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Deutsche_Stilistik

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ablenkend: »Haben SLie aber 'n gespicktes Portefölch!« Da er in kühlem Schweigen blieb: »Wie Sie all das Pinke-Pinke bloß loswerden. Sie tragen ja nicht mal Ringe an den Fingern.«

Theodor Fontane greift solche Charakterisierungen in der Zeichnung der zur Frau Kommerzienrat aufgestiegenen Krämerstochter Jenny Treibel, geb. Bürstenbinder, auf. Das folgende Beispiel zeigt zudem, wie der Autor gleichzeitig das Fremdwort als Ausdrucksvariante eines heimischen Wortes (Erregung-Alteration) nutzt:

Du siehst, daß ich eine Alteration gehabt habe, und die Form, in die du deine Teilnahme kleidest, ist die geschmacklockloser Vergleiche. Was meiner Erregung zugrunde liegt, scheint deine Neugier nicht sonderlich zu wecken.

(Th. Fontane, »Frau Jenny Treibel«) Eine weitere Form verschleiernder Fremdwörter findet sich in zahlreichen Neuprägungen der Werbesprache, die durch Wortbildungen aus Elementen anderer, zumeist antiker Sprachen für Namen und Produkte den Eindruck einer wissenschaftlichen Terminologie zu erwecken suchen, ganz gleich, ob es sich dabei um linguistisch tautologische oder sonst unpassende Bildungen handelt (vgl. biovital, Fernseh-Television-Kundendienst, antirheumatische Rheumatabletten u.dgl.) oder um charakterisierende Medikamentbezeichnungen (z.B. Rhinospray = Nasensprüher, Completovit = Vitaminkomplettierung) oder um Phantasiebildungen (z.B. vivioptal). Solche Fremdwortvollformen haben alte heimische Bildungen wie z.B. Herztropfen, Nerven-Stärkung usw. sehr zurückgedrängt. Ähnliche Fremdwortbildungen treten im Arzneimittelbereich am häufigsten auf, weil der Glaube an die Wirkung wissenschaftlich entwickelter oder zumindest so dekorierter Medikamente besonders stark ist.

Für den Laien ist es oft schwer zu unterscheiden, wo ein Fremdwort eine eichte Benennungsfunktion oder eine verschleiernde oder vortäuschende Funktion aufweist. Mitunter erfordert die stilistische Textanalyse hier ein größeres Hintergrundwissen als andere sprachwissenschaftliche Bereiche.

Man kann heute nicht mehr jedes »Fremdwort« meiden und zu verdeutschen suchen. Dafür ist das moderne Leben mit seinem Informationenund Produktenaustausch zu sehr auf internationale Verständigung, auch im Wortschatz, angewiesen. Für zahlreiche neue Vorstellungen haben wir neue, zumeist fremde Wörter übernommen, die keine deutsche Entsprechung haben. Die stilistische Bedeutung des Fremdwortes als konstituives und fakultatives Element im positiven wie im negativen Sinne bleibt so uneingeschränkt bestehen.

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Die Bildlichkeit in Wortschatz und Redewendungen als Stilmittel

Eine große Bedeutung kommt in allen Stilformen der Bildlichkeit des Ausdrucks zu. Besonders gilt dies für literarische Texte, die zur eigenen Wirklichkeitsgestaltung bildhafte Vorstellungen benötigen. Aber auch andere Funktionsstile sind mehr oder weniger stark auf Bilder angewiesen. Wir haben dies bei der Erläuterung des Prinzips der Anschaulichkeit schon hervorgehoben. Sprachliche Bilder können verschiedener Natur sein, unterschiedlich verwendet werden und verschiedene Wirkungen zeitigen. Es gibt inzwischen viele Untersuchungen über die sprachlichen Bilder in der Dichtung verschiedener Epochen und Autoren, auf die wir hier nicht eingehen können.148 Sie alle heben die Wichtigkeit des Bildhaften in der dichterischen Gestaltung hervor.

Für die Stilistik gilt es mehrere Arten des sprachlichen Bildes zu unterscheiden. Wir fassen sie als unmittelbare (eigentliche) und mittelbare (uneigentliche) Bilder zusammen.149

Unmittelbare sprachliche Bilder

Bilder wollen gesehen werden. Sie sind zunächst nur für das Auge erfaßbar. Sprachliche Bilder haben dagegen schon von vornherein mittelbaren Charakter, verlangen ein anderes Verständnis als fotografierte oder gemalte Bilder der Wirklichkeit. Sprachliche Bilder knüpfen an das Erlebnis dieser physischen Welt an, das in der Erinnerung bewahrt bleibt und durch Sprache neu, wenn auch oft verwandelt, ins Bewußtsein gerückt oder gar als Vorstellung neu geschaffen werden kann. Das Wesen jeder Dichtung wird gerade in der neugeschaffenen Bildlichkeit gesehen, die bestimmte Sinnbezüge verdeutlicht. Darin unterscheidet sich Dichtung von allen theoretischen oder bloß kommunikativen Texten, die Informationen ohne Bilder oder allenfalls mit Bildzusätzen vermitteln, während Dichtung neben der Form und dem Gehalt weitgehend aus seiner Bildlichkeit wirkt.

Wir sehen hier vom grundsätzlichen Übertragungscharakter des sprachlichen Bildes ab, wenn wir diese nach unmittelbaren und mittelbaren Bildern unterteilen. Als unmittelbare Bilder seien hier die sprachlichen Ausdrücke gemeint, die real vorhandene oder erlebte fiktive Gegebenheiten eines Wirklichkeitszusammenhanges zu bildhaften Einheiten zusammenfassen und durch übliche Benennungen sprachlich kennzeichnen. Wir finden solche unmittelbaren sprachlichen Bilder überall dort, wo in der Wirklichkeit (oder in der Phantasie) Sichtbares sprachlich konkret erfaßt wird. Sprachliche Verständigung über bestimmte Sachverhalte ist nicht ohne Bilder möglich; eine abstrakte bilderlose Sprache setzt die Stufe der bildhaften Verständigung voraus. Nicht jedes »Ding« oder »Vorgangswort« besitzt von vornherein Bildcharakter, erst wenn ein Wort ein Einzelnes (das auch im Plural stehen kann)

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hervorhebt, wird es zum Bild. In dem Satzbeispiel: Der Mann kaufte einige Hämmer, Sägen und Beile, sind die Gegenstände keine sprachlichen Bilder, der Vorgang des Kaufens aber gewinnt bildhafte Wirkung. Hieße es weiter: Die Beile hatten aber eine recht merkwürdige Form, so erlangten auch die Gegenstände Bildcharakter und würden (wenn auch zunächst verschwommen) zu Vorstellungsgegenständen für uns. Sprachliche Bilder sind nicht immer an die volle Satzaussage gebunden, auch das einzelne Nomen, isoliert oder in Reihungen, kann ein selbständiges Bild vertreten, wenn es entsprechend hervorgehoben ist:

Baumkahler Hügel, Noch einmal flog

Am Abend die Wildentenkette Durch wäßrige Herbstluft.

(P. Huchel, »Das Zeichen»)

Meistens ist jedoch die Einbettung in einen Satz für den Bildcharakter wichtig. Zuweilen aber sind Einzelbilder auch nur Teile eines größeren Bildes oder werden durch andere Bilder abgelöst, wie das Benn-Zitat (S. 260) zeigt, das zugleich den qualitativen Unterschied zwischen nichtdichterischen und dichterischen Bildern verdeutlichen kann. Dichterische Bilder sind sprachliche Bilder von höherer Wirksamkeit, weil sie einen stärkeren Gebildecharakter besitzen, stärker mit anderen Stilmitteln zusammenwirken und in ihrer situativen Prägung auch über das konkret Bildhafte hinausgehen und neue Sichtweisen, allgemeinere Vorgänge oder Befindlichkeiten, ja sogar abstrakte Ideen einschließen können.150

... die Ideale sind zerronnen Die meiner Jugend Pfad erhellt

(Schiller, »Die Ideale«)

Der Krieg wird nicht mehr erklärt; sondern fortgesetzt! Das Unerhörte ist alltäglich geworden ... (I. Bachmann, »An alle Tage«)

Während in der Lyrik der Unterschied zwischen dichterischen und nichtdichterischen Bildern oft bedeutend erscheint, ist er zwischen der Bildlichkeit der dichterischen Prosa und der nichtdichterischen Texte im allgemeinen gering, wenn hier auch manchmal andere Bildbereiche und unterschiedliche Funktionen vorliegen.

Mittelbare sprachliche Bilder

Neben den unmittelbaren sprachlichen Bildern, den »anschaulich-sinnfälligen Darstellungen eines Gegenstandes oder einer Erscheinung auf beliebigem sprachlichen Wege«151, gibt es Bilder, in denen zwei oder mehrere Bildbereiche zu einer Aussage zusammenwirken, so daß der Bildsinn das Gemeinte nur mittelbar ausdrückt. Diese mittelbaren oder übertragenen Bilder sind seit alters bekannt und werden in der antiken Rhetorik als Tropen gekennzeichnet und verschieden gruppiert.

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Der Vergleich

Zwischen den unmittelbaren und den mittelbaren Bildern ist der Vergleich einzuordnen. Er gehört nicht mehr recht zu den unmittelbaren sprachlichen Bildern, well hier das Gemeinte nicht durch die ihm angemessenen Wörter, sondern durch ein Bild (Wort) aus einem anderen Sinnbereich ausgedrückt wird, ohne daß dieses seine Eigenbedeutung verliert. Die Verbindung von Bild und Vergleichsbild wird möglich durch eine gemeinsame Eigenschaft (das tertium comparationis) beider Bilder (Wörter) und durch die Gleichsetzung beider Hilfen einer Vergleichspartikel (z.B. wie, als ob, als) oder eines Vergleichsverbs (z.B. gleichen, ähneln). In vielen Vergleichen wird die erste Vorstellung (das erste Bild) erst durch das Vergleichsbild deutlich. Mancher Lyriker nutzt diese Möglichkeit, um schwer Sagbares durch reichausgestaltete Vergleiche auszumalen. Man denke etwa an Eichendorffs Gedicht »Mondnacht« oder an zahlreiche Gedichte R. M. Rilkes.

Ich möchte einer werden, so wie die,

Die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren ...

(Rilke, »Der Knabe«)

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe ...

(Rilke, »Der Panther«)

Frühling ist wiedergekommen. Die Erde ist wie ein Kind, das Gedichte weiß ...

(Rilke, »Sonette an Orpheus«)

Der Vergleich kann im Gleichnis zur selbständigen literarischen Form werden, die ein Unbekanntes erläutert, wie die Gleichnisse Jesu lehren, oder als analoges Geschehen für eine ahnlich geartete Situation der Wirklichkeit stehen, wie in älteren und modernen Parabeln.

Die Metapher

Eine andere Form der indirekten Bildlichkeit ist die Metapher, die Übertragung einer Bildvorstellung auf eine andere, um diese zu bereichern, zu verdeutlichen oder zu verlebendigen. Dieses schon in der Antike recht beliebte und von Aristoteles, Cicero, Quintilian u.a. erläuterte sprachliche Bild152 ist seit langem als dichterisches Stilmittel wie als sprachliche Ausdrucksform recht beliebt und lebendig geblieben, wenn auch ihr Gebrauch in den verschiedenen Zeiten und Stilformen unterschiedlich stark ist. Nach Quintilian handelt es sich bei der Metapher um einen verkürzten, d.h. um den Gleichsetzungsausdruck (als ob u.dgl.), reduzierten Vergleich. Ein Vergleich könnte demnach leicht zur Metapher werden; der Satz: Er kämpfte wie ein Löwe in der Schlacht, hieße dann als Metapher: Er war ein Löwe in der Schlacht o.ä. Wie beim Vergleich besteht auch bei der Metapher oft eine gewisse Beziehung, ein tertium comparationis, zwischen dem Ausgangswort (verbum proprium, hier z.B. Er in seinen Kämpfen) und dem »Bildempfänger«153 (Er als Löwe): Sein Mut und seine Stärke im Kampf sind mit denen des Löwen vergleichbar.

Es gibt mehrere Arten der Metapher, die von den einzelnen Autoren in ver-

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schiedenem Umfang neugebildet oder verwendet werden. Eine der einfachen Formen ist die Genitivmetapher, eine Kombination von einem Substantiv im Nominativ (meist Bildspender) und einem Substantiv im Genitiv (meinst Bildempfänger); z.B. Zelt des Himmels. – Solche Formen, die aus einem Vergleich hervorgegangen sein können (z.B. der Himmel ist wie ein Zelt), führen leicht zu metaphorischen Kompositablldungen (z.B. Himmelszelt).

Eine andere Form ist die Verbindung von metaphorischem Adjektiv und originalem oder metaphorischem Substantiv (Adjektivmetapher), wie ein süßer Ton, ein dunkler Klang, da die Adjektive »süß« und »dunkel« anderen Bezeichnungsbereichen angehören (vgi. auch Synästhesien, S. 261).

Als dritte Variante kommt die Vermetapher in Frage. Sie liegt in vielen Begriffen mit übertragener Bedeutung vor, z.B. umfassen, begreifen usw.

Von der Verbmetapher ist es nur ein kleiner Schritt zur Satzmetapher, die mehrere Metaphern vereinigt, z.B. Sein Herz drohte zu brechen. Hier sind Herz (für: Ich, Leben, Gefühl, Inneres), drohen (nicht aktivisch, sondern umschreibend für die Befürchtung des Autors: es war zu erwarten), brechen (für: aufhören zu schlagen, aussetzen) metaphorische Ausdrücke, die allerdings längst zum konventionellen Wortschatz gehören. Die wenigen Beispiele zeigen, daß Metaphern nicht nur der poetischen Sprache angehören, sondern auch ein wesentliches Element des nicht dichterischen Ausdrucks darstellen. Wir würden ständig auf erstarrte, verblaßte Metaphern stoßen, suchten wir unsere Redeweise nach dem ursprünglicher Sinn der Worte abzufragen (vgl. z.B. Begriff, Eindruck, verstehen, Erleuchtung, Ursprung). Für manche Gegenstände und Erscheinungen sind uns nur metaphorische Bezeichnungen (Katachresen) geläufig, z.B. Stuhlbein, Flußarm, Stecknadelkopf u.a.m. Mit Recht konnte daher Jean Paul sagen: »Die Sprache ist eine Sammlung erblaßter Metaphern.« Der Überreichtum an Metaphern läßt die Frage nach der ursprünglichen und notwendigen Bildhaftigkeit und den Streit um den Primat einer Bildsprache oder Begriffssprache aufkommen, der heute meist zugunsten einer ursprünglichen Bildhaftigkeit entschieden wird. Jede Metapher ist allerdings in der Gefahr, ihre Bildhaftigkeit zu verlieren und zum Begriff oder zur Formel zu werden. Dadurch kann auch die Bildhaftigkeit der Sprache, z.B. in bestimmten Funktionsstilen, geschwächt werden. Solchen Erstarrungstendenzen suchen Dichter, Journalisten und Redner durch immer neue bildliche Wendungen, die häufig Metaphern sind, entgegenzuwirken. Dafür einige Beispiele: Wenn kürzlich ein Staatsekretär erklärte, daß es darauf ankäme, die Ziele der Bildungspolitik randscharf zu machen, so gebrauchte er einen Ausdruck aus der Optik für gängige Wörter wie »erläutern« oder »verdeutlichen.«. Eine metaphorische Umschreibung liegt auch vor, wenn der Rücktritt eines Ministers in einer Zeitschrift durch Ausdrücke des Sportjargons gekennzeichnet wird: Der parteilose ehemalige Vorsitzende des Wissenschaftsrates warf nach zweieinbalbjähriger Amtszeit das Handtuch, ein halbes Jahr, nachdem er mit der Streichung der Planungsreserve die entscheidende finanzielle Schlappe hatte hinnehmen müssen. 154

Die Bildspenderbereiche des metaphorischen Sprachgebrauchs wechseln mit den Epochen. Während viele verblaßte Metaphern der Alltagssprache ent-

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stammen (z.B. den Sinn begreifen, den Worten entnehmen, die Lage erfassen, Lebensabend, Feuer der Begeisterung), findet man in der Dichtung metaphorische Bilder verschiedener Lebensbereiche, z.B. aus Jagd und Turnier im Mittelalter, aus Hofleben, Krieg und Astronomie im 17. Jh., aus Handel und Natur im 18. Jh., aus Landleben und Wirtschaft im 19. Jh., aus Technik und Sport im 20. Jh., um nur einige Bildfelder zu nennen. Antike und Mittelalter kennen Metapherntraditionen155, die Barockzeit eine Fülle von emblematischen Metaphern (Emblemata = Bildgeschichte).156

Im einzelnen läßt sich auch bei den Autoren eine Vorliebe für bestimmte Bildbereiche feststellen.

Eine besondere Gruppe der übertragenen Bildlichkeit stellen die festen Redensarten dar157, zumeist bildhafte Wendungen aus früheren Berufsund Lebensbereichen, die trotz ihrer Formelhaftigkeit noch durch eine gewisse Anschaulichkeit wirken und deshalb gern im volkstümlichen Sprechen verwendet werden (z.B. im Stich lassen, aus dem Stegreif vortragen, es ist fünf vor zwölf usw.). Als formelhafte Metaphern sind auch die Kenningar (mehrgliedrige Umschreibungen, z.B. Ringgeber für: König) und Heiti (eingliedrige Umschreibungen, z.B. Renner für: Roß) der altgermanischen Dichtung anzusehen sowie einige typisierende Beiwörter, z. B. der silberne Mond bei Klopstock und seinen Zeitgenossen, der goldene Mond der Romantiker und der rote oder der bleiche Mond der Expressionisten.

Die bisherigen Metaphernbeispiele wahrten den Charakter der Bildübertragung auf verschiedene Weise, entweder indem Bildspenderund Bildempfängerbereich nebeneinander standen (vgl. Himmelszelt, silberner Mond) oder indem Bildausdruck und neue Bedeutung (Bildempfänger) durch konventionellen Gebrauch identisch wurden (wie bei den verblaßten Metaphern und Redensarten). Das Nebeneinander von Bildspender und Bildempfänger muß jedoch nicht in unmittelbarem Kontakt erfolgen. Mitunter stehen beide in verschiedenen Sätzen oder in Frage und Antwort, wie wir es an den metaphernreichen »Welt«-Geschichten von Hofmannswaldau und Hofmannsthal ersehen können:

Was ist die Welt und ihr berühmtes Glänzen? Was ist die Welt und ihre ganze Pracht?

Ein schnöder Schein in kurz gefaßten Grenzen, Ein schneller Blitz bei schwarz gewölkter Nacht. Ein buntes Feld, da Kummerdisteln grünen ...

(Hofmannswaldau, »Die Welt«)

Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,

Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht, Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht ...

(H. v. Hofmannsthal, »Was ist die Welt«)

Die neuere Lyrik wählt oft Ausdrucksmittel, die weder als unmittelbare, sprachliche Bilder noch als Metaphern im bisherigen Sinne anzusehen sind, da ihnen Vergleichswörter ebenso fehlen wie Übereinstimmungen mit der sinnlich erfahrbaren Realität. In P. Celans Gedicht »Todesfuge« z.B. ist das mehrfach wiederholte Eingangsbild (Schwarze Milch der Frühe wir trinken

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sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken) nicht nur wegen der kumulativen Verbindung mit dem paradoxen Oxymoron (schwarze Milch) und der folgenden Umkehrung der Reihenfolge (hysteron proteron: Frühe, abends, mittags usf.) schwer verständlieh. Hier erlauben nur die übrigen Bilder aus einem Vernichtungslager für Juden die Zuordnung des Eingangsbildes zu diesem Bildbereich. Die schwarze Milch der Frühe steht so für das todbringende Leben und Leid der Juden im KZ. H.Weinrich158 hat ein solches, von den Erfahrungen der sinnlich wahrnehmbaren Realität abweichendes Bild in Anlehnung an den verfremdenden »audacior ornatus« der antiken Rhetorik als »kühne Metapher« bezeichnet.

Die Chiffre

Von den »kühnen Metaphern« sind Bilder zu unterscheiden, die keinen unmittelbaren Stellvertretungscharakter mehr aufweisen, folglich keinen Bildempfänger sichtbar werden lassen, aber auch nicht realitätskonform sind, vielmehr einen assoziativen oder symbolischen Verweiswert eigener Art besitzen. Sie werden gemeinhin als Chiffren bezeichnet und erfordern in jedem Text eine gesonderte Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang, soweit das überhaupt möglich ist. 159 Sie finden sich in der Lyrik symbolischer und expressionistischer Dichtung (Rilke, Trakl, Goll, Benn) und bei Lyrikern der Gegenwart.

... Es haben die grünen Wälder

Am Abend sich zu stilleren Hütten versammellt; Die kristallenen Weiden des Rehs ...

(G. Trakl, »Gesang des Abgeschiedenen«)

Welle der Nacht – Meerwidder und Delphine mit Hyakinthos leichtbewegter Last,

die Loorbeerrosen und die Travertine wehn um den leeren istrischen Palast.

(G. Benn, »Welle der Nacht«)

Während Trakl traditionelle Bilder durch ungewöhnliche Kombinationen verfremdet und zusätzliche Chiffren in unkonventionellen, kaum verständlichen Beiwörtern schafft, formt Benn durch .seine faszinierende Bildkonstruktion aus semantisch disparaten, aber situativ und syntaktisch angemessenen Elementen eine neue dichterische Wirklichkeit ohne Kongruenz zu einer historischen, biologischen oder geographischen Wirklichkeit.160 Die Beispiele, die sich durch viele Parallelen aus der Gegenwartslyrik ergänzen ließen, zeigen hinreichend, daß die mittelbare, uneigentliche Bildlichkeit nicht nur auf Vergleiche zurückzuführen ist, sondern auch spontan entstehen kann zumal die VergleichsvorstelIung (Bildspender) bei vielen Metaphern nicht bewußt wird.

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Personifikation und Synästhesie

Zwei Nebenformen der Metapher müssen hier noch erwähnt werden: die »Personifikation« und die »Synästhesie«. Beides sind sprachliche Ausdrucksformen, die auch in der Umgangssprache begegnen, in der poetischen Sprache jedoch als bewußte Stilmittel verwendet werden und zur stärksten Wirkung kommen. Man kann in der Verlebendigung der von Natur aus nichtlebendigen Wesen und Dinge ein grundsätzliches psychologisches Phänomen sehen, das sich sowohl im religiösen Animismus als auch in der Mythologisierung, Sagenund Märchenbildung und in der sprachlichen Genusklassifikation wie in umgangssprachlichen und stilistischen Personifikationen und Allegorisierungen auswirkt. Die Personifizierung kann in erstarrten wie in neugebildeten Ausdrücken begegnen, wenn einem Wort, das ein nichtlebendes Wesen kennzeichnet, Eigenschaften oder Handlungen zugeordnet werden, die sonst nur Lebewesen zukommen (z.B. der Baum ächzt, die Tür quietscht, der Schuß bellt, der blinde Zufall, die Liebe siegt). Wie andere Metaphorisierungen, so tragen auch die Personifikationen zur größeren Lebendigkeit und Anschaulichkeit der Sprache bei. Vorhandene Bildungen werden daher stets durch neue erweitert, die aus der Volkssprache erwachsen oder aus der Dichtersprache übernommen werden (z.B. der Himmel lacht, die Bäume schlagen aus, Mutter Natur usw.). Neue Personifikationen treten in allen Funktionsstilen auf, bevorzugt jedoch innerhalb der Dichtung. Die häufigste Form ist in der Zuordnung eines Verbs, das ein Lebewesen als Subjekt fordert, zu einem Nichtlebewesen gegeben, z. B. und Finsternis aus dem Gesträuche mit hundert schwarzen Augen sah (Goethe, »Willkommen und Abschied«); Es lächelt der See, er ladet zum Bade (Schiller, »Wilhelm Tell«). Andere bestehen in der Aktivierung eines passiven verbalen Vorgangs, oft mit Zusatz von »sich«: Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort (Goethe, »Faust«). Die verbale Fügung kann auch zum Adjektivattribut oder Verbalsubstantiv transformiert werden (z. B. der Himmel lacht – der lachende Himmel – das Lachen des Himmels). Personifizierung können sich in einzelnen Wörtern spiegeln, aber auch in größeren Schilderungen durchgehalten werden. In dem folgenden Beispiel für eine Personifikation (Eigenbewegung der Wellen) ist mit ihr eine Metapher (Wellenleiber) verbunden:

Er stand am Bugspriet ... und blickte hinab in das dunkle Wandern und Treiben der starken, glatten Wellenleiber dort unten, die umeinander schwankten, sich klatschend begegneten, in unerwarteten Richtungen auseinanderschossen und plötzlich schaumig aufleuchteten ... (Th. Mann, »Tonio Kröger«)

Das letzte Sprachbild (Aufleuchten der Wellen) kann zur Synästhesie überleiten, zur »Verbindung von zwei verschiedenen Sinnesempfindungen, wobei die eine übertragene Bedeutung annimmt«161 oder ein gleichwertiges Nebeneinander verschiedener Bereiche bedingt. Solche »Zusammenempfindungen« treten in der Alltagssprache wie in der Literatur auf, z.B. bei der Charakterisierung von Farboder Tonempfindungen: schreiendes Rot, kalte Farben, dunkle Töne. Als Beispiel für eine poetische Synästhesie, die der

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Eindruckssteigerung dient, wird oft auf Brentanos Gedicht »Abendständchen« verwiesen, in dem es u.a. heißt: ... Golden wehn die Töne nieder ... Durch die Nacht, die mich umfangen, blickt zu mir der Töne Licht. Die Synästhesie entsprach den Forderungen der Romantiker nach dem Zusammentreffen mehrerer Sinneswirkungen im Gesamtkunstwerk. Sie ist nicht auf die romantische Dichtung beschränkt geblieben, begegnet aber im Vergleich zu metaphorischen Bildern verhältnismäßig selten.

Allegorie und Symbol

Ebenfalls als Spielart des metaphorischen Ausdrucks, als eine besondere Art der Personifizierung, ist die Allegorie anzusehen, unter der gemeinhin die gestalthafte Verbildlichung abstrakter Vorstellungen (z.B. Tugenden, Jahreszeiten, Begriffe, Leiden) verstanden wird. Diese Form der Bildlichkeit ist seit dem Mittelalter in der Dichtung (z.B. den Minneallegorien, dem Kampf der Tugenden und Laster) und in der darstellenden Kunst (z.B. als Figuren von Ecclesia und Synagoge an manchen Kirchen) geläufig; vorher galt vor allem die heilsgeschichtliche Schriftauslegung als allegorisch.162 Die Blütezeit allegorischer Dichtungen reichte bis zur Goethezeit. Goethe selbst schafft gelegentlich Allegorien (z.B. die Sorge in »Faust II«), schätzt jedoch andere Formen der Verbildlichung von Gedanken höher ein (z.B. das Symbol). Einige Allegorisierungen sind volkstümlich geworden (z.B. der Frühling als Jüngling, der Tod als Sensenmann, die Gerechtigkeit als Frau mit verbundenen Augen). Auch heute noch gibt es diese Form der Bildlichkeit, etwa bei Brecht (»Der anachronistische Zug«), der die Leiden der Hitlerzeit auftreten läßt. Nach Goethes Auffassung163, die in der Folgezeit viel beachtet wurde, ist die Allegorie die Einkleidung des Allgemeinen (einer Idee z.B.) in das Gewand des Besonderen (z.B. einer Figur), das Symbol hingegen ein Besonderes (z.B. Gegenstand, Person, Geschehen), das in seinem Eigenwert zugleich unausgesprochen einen allgemeineren Sinn (Gedanken o.ä.) durchscheinen läßt. In G. Hauptmanns Drama »Und Pippa tanzt« ist z.B. durch die Figur des Mädchens Pippa ein solches Sinnbild gegeben, das irn Handlungsverlauf seinen Eigenwert besitzt, aus dem Gesamt Zusammenhang jedoch zum »Symbol der Schönheit in seiner Macht und Vergänglichkeit« wird.164 Die neuere Literatur, insbesondere Lyrik und Epik, ist in starkem Maße Symbolkunst, die sich nicht mit dem Vordergründigen der Darstellung begnügt, sondern auf tiefere Bedeutung verweist. Wenn es sich dabei auch vorwiegend um Probleme des Darstellungsstils handelt, so spielt auch der Sprachstil eine große Rolle, indem er selbst über den Wortsinn hinaus Verweischarakter besitzen kann (die Mundart in Hauptmanns »Die Weber« z.B. ebenso wie die Diktion eines Hofmannsthal, Rilke oder Stefan George). Von dieser Form der Symbolik sind die festen Symbolgegenstände (z.B. das Kreuz, der Lorbeerkranz, die Friedenstaube) zu unterscheiden, die eher als Allegorien gelten können.

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Umschreibungen (Periphrasen)

Eine weitere Gruppe der mittelbaren Bildlichkeit bilden die Umschreibungen, in denen eine Information, eine Benennung nicht durch die passenden und ihr unmittelbar zugeordneten Wörter, sondern durch sinngleiche oder sinnähnliche (zuweilen auch nur sinnandeutende) Kennzeichnungen erfolgt. Es gibt verschiedene Arten von Umschreibungen, Sie können in allen Stilformen verwendet werden, die nicht auf möglichst große Genauigkeit angewiesen sind (nicht also bei Bestellungen, Gesetztexten o.ä.). Umschreibungen dienen vor allem der Ausdrucksvariation, aber auch der Informationsergänzung, indem sie bestimmte Eigenschaften oder Aspekte des Gemeinten ernsthaft oder ironisch hervorheben. So können z.B. Personen durch ihr Amt, ihre Eigenschaften, Funktionen, Herkunft, ihr Aussehen o.ä. umschrieben werden (z.B. der nimmermüde Vorsitzende, der gebürtige Berliner, der Kleine), Begriffe durch Definitionen, Metaphern, ihre Gegenbegriffe, Appositionen o.ä.

Metonymie: Die antike Rhetorik hat eine Reihe von Umschreibungen, genauer gesagt: von Wortersetzungen, unter dem Begriff der Metonymie (= Namensvertauschung), zusammengefaßt.165 Solche Wortersetzungen sind auch heute noch üblich, und zwar Nennungen

1.des Autors für das Werk (z.B. Ich lese Schiller, statt: ich lese Schillers Werke; Zeppelin für: Luftschiff);

2.der Wirkung für die Ursache (z.B. Er fügte ihm die Schmerzen zu);

3.des Materials für den Gegenstand (z.B. Er stieß ihm das Eisen = Dolch ins Herz);

4.der Person für die Sache (z.B. Feldherr für die Truppe: Cäsar zog an den Rhein;

Besitzer für Besitz: Der Nachbar ist abgebrannt);

5.des Kollektivabstraktums für die einzelnen (z.B. Jugend = junge Leute; das ganze Dorf feierte mit = alle);

6.des Rahmens für den Inhalt (z.B. ein Glas [= Bier] trinken; England [= die Engländer] fürchtet; das 18. Jahrh. [= die Menschen im 18. Jahrh.] glaubte; der Himmel [= Gott] stehe ihm bei, er hat Köpfchen [= Verstand]; Traube [= Wein]; der Kreml [= die sowjetische Regierung]);

7.die Gottheit für ihren Bereich (z.B. Er hatte sich dem Bacchus ergeben = dem

Wein);

8. das Sinnbild für die Abstraktion (z.B. schmutziger Lorbeer = zweifelhafter Ruhm, unterm Krummstab = bischöfl. oder äbtlicher Gewalt).

Synekdoche: Eine Abart der Umschreibung wie der Metonymie wird als Synekdoche bezeichnet. Dabei wird entweder ein weiterer Begriff durch einen engeren bezeichnet, z.B. das Ganze durch einen Teil (pars pro toto, z.B. Ich rühre keinen Finger dafür = leiste keine Arbeit dafür); das Ganze durch eine beliebige Zahl (z.B. einige Tausend Köpfe); die Mehrzahl durch die Einzahl (z.B. das Korn steht eingesackt; edel sei der Mensch); die Art für die Gattung oder ein Einzelnes für die Art (z.B. kein Hund = Lebewesen kann davon leben); oder es wird ein engerer Begriff durch einen weiteren bezeichnet, z.B. die Gattung für die Art: alle Sterblichen = alle Menschen; das

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