige Sache gebunden sind. Mit dem Veralten der Sprache veraltet hier auch das Wort, wenn es nicht auf veränderte Erscheinungsformen der Sache übernommen wird (vgl. Kutsche, Wagen für Auto) Die stilistische Häufung historischer Wörter kann einer Schilderung oder Beschreibung historisches Kolorit verleihen, aber auch für den Nichtkenner Informationen verdunkeln. R. Klappenbach nennt folgende Beispiele historischer Wörter: Hellebarde, Ablaßbrief, Turnier, Bastion usw.120

Am letzten Beispiel wird aber auch gezeigt, daß historische Wörter in übertragener Bedeutung neu belebt werden können; so in der von R. Klappenbach als Neuprägung registrierten propagandistischen Wendung Die DDR – eine Bastion des Friedens.121

Modewörter: Zwischen den Archaismen und den Neuwörtern können die Modewörter eingeordnet werden. Man versteht darunter die Wörter und Redewendungen, die – einer Mode vergleichbar – nur in einer bestimmten Zeit mit Vorliebe gebraucht werden, nachher jedoch kaum noch üblich sind. Es scheint sie zu allen Epochen zu geben.

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1785 schrieb Wieland: »Das Wort ›Aufklärung‹ fängt jetzt allmälig an, so wie die Wörter Genie, gutes Herz, Empfindsamkeit und andere in üblen Ruf zu kommen.«122

Vor rund hundert Jahren registrierte G. Wustmann in seinen »Sprachdummheiten«123 eine Reihe solcher Modewörter, z.B. in Bälde, von ungeheurer Tragweite, Schulter an Schulter, (Konzert)darbietung, unerfindlich, unentwegt, erheblich, langzeitig, kurzzeitig, bislang, selbstredend, voll und ganz, naturgemäß, erhellen, herausbilden, anliefern, Vorjahr u.a.m. Manche der damaligen Modewörter sind bis heute lebendig geblieben, was uns anregen sollte, mit der Charakterisierung neuer Wörter als »Modewörter« vorsichtig zu sein.

Für die Wilhelminische Zeit registriert E. Engel124 u.a. an Modewörtern bzw. modischen Redewendungen: im Zeichen des ... stehen, ausschalten, politische Beklemmungen, auslösen, Höhenkunst, innere Linien, schneidig, staatserhaltend u.a.m. Und L. Reiners ergänzt in den 40er Jahren die Liste durch fraglos, aufs Ganze gehen, restlos, Einstellung, Tempel der Einmaligkeit, ausfüllen, im tiefsten Innern, großzügig, unerhört, hemmungslos, letzten Endes, offensichtlich, prima, fabelhaft, ganz groß, hundertprozentig, geht in Ordnung. R. M. Meyer bringt dazu Hinweise auf verschiedene Gruppierungen von Modewörtern, auf Urteilswörter, insbesondere im Bereich der Kunst (neuartig, einzigartig, tiefgründig), auf die mitunter als »Schlagwörter« gefährlichen wissenschaftlichen Kunstausdrücke (z.B.

Kampf ums Dasein, Milieu), auf Sportwörter (z.B. Rekord schlagen, Pferd steuern), Ausdrücke des politischen und öffentlichen Lebens (z.B.

Berufsfreudigkeit, Ostelbier, Scharfmacher, in Angriff nehmen, in die Wege leiten),

Leitworte aus Handel und Verkehr und Urteilsworte der Reklame (tadellos, erstklassig, ausgeschlossen).125

Daß die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, insbesondere der Nationalsozialismus, überreich an Modewörtern, vor allem an politischen »Schlagwörtern« war, ist in mehreren Arbeiten aufgewiesen worden.126

D. Sternberg, G. Storz und W. E. Süskind haben eine Reihe dieser Wörter und ihr Fortleben in der Gegenwart aufgezeichnet.127 Die Modewörter der Nachkriegszeit haben u.a. in J. Stave einen aufmerksamen Kritiker gefunden.128 Andere wurden in den Sprachglossen der Tageszeitungen aufs Korn genommen.129

Hier seien nur einige der neueren Modewörter erwähnt: Ebene (Bundesebene etc.), durchführen, auslasten, echt, Anliegen, ausräumen, unabdingbar, Profil, verstärkt, erhöht, vertieft, erneut, meisterlich, beglückend, erregend, beispielhaft, selbstverständlich, verzehrend. Die Liste ließe sich ständig erweitern.

Von der Stillehre und Stilkritik sind »Modewörter« bisher stets verurteilt worden, weil es sich um Wortschablonen handelt, die das Gemeinte nur ungenau, irreführend oder übertreibend kennzeichnen. Mitunter wird die Verwendung dieser Wörter nicht einmal durch eine Ausdrucksabsicht, sondern allein durch das Bestreben der Sprecher motiviert, auch in der Sprache »modisch« zu sein, in irgendeiner Weise in bestimmten Kreisen der Gesellschaft

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