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Deutsche_Stilistik

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Wo wohnen Sie? – (Ich wohne) In der Bahnhofstraße.

Wann kommst du zurück? – (Ich komme) Gegen vier Uhr (zurück)!

Wo in der Antwort dennoch Subjekt und Verb der Sachfrage aufgegriffen werden, kann es sich leicht um eine verstärkende Ausage oder eine andere Hervorhebung (z.B. Wiederaufnahme wegen einer Unklarheit u.ä.) handeln:

»Ist es wahr, daß ich ihm Brot gegeben habe?« – »Ja, du hast es ihm gegeben!«

(H. Böll, »Klopfzeichen») Auch in den Fragen selbst kann die Beschränkung auf Teilsätze aus Satzgliedern auftreten, wenn die Frageform und der Befragte am Anfang gekennzeichnet werden. Wir wählen zur Verdeutlichung wieder ein Beispiel von Heinrich Böll, das in der Gleichmäßigkeit der kurzen Fragen die innere Bedrängung eines Abschieds durchscheinen läßt:

»Hast du das Geld?« »Ja« »Die Fahrkarte?« »Ja« »Die Brote?« »Ja« »Den Koffer ordentlich gepackt?« »]a« »Nichts vergessen?« »Nein.« »Niemand etwas erzählt?« »Nein« »Die Adresse in Wien?« »Ja« »Die Telefonnummer?« »Ja.« (H. Böll, »Im Tal der donnernden Hufe«)

Eine weniger häufige Variante der Satzreduktion bildet die Auslassung eines obligatorischen Kasusoder Präpositionalobjektes. Viele Verben erfordern eine bestimmte nominale flektierte Verbergänzung in der Form eines Genitiv-, Dativ-, Akkusativoder Präpositionalobjektes. Erst durch den Zutritt der jeweilig erforderlichen Objekte werden manche Satzmodelle vollständig. Eine große Zahl der objektfordernden Verben kann jedoch im Rahmen des Sprachgebrauchs objektfrei erscheinen, ohne daß derartige Sätze ungrammatisch wirken. Inwieweit es sich bei solchen »fakultativen Actanten«6 im Gegensatz zu den »obligatorischen Actanten« um grammatische oder stilistische Varianten handelt, muß im Einzelfall entschieden werden. Ein Verb wie »gehorchen« z.B., das gewöhnlich ein Dativobjekt verlangt, kann durchaus in einem Satz ohne Objekt erscheinen, wenn der Kontext den Sinnzusammenhang mit »gehorchen« unterstreicht. Das Verb »gehören« dagegen, das ebenfalls ein Dativobjekt verlangt, darf nicht objektlos erscheinen, wenn der jeweilige Satz nicht als ungrammatisch oder als stilistische Abweichung von der grammatischen Norm angesehen werden soll.

Endlich sagte er. – Er fühlte lange.

Die Rede des Direktors dauerte. Langeweile breitete sich von...

(G. Grass, »Katz und Maus«)

Seltener begegnet als syntaktische Reduktionsvariante die Auslassung des Subjekts. Semantisch und syntaktisch zulässig ist sie nur, wenn zwei gleichartige Sätze mit möglichst gleichen Subjekten syndetisch (mit »und«, «oder«) oder asyndetisch verbunden werden oder ohne Bindung aufeinander folgen, so daß eine Prädikatsreihung entsteht:

Er dachte über alles nach und schrieb die Gedanken in sein Tagebuch.

Auch Abtrennungen solcher Reihungen durch Interpunktion in unvollständige Einzelsätze sind in bestimmen Fällen in neueren Dichtingen recht beliebt:

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Ich zog mich zurück. Saß im Sessel. Wie verschleppt.

(M. Walser, »Das Einhorn«)

Eine mehrfache Nennung des Subjekts würde hier stören. Sie kann jedoch zur Hervorhebung des Verhaltens des Subjekts durchaus angebracht sein:

Er hatte den Mann wiedergesehen, und er wollte ihn nicht aus den Augen verlieren.

In solchen Fällen müssen die beiden kombinierten Sätze die gleiche Satzgliedstellung aufweisen. Eine Inversion von Subjekt und Verb im zweiten Satz, wie sie früher häufig vorkam (z.B. (Wir) haben Ihren Brief erhalten und teilen wir Ihnen mit ...), ist heute nicht mehr üblich (heute: Wir haben Ihren Brief erhalten(,) und (wir) teilen Ihnen mit ...).

Kaum noch zulässig, auch nicht in Geschäftsbriefen, ist die Auslassung des Personalpronomens der ersten Person am Satzanfang. Diese Form, die ein äußerst devotes Zurücktreten des Schreibenden bekunden sollte7 und aus barockem Untertanengeist stammte, war besonders in der wilhelminischen Zeit üblich und galt lange als Stilregel, vor allem in kleinbürgerlichen Kreisen. Sie führte dazu, daß nicht nur am Briefanfang die merkwürdigsten Sprachverrenkungen zur Vermeidung des »Ich« üblich wurden (Muster: Endesunterzeichneter bittet um die Erlaubnis, Ihnen mitteilen zu dürfen, daß ...), sondern auch am Schluß derartige Unnatürlichkeiten erschienen. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich hier bei persönlichen Gesuchen, Anträgen u.dgl., überwiegend aber bei Lebensläufen, wo sich noch heute viele scheuen, mit »Ich« anzufangen, um nicht nach dem mißverstandenen Sprichwort »Der Esel nennt sich stets zuerst« als ichbetont kritisiert zu werden. Der Beginn eines Textes in der Ich-Form wird jedoch nicht mehr als anstößig empfunden. Eine Überbetonung des eigenen Ich zeigt sich nicht an solchen Kleinigkeiten, sondern eher in der allzu starken Hervorhebung der eigenen Leistung, sonst müßte man ja auch eine Quittung, die mit Ich bestätige...

beginnt, als Egoismussymptom ansehen. Will man im Lebenslauf trotzdem nicht mit »Ich« beginnen, so hebt man das Datum der Geburt hervor, das klingt erzählerischer8 (Am 30. April 1925 wurde ich in K. geboren). Irn preußischen Offiziersjargon waren die verschiedensten Formen der Kurzsätze zu einer charakteristischen Redeweise ausgebildet worden, die militärische Strenge und Schneidigkeit des Ausdrucks in die persönliche Sprechweise übernahm und oft bis zur inhumanen Schnoddrigkeit weiterentwickelte. Wir besitzen in den »Sprachporträts« einzelner Romanfiguren in den Werken Fontanes oder Heinrich Manns anschauliche Beispiele für diese abgehackte Redeweise. So charakterisiert Th. Fontane die Redeweise des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wie folgt:

Köckritz mir eben Andeutungen gemacht ... Sehr fatal ... Aber bitte ... sich setzen ... meine Gnädigste ... Mut ... Und nun sprechen Sie.

(Th. Fontane, «Schach von Wuthenow«) Heinrich Mann zeige in »Der Untertan«, wie ein bourgeoiser Nachahmer preußischer Herrschaftsattitüde diese Redeweise depravierend kopiert:

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Verkaufen, was? Klemme, was? ... –

Quatsch. Weiß Bescheid. Nur keine Fisimatenten. Höherer Befehl. Schnauze halten und verkaufen. Sonst gnade Gott.

Als weitere Form der Satzverkürzung können satzwertige Partizipien gelten, die ebenso wie der Infinitiv mit »zu« die Fähigkeit aufweisen, »sich aus dem Gesamtbogen eines Satzes herauszulösen, wenn andere Glieder zu ihm treten«9, z.B.:

... vornübergebeugt saß er in seinem Stuhl. – Den Kopf vornübergebeugt, saß er in seinem Stuhl.

Nach Ansicht mancher Grammatiken handelt es sich hierbei jedoch um selbständige syntaktische Konstruktionen, nicht um »verkürzte Nebensätze«. Formal kann eine solche Konstruktion nicht ohne Änderungen im weiteren Satz ergänzt werden (Er hatte den Kopf vornüber gebeugt, (so) saß er in seinem Stuhl). Wir haben es auch hier mit einer Verkürzung zu tun, die durch die Vermeidung der zweimaligen Subjektangabe entsteht. Bei Umwandlungen in andere Satzformen wird diese Zweisätzigkeit sichtbar. Stilistisch sind diese satzwertigen Partizipien allerdings noch in anderer Weise relevant (vgl. S. 230).

Als letzte Form reduzierter Satzbildungen sei noch die Isolierung bestimmter Satzglieder erwähnt. Es kann sich um Ausklammerungen oder Abtrennungen von Aussagen handeln, die innerhalb des Satzganzen möglich wären, in der Isolierung jedoch größeres Gewicht erhalten. Diese Art findet sich bereits bei expressionistischen Autoren:

Er schmetterte sie alle Stockwerke durch. Daß sie

tief begraben in der Erde

stak. Den Körper voll Splitter.

(J. R.

Becher, »Der Dragoner«)

Wolfgang Borchert greift diese Form in seinen Kurzgeschichten wieder auf, wie er auch andere Satzverkürzungen häufig verwendet:

Der Leutnant zog sein Hemd über den Kopf. Er hörte, wie sie draußen zurückkamen. Die anderen. Mit Heller. (W. Borchert, »Mein bleicher Bruder«)

Sie standen sich im Hemd gegenüber. Nachts. Um halb drei. In der Küche. (W. Borchert, »Das Brot«)

Auch in Werbetexten begegnen solche Formen:

Dieser Wagen ist geräumig und bequem. Mit Platz für fünf Personen. (VW-Werbung)

So sorgfältig wie außen ist der Taunus auch innen verarbeitet. Bis ins letzte Detail. (Ford-Werbung)

Im eigentlichen Sinne handelt es sich hier nicht um Satzverkürzungen10, sondern um interpunktionelle Abtrennungen.11 Durch die Isolierung des jeweiligen Satzgliedes zwischen zwei satzbegrenzenden Satzzeichen (Punkten) soll der optische Eindruck einer selbständigen Aussage erzielt werden. Die Einzelsetzung gewinnt so die Wichtigkeit einer Satzaussage und findet stärkere Beachtung. Da diese Form der »offenen Syntax« weitere Assoziation erlaubt, wird sie in Werbetexten oft verwendet.

Eine Variation dieser nachgetragenen Angaben besteht im Wiederaufgreifen einer der Aussagen des vollständigen Satzes unter Hinzufügung von Ergänzungen:

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Während dieses Zuschüttens aber hing er all jenen Gedanken und Vorstellungen nach, wie sie seit Wochen ihm immer häufiger kamen. Kamen und gingen. (Th. Fontane, »Unterm Birnbaum«)

Das kleine Mädchen hat Beine, die sind wie Finger so dünn. Wie Finger im Winter. So dünn und so rot uns so blau und so dünn.

(W. Borchert, »Die lange lange Straße lang«)

Die eine Seite von VW ist klar: Wir bauen Autos. Autos mit Luftund Wasserkühlung. Mit Heckund Frontmotor. Autos der verschiedensten technischen Konzeptionen. (VW-Werbung)

Erweiterungen der Grundform

Das Gegenstück zur Reduktion eines Satzmodells ist dessen Erweiterung. Während eine Reduktion der Grundformen wie der erweiterten Sätze um notwendige Satzglieder als stilistische Abweichung von der geltenden Norm empfunden werden kann, wird die Erweiterung solcher Grundformen in den meisten Fällen als mit dem üblichen Sprachgebrauch übereinstimmend angesehen. Alle Sätze können aber als Stilmittel fungieren und zur Hervorhebung bestimmter Ausdrucksabsichten genutzt werden, zumal die bisherigen Ausführungen über die stilistischen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Syntax ergaben, daß die Satzgrößen zumeist von den jeweiligen Ausdrucksweisen, Ausdrucksabsichten und Zweckformen abhängig sind und daß innerhalb des Werkstils keine größeren Schwankungen der Satzgrößen zu erwarten sind, kurze Sätze wie lange Sätze jeweils verschiedenen Satztypen zuzuordnen sind, darin aber gerade ihren Stilcharakter als Einheit des syntaktischen Ausdrucks in der Vielheit der Moglichkeiten bestätigen.

Für die Stilistik ist es daher von Bedeutung, zu wissen, welche Möglichkeiten der Satzerweiterung bestehen und in welcher Weise sie unter bestimmten Bedingungen genutzt werden, wie ein Autor seine Informationen in quantitativ erfaßbaren syntaktischen Gruppen enkodiert, in welchem Maße er Geschehensaussagen absolut faßt oder durch Nennung der Umstände determiniert usw.

Wenn wir hier zunächst nur die unterschiedlichen Möglichkeiten der gliedmäßigen Erweiterung des sogenannten einfachen Satzes und seiner Grundformen zusammenstellen, ohne den stilistischen Wert der Satzglieder im einzelnen zu erörtern, machen wir uns zunächst eine grammatische Aufgabenstellung zu eigen, betrachten sie jedoch im Hinblick auf die übliche Sprachverwendung. Methodisch gehen wir dabei von den beiden Kernbereichen des einfachen Satzes aus, dem Nominalbereich, der hier für alle Nominalbereiche im Satz stehen soll, und dem Prädikatsbereich, dem Verbalteil, meist mit sekundären Nominalteilen, für die wiederum in bestimmten Grenzen die Erweiterungsmöglichkeiten des Nominalbereiches gelten. Die Grundformen beider Bereiche können in begrenztem Maße und unterschiedlicher Form erweitert werden:

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DerBeamte arbeitet.

Der aufgrund seiner erfolgreichen Tätigkeit im Außendienst hierher versetzte Beamte der Kriminalpolizei arbeitet an einem neuartigen System zur schnellen Erkennung von Wiederholungstätern bei Diebstahldelikten.

Die Nominalgruppe

In der Grammatik werden zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Erweiterung der Nominalgruppe unterschieden12, die Erweiterungsgruppe, d.h. die Hinzuordnung weiterer gleichgeordneter Substantive zum Vorhandenen, und die Bestimmungsgruppe, d.h. die nähere Bestimmung des substantivischen Kerns durch syntaktisch abhängige, untergeordnete Bestimmungsglieder (Anglieder) verschiedener Wortart. Für diese Anglieder, deren charakteristische Anwendung stilistisch relevant erscheint, gibt es bestimmte Wortklassenfolgen.13 Im allgemeinen gilt dabei die Reihenfolge: Artikel (bzw. seine Ersatzformen, bei Präpositionen stehen diese noch vor dem Artikel), evt. Zahlwörter, Adjektivzusätze (Adverbien, Artikel, Objekte, Umstandsangaben), Adjektive, vorgestellte Appositionen, Substantive, evtl. Adverbien, Substantivattribute, abhängige präpositionale Gefüge. In Einzelfällen sind jedoch Modifikationen möglich.

Der Artikel

Sieht man von den Fällen eingefügter präpositionaler Wendungen mit vorgestellter Präposition (Nach der langen Sommerpause) ab, so ist der Artikel das erste Element der nominalen Erweiterung. Es kann durch andere Pronomina (Demonstrativ-, Possessivpronomina, indefinite Pronomina, Pronominaladjektiva) ersetzt werden:

dieser junge Mann, mein neues Buch, irgendein anderer Kollege, slle diese fremden Zeichen.

Die Ersetzung des Artikels durch andere Pronomina ist vom Textsinn, -zweck und der Redesituation abhängig. Auf die stilistischen Leistungen des Artikels werden wir noch gesondert eingehen (vgl. S. 233 f.). Hier interessiert uns seine Bedeutung als Substantivzusatz. Dieser Zusatz ist eine mehr oder weniger regelmäßige Erscheinung; es gibt aber zahlreiche Fälle, wo der Artikel fehlen kann (NullArtikel). Mitunter werden dadurch bestimmte stilistische Effekte erzielt, besonders dann, wenn man den Artikel erwartet, oder wenn dadurch etwa eine Stilisierung in volkstümliche Redeweisen (mit starker Artikellosigkeit oder Artikelhäufung) erstrebt wird.

Im Hinblick auf die Erweiterung der Nominalglieder des Satzes kommt dem Artikel eine bestimmte Klammerfunktion zu, ähnlich der des finiten Verbs und infiniten Verbteils. Wie das klammereinleitende Verb steht der Artikel oder seine Ersatzform am Anfang der Klammer des Nominalgliedes und signalisiert bereits Genus, Kasus und Numerus des dazugehörigen Substan-

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tivs. In dieser Funktion ist der Artikel meistens unerläßlich, besonders angesichts der Neigung mancher Autoren, den erweiterten Satz oft bis an die Grenze des Zulässigen auszulasten. Bei nominalen Klammern dieser Art gilt in verstärktem Maße der Grundsatz jeder Klammerbildung: unübersichtliche Einschübe zu vermeiden, zumal der Artikel morphologisch wie semantisch schwächer wirkt als das finite Verb. Als Einschübe zwischen Artikel und Substantiv kommen vor allem attributive Adjektive und Adjektivzusätze in Betracht.

Das erweiterte attributive Adjektiv

Das Adjektivattribut modifiziert die Aussage des Substantivs. Es gehört somit syntaktisch wie semantisch zum nachfolgenden Substantiv. Es kann nicht wie ein Glied einer verbalen Klammer durch eine Umstellung außerhalb der nominalen Klammer gerückt werden, es sei denn in der Form einer (selteneren) nachgetragenen Apposition oder in der Form eines verkürzten Satzes:

Der erfahrene and hilfsbereite Nachbar – Der Nachbar, der erfahrene und hilfsbereite, – Der Nachbar, erfahren und hilfsbereit, ...

Über die Zahl der zulässigen Adjektivattribute in einer nominalen Klammer gibt es keine Vorschriften. Eine Begrenzung erfolgt durch die semantische Kombinierbarkeit, durch die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Satzgliedes und durch die stilistische Angemessenheit des Umfangs der Erweiterung. Nur in wenigen Fällen wird man mehr als drei Adjektivattribute als zulässige Klammerfüllung auffassen, z.B. wenn durch diese Substantivzusätze eine besondere Intensität, Dynamik oder Prozeßhaftigkeit verdeutlicht werden soll:

Dann begrub sie das anspielende anwankende türmende übersteigende überprasselnde Wasser, Gischt über sie wehend.

(A. Döblin, »Berge, Meere und Giganten«)14

Hier soll der Eindruck der Intensität noch zusätzlich zur Attributhäufung durch Weglassen der erforderlichen Satzzeichen (Kommata) gesteigert werden.

Noch reichere Attributreihungen begegnen uns bei einigen Autoren des 19. Jhs., z.B.:

Wie soll ich dich nennen, du hohes, edles, rohes, barbarisches, liebliches, unharmonisches, gesangvolles, zurückstoßendes und doch so mild erquickendes Leben der Burschenjahre?

(W. Hauff, »Phantasien im Bremer Ratskeller«)15

Das germanische Spießbürgertum fühlte sich dieser fabelhaften, zerfahrenen, aus Rand und Band gekommenen, dieser entgleisten, entwurzelten, quer über den Weg geworfenen Existenz gegenüber in seiner ganzen Staats und Kommunalsteuer zahlenden, Kirchenstuhl gemietet habenden, von der Polizei bewachten und sämtlichen fürstlichen Behörden überwachten, gloriosen Sicherheit und sprach sich demgemäß aus. (W. Raabe, »Abu Telfan«)16

Das letzte Beispiel verdeutlicht bestimmte Gliederungsmöglichkeiten der Attributhäufung.

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Das Beispiel W. Hauffs zeigt, daß auch kontrastierende Adjektivattribute eine Reihung bilden können. Aber auch das Nebeneinander inhaltlich verschiedener Aussagen in Attributen ist möglich:

Es war sein Bestreben – und es gelang ihm nicht übel – ein wildes, schönes und teuflisches Intrigantenhaupt zur Schau zu stellen, eine böse, hämische, interessante und furchtgebietende Charakterfigur zwischen Mephistopheles und Napoleon. (Th. Mann, »Buddenbrooks«)

Die dritte Form solcher Reihungen ist durch eine mehr logische Folge bestimmt, die von allgemeineren zu mehr spezielleren Angaben fortschreitet (dabei aber auch eine quantitative Steigerung nach dem Wortumfang beachtet):

War das sein Haar? Sein schönes, berühmtes, blauschwarzes Haar?

(A. Holz/J. Schlaf, »Papa Hamlet«) Der logischen Reihung von den allgemeinen zu den besonderen Angaben widersprechen mitunter Reihungen, die sich nach der Enge der Bindungen zwischen Adjektiv und Substantiv richten. Das dem Substantiv am engsten verbundene Adjektiv steht danach unmittelbar vor jenem. Es heißt also ein frisches bayerisches Bier, wenn damit eine bestimmte Bierart gemeint ist, und nicht umgekehrt. Die Reihung:

ihr zweiter, unliebenswürdiger Gatte

(A. Holz/J. Schlaf, »Papa Hamlet«)

schließt somit ein, trotz des Kommas dazwischen, daß auch der erste Gatte der Frau bereits »unliebenswürdig« war.17

Das Adverb zum Adjektivattribut

Die wichtigsten Möglichkeiten der Adjektiverweiterung sind die adverbialen Attribute zu Adjektiven und die Ergänzungen oder Umstandsangaben zu manchen Adjektiven oder als Adjektiv verwandten Verbpartizipien. Im ersten Falle wird durch die Voranstellung eines solchen Adverbs die Bedeutung des Adjektivattributs modifiziert, z.B. in Form einer Steigerung:

ein falscher Eindruck – ein völlig falscher Eindruck oder einer Abschwächung:

der gelungene Beweis – der nicht ganz gelungene Beweis oder einer Verneinung:

die erfolgte Meldung – die nicht erfolgte Meldung

Einige Konjunktionen (z.B. und, aber) können in der Artikel-Substantiv-Klammer erscheinen (der kleine und wichtige Beitrag – der kleine, aber wichtige Beitrag), andere (z.B. denn, weil usw.) nicht. – Von den reinen Adverbien (z.B. nur) können manche in und vor der Klammer stehen; sie beziehen sich dann jedoch auf verschiedene Satzglieder:

der nur geringe Betrag : nur der geringe Betrag

Daß Adverbien oder unflektierte Partizipien allein als Attribute vor Substantiven erscheinen, ist weniger häufig, nur bei einzelnen Adjektivsubstantivierungen und substantivierten Partizipien, die noch stärker als andere Substan-

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tivierungen ihren verbalen Charakter betonen, sind Adverbien als Modaladverbien zulässig, z.B.:

das kaum Gesagte, das fast Geglaubte, das fest Versprochene, das kaum zu Glaubende, das überaus Vielfältige, das überwältigend Große.

Da ein Adjektiv wie das Verb Abhängigkeiten anderer Wörter, besonders präpositionaler Wendungen, begründen kann, läßt sich das Adjektivattribut auch durch abhängige Substantive erweitern. Die zum Adjektiv gehörigen Substantive erscheinen dann vor dem jeweiligen Adjektiv, das in engerer Bindung zum Substantiv steht, dem es zugefügt (attribuiert) ist:

Sie sind zum Adjektiv gehörig (Sie gehören zum Adjektiv) – die zum Adjektiv gehörigen Substantive; der von den Mehrheitsverhältnissen abhängige Bundeskanzler usw.

Ebenso wie bei der Verdrängung der reinen Objektkasus durch präpositionale Kasus (vgl. ich schreibe dem Freund – ich schreibe an den Freund) handelt es sich bei den präpositionalen Objekten der von einem Adjektiv abhängigen Substantive meistens um Ersatzformen für reine Objektkasus, wie solche noch bei einer Reihe von Adjektiven üblich sind (z.B. des Diebstahls schuldig: bedürftig, bewußt, eingedenk, sicher, gewiß, verdächtig, würdig, müde, satt, gewahr, voll).18 Auch diese Kombinationen sind bis auf wenige Ausnahmen (bar, gewahr) als Attribute verwendbar:

ein sorgfältiger und andauernder Hilfe bedürftiges Kind – ein seiner Fähigkeiten und seiner Leistungen bewußter Bewerber – ein des höchstes Lobes würdiger Gelehrter.

Attributive Partizipien als Erweiterungen der Nominalgruppe

Noch reichere Gestaltungsmöglichkeiten des Adjekiivattributs ergeben sich durch die Verwendung der Partizipien des Verbs (Partizip I = früher: Partizip Präsens, Partizip II = Partizip Perfekt) in adjektivischer Funktion. In Frage kommen dafür 1. alle ersten Partizipien (Präsenspartizipien, z.B. die bleibende Erinnerung); 2. die zweiten Partizipien (Perfektpartizipien) transitiver (d.h. passivfähiger) Verben (z.B. das Buch wurde gelesen – das gelesene Buch); 3. die zweiten Partizipien einiger mil »sein (ist)« gebildeten intransitiven Verben (das sog. Zustandspassiv, z.B. der Zug ist eingelaufen – der eingelaufene Zug); 4. einige zweite Partizipien reflexiver, unvollständiger oder unregelmäßiger Verben (z.B. betrunken, verliebt, verschwiegen, vollkommen usw.); und 5. einiger intransitiver Verben mit adverbialen Angaben (z.B. das auf die Straße gelaufene Kind). Die Erweiterungen erfolgen hier vor allem durch zugefügte Objekte, Präpositionen und Substantive, Umstandsangaben und Partikeln:

Das dem Freunde gegebene Versprechen – eine durch Unsauberkeit hervorgerufene Entzündung – die auf diese Nachricht hin herbeigeeilten Nachbarn.

In vielen Fällen handelt es sich bei diesen Attributerweiterungen um satzwertige Informationen, die gut in einem eigenen Hauptoder Gliedsatz mit »sein« ausgedrückt werden können:

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Auf diese Nachricht hin waren die Nachbarn herbeigeeilt. – Die Nachharn, die auf diese Nachricht hin herbeigeeilt waren ...

Noch längere Attributeinschübe sollten möglichst unter einem eigenen Satzbogen formuliert werden. Die allzu große Ausdehnung der Nominalklammer wirkt sonst zu überladen und beeinträchtigt die Kommunikation, selbst in wissenschaftlichen Texten, die auf eine möglichst konzentrierte Informationsvermittlung bedacht sind und deshalb das stilistische Mittel der Attributserweiterung mitunter recht ausgiebig nutzen:

So wird die in »Pronomina und Textkonstitution« die Eigennamen und generell verwendeten Gattungsnamen auf Grund solcher substitutionellen Uneindeutigkeit zugeschriebene textologische Uneindeutigkeitswirkung auf Grund der in diesem Aufsatz vorgeschlagenen substitutionellen Reinterpretation dieser Ausdrücke nur für deren betonte Vorkommen aufgeboten. (R. Harweg)

Bei derartigen Fällen ist besonders darauf zu achten, daß die Attributerweiterungen mit Hilfe des adjektivisch verwandten Partizips möglichst nur eine satzwertige Fügung enthalten und nicht mehrere zu verbinden suchen. Eine Nominalgruppe wie im folgenden Satz wäre besser in ein Satzgefüge mit einem Relativsatz umzuwandeln:

Das den die Straße bauenden Arbeitern vorenthaltene Geld muß nun eingeklagt werden.

Die Erweiterung des Adjektivattributs bildet noch heute die wichtigste stilistische Ausdracksmöglichkeit der Nominalklammer. Vor allem in wissenschaftlichen Texten und Gesetzestexten wird diese Form häufig gebraucht. Sie hat den Vorteil, daß hier eine verhältnismäßig starke Konzentration der Informationen bereits am Satzanfang möglich ist. Diese Inforrnationshäufung kann die expressiven Auswirkungen der »Ausdrucksstelle« nutzen, zugleich aber die hier oft lokalisierte Anschlußfunktion wahrnehmen. Wie das obige Beispiel eines wissenschaftlichen Textes zeigt, werden daher nachgeholte bzw. wiedererinnerte Informationen an den Satzanfang gerückt, der gedankliche Fortgang dagegen in die Eindrucksstelle verlegt (vgl. S. 99). Die Ausgestaltung der Nominalgruppe durch erweiterte Attribute wird bereits in den Grammatiken des 17. und 18. Jhs. als wirksames und gefälliges Stilmittel empfohlen.19 Es sollte vor allem die damals üblichen eingeschobenen Partizipkonstruktionen, die dem Lateinischen und Französischen nachgebildet waren, ersetzen und verdrängen. So weisen mehrere Grammatiker des 17. und 18. Jhs. auf die Möglichkeit einer geschlosseneren Satzform mit Hilfe derartiger Attributerweiterungen hin (Schottel, Gottsched, Dornblüth).

Die grammatisch-stilistische Einschätzung des erweiterten Attributs schwankt in der Folgezeit, wie H. Weber19 aufgezeigt hat. Während es der Grammatiker Adelung am Ende des 18. Jhs. aufgrund der entstehenden Spannung der Aussagekonkretisierung ebenso wie die Einhaltung des prädikativen Satzrahmens als Wesensmerkmal der deutschen Sprache empfindet, sind spätere Grammatiker und Stillehrer geteilter Auffassung. Die Kritik richtet sich jedoch zumeist gegen die Belastung partizipialer oder adjek-

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tivischer Attribute mit weiteren Satzgliedern (Ergänzungen, Angaben). Gelegentlich wird eine Ersetzung solcher Fügungen durch Partizipialattribute oder Relativsätze gefordert. Eine stilistische Wertung läßt sich hier allerdings nicht normativ festlegen. Entscheidend für die stilistische Angemessenheit solcher Erweiterungen ist ihre kommunikative Leistung (Verstehbarkeit) und Wirkung. Diese richtet sich aber nach dem Redezweck des Textes und der Redesituation, ist also weitgehend vom jeweiligen Funktionalstil abhängig. In mündlich wiederzugebenden Texten wird man die substantivische Klammer weniger belasten können als in Texten, die nur gelesen werden. Der wichtigste Anwendungsbereich erweiterter Substantivgruppen liegt auch heute noch in der Sprache des öffentlichen Verkehrs, der Wissenschaft und der Presse, wo es auf möglichst reiche Angaben in gedrängter Form ankommt.

Die substantivische Klammerbildung durch erweiterte Attribute ist wiederholt von der literarischen Stilistik als Charakteristikum bestimmter Stilarten ausgelegt worden. So sah bereits Ch. Bally, ein Schüler und Nachfolger F. de Saussures, in der vorweggenommenen Charakterisierung des substantivischen Kernworts eine besondere Stileigenschaft der deutschen Sprache gegenüber der erst nachträglich ausgestaltenden französischen Sprache. W. Admoni erblickte in den erweiterten Attributen ein Austirucksmittel des »beschaulichen Stils«, der im Gegensatz zum »energischen Stil« den Erzählfluß absichtlich verlangsame, behaglich schildere und sorgsam abwäge, wobei er der Benennung eines Dings verschiedene dieses Ding betreffende Angaben vorausschickte und mit Vorliebe vom Unwesentlichen zum Wesentlichen fortschreite.30 Man muß dem jedoch entgegenhalten, daß in den Attributerweiterungen meistens die Transformation eines Satzes konzentriert erscheint, der Stil daher keineswegs immer beschaulich wirkt, sondern mitunter stark raffend sein kann.

Appositionen

Eine zusätzliche Nominalgliederweiterung in unmittelbarer Nähe des Substantivs ist in der Form der Apposition gegeben, eines substantivischen Attributs, das meistens im gleichen Kasus wie das Bezugssubstantiv oder das Pronomen steht, zu dem es gehört.21

Appositionen können unmittelbar vor oder nach dem darauf bezogenen Beziehungswort erscheinen. Vor einem zu erläuternden. Substantiv stehen Vornamen, Standesund Berufsbezeichnungen, Titel, Verwandschaftsbezeichnungen, Gattungsnamen, Maßangaben (Karl Meier, Dr. Schulze, Professor Hahn, Fürst Metternich, Onkel Max, die Brüder Grimm, Monat Mai). Nach dem Substantiv stehen Beinamen (Karl der Große), Inhaltsangaben zu Maßangaben (ein Sack [mit] Weizen, ein Liter Milch), namentliche Zuordnungen zu allgemeinen Kennzeichnungen (die Messestadt Leipzig, der Verlag Quelle). Eine Abwandlung dieser nicht isolierten Appositionen besteht in der Abtrennung durch Kommata. Dadurch wird eine weitere Angabe als erklärender Zusatz hervorgehoben. Der Fluß der Rede wird eigens dafür

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