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- •Am Ende dieses Jahrhunderts“ Heiner Müller 1929 - 1995
- •Zum Tod des Dramatikers Heiner Müller
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Am Ende dieses Jahrhunderts“ Heiner Müller 1929 - 1995
Der Dramatiker und Theaterintendant Heiner Müller ist Ende des Jahres im Alter von 66 Jahren gestorben. Er gehörte zu den meistgespielten Autoren der Gegenwart. Seine ersten Arbeiten verfasste er in den 50er Jahren. Seine Stücke „Die Umsiedlerin“ (1961) und „Der Bau“ (1965), die sich kritisch mit den Entwicklungen der DDR auseinandersetzen, wurden für die DDR-Kulturpolitiker zum Problem. Müller wurde aus der SED und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Danach griff Müller häufig antike und mythologische Stoffe sowie Shakespeare-Dramen auf. („Philoktet“ 1966; Prometheus“ 1968; „Macbeth“ 1972). In den 70er Jahren problematisierte er das Verhältnis von Staat und Revolution (u.a. „Zement“ 1974; „Die Schlacht“ 1975; „Germanias Tod in Berlin“ 1977). Müller galt als einer der innovativsten, jedoch auch heftig umstrittenen deutschen Dramatiker. Seine bekanntesten Stücke wie „Quartett“ und „Hamletmaschine“ werden auch gern im Ausland gespielt. Nachdem Müller 1985 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde, erhielt er 1986 auch den Nationalpreis 1. Klasse in der DDR. 1992 wurde er Co-Intendant des Berliner Ensembles.
Zum Tod des Dramatikers Heiner Müller
DER TOD des Dramatikers und Theaterintendanten Heiner Müller ist am Sonntag von Politikern und Künstlern als großer Verlust für die Theaterwelt aufgenommen worden. Müller war am Sonnabend im Alter von 66 Jahren, in Berlin nach längerem Krebsleiden an einer Lungenentzündung gestorben. Der Autor soll seinem Wunsch entsprechend auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in der Chausseestraße beigesetzt werden. Dort befinden sich die Gräber von Bertold Brecht, Helene Weigel, Heinrich Mann, Johannes R. Becher und Arnold Zweig.
Auf dem Spielplan des Berliner Ensembles, dessen Leiter Müller war, stand zum Jahreswechsel Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. In dieser letzten, äußerst erfolgreichen Inszenierung Müllers spielt auch Marianne Hoppe mit. „Selbst, wenn man weiß, alles hängt am seidenen Faden, ist man über den plötzlichen Tod zutiefst erschrocken“, sagte die 84jährige Schauspielerin und frühere Ehefrau von Gustaf Gründgens am Sonntag. Sie habe vor allem sein „Güte“ schätzengelernt. „Wenig reden, leise und einfühlsam - so war Müller.“ Schauspieler mehrerer Berliner Bühnen wollen den Dramatiker mit einer Nonstop-Lesung aller seiner Werke ehren.
Der Regisseur und Intendant des Deutschen Theaters, Thomas Langhoff, sagte, dass sein Kollege „wahnsinnig viel“ für das Deutsche Theater Berlin bedeutet habe, wo er seine Stücke „Hamlet/Hamletmaschine“ und „Der Lohndrücker“ selbst inszenierte: „Im Pantheon der großen Dichter ist Heiner Müller längst angekommen.“ Der Autor sei auch eine menschlich integre Person gewesen. Er habe in DDR-Zeiten reden können, mit wem er wollte. „Müller war unbestechlich, unbeeinflussbar.“ Die Berichte über Müllers Stasi- Kontakte hält Langhoff für aufgebauscht. „Er war einfach unantastbar, so klein er war, das war seine Größe.“
Der Leipziger Schauspiel-Intendant Wolfgang Engel erinnerte daran, dass Müllers Texte für die Theatermacher in der DDR „eine Art Lebensmittel gewesen sind“. Nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine hat Heiner Müller wie kein anderer Künstler die Zeitläufe in den „beiden Deutschländern“ verkörpert. Die Präsidentin des westdeutschen PEN-Zentrums, Ingrid Bacher, würdigte den Dramatiker als „weitsichtigen Kritiker deutscher Zustände“.
Für Walter Jens, Präsident der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, ist Müller als Autor „vielleicht der einzige, dem ich das Wort genial zuerkennen möchte“. Bei der Fusion beider Akademien nach der deutschen Vereinigung habe er mit Müller in „wechselseitigem Respekt“ manchen Strauß ausgefochten. Müller war der letzte Präsident der DDR-Kunstakademie.
In Frankreich ehrt die Zeitung „Liberation“ in Heiner Müller den „einzigen großen Tragiker am Ende dieses Jahrhunderts“. Für „Liberation“ handelt es sich bei Müller um den „rätselhaftesten Dramatiker“ der Nachkriegszeit, der „wohl am gewaltigsten zu stören“ vermochte, vergleichbar „einem Genet oder einem Beckett“.
Das Theater Heiner Müllers war für den französischen Theaterregisseur Jean Jourdheuil, der die meisten Werke Müllers ins Französische übersetzt hat, „ein fantastischer Ort der Begegnung, der so beschaffen war“ dass er uns in vielerlei Hinsicht als politisches, lyrisches und philosophisches Kartenwerk der Epoche diente".
Hannoversche Allgemeine Zeitung
2. 1. 1996