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Zupacken, nicht abwarten

Jugendliche halten wenig von Politik, Soziale Kontakte sind wichtiger

Von Christian Greis und Andrea Bitzmann

„Die Skepsis gegenüber den Parteien hält sich“, zieht der Jugendforscher Klaus Hurrelmann ein Fazit aus der 15. Shell-Jugendstudie 2006. In der Tat hat sich das Verhältnis der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren zur Politik seit der Vorgängerstudie (2002) nur leicht verbessert. Bezeichneten sich vor vier Jahren 34 Prozent als politisch interessiert, sind es jetzt 30 Prozent. Vom Spitzenwert 57 Prozent (1991) ist das noch weit entfernt.

Auch die Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) „Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland“, ebenfalls 2006 erschienen, belegt ein nur geringes politisches Interesse bei Jugendlichen. Gerade mal ein, laut Shell-Studie zwei Prozent sind in politischen Parteien aktiv. Wenn sich junge Leute engagieren, dann am ehesten in Sportvereinen (32 Prozent) oder kirchlichen Verbänden (8).

Informelle Gruppierungen wie Umweltschutzgruppen oder Friedensinitiativen finden die meisten super, machen aber selten mit. Insgesamt nur 39 Prozent der 16- bis 20-Jährigen engagieren sich laut DJI in ihrer Freizeit öfter für soziale und politische Ziele oder sind für andere, insbesondere ältere Menschen aktiv. Dieses Engagement lässt mit zunehmendem Alter nach (36 Prozent); die 12- bis 15- Jährigen sind viel aktiver (48 Prozent).

Doch Vorsicht! Aus solchen Zahlen abzuleiten, dass sich Jugendliche fast nur noch für Spielekonsolen, Gangster-Rap, Markenklamotten und den neuesten Handy-Klingelton interessieren, ist falsch. Laut Shell-Studie stehen Freunde, Familie und Eigenverantwortung jetzt noch höher auf ihrer Werteskala als vier Jahre zuvor. Die meisten halten Demokratie für eine gute Staatsform. Das sagen 73 Prozent (2002; 64) der ostdeutschen und 81 Prozent (2004; 82) der westdeutschen jungen Leute.

Und etliche tun was dafür. Beispielsweise machen sie im Jugendparlament (oder Jugendrat) ihrer Heimatgemeinde mit. In immer mehr Kommunen gibt es solche Gremien. Anna-Catherina Bircher, 17-jährige Schülerin des Berufskollegs Hilden, ist seit Februar 2007 Vorsitzende des JuPa der Stadt Monheim am Rhein. Dem ordentlich gewählten Jugendparlament gehören acht weibliche und acht männliche Mitglieder zwischen 13 und 17 Jahren an. Sie beraten über Vorschläge, die Monheimer Jugendliche einreichen, und legen sie gegebenenfalls dem Jugendausschuss oder dem Stadtrat vor.

Keiner ihrer Kollegen, so Anna-Catherina, ist der Meinung, dass ein Jugendparlament Berge versetzen könnte. Aber mit Beharrlichkeit könnte es etwas erreichen. „Wir setzen uns seit drei Jahren für die Einrichtung eines kommunalen Kinos ein, weil der Weg etwa nach Düsseldorf für Jugendliche auf Dauer zu umständlich ist“, erklärt Anna-Catherina. „Wir wollen ein Kino, dass sich mit kritischen Themen befasst. Was einen emotional bewegt, behält man besser im Gedächtnis.“ Die Chancen stehen gut, dass das Vorhaben in nächster Zeit umgesetzt werden kann.

Auf jeden Fall sollte es wieder gelingen, ein Benefiz-Rock-Konzert zu veranstalten, bei dem Newcomerbands sich einer breiten Masse präsentieren und die jungen Organisatoren und Helfer zeigen, dass sie verantwortungsbewusst solch ein Event mittragen können. „Der Reinerlös aus dem Konzert“, so die JuPa-Vorsitzende, „soll wieder einer wohltätigen Organisation zu Gute kommen. Letztes Mal ging das Geld an den „Sag’s e.V.“, eine Beratungs- und Informationsstelle bei sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen.

Wichtig für alle Jugendparlamentarier ist es, die politischen Abläufe in einer Kommune zu verstehen. Und: Sie wollen dem Desinteresse aller Generationen an dem, was in ihrer Stadt geschieht und was zu tun wäre, entgegenwirken. Deshalb lassen sie keine Gelegenheit aus, auch öffentlich auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Anna-Catherina ist immer wieder irritiert, dass sich viele Jugendliche nicht nur gelangweilt, sondern sogar abweisend zeigen. Eines der häufigsten Argumente gegen ein Engagement lautet: „Das ändert doch sowieso nichts.“ Wenn sich Entscheidungen und Vorgänge wie für das Monheimer Kino solange hinziehen, verlieren viele Teenager das Interesse an der Sache. Fazit für die Stadtverordneten: Macht schneller voran!

Anna-Catherina will sich auch in Zukunft politisch und sozial engagieren. Neben dem Vorsitz im Jugendparlament arbeitet sie weiterhin in einem therapeutischen Reitzentrum, hilft den „Sportfreunden Baumberg“ bei der Durchführung von Kinderfesten und ist zudem im Jugendhilfeausschuss präsent, um bei der Einrichtung eines „Waldkindergartens“ am Stadtrand zu helfen. Gewiss, diese freiwilligen Verpflichtungen spannen sie stark ein. „Aber“, sagt die 17-Jährige, „sie lesen sich auch gut im Lebenslauf.“ Für sie ist klar, dass sie nach den Schulabschluss weiter mit oder für Menschen arbeiten wird. „Bloß keinen langweiligen Bürojob!“ Anna-Catherina möchte entweder eine Ausbildung als Servicekauffrau im Luftverkehr machen oder – eher noch lieber – ein Designstudium.

Rheinischer Merkur

17.5.2007

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