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Deutsche_Stilistik

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Die Dialogform nähert sich so der Rede des Dramas. Der Kommentar des Autors tritt fast völlig zurück. Gesteigert wird diese Dramatisierung des erzählenden Dialogs dadurch, daß die Redesituierung völlig schwindet. Wir treffen diese Form der Rededarbietung (oft auch mit Auslassung der Anführungszeichen) bei einigen modernen Autoren an.

»Schreibste Geschichten?«

»Auch. Ist aber nichts geworden, heute.« »Wasn für Geschichten?«

»So alles Mögliche.« »Für Bücher?« »Auch, manchmal.«

»Was de selbst erlebt hast?«

»Selten. Meistens denkt man sich was aus.« (J. Rehn, »Der Zuckerfresser«)

Der Verzicht auf zusätzliche Erläuterungen verlangt hier aber, der Übersichtlichkeit wegen, eine klare graphische Gliederung des Textes. Meistens wechseln allerdings die Formen der Rededarbietung in der neueren Erzählluteratur. Auf diese Weise ist es möglich, zugleich mit dem Wechsel zwischen schildernden und dialogisierten Textpartien die Darbietung zu lockern, das Erzählganze rhythmisch zu gliedern und die Lebendigkeit zu steigern.

Der wörtlichen Rede in Dialogform steht die Erzählform des inneren Monologs sehr nahe. Sie findet sich nur gelegentlich in der älteren Erzählliteratur und taucht erst mit der zunehmenden Psychologisierung des modernen Romans häufiger auf. Moderne Erzähler suchen auf diese Weise die Bewußtseinsströme (streams of consciousness), Gedankengänge und -assoziationen ihrer Erzählfiguren darzulegen, besonders dann, wenn die Fiktion einer klaren geordneten Außenwelt sich als »fragwürdig« erwiesen hat.65 Der »innere Monolog« gibt die Reflexionen der handelnden Personen wieder. Er gleicht darin dem Monolog des klassischen Dramas und übernimmt gewissermaßen dessen Funktion in der Gattung des Romans, tritt aber nicht nur vor Entscheidungssituationen auf. Die Reflexionen der Figuren werden dabei – so weit wie möglich – in der l. Person wiedergegeben, während der erzählende Kontext in der 3.Person verbleibt.

Er klingelt nebenan, ist keiner da. Schön, schreiben wir den Zettel. Franz geht an das Flurfenster, hat die weiße Ecke einer Zeitung abgerissen, schreibt mit einem kleinen Bleistift: »Weil Sie nicht aufmachen, ich will meine Ware wieder, abzugeben bei Klaussen, Ecke Elsasser.« Mensch, Luder, wenn du wüßtest, wer ich bin, wat eine schon mal gespürt hat von mir, dann würdest du nicht. Na, werden wir schon kriegen. Man sollte ein Beil nehmen und die Tür einhacken. Den Zettel schiebt er leise unter die Tür.

(A. Döblin, »Berlin Alexanderplatz«) Den beiden Formen der unmittelbaren Figurenaussage (direkte Rede, innerer Monolog) stehen zwei Formen der indirekten Figurenaussage gegenüber: die indirekte und die erlebte Rede.

In der indirekten Rede ist der Autor zwar zu einer möglichst getreuen Wiedergabe des Redeinhaltes der wörtlichen Rede angehalten, nicht aber zu

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einer wörtlichen Wiedergabe emotionaler Interjektionen oder soziolektischer oder idiolektischer Sonderformen (Ausrufe, Mundartliches u.ä.). Wir wählen ein Beispiel für diese abgeschwächte, distanzierende Redeweise aus Goethes »Wilhelm Meister«. Als Wilhelm Meister Mignon bei einem Seiltänzer entdeckt, heißt es:

Dieser, der sich jetzt nur auf die Waffen seines Mundes reduziert sah, fing gräßlich zu drohen und zu fluchen an: die faule unnütze Kreatur wollte ihre Schuldigkeit nicht tun: sie verweigere den Eiertanz zu tanzen, den er dem Publikum versprochen habe, er wolle sie totschlagen und es solle ihn niemand daran hindern. (Goethe, »Wilhelm Meisters Lehrjahre«)

Den klassischen Erzählformen entsprechend, vermeidet Goethe hier die wörtliche Wiedergabe dieser unziemlichen Reden. Der Konjunktiv, dessen Wirkung man nicht zu Unrecht mit einem Schleier verglichen hat66, dämpft die Härte des Geschehens.

Neben dieser abschwächenden Aufgabe kann diese Redeform auch eine Kontrastfunktion übernehmen und mit der direkten Rede wechseln. Heinrich von Kleist hat diese Form der Rededarstellung wiederholt in seinen Novellen in unterschiedlicher Weise verwendet, etwa in Michael Kohlhaas’ Gespräch mit Martin Luther, wo in der Rahmung der Szenen die indirekte Rede begegnet, während die fast dramatische Diskussion unmittelbar wiedergegeben wird67:

Luther fragte ihn, wer er sei und was er wolle; und der Mann ... hatte nicht sobald ... erwidert, daß er Michael Kohlhaas, der Roßhändler, sei, als Luther schon: »Weiche fern hinweg!« ausrief ... Luther sagte ... er wolle mit dem Kurfürsten seinethalben in Unterhaltung treten ...

Kleist kennt noch weitere Verwendungsweisen der indirekten Rede. So setzt er sie z.B. wiederholt ein, wenn es gilt, in einer dynamischen Handlungsdarstellung, die nicht durch wörtliche Reden gestört werden soll, Fragen und Antworten zu integrieren.

Schließlich dient die indirekte Rede der Kennzeichnung des Erzählers wie auch anderer Figuren gegenüber der direkten Rede der Hauptpersonen:

Der Offizier, während die Alte mit lauter Worten ihren Abscheu hierüber zu erkennen gab, fragte Toni: ob sie wohl einer solchen Tat fähig wäre. »Nein!« sagte Tony, indem sie verwirrt vor sich nieder sah. Der Fremde, indem er das Tuch auf den Tisch legte, versetzte: daß nach dem Gefühl seiner Seele keine Tyrannei, die die Weißen je verübt, einen Verrat, so niederträchtig und abscheulich rechtfertigen könnte. (Kleist, »Die Verlobung in St. Domingo«)

Die erlebte Rede verhält sich zur indirekten Rede wie der innere Monolog zum Dialog in direkter Rede. Auch in der erlebten Rede geht es um die Kundgabe der Reflexionen des Helden, allerdings in der erzählerisch distanzierten Form der mittelbaren Wiedergabe in der 3. Person. Dadurch fließen Autorensprache und die Form der Figurensprache zuweilen ineinander68, die Reflexionen der Figuren wirken zunächst wie Reflexionen des Autors; beide Erzählformen sind oft nicht trennbar. Nur die Zuordnung zum Bewußtsein der Erzählfiguren, die Wiedergabe einzelner Äußerungen, Ausrufe und Fragen, die Benutzung soziolektischer und idiolektischer Elemente, Unregel-

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mäßigkeken im Tempus und Modus u.dgl. heben die erlebte Rede aus der Autorrede heraus; auch wenn sie nicht durch Redeeinleitungen angekündigt wird:

Rings war alles voll süßen, schwülen Duftes. Vor ihm brütete die Sonne auf dem zitternden Wasser. Wie müde und abgehetzt er sich fühlte, und wie doch alles in ihm in qualvollem Aufruhr war! War es nicht da beste, noch einmal um sich zu blicken und dann hinunter in das stille Wasser zu gehen, um nach einem kurzen Leiden befreit und hinübergerettet zu sein in die Ruhe? Ach, Ruhe, Ruhe war es ja, was er wollte! ... (Th. Mann, »Der kleine Herr Friedemann«)

Die beiden älteren »dialogischen« und die beiden neueren »monologischen« Rededarstellungen stellen zwei stilistisch wichtige Oppositionsgruppen dar, die der Erzählung Lebendigkeit, aber auch ein größeres Maß an Unmittelbarkelt verleihen.

Satzzeichen und Typographie als Stilmittel

Wenn man Stil als die charakteristische Eigenart der sprachlichen Ausdrucksund Darstellungsweise ansieht, so sind alle diejenigen Mittel zuzuzählen, die sprachliche Ausdrucksabsichten sichtbar machen. Da Stiluntersuchungen bisher fast ausschließlich auf schriftliche Texte beschränkt blieben, gehört auch die Zeichensetzung (Interpunktion) in diesen Betrachtungszusammenhang. In der Literatur69 wie in der sprachlichen Werbung finden sich zahlreiche Beispiele einer stilistisch bedingten Interpunktion.

Sie wird insbesondere dort sichtbar, wo sich ein Autor nicht an die gegenwärtig gültigen Zeichensetzungsregeln hält, sondern die übliche Interpunktion nach eigenem Ermessen abwandelt. Zwar kann auch die konventionelle, regelgerechte Interpunktion als Stilistikum gelten70, eine besondere Aussageabsicht wird jedoch nur dort signalisiert, wo die Satzzeichen anders als vorgeschrieben gesetzt sind. Die Grenzen zwischen konventioneller und bewußt stilistischer Zeichensetzung sind oft schwer zu ziehen. Ein Autor kann beispielsweise zwei einander folgende Satzinformationen durch Punkt oder durch Semikolon trennen (gelegentlich sogar durch Komma, Doppelpunkt oder Gedankenstrich). Der Punkt markiert eindeutig die Satzgrenze des ersten Satzes zugleich als Gedankengrenze; das Semikolon überspielt sie durch die Kleinschreibung des zweiten Satzanfangs. Hier besteht bereits eine stilistische Variationsmöglichkeit. Im Gegensatz dazu stehen Fälle, in denen Satzglieder oder Nachträge durch Punkte vom vorangehenden Aussagesatz abgetrennt wurden (vgl. S. 119). So etwa in den ausrufartigen Bildreihungen mancher Expressionisten:

... Und dann die langen Einsamkeiten. Nackte Ufer, Stille. Nacht. Besinnung, Einkehr. Kommunion. Und Glut und Drang

Zum Letzten, Segnenden. Zum Zeugnisfeste. Zur Wollust. Zum Gebet. Zum Meer. Zum Untergang.

(E. Stadler, »Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht«)

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Als drittes und häufigstes Pausenzeichen im Satz ist das Komma zu nennen. Auch seine Verwendung unterliegt sehr oft stilistischen Ausdrucksabsichten, wie die Manuskripte oder Erstdrucke und die darauf beruhenden kritischen Textausgaben zeigen (manche Redakteure erlauben sich allerdings mitunter unberechtigte Angleichungen. an die konventionelle Interpunktion71, besonders bei unkritischen Ausgaben). Während die Kommaregeln dieses Pausenund Gliederungszeichen nur bei Verbindungen vollständiger Sätze, eingeschobenen Satzfragmenten oder -gliedern und asyndetischen Reihungen vorsehen, suchen bestimmte Autoren, wie z.B. Kleist oder manche Romantiker, ihre dynamischen Sätze noch häufiger durch Kommata und andere Satzzeichen zu untergliedern:

Wie! rief die Marquise,

indem sie aufstand, und sich loswickelte, und Sie

kommen gleichwohl? – ...

(Kleist, »Die Marquise von O. «)71

Als Gegensatz dazu kann der betont schlichte und unattraktive73 Stil Stifters in »Nachsommer«74 gelten, wo häufig notwendige Kommata ausgelassen werden:

Da ist der schneeige glatte Bergahorn der Ringelahorn die Blätter der Knollen von dunklen Ahorn – alles aus den Alizgründen – dann die Birke von den Wänden und Klippen der Aliz der Wacholder von der dürren schiefen Haidefläche die Esche die Eberesche die Eibe die Ulme selbst Knorren von der Tanne der Haselstrauch der Kreuzdorn die Schlehe und viele andere Gesträuche, die an Fertigkeit und Zartheit wetteifern ... (A. Stifter, »Nachsommer«)

Der Verzicht auf konventionelle Satzzeichen kann auch (ebenso wie die durchgehende Kleinschreibung) einem esoterischen Streben nach Distanzierung von allem »Üblichen« erwachsen und darin stilcharakterisierend sein.

Jeden wahren künstler hat einmal die sehnsucht belallen in einer sprache sich auszudrücken deren die unheilige menge sich nie bedienen würde oder seine worte so zu stellen daß nur der eingeweihte ihre hehre bestimmung erkenne ...

(Stefan George)75

Das unterschiedliche Verhalten einzelner Autoren zum Komma könnte bis zur Gegenwart hin aufgezeigt werden: die bedachte Akribie der Zeichensetzung Thomas Manns müßte dabei ebenso berücksichtigt werden76 wie die rhythmische Bändigung der Assotiationen und Gesprächsfetzen bei Alfred Döblin77, die Kommascheu eines Uwe Johnson oder Jürgen Becker ebenso wie die Interpunktionsbetonung durch Günter Grass oder Max Frisch.

Neben Punkt, Semikolon und Komma fungieren Doppelpunkt (Kolon), Gedankenstrich und Gedankenpunkte78 als stilcharakteristische Pausenzeichen, und zwar, im Gegensatz zu den erstgenannten, als echte Alternativformen bzw. Varianten. Der Doppelpunkt, ursprünglich Zeichen des Zeilenabschlusses79, wird zudem häufig als Spannungssignal verwendet, das den Beginn einer Redeergänzung (wörtliche Rede, Inhaltsangabe, Aufzählung o.ä.) anzeigt. Wenn auch diese Verwendungsform fast regelmäßig erscheint, so begegnen hin und wieder Ausnahmen bei eizelnen Autoren, die ein Komma oder einen Gedankenstrich dadurch ersetzen. Schon Lessing nutzte diese Möglichkeit zur Erwartungssteigerung:

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»Nun, wenn Sie nicht hören wollen: so mögen sie fühlen«. (Anti-Goeze)80

Kleist wiederum kündigt mit dem Doppelpunkt »Ereigniseinbrüche«81 an:

Hier hatte sie die nächsten Jahre ... in der größten Einsamkeit zugebracht: bis der ... Krieg plötzlich die Gegend umher mit den Truppen ... erfüllte.

(Kleist, »Die Marquise von O.«)

Eine ungewöhnliche Variante stellt die Setzung des Doppelpunkts nach wörtlichen Reden oder inneren Monologen bei Uwe Johnson dar:

Na: sagten sie, und Kirsch antwortete lächelnd: Ganz gut. (»Das dritte Buch über Achim«)

Die Einleitung von Gedanken bzw. inneren Monologen, gelegentlich auch von wörtlichen Reden durch Doppelpunkte ohne Anführungsstriche findet sich ebenso außerhalb der Dichtung, z.B. in wissenschaftlichen Texten:

Und wirklich: Strauß hat je damit nur gesagt, was das ganze 19. Jahrhundert und seine Stellung zum Christentum offenbart: die Kritik hat die Krisis herbeigeführt. (Th.Steinbüchel, »Zerfall des christl. Ethos im XIX. Jahrhundert«)

Oder in Werbetexten:

Der VW wäre ideal für viele Leute, die einen repräsentativen Wagen ihr eigen nennen.

Nur: Er kostet nicht genug.82

Endlich ist er da: Der Kühlschrank von Bosch!83

Die Kolonsetzung soll hier eine Erwartungspause signalisieren. Eine mögliche Kommasetzung wäre dafür zu schwach.

Eine ähnliche Funktion wird häufig dem Gedankenstrich zugemutet, der sich seit dem 18. Jh. als spannungssteigerndes Satzzeichen behauptet.84 J. Stenzel nennt ihn »das unartikulierteste aller Satzzeichen«85, weil er nicht nur wie die übrigen Satzzeichen Redehinweise für Rhythmus, Melodie und Tempo gibt, sondern auch, weil hier »die verständige Leistung der Artikulation von freier Phantasie suspendiert« wird.

Die hier skizzierte Wirkung des Gedankenstrichs ist vor allem charakteristisch für Satzabbrüche (Aposiopesen) und somit für die Wiedergabe erregter Reden oder Gedanken oder der mündlichen Redeweise überhaupt. Daneben findet dieses Satzzeichen oft als Einrahmung von Parenthesen Verwendung, um den Gegensatz des Eingefügten besonders bewußt zu machen. Dieser Gegensatzcharakter wird auch hervorgehoben, wenn ein Komma durch einen Gedankenstrich ersetzt wird.

Durch das hier signalisierte Verstummen der Wirklichkeitsbewältigung mit Hilfe der Sprache erweist sich der Gedankenstrich als typisches graphisches Stilmittel emotional bestimmter Textsorten. Die Dichter des Sturm und Drang bevorzugten ihn ebenso wie manche naturalistischen und expressionistischen Dramatiker und Erzähler, die daneben Spannungspausen auch durch Gedankenpunkte markieren:

Wenn ich nur ihre schwarzen Augen sehe, ist mirs schon wohl! Sieh, und was mich verdrüst, ist, daß Albert nichct so beglückt zu seyn scheinet, als er – hoffte

– als ich – zu seyn glaubte – wenn – Ich mache nicht gern Gedankenstriche, aber hier kann ich mich nicht anders ausdrukken – und mich dünkt deutlich

genug.

(Goethe, »Die Leiden des jungen Werthers»)86

 

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Nein! – und das – wollte ich unbedingt

... unbedingt noch sagen, bevor ... bevor

– Sie – gingen.

(G.Hauptmann, »Vor Sonnenaufgang«)

»Na? Willst du nu, oder nich?! -- Bestie!!«

»Aber – Niels! Um Gottes willen! Er hat ja wider den – Anfall!« »Ach was! Anfall! - - Da! Friß!!!«

(A. Holz/J. Schlaf, »Papa Hamlet«)

Die genannten dichterischen Texte rücken neben den Pausenzeichen des Gedankenstrichs und der Gedankenpunkte (die besonders in naturalistischen Texten häufig sind) die Tonsignale des Ausrufeund Fragezeichens in den Vordergrund. Sie sind konventionell üblich bei Ausrufeund Fragesätzen, werden aber gelegentlich – wie der Schlußtext zeigte – kombiniert und verdoppelt oder mitten in den Text gestellt, um eine verstärkte Ausdruckswirkung zu signalisieren. Es gibt allerdings Autoren, die diese Zeichen (in einfacher oder gehäufter Form) auch in erzählenden Prosatexten anwenden, um bestimmte Auslagen zu unterstreichen, selbst wenn dabei keine emphatischen oder fragenden Satzformen vorliegen.

Besonders gern werden erlebte Reden und innere Monologe auf diese Weise gekennzeichnet. Da hier keine Anführungsstriche erscheinen, lassen sich diese Redeformen nur durch die grammatische Aussageform, den Kontext und solche Satzzeichen deutlich machen:

Uh, das war eine Fahrt! und diese alte Spinne, diese Canidia, diese Giftmischerin, schien sich wahrhaftig schon monatelang darauf gefreut und darauf vorbereitet zu haben! (W. Raabe, »Horacker«)

Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt’! Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End’! Vielleicht ist es sehr schön, und ich bin nur nicht in der Laune. Woher sollt mir auch die Laune kommen?

(A. Schnitzler, »Leutnant Gustl«) Auch in Werbetexten dienen Fragezeichen und Ausrufezeichen der Steigerung der Aussagen:

Schluß mit Falten! (Keine Paßformprobleme mehr!) (Strumpfwerbung)

Wenn Sie eine kleine Freude machen wollen! (Zigarettenwerbung)

Allerdings gibt es – wie in der Gegenwartsliteratur – auch Texte, die auf diese auffälligen Mittel verzichten, vor allern auf Ausrufezeichen, sofern der Satzsinn eindeutig ist:

Was wäre der Tag ohne Dich. (Bäckerwerbung)

Die Satzzeichen können also als stilistisch bedingte Grapheme und somit als Stilmittel besonderer Art angesehen werden. Dies gilt allerdings nur für schriftliche Texte und vor allem für Texte der Dichtung wie der Werbung. In Texten der mündlichen Rede wird diese Signalwirkung durch die »suprasegmentalen Morpheme« der Intonation, des Sprechtempos und Rhythmus erzielt.

Bei schriftlichen Texten kann über die typographischen Hilfsmittel der Interpunktion hinaus sogar das Schriftbild bestimmte Stilwirkungen zeitigen.

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Lyrik und Werbung haben dieses Phänomen wiederholt zur Eindruckssteigerung genutzt. Die Versgliederung unmetrischer Gedichtzeilen wird oft nur durch das Schriftbild sichtbar, Figurengedichte und »Ideogramme« der »konkreten Poesie« leben aus der sprachlichen Wiederholung und aus der visuellen Gestalt (vgl. S. 65). Aber auch die Gliederung von Prosatexten nach Abschnitten, also optisch wahrnehmbaren Signalen, ist hierzu nennen. Die Grenzen zwischen sprachlichen und graphischen Stilmitteln sind oft fließend.

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Möglichkeiten der Umformung

oder des Wechsels grammatischer Kategorien als Stilmittel

Wenn wir eingangs eine Stilauffassung hervorhoben, die im Stil die jeweilige Art und Weise der Verwendung möglicher Sprachmittel begreift, so setzt dies voraus, daß es innerhalb des Inventars sprachlicher Ausdrucksmittel Variationsmöglichkeiten gibt, die es uns erlauben, den gleichen Sachverhalr, die gleiche Information, auf verschiedene Weise auszusagen. Indem sich der Sprecher für bestimmte Ausdrucksmöglichkeiten entscheidet, realisiert er seinen Stil, eine ihm eigene Darstellungsweise, die aus dem Zusammenwirken bestimmter Ausdrucksabsichten und persönlicher Spracheigenheiten (internalisierter Darstellungsmuster) entsteht und zugleich die Neigung zu bestimmten Sichtweisen oder Akzentuierungen erkennen läßt.

Die Zusammenstellung und Beschreibung des Inventars der möglichen Ausdrucksmittel und Regeln einer Sprache (ihrer »langue«) obliegt der jeweiligen Grammatik. Es bleibt eine Aufgabe einer systematisierenden Stilistik, die Wahlmöglichkeiten des sprachlichen Ausdrucks zusammenzustellen und nach ihrer stilistischen Bedeutung zu charakterisieren, um auf diese Weise für Stilgestaltung und Stilanalyse das Repertoire der grammatischen Stilmittel bewußt zu machen.

Im folgenden sollen daher die grammatischen Möglichkeiten der Ausdrucksvariation, soweit sie stilistisch relevant sein können, einander gegenübergestellt werden.1 Es handelt sich dabei vor allem um Formen des Wechsels zwischen den Wortarten, den Tempus-, Modusund genera verbiFormen des Verbs, den Numeri und den Kasus der Substantive, die untereinander ausgetauscht werden können und daher als stilistische Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Stilprobleme der Wortartendifferenzierung

Wir beginnen mit einigen grundsätzlichen Erwägungen zur Wahl der Wortarten im Deutschen:

Die deutsche Sprache verfügt – wie die meisten idg. Sprachen – über die drei wichtigsten Wortarten Verb, Substantiv, Adjektiv, die sprachliche Aussagen über die Wirklichkeiten des Denkens und Seins ermöglichen, und mehrere rein funktionale Wortarten (deren Zahl verschieden festgelegt wird), die Verbindungen zwischen den genannten semantisch starken (autosemantischen) Wortarten knüpfen und damit geschlossene Aussagen über die außersprachliche Wirklichkeit ermöglichen. Den einzelnen Wortarten können im Rah-

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men der Sprachverwendung bestimmte Stilwirkungen zukommen2, doch soll darüber an anderer Stelle gesprochen werden (vgl. S. 213ff.).

»Die Wortarten unterscheiden sich auf die besondere Weise, in der sie an der sprachlichen Erschließung der Welt teilnehmen, und durch das Vorhandensein oder das Fehlen einer Formenwelt«, so formuliert die Duden-Grammatik3 Wesen und Leistung der Wortarten.

Die Verben erfassen die außersprachliche Wirklichkeit als Geschehen oder Sein sowie unter den grammatischen Kategorien der Personalität, der Zeitlichkeit, der Wirklichkeit oder Möglichkeit, der Momentanität oder Dauer, Intensität und Wiederholung.

Die Substantive nennen und benennen Einzelheiten der Wirklichkeit als Gegenstände oder begriffliche Einheiten im Rahmen der Kategorien von Zahl und grammatischem Geschlecht sowie in der variablen Beziehung zu anderen Wortarten, besonders zum Verb, die sich in der Formenabwandlung (Deklination) ausdrückt.

Die Adjektive schließlich spiegeln »die Stellungnahme eines Sprechers zu den Wesen oder Dingen (Substantiven), zum Sein oder Geschehen (Verben), zu Eigenschaften selbst (Adjektiven oder Partizipien) oder auch zu Umständen (Adverbien)«4 in der Form von Urteilen, Charakterisierungen oder bloß registrierenden Kenntnisnahmen, in bestimmten Fällen auch unter der Kategorie der Steigerung bzw. des Vergleichs (Komparation).

Obgleich diese drei Wortarten unterschiedliche Funktionen im Rahmen der sprachlichen Wirklichkeitsspiegelung und in der zwischenmenschlichen Kommunikation erfüllen, sind sie in vielen Fällen in der Lage, das gleiche Geschehen der Wirklichkeit sprachlich zu fassen, wenn auch unter den verschiedenen Perspektiven der jeweiligen sprachlichen Leistung. Für die Sprachverwendung und somit für die stilistische Gestaltung einer Aussage bedeutet dies, daß bestimmte Phänomene der Wirklichkeit in dreifacher Weise sprachlich »begriffen« werden können, als Geschehen oder Zustand, als einzelne Erscheinung (Wesen) oder als Feststellung oder Urteil; z.B.:

Er zürnt. – Er ist voller Zorn. – Er ist zornig.

Nur bei wenigen Sachverhalten ist die dreifache Aussagemöglichkeit in der gleichen Weise wie hier realisierbar. Andere Aussagen werden nur bei Zusätzen oder Abwandlungen kongruent, z.B.:

Er freut sich darüber. – Er ist voller Freude darüber. – Er ist erfreut/froh darüber.

Wieder andere Aussagen lassen sich auf diese Art nur teilweise variieren; meistens ist dabei die adjektivische Ausdrucksmöglichkeit nicht gegeben:

Er kommt um 12 Uhr an. – Seine Ankunft ist/erfolgt um 12 Uhr.

Bei anderen Verben ist eine synonyme Aussage durch eine andere Wortart nicht möglich.

Trotzdem kann die Aussage über einen Sachverhalt mit Hilfe verschiedener Wortarten in vielen Fällen als eine stilistische Möglichkeit betrachtet werden, die unterschiedliche Ausdrucksnuancen zuläßt. Seine Ankunft wirkt zweifellos statischer, sachlicher als das verbale Er kommt an ... Die moderne Transformationsgrammatik wird einen Satz wie Seine Ankunft ist um 12 Uhr

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formal in eine Tiefenstruktur Er kommt um 12 Uhr an überführen. Über die stilistische Angemessenheit der einen oder anderen Formulierung ist damit jedoch nichts weiter gesagt, lediglich eine Ausdrucksvariation für die Fälle bewiesen, in denen eine Oberflächenstruktur aus einer semantisch gleichen Tiefenstruktur transformierbar ist.

Das Beispiel zeigt auch, daß der Wortbildung für derartige Fragen der Aussagenvariation eine große Bedeutung zukommt. Das Verbalsubstantiv Ankunft ermöglichte erst die Umwandlung eines Verbalsatzes mit ankommen in einen Nominalsatz. Alle anderen Verbalsubstantive, z.B. die verschiedenen nomina actionis wie Lauf, Start, Sprung, Schritt, die auf -ung (Rettung, Geltung usw.), auf -nis (Bekenntnis etc.) sowie substantivierte Infinitive erlauben dies in unterschiedlicher Weise. Außerdem können auch nomina agentis (auf -er) als Varianten eingesetzt werden:

Er sprang am besten. – Sein Sprung war der beste. – Er war der beste Springer. Seine Wunde heilte sehr schnell. – Die Heilung seiner Wunde vollzog sich sehr schnell.

Er wußte um die Sache. – Sein Wissen um die Sache.

Er gestand gestern. – Er legte gestern ein Geständnis ab.

Nicht jede Umwandlung dieser Art ergibt jedoch den gleichen Sinn und ist stilistisch brauchbar:

Sie schrieb sehr gut. – Sie hatte eine sehr gute Schrift.

Ist nicht ohne weiteres aussagekongruent, da der erste Satz sich auch auf Stil Ausdrucksvermögen, Phantasie u.a. beziehen kann, der zweite dagegen nur auf die Handschrift.

Weitere Ausdrucksvariationen sind mit Hilfe der Partizipien möglich. Da die meisten infiniten Perfektformen ebenso wie alle Präsenspartizipien in verbaler und adjektivischer wie auch in substantivischer Verwendung auftreten können, bieten sich hier weitere Austauschgelegenheiten:

Die Nachricht bestürzt uns. – Die Nachricht ist für uns bestürzend. – Die für uns bestürzende Nachricht ... (Das Bestürzende der Nachricht).

Er rief ihn an. – Er ist von ihm angerufen worden. – Der von ihm Angerufene.

Fast ebenso reichhaltig wie die Substitutionen zwischen Verben und Substantiven sind die zwischen Adjektiven (einschließlich der Partizipien) und Substantiven. Die einfachste Form des Wortartentausches ist hier die Substantivierung von isolierten Adjektiven durch Zufügung eines Artikels:

Er ist grün – der Grüne; er ist am fleißigsten – der Fleißigste; er ist gestern verstorben – der gestern Verstorbene ...

Da zahlreiche Adjektive (auf -ig, -haft, -isch, -voll) von Substantiven gebildet sind, ergeben sich verschiedene Ausdruckssubstitutionen, wenn das Lexem der adjektivischen Ableitung als Substantiv noch die gleiche Bedeutung bewahrt:

Er war sehr fleißig. – Er zeigte großen Fleiß.

Sie kleidete sich modisch. – Sie kleidete sich nach der Mode. Er war ganz hoffnungsvoll. – Er war voller Hoffnung.

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