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Deutsche_Stilistik

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Sprengende Reiter und flatternde Blüten, einer voraus mit gescheitelten Locken – Ist es der Lenz auf geflügeltem Rennert

(»Die Rose von Newport«)

Die Prosa des Impressionismus steht mit ihrer Vorliebe für reine Nominalsätze solchen Voransetzungen nahe, auch wenn es sich hier um andere Konstruktionen handelt:

Ein steiler Hang mit Kalkgeröll. Darüber, einsäumend, Gras, und schwarte Lebensbäume und mondbeschienene Kreuze und weiße Leichensteine dazwischen. (]. Schlaf, »In Dingsda. Rendezvous«)

Die moderne Lyrik setzt mit ähnlichen nominalen Voranstellungen die Tendenzen des Impressionismus und der späten Lyrik Benns fort (vgl. S.115):

Samen der Lotosblume, nach zehntausend Jahren gläubig mit Wasser getränkt:

wie spät kam dies Leuchten der Keime. (H. Lamprecht, »Lotos«)

Anakoluth

Vom konstruktiunskonformen Neuansatz der Prolepse unterscheidet sich der konstruktionsfremde (»konstrukdonssprengende«)31 Neuansatz, der als Anakoluthie (gr. zusammenhanglos, unpassend), Anakoluth bezeichnet wird. Auch er kommt sowohl als Stilfehler, besonders im mündlichen Redegebrauch, wie als Stilmittet vor. Der Satzbruch kann dabei in syntaktischer wie in semantischer Hinsicht vorliegen: ein syntaktisches Anakoluth besteht im Neuansatz in einem anderen Kasus oder anderer Wortstellung, als sie der vorgegebene Ansatz aufweist, oder im Wechsel der Satzforrn (Nebensatz, Hauptsatz); im semantischen Anakoluth dagegen wird ein begonnener semantischer (inhaltlicher, bildhafter) Ansatz durch einen anderen Neuansatz abgelöst. Mitunter werden syntaktische und semantische Satzbrüche gekoppelt.

Der Kasuswechse1 oder Satzformwechsel des syntaktischen Anakoluths beruht häufig auf einer unbeabsichtigten Verwechslung der Form des Redeanfangs. Er findet sich deshalb oft in längeren Sätzen, bei Gesprächen und Reden und kann als Symptom von Erregung, Ablenkung oder sprachlicher Überforderung angesehen werden. Der Sprecher verliert – wie es heißt – »den Faden« seines Gedankens und setzt mit einer neuen Vorstellung eine neue Satzform an. Selbst einem so geschickten Redner wie Bismarck unterliefen mitunter solche Satzbrüche:

Wir glaubten, daß der beste Dienst wäre, den wir der spanischen Nation leisten könnten, ihr nachher überlassend, sich ihre Institution – die jetzige gibt sich ja für eine dauernde selbst nicht aus, sondern für eine überleitende – die Institution vollständig ihrer freien Wahl überlassend, die sie sich geben will.

(Bismarck, Rede im Reichstag, 4. 12.1874)32 137

Die Fortsetzung des Ansatzes hätte nach Institution heißen können: selbst zu wählen. Vor diesem kurzen Schluß glaubte der Redner offenbar eine Begründung für diese Einräumung geben zu müssen, fügte eine Parenthese ein und – verlor die begonnene Satzkonstruktion, nicht den Satzsinn, aus dem Gedächtnis. Auch heute noch passiert dieses Mißgeschick manchen Parlamentsund Diskussionsrednern.

Eine weniger auffällige und verfremdende Form des Anakoluths ist die Umwandlung der Wortstellung eines Nebensatzes in die eines Hauptsatzes. Die Unterordnung des Nebensatzes kann auf diese Weise überspielt werden, der Satz so an Bedeutung gewinnen. Diese Wortstellung war im Mittelalter ohnehin üblich und ist in manchen Texten bis in die neuere Zeit erhalten geblieben.

Ich habe gefunden, sagte Serlo, daß, so leicht man der Menschen Imagination in Bewegung setzen kann, so gerne sie sich Märchen erzählen lassen, eben so selten ist eine Alt von produktiver Einbildungskraft bei ihnen zu finden.

(Goethe, »Wilhelm Meisters Lehrjahre«) In der Umgangssprache und der sie spiegelnden Literatur begegnen auch Satzanschlüsse mit veränderten Kasusverhältnissen, die ebenfalls zu den Anakoluthien gezählt werden. Sie sind hauptsächlich bei appositionsartigen Ergänzungen anzutreffen: wie ja auch bei Appositionen gelegentlich Kasusveränderungen auftreten33:

Dieser Kerl, dem werde ich es schon zeigen!

Das Grau seiner Augen wurde stumpfer, als er dann an den Mann dachte, zu dem er jetzt gehen mußte, dieser Mann aus Röders Abteilung.

(A. Seghers, »Das siebte Kreuz«)34 Das Goethe-Zitat aus dem »Wilhelm Meister« deutet in der Verbindung einer Redeeinleitung mit einem Inhaltssatz die Moglichkeit eines semantischen Anakoluths an, wie sie aus dem Abbruch einer Satzkonstruktion und dem Einsatz einer inhaltlich anderen neuen Konstruktion entstehen kann. Im kommunikativen Sprachgebrauch werden derartige »Satzabbrüche« zumeist als Bildbrüche (Katachresen) angesehen und wirken erheiternd:

Man soll die Gelegenheit nicht vor die Säue werfen. Er brachte ihn an den Rand des Bettelstabes.

Unterschreiben Sie die Quittung bitte mit Ihrer Frau und senden Sie sie umgehend zurück. (Geschäftsbrief)

Ein Zusammenfallen unterschiedlicher Aussageabsichcen, Redewendungen oder Sprichwörter in einem Satz, wie es solchen »Stilblüten« (mitunter aufgrund eines Wortausfalls oder eines unterlassenen Relativsatzes) zugrunde liegt, bedingt einen Konflikt zweier sprachlicher Erwartungsnormen und wird als starker Verstoß gegen die sprachliche Folgerichtigkeit aufgefaßt, soweit es sich um unvereinbare Bildkombinationen handelt.

In abgemilderter Form wird die Kombination verschiedener Teilaussagen neuerdings als Stilmittel genutzt, und zwar in der Werbesprache.35 1967 warb z.B. eine deutsche Brauerei mit dem Slogan: Ein Bier kommt selten allein! Geschickter sind syntaktisch-semantische Klammerbildungen (in Analogie zu einem Wortbildungstypus), wie sie in den »Werbespots« einer

138

Autofirma und einer Fluggesellschaft vorliegen: »Etwas Citroën gehört dazu« oder »Johannesburg ist 1015 DM entfernt« (aus: Etwas Glück gebort dazu. Citroen bietet es bzw. J. ist x km entfernt. Die Reise kostet 1015 DM). Die Textkombination verfremdet zunächst und zwingt zum Nachdenken, die Angesprochenen begreifen jedoch schnell den Zusammenhang und die Absicht. Das Nachdenken erhöht die Werbewirkung.

Parenthese

Der Einschub eines kontextfernen Satzes oder Satzteils in einen bestehenden Satz wird im täglichen Sprachgebrauch kaum noch als Besonderheit empfunden, so sehr ist diese Form – die Parenthese (gr. Einschiebung) – bereits heimisch geworden. Man verwendet sie, wenn man einen Gedanken einfügen will, der in den Redezusammenhang gehört, sich aber weder als Vorschaltsatz oder als Nachtrag noch zur Einbeziehung als untergeordneter Gliedsatz eignet, zumindest nicht ohne Formveränderung. Die Parenthese ist oft das Ergebnis eines plötzlichen Einfalls, eines assoziativen Denkens, und deshalb besonders im Gespräch anzutreffen, findet sich aber auch bei einzelnen auktorialen Erzählern wie in Ich-Erzählungen. In mündlicher Rede verlangt der Einschubsatz (»Gastsatz«)36 eine andere, meist tiefere Stimmlage im Vortragston, in der schriftlichen Fixierung eine Kennzeichnung des Einschubs durch Gedankenstriche, Klammern oder Kommata.

Die Parenthese ist meistens ein Teil des Autorkommentars bzw. der Erzählerrede. Sie kann als solche verschiedene Funktionen übernehmen: eine ergänzende Funktion, indem sie bestimmte Erläuterungen nachholt:

Ein so unverhoffter und merkwürdiger Tag erschien vor nunmehr etwa vier Monaten – wir stehen augenscheinlich am Anfang des Februars –, und an diesem Tage sah ich etwas ausnehmend Hübsches. (Th. Mann, »Der Bajazzo«)

Sie kann in Form einer allgemeinen Bemerkung oder einer Frage die Erzählung verzögern und Spannung wecken:

Ottilie ward einen Augenblick – wie soll man’s nennen – verdrießlich, ungehalten, betroffen; ... (Goethe, »Die Wahlverwandtschaften«)

Sie kann eine Rechtfertigung oder Selbstdarstellung des Erzählers enthalten:

Der andere mochte drinnen auf dem sicheren Ende der improvisierten Schaukel hocken, und da Rudolf – ich sag es ungern – ein türkischer Junge ist, graute mir vor dem Wagstück. (C. F. Meyer, »Jürg Jenatsch«)

Mitunter kontrastieren »Stammsatz« und »Gastsatz«, indem der Einschub das Geschehen des Hauptsatzes satirisch beleuchtet:

... und auf dem dortigen Observatorium zeigt man noch einen überaus künstlichen Einschachtelungsbecher von Holz, den er [Kurfürst JanWillem] selbst in seinen Freistunden – er hatte deren täglich 24 – geschnitzelt hat.

(H. Heine, »Ideen. Das Buch Le Grand«) Auch eingeklammerte Anfügungen können hierzu gezählt werden:

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Wir sahn dich durch den Schlachtendonner reiten (auf Ansichtskarten und im Lesebuch).

(E. Weinert, »Wilhelm hat Geburtstag«)37

Schließlich ist noch auf eingeschobene Wendungen an das Publikum hinzuweisen, die der Form des Beiseitesprechens in Lustspielen ähnelt:

Die Augen der Helden sind schön – Madame, riechen Sie nicht Veilchenduft? – sehr schön, und doch so scharf geschliffen ...

(H. Heine, »Ideen. Das Buch Le Grand«) Die häufige Verwendung von Parenthesen kann als Kennzeichen des Individualstils mancher Autoren gelten. Kleist, Jean Paul, Heine, Thomas Mann u.a. machen von dieser Möglichkeit in unterschiedlicher Weise Gebrauch und beleben dadurch ihre Gedankengänge und Darstellungen. Stellung und Länge des Einschubs sind für die Wirkung des Stils mitunter wichtig.

Außerhalb der Dichtung sind Parenthesen nur in Reden und Vorträgen, Kommentaren und Erläuterungen, Beschreibungen und Briefen ich-bezogener und auktorialer Autoren anzutreffen. Als Parenthesen sind Einzelwörter ebenso möglich wie Satzgefüge; die Stellung in der Satzmitte wird bevorzugt. Die Grenzen zum Nebensatz sind dabei oft nur formaler Natur. So kann z.B, ein Redner auf bereits Gesagtes in Form eines Nebensatzes oder einer Parenthese hinweisen:

Der Vorgang vollzieht sich, wie wir bereits sagten, in der Weise, daß ...

Der Vorgang – wir sagten es bereits – vollzieht sich so ...

In einigen Grammatiken werden auch Interjektionen und Anredenominative zur Parenthese gezählt38, doch ist hier der inhaltliche Situationsbezug zum Kontext meistens enger:

Ach, wäre es hier!

Recht eng ist auch das Verhältnis zwischen Parenthese und Appositionen sowie verkürzten Hauptund Gliedsätzen. Als Appositionen gelten substantivische Ergänzungen, meistens in Nachstellung und im gleichen Kasus (vgl. S. 125f.), neuerdings auch gelegentlich nur im Nominativ39:

Pescara, der große Belagerer, wird sie schnell wegnehmen ...

(C. F. Meyer, »Die Versuchung des Pescara«)

Er legte seine Hand auf Labiaks Kopf, glatter, fester Kegelkopf. (A. Seghers, »Gefährten«)

Der Kasuswechsel rückt derartige »freie Appositionen« in die Reihe der Parenthesen. Ihre Gestaltungsfreiheit ist zwar weniger groß, erlaubt jedoch kurze Zusätze in der Form des Einzelworts sowie längere in der Form der Relativsätze:

Pinnau, braver, also armer Leute Sohn, von oft bewiesenem Fleiß, der das Baden im Pregelstrom angefangen hat, noch einiges – und Poesie auch – aber was wird schon aus ihm ... (J.Bobrowski, »Epitaph für Pinnau«)

In der Gegenwartsliteratur scheint die Apposition, die ja einer nachträglich korrigierenden oder ergänzenden Autorhaltung entspringt, zurückzutreten. Dafür findet sie sich häufiger in beschreibenden und anpreisenden Werbetexten, auch wenn sie hier graphisch oft vom Bezugswort (Artikelname) getrennt erscheint:

140

Frische Leute reden über Schöneres : vivimed ein erfreuliches Thema.

Dugena – ]eunesse, junge, liebenswerte Mode. Ein Pop-Modell in 800er Silber. (Uhrenwerbung)

Bayerischer Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas. (Touristikwerbung)

Als verkürzte Sätze in ähnlicher Nachstellung wie die Appositionen kommen hauptsächlich einfache oder erweiterte Adjektive und Adverbien, Partizipien und Infinitive in Frage, die durch Komma (oder Gedankenstrich, bei Isolierungen auch durch Punkte) vom Kontext abgetrennt werden. In den Grammatiken sind solche Bildungen als »satzwertige« Satzglieder bezeichnet.40 Häufig handelt es sich um satzwertige Partizipien I oder II (Zustandspassivformen) oder deren elliptische Ergänzungen, denen Formen von »sein« oder »haben« zugedacht werden können, sowie um satzwertige Infinitive mit »zu«, »um zu«, »ohne zu«:

Hier unten aufgestellt, Kriegsgeräte, nachtgefärbt

unter dem. Sternbild des Schützen

(Nelly Sachs, »Hier unten aufgestellt«)

Als Waagrechte durchschneidet fast die Hälfte des Bildes ein Ackerrand. Parallel zu ihm, tiefer, die Mauer eines Friedhofes, nur ein Ausschnitt von dem Teil, wo sie in einem rechten Winkel endet. Deutlich die Feldsteine, breite Platten, alles aufeinander geschichtet, und zwischen diesen beiden Linien bewegt sich der Karren. (Wolfgang Maier, »Adam, wie geht's?«)

Hier erlaubt der Kontext den Verzicht auf finite Verbformen der »Hauptsätze«. Absolute Nominative und Adjektivbzw. Partizipformen genügen zum Verständnis solcher Informationen. Die Auslassung semantisch schwacher Verben (z.B. »sein«, »haben«), die sich auch in der Umgangssprache häufig findet, kennzeichnet die Satzverkürzung der folgenden Beispiele:

Erstaunlich, wie gefräßig sie jetzt wurde. (Otto F. Walter, »Der Knecht Kaspar«)

Gut, tritt ans Fenster! (H.Piontek, »Vor Augen«)

Mitunter kann durch die Sonderstellung und Abtrennung eines normalen Satzadverbs (meist in Nachstellung) die gleiche Stilwirkung solcher Satzverkürzungen erreicht werden:

Ich tat das, zitternd.

(Th. Bernhard, »Im Armenhaus«)

Enger an den Satz gebunden erscheinen satzwertige Infinitive:

Wie ein Silberfisch anzuschauen, flog ich durch die Regionen des Äthers ...

(H. Kasack, »Das unbekannte Ziel«)

Nachtrag

Als letzte Form der Konstruktionsänderung seien die Erscheinungen des Nachtrags eines Satzglieds erwähnt, syntaktische Stellungsvarianten, bei denen eine Information nicht an der üblichen Stelle, sondern erst später,

141

zumeist am Satzschluß erscheint. Sie gleichen darin fernoder nachgestellten Adjektiven (vgl. S. 106 ff.) oder den Appositionen am Satzende. Ähnlich der Prolepse knüpfen sie manchmal an eine vorhergehende Angabe an, allerdings kaum an eine Substantivform, sondern an eine Pronominaloder Adverbform:

Wir saßen nach hinten hinaus, im Wohnzimmer, das sein Licht durch die vorgebaute Glasveranda bekam. (G. Grass, »Katz und Maus«)

Am Abend kam er, den wir lange erwartet hatten, der Freund aus dem Westen. Die verschiedenen Formen der Unterbrechung der Satzkonstruktion sind als Figuren einer Lockerung des syntaktischen Zusammenhangs anzusehen.41

Indem die gewohnte Satzspannung aufgelöst wird, erhalten die isolierten Einzelglieder ein größeres Gewicht, gewinnt ihre Aussage an Nachdruck und – durch den Wegfall mancher Zwischenglieder – Übersichtlichkeit. Diese Auflockerungserscheinungen des Satzbaus sind ein wichtiges Stilmerkmal der neueren Zeit. Sie sind vor allem in der erzählenden Literatur, in der Lyrik und in der Werbesprache in zunehmendem Maße anzutreffen, während Texte des öffentlichen Verkehrs, der Wirtschaft, der Wissenschaft und Bildung weiterhin die Vollständigkeit und Geschlossenheit des Satzbaus beachten.

Umwandlungen der Satzform

Satzglieder und Gliedsätze

Die Umwandlung bestimmter Satzformen in andere ohne Informationsverlust ist eine weitere syntaktische Ausdrucksvariante von stilbestimmendem Wert. Dabei ergeben sich drei Gruppen der Satzgestaltung, gleichsam als sprachliche Oppositionen einander gegenübertretend: der einfache Satz, der erweiterte einfache Satz und das Satzgefüge. Wir haben diese Gruppen bereits im Zusammenhang der Satzquantität besprochen, nicht aber ihre Struktur, Bildungsweise und stilistische Relevanz untersucht.

Von den drei Gestaltungsmöglichkeiten erfordert der einfache Satz die geringste syntaktische Gestaltungsfähigkeit, da es dabei lediglich auf die angemessene Handhabung der Satzgrundformen ankommt (vgl. S. 110 f.). Nur selten begnügen wir uns jedoch mit solchen Grundformen, fast immer erweitern wir sie durch zusätzliche Satzteile mit anderen Informationsleistungen, fügen mehr oder weniger häufig Adjektive und Adverbien, Konjunktionen und präpositionale Angaben hinzu, die den gedanklichen Zusammenhang des ursprünglichen einfachen Satzes vervollständigen, bis dieser schließlich die uns angemessen erscheinende Informationsfülle erreicht hat. Dabei wird die Informationsleistung eines Satzes jeweils von der Informationsleistung eines finiten Verbs getragen und ist – falls es sich nicht um elliptische Verkür-

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zungen handelt – von ihm abhängig. Es versteht sich von selbst, daß diese »Tragfähigkeit« des finiten Verbs begrenzt ist und dementsprechend dem Satzumfang Grenzen setzt, soweit nicht »sekundäre Verbalformen« (Partizipien, Verbalsubstantive) Ausweitungen zulassen. Die Sprachgeschichte, insbesondere die Entwicklungsgeschichte des deutschen Satzes42, wie auch die Wortbildungslehre bestätigen, daß den meisten Satzerweiterungen dieser Art einfache Aussagesätze zugrunde liegen, die durch bestimmte Transformationen (Umformungen) zu Satzgliedern erweiterter Sätze umgebildet wurden. Die generative Transformationsgrammatik sucht diese Tatsache und ihre Regularitäten neu bewußt zu machen.43 Die ursprüngliche Form der Informationshäufung in einem Satz war, wie Texte älterer Zeit (vor 1500 etwa) bestätigen, die Verbindung mehrerer einfacher oder wenig erweiterter Sätze in nebengeordneter (parataktischer Reihung (Parataxe) mit Hilfe weniger Bindewörter (Konjunktionen).44 Erst später bildet sich ein strafferes Satzgefüge (Hypotaxe) heraus, in dem bestimmte Sätze als »Hauptsätze« dominierten und andere mit Endstellung des Verbs ihnen als »Nebensätze« untergeordnet wurden. Außerdem gab es schon in ahd. Zeit (vor 1000) die Möglichkeit, bestimmte Beziehungsverhältnisse, z.B. kausaler Art, auch als Satzglieder mit Hilfe von Präpositionen und Substantiven auszudrucken. Dieses Nebeneinander, das zur Gegenwart hin weiterentwickelt wurde, gewährt jedem Sprecher die stilistische Freiheit, zwischen mehreren Satzformen die dem Inhalt und der Ausdrucksabsicht am meisten gemäße zu wählen.

Im folgenden sollen zunächst die dabei zur Verfügung stehenden verschiedenen Satzformen erläutert werden. Wir gehen von einigen Mustern aus. Nehmen wir z.B. an, jemand will zum Ausdruck bringen, daß ein bestimmtes Buch, das er erhalten hat, spannend ist und ihm gefällt, so kann er sagen:

Dieses Buch ist spannend, es gefällt mir. – Dieses spannende Buch gefällt mir. – Dieses Such, das spannend ist, gefällt mir.

Im ersten Beispiel wird die Information in zwei nebengeordneten Sätzen ausgedrückt, im zweiten durch einen um das Adjektivattribut erweiterten Hauptsatz, im dritten in einem Hauptund einem untergeordneten (hypotaktischen) Nebensatz. Der Inhalt eines Hauptsatzes ist somit auch als Satzglied wie als Gliedsatz ausdrückbar.

Wollen wir das Gefallen an der Spannung begründen, so können wir das auf dreidache Art sagen:

Das Buch gefällt mir, denn es ist spannend. – Das Buch gefällt mir wegen seiner Spannung. – Das Buch gefällt mir, weil es spannend ist.

Im ersten und dritten Beispiel haben wir das Begründungsverhältnis mit Hilfe eines Bindewortes ausgedrückt, das irn ersten Beispiel nebenordnenden, im dritten unterordnenden Charakter besitzt, irn zweiten Beispiel dagegen durch eine Präposition und ein davon abhängiges Verbalsubstantiv in der Satzgliedfunktion einer Kausalangabe. Auf die gleiche Weise können auch weitere Beziehungsverhältnisse zwischen zwei Tatbeständen unterschiedlich formuliert werden. Lediglich die parataktische Verbindung ist nicht bei allen Bezügen ausgebildet. Manche Gliedsätze sind zudem als Relativsätze (mit pronominaler Einleitung), als Inhalt-Sätze (mit daß-Einleitung) und als Kon-

143

junktionalsätze (mit Konjunktion) möglich. Im folgenden sind diese Ausdrucksformen nach ihrer inhaltlichen Zuordnung zusammengestellt und an Beispielen erläutert (vgl. Duden-Gr., 21966, S. 568ff.). Über weitere Einzelheiten informieren die Grammatiken.45

Satzglied-

Einfache Sätze

Erweiterter

Satzgefüge

funktion

 

einfacher Satz

 

Subjekt:

»Kommt Karl?«

Karls Kommen

Ob Karl kommt,

 

»Es ist ungewiß.«

ist ungewiß.

ist ungewiß.

 

Er wird

Sein Kommen

Sicher ist, daß

 

kommen. Das

ist sicher.

er kommt.

 

ist sicher.

 

 

Gleichs.-Nom.:

Du mußt kom-

Die Hauptsache

Die Hauptsache

 

men. Das ist die

ist dein

ist, daß du

 

Hauptsache.

Kommen.

kommst.

Akkus.-Obj.:

Er teilte mir mit:

Er teilte sein

Er teilte mit,

 

Er will kommen.

Kommen mit.

daß er kommt.

Dativ –Obj.:

Er ist tüchtig.

Dem Tüchtigen

Wer tüchtig ist,

 

Ihm hilft des-

hilft das Glück.

dem hilft das

 

halb das Glück.

 

Glück.

Genitiv-Obj.:

Er hatte weiße

Ich erinnere

Ich erinnere

 

Haare.

mich seiner

mich, daß er

 

Daran erinnere

(an seine)

weiße Haare

 

ich mich.

weißen Haare.

hatte.

Präpos.-Obj.:

Ich soll ihn

Er besteht

Er besteht dar-

 

besuchen. Er

auf meinem

auf, daß ich ihn

 

besteht darauf.

Besuch.

besuche.

Adv.-Angabe:

Früher waren

Auf den einstigen

Wo früher

(lokal)

dort Wiesen,

Wiesen

Wiesen waren,

 

jetzt stehen

stehen jetzt

stehen jetzt

 

dort Häuser.

Häuser.

Häuser.

Adv.-Angabe:

Der Morgen

Das Fest dauerte

Das Fest

(temporal)

graute, so lange

bis zum

dauerte, bis der

 

dauerte das Fest.

Morgengrauen.

Morgen graute.

Adv.-Angabe:

Er war unacht-

Das Unglück

Das Unglück

(kausal)

sam, deshalb

geschah wegen

geschah, weil

 

geschah

seiner Unacht-

er unachtsam

 

das Unglück.

samkeit.

war.

Adv.-Angabe:

Dort biegt

Die Kinder

Die Kinder

(lokal)

der Weg ab.

spielen an der

spielen, wo der

 

Dort spielen

Abbiegung des

Weg abbiegt.

 

die Kinder.

Weges.

 

144

Satzglied-

Einfache Sätze

Erweiterter

Satzgefüge

funktion

 

einfacher Satz

 

Adv.-Angabe:

 

Er arbeitet

Er arbeitet, wie

(modal)

 

nach seinem

er es vermag.

 

 

Leistungs-

 

 

 

vermögen.

 

 

Er begrüßte

Er begrüßte

Er begrüßte

 

mich.

mich durch

mich, indem er

 

Er gab mir da-

Handschlag.

mir die Hand

 

bei die Hand.

gab.

gab.

Adv.-Angabe:

Es wurde

Bei Anbruch

Als es dunkel

(temporal)

dunkel.

der Dunkelheit

wurde, gingen

 

Da gingen wir.

gingen wir.

wir.

Adv.-Angabe:

Sie fürchteten

Aus Furcht

Weil sie sich

(kausal)

sich, deshalb

kamen sie nicht.

fürchteten,

 

kamen sie nicht.

 

kamen sie nicht.

Adv.-Angabe:

Sie werden gut

Bei guter

Wenn sie gut

(konditional)

bezahlt. So

Bezahlung

bezahlt werden,

 

leisten sie mehr.

leisten sie mehr.

leisten sie mehr.

Adv.-Angabe:

Es regnete,

Trotz des

Obwohl es

(konzessiv)

trotzdem kamen

Regens kamen

regnete,

 

sie.

sie.

kamen sie.

Adv.-Angabe:

So redete ein

Er redete

Er redete, als ob

(komparativ)

Verrückter. So

wie ein

er verrückt sei

 

redete auch er.

Verrückter.

(wie ein Ver-

 

 

 

rückter redet).

Adv.-Angabe:

Er will sein Ziel

Zur Erreichung

Ihm sind alle

(final)

erreichen, dazu

seines Zieles

Mittel recht,

 

sind ihm alle

sind ihm alle

damit er sein

 

Mittel recht.

Mittel recht.

Ziel erreicht

 

 

 

(um sein Ziel zu

 

 

 

erreichen).

Adv.-Angabe:

Er schwieg,

Durch sein

Er machte

(instrumental)

so machte er

Schweigen

sich schuldig, in-

 

sich schuldig.

machte er sich

dem er schwieg.

 

 

schuldig.

 

Adv.-Angabe:

Er schwieg,

Im Gegensatz

Während er

(adversativ)

sie aber

zu ihm (zu sei-

schwieg,

 

redeten.

nem Schweigen)

redeten sie.

 

 

redeten sie.

 

145

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