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Deutsche_Stilistik

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Screnger sachgebundene Beschreibungen, wie z.B. naturwissenschaftliche Darlegungen, werden durch Vergleiche anschaulicher und lebendiger:

Ist er [ein Körper] dagegen mit seiner Bewegung nur an eine Ebene gebunden, wie ein Schiff auf dem Meere, so hat er zwei Freiheitsgrade der Translation.43

Die Stilmittel der Anschaulichkeit haben in wissenschaftlichen Texten zumeist nur eine komplementäre Funktion, sie erscheinen nicht regelmäßig und dienen nicht immer der sprachlichen Einkleidung von Forschungsergebnissen, sondern einer zusätzlichen Verbildlichung, bewirken aber gerade dadurch ein besseres Verständnis der Angaben.

Bei der Besdirdbuns; eines Personalstils wird man den Anteil und die Art solcher Stilmittel im Text berücksichtigen müssen. Das Wesen eines anschaulichen Stils wird oft erst in der Gegenüberstellung mit einem unanschaulichen, abstrakten Stil deutlich, der Stilmittel der Anschaulichkeit bewußt meidet, vielmehr solche der Unanschaulichkeit (Abstraktionen, Kollektivbegriffe, Substantivierungen, Definitionen, Formeln u.ä.) häuft und damit auch die Verständlichkeit erschwert.

Variation und Wechsel

Mit den Begriffen »Variation« und »Wechsel« seien hier zwei nahverwandte Formen der inhaltlichen und strukturellen Textgestaltung gekennzeichnet, die wie die Prinzipien der Texteinheit und der Folgerichtigkeit zu den wichtigsten Komponenten der Textkonstitution gehören. Unter einer »Variation« versteht man allgemein die Abwandlung von etwas Vorgegebenem, in der Literaturund Textwissenschaft die Abwandlung einer Aussage oder eines Gedankens in verschiedene sprachliche Formen (Synonyme), die in enger Nachbarschaft erscheinen.44 Die Variation war schon in sehr früher Zeit in der orientalischen Dichtung als poetische Stilform üblich; besonders die Psalmen des Alten Testaments nutzen häufig die inhaltliche Abwandlung in der gleichbleibenden Satzform des Parallelisrnus der Glieder (parallelismus membrorum):

Des Totenreiches Bande umgarnten mich, des Todes Schlingen begegneten mir.

(Ps. 18,6)

In der germanischen, besonders der altenglischen, altnordischen, altsächsischen und z.T. auch althochdeutschen Dichtung wird das Prinzip der Aussagenvariation wiederholt mit dem Alliterationsvers verknüpft:

nu scal mih suaŝat chind suertu hauwan bretôn mit sînu billiu ...

Nun soll das eigene Kind mit dem Eisen nicht schlagen, mit dem Schwerte nicht treffen...

(»Hildebrandslied«, 53f. übers, v. G. Baesecke)

Die altnordische Dichtung hat zudem in den Formen der eingliedrigen Heiti (z.B. Renner für »Roß«) und der mehrgliedrigen Kenningar (z.B. Burgwart für »König«) besondere Formen der Wortvariation ausgebildet, die

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die Suche der Dichter nach synonymen alliterierenden Ausdrücken erleichterte. Neben derartigen inhaltlichen Ausdrucksvariationen kennt bereits die altgermanische Dichtung auch strukturelle Variationen grammatischer und metrischer Art.45 Das obengenannte Beispiel aus dem Hildebrandslied häuft (kumuliert) zugleich mehrere solcher Variationen: Außer der semantischen Variation des Begriffs »mit der Waffe schlagen« erscheinen hier zwei Formen des instrumentalen Kasus: der archaische reine Instrumentalis suertu und der Präpositionalausdruck mit sinu billiu; schließlich noch die Vorstellungsvariation: Nomen zuerst (53 b): Verb zuerst (54 a) und die Variation der Stabfolge: ax ax (53) /a a (54 a).

Inhaltlich und strukturelle Variationen tauchen in späteren Dichtungen, bis hin zur Gegenwart, immer wieder auf, ohne daß dabei bestimmte Stilnormen zugrunde liegen müssen. Lediglich für die Metrik und den Reim, die klangliche Variation des Zeilenschlusses, gab es jahrhundertelang gattungsgebundene Verwendungsnormen. Neben den bisher genannten Ausprägungen begegnet das Stilprinzip der Variation zu allen Zeiten noch in anderer Weise, nämlich in der Pflicht jedes Sprechers zum Ausdrucksund Formenwechsel, nicht nur in Fällen der Informationswiederholung, sondern vor allem auch bei einander benachbarten (expansiven) Informationserweiterungen.

Es gehört zu den wichtigsten Textregeln der deutschen Sprache (wie auch vieler anderer Sprachen), daß der gleiche Sprachausdruck (Wort, Satz, Struktur) in unmittelbarer Nachbarschaft möglichst nicht wiederholt, sondern durch einen synonymen oder identischen Ausdruck anderer Art ersetzt (substituiert) wird. Ein Beispiel, der Anfang des Märchens »Rotkäppchen«, möge dies verdeutlichen:

Es war einmal eine kleine süße Dirn,die hatte jedermaan lieb,der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie allles dem Kind geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Sammet, und weil ihm das so wohl stand, und es nichts anderes mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen;...

(Brüder Grimm, »Kinderund Hausmärchen«) Im vorstehenden Text wird die Anfangskennzeichnung (eine kleine süße Dirn) nur einmal verwendet, obgleich danach siebenmal von dem Mädchen die Rede ist. Der Versuch, an allen entsprechenden Stellen die Anfangscharakterisierung eine kleine süße Dirn einzusetzen, wurde uns zeigen, daß die häufige Wiederholung äußerst ungeschickt und störend wirkte. Unser Sprachempfinden veranlaßt uns, solche Wiederholungen zu meiden. Das Sprachsystem ermöglicht uns dies auf verschiedene Weise. Die wichtigste und am häufigsten benutzte besteht in den Substitutionen durch Pronomina verschiedenster Art (Personal-, Demonstrativ-, Relativ-, Indefinitpronomina, aber auch Pronominaladverbien, Zeitadverbien u.ä.). Das Märchen vom Rotkäppchen z.B. ersetzt die Anfangskennzeichnung zweimal durch Pronomina (die, sie); wählt dann allerdings ein substantivisches Synonym (dem Kind), weil weitere feminine Pronomina auf die inzwischen

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eingeführte Großmutter bezogen werden müßten, Rotkäppchen (das Kind) dagegen nun durch das neutrale Pronomina (ihm, ihm, es, es) eindeutiger identifiziert wird. Die Häufigkeii und Regelmäßigkeit derartiger Substitutionen, die jeweils folgende Sätze mit einer vorangehenden Anfangsnennung verbinden und auf diese Weise textkonstituierend wirken, hat die Textlinguistik dazu veranlaßt, sich besonders der Erforschung der Pronomina zuzuwenden.46 Der Ausdruckswechsel mit Hilfe von pronominalen oder substantivischen Substitutionen ist jedoch nicht nur eine systemimmanente textgrammatische Erscheinung, sondern zugleich ein stilistisches Phänomen, das die Freiheit unterschiedlicher Nutzung verschiedener Möglichkeiten voraussetzt und im Einzelfall bestätigt. Der Wechsel vom substituierenden Pronomen (Substituens) zu einem klärenden Substantiv kann nämlich auch schon früher erfolgen und verlangt keineswegs stets ein neues Substituens (Substantiv), sondern kann auch zur Anfangskennzeichnung (dem Substituendum) zurückkehren. Es hängt von der stilistischen Darstellungsweise des Autors ab, für welche Art und Häufigkeit der Substituentia er sich entscheidet. Eine substantivische Variation der Kernbegriffe, in einem angemessenen Wechsel mit Pronomen, erreicht die beste Wirkung. Als Varianten kommen dabei neben Synonymen vor allem allgemeine Gattungsbegriffe, seltener Metaphern, in Frage, die in der Andeutung des zuvor genauer Bezeichneten ebenfalls pronominale Funktionen übernehmen (z.B. das Dorf : der Ort : die Ansiedlung : die Gemeinde usw.). Schon die antike Rhetorik hatte für diese Formen der Substitution im Rahmen der ornatus-(Schmuck)formen mehrere Arten des Ersatzes entwickelt47, auf die hier nur andeutend hingewiesen werden soll:

a)die Synonyma, wobei das ›verbum proprium et univocum‹ durch einen Wortkörper ersetzt wird (immutalio), der von vornherein den gleichen Wortinhalt hat wie das ersetzte Wort;

b)die tropi, als Wortersetzungen, bei denen die Ersatzform nicht von vornherein den gleichen Wortinhalt hat wie das erste Wort. Im einzelnen kommen dabei die Grenzverschiebungstropen mit ihrer kontinuierlichen Verscbiebung der Grenze des Begriffsinhalts eines Wortkörpers in Frage, und zwar 1) die Periphrase (Umschreibung) in der Form der Anspielung (z.B. Eine Frau mit Vergangenheit für »Hure«), und der Metapher (übertragener Ausdruck, z.B. Haupt der Familie für »Vater«, vgl. S. 263); 2) die Synekdoche oder einfache

Metonymie (Namensvertauschung), z.B. einer Eigenschaft für das Ganze (Der Allmächtige für »Gott«) usw. (vgl. S. 263f.); 3) die Antonomasie (Umschreibung von Eigennamen, z.B. der Wallenstein-Dichter für »Schiller«) (vgl. S. 264); 4) die Emphasis (uneigentliche Umschreibung, z.B. für »Freiheit«: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein, »Faust« I, 940); 5) die Litotes (Verneinung durch verneintes Gegenteil, Abschwächung oder ironische Untertreibung, z.B. minderbegabt für »dumm«) und 6) die Hyperbel (Übertreibung, vgl. S. 265). Auch bei der Verwendung der Pronomina bleiben Möglichkeiten zu stilistischer Abwandlung. Die von der Textlinguistik betonte Erfahrung, daß Pronomina in der Regel eine nachtragende (anaphorische), seltener eine vor-

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wegnehmende (kataphorische) Funktion haben, kann stilistisch überspielt werden. So kennzeichnet z.B. Thomas Mann in »Schwere Stunde« den Wallenstein-Dichter (ebenso wie seinen Gegenpol Goethe) nur durch Pronomina, um auf diese Weise den Leser an den Gedanken des Helden in den erlebten Reden teilhaben zu lassen und zusätzliche Spannung zu wecken Nur durch Andeutungen über das Werk und die Umstände erraten wir, um wen es sich handelt. In ähnlicher Weise verfährt Wolfgang Borchert in mehreren Kurzgeschichten, wenn er die Hauptperson erst nach mehreren pronominalen Hinweisen genauer charakterisiert. Umgekehrt gibt es nicht nur in der Werbung Texte, die auf jede pronominale Substitution verzichten und meist um der größeren Eindringlichkeit willen wiederholt den Namen des Hauptgegenstandes oder der Hauptperson nennen:

An meinem Onkel zitterte nichts. Ich sah ihn ganz genau an: Absolut nichts. Ich bewunderte meinen Onkel. Aber als der Kellner ihn schamlos nannte, da stand mein Onkel doch wenigstens auf ...

(W. Borchert, »Schischyphusch oder der Kellner meines Onkels«)

Die allgemeine Abneigung gegen Wiederholungen und der damit verbundene Zwang zur Ausdrucksvariation bezieht sich nicht nur auf Erscheinungen des Wortschatzes, sondern auch auf die Satzstrukturen, ja selbst auf den Wortklang. Es fällt uns kaum noch auf, wenn wir - meist unbewußt - unsere Satzformen wechseln, also die Wiederholung des gleichen Satzbaus möglichst meiden, was sich besonders in der Nutzung verschiedener Wortstellungsregeln zeigt (vgl. S. 97ff.). Jeder Zeitungsartikel oder jede Rede läßt dies deutlich werden, z.B.:

Gegen die Stimmen der Opposition verabschiedete der Bundestag am Freitag die Gesetze zur Anhebung der Minaralölund der Branntweinsteuer. Danach wird die Branntweinsteuer vom 1. Januar an um 25 Prozent auf 1500 Mark je Hektoliter Alkohol erhöht. Die Mineralölsteuer steigt zweckgebunden für Verkehrsbauten um vier Pfennig je Liter Benzin. (Pressemeldung)

Von den vorstehenden drei Sätzen rückt einer (1) eine präpositionale Bestimmung in den Vordergrund, einer eine adverbiale Angabe (2), einer (3) das Subjekt. Die Sätze zeigen zudem Unterschiede in den Tempusverhältnissen, in der Verteilung von Aktiv und Passiv und in der Struktur der Satzglieder. Lediglich in der Zahl der (umstellbaren) Satzglieder bestehen gewisse Übereinstimmungen (5, 5, 4).

Noch selbstverständlicher als der Wechsel der Satzformen erscheint uns der Wechsel der Lautkombinationen, obgleich Sprache erst durch die ständige Variation der im phonologischen System möglichen Lautverbindungen zustande kommt. Allerdings gehören diese Fragen nun in sehr eingeschränktem Maße zum Bereich der Silistik (vgl. S. 271f.).

Über den jeweiligen Ausdruckswechsel im Rahmen der Einzelrede hinaus verbinden sich mit dem Prinzip der Variation weitere Aspekte historischer wie stilistischer Natur. Der Wille zur eigenen Aussage ist ein wichtiges Motiv jeder dichterischen Variation traditioneller Muster, selbst in traditionsbewußten Zeiten. Hinzu kommt, daß, dem antiken »variatio delectat« getreu, jede Abwechslung erfreut, besonders bei einem Publikum, das aufgrund von

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verschiedenen Gestaltungen zu vergleichen gelernt hat. Mitunter reicht die Abwechslung bis zum völligen Heraustreten aus dem Gewohnten und als Abwechslung Erwarteten in der Form der schockierenden, aber auch nachdrücklich wirksamen Verfremdung. Das gleiche Phänomen, das im sprachlichen Ausdruckswandel begegnet, ist allen künstlerischen Gestallungsweisen eigen, wobei hier der Gegenstandsund Formenwandel in den verschiedenen Zeiten verschieden stark sichtbar wird.48

Die Wiederholung als Stilfehler und Stilmittel

Aus den Darlegungen über die Variation könnte man folgern, daß die inhaltliche, ausdrucksmäßige und strukturell-formale Variation in allen Texten der Wiederholung vorzuziehen ist. Die Beobachtung des Sprachgebrauchs scheint diesem Schluß recht zu geben. Es gibt viele Textbereiche, in denen das Auftreten von sprachlichen Wiederholungen als fehlerhaft angesehen wird. Viele von uns haben diese Erfahrung wohl bereits in der Schule gemacht und bemühen sich, diesen »Stilfehlern« aus dem Wege zu gehen. Dabei ist die Wiederholung sprachlicher Ausdrücke häufig denkund entwicklungsbedingt. Sie kann sowohl auf einen Mangel an Ausdrucksmöglichkeiten als auch auf einer besonderen Intensität bestimmter Denkinhalte beruhen. Die erstere Erscheinung beobachten wir bei Kindern wie bei erwachsenen Sprechern mit wenig differenziertem Wortschatz (restringiertem Code49), wenn sie immer wieder die gleichen Wörter und Satzformen benutzen. Nach der Art der Wiederholungstypen in den Schulaufsätzen und im mündlichen Erzählen lassen sich aufgrund dominierender Stilkonstanten, stilistischer »Isoglossen«50, bestimmte kindliche Stilalter unterscheiden, z.B. ein erstes Stilalter des Grundschulkindes mit einer Dominanz von syndetisch-deiktischen Satzeinleitungen51:

Und da hat er geschrien, und da haben se alle gelacht. Und da hat er sich noch so'n großen Baumstamm genommen, und da hat er sich draufgesetzt. Da wollte er einen Handstand draufmachen. Und da ist er umgekippt.

(Erzählung eines 7½jährigen Mädchens) Derartige Wiederholungen sind jedoch meistens nur Übergangsentscheidungen in der Ausdrucksentwicklung des Kindes. Die häufige Verwendung von »und da«-Einleitungen ist für den Lehrer eine Aufforderung, die übrigen sukzessiven Zeitadverbien und Konjunktionen zu behandeln. Das Kind gewinnt so bald einen Sinn für die Wirkung von Variationen. Ausdrucksübungen, besonders Wortfeldund Einsetzungsübungen, leisten ein übriges in dieser Entwicklung.

Der Erwachsene hingegen kann zu einem Synonymenwörterbuch greifen, wenn er einen passenden Ausdruckswechsel sucht. Die Ausdruckswiederholungen in der Sprache der Erwachsenen beruhen oft auf der Intensität bestimmter Wendungen im Bewußtsein des Sprechers. Die Eigenart des menschlichen Gedächtnisses, vorher verwendete Formulierungen häufiger aufzugreifen als die weiter zurückliegenden, führt leicht zu stereotyp wir-

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kenden Iterationen. Von den Wortarten werden am meisten Verben und Adverbien bzw. Partikeln wiederholt. Bereits im Kindesalter sind bestimmte »Lieblingswiederholungen« üblich (z.B. die Verben tun, machen, kommen u. dgl.). Bei den Erwachsenen erfreuen sich in neuerer Zeit Verben wie kommen und bringen in einer Reihe von »Funktionsverben« einer gewissen Beliebtheit, die vor allem zu nominalen Wortund Satzbildungen und mitunter auch zu Wiederholungen führt.52 Von den Adverbien werden Zeitadverbien bzw. Konjunktionen wie dann, darauf, jetzt, nun, schließlich sowie die adversativen Modalwörter aber, jedoch, dennoch, allerdings oder Beteuerungswörter wie natürlich, selbstverständlich, praktisch53 gern in die Rede eingestreut, um die Unbedingtheit von Aussagen abzuschwächen. Von den Konjunktionen werden auch sowie und gern wiederholt.

Die Empfindlichkeit gegenüber stilistischen Wiederholungen bezieht sich sowohl auf die bereits gekennzeichneten Wortund Satzwiederholungen (einschließlich zusammengesetzter Tempusformen) als auch auf Silbenund Lautwiederholungen in verhältnismäßig enger Nachbarschaft (etwa 2 bis 5 Sätze).

Man wird aber nicht jede Wiederholung als stilistisch störend ansehen können. Es gibt eine Reihe von Wiederholungsformen, die vielmehr als Stilmittel genutzt werden. Die Abweichung vom erwarteten »normalen« Sprachgebrauch erfüllt dann eine hinweisende oder verstärkende Funktion.

Wiederholungen sind schon frühzeitig als Stilmittel bewußt verwendet worden und haben bis heute kaum an Wirksamkeit eingebüßt. Wie die entsprechenden »Stilfehler« sind auch sie auf den verschiedenen Gestaltungsebenenanzutreffen und begegnen hier in verschiedenen Formen. Die wichtigsten seien im folgenden an einigen Beispielen erklärt.

Wir beginnen mit der Ebene der Laute. Das bekannteste Stilmittel der lautlichen Wiederholung ist wahrscheinlich der Endreim:

Dieser Park liegt dicht beim Paradies. Und die Blumen blühn, als wüßten sie's.

(Erich Kästner)

Aus der antiken Stilfigur meist parallel wiederholter Endsilben (Homoioteleuton) entstanden, möglicherweise auch von orientalischen Vorformen beeinflußt, wurde er vor allem durch die spätantike christliche Hymnendichtung ausgeprägt und durch die Verwendung im Zeilenschluß zahlreicher epischer und der meisten lyrischen Dichtungen zum wichtigsten Kennzeichen künstlerischer Sprachgestaltung. Er löste damit andere klangliche Wiederholungsformen ab, den regelmäßigen Wechsel zwischen langen und kurzen Silben, wie er die Grundlage der antiken und antikisierenden Versformen bildet, und den germanischen Alliterationsvers.

Es ist nicht unsere Absicht, hier die Grundlagen der Verslehre (zu der die Reimformen gezählt werden) zu behandeln. Hingewiesen sei nur auf einige Varianten des Endreims.54

Bei allen bewußten Wiederholungen als Stilmittel ist zwischen der genauen und der analogen Wiederholung zu unterscheiden, so auch beim Reim. Nur in der seltenen Form des identischen Reims (z.B. Liebe : Liebe) liegt eine

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genaue (wörtliche) Wiederholung vor; leicht variiert sind bereits der rührende Reim, eine Übereinstimmung der Silben von der letzten betonten Silbe ab (z.B. finden : befinden), und der grammatische Reim, der Wörter gleichen Stammes verbindet, oft auch Flexionsformen des gleichen Wortes (z.B. er band : das Band), während beim analogen reinen Reim, der häufigsten Reimform, die zeilenschließenden Wörter erst vorn letzten betonten Vokal an übereinstimmen (singen : klingen). Hier verbinden sich also die Prinzipien der Wiederholung, ausgedrückt in der lautlichen Identität, und der Variation, ausgedrückt in der Nichtidentität der Konsonanten vor dem letzten betonten Vokal und damit in der Nichtidentität der beiden Reimwörter. Diese Kumulation (Häufung) zweier stilistischer Gestaltungsprinzipien wird auch in den zahlreichen Formen des Reimwechsels in der Strophe genutzt (Kreuzreim, Schweifreim, umarmender Reim usw.), erreicht parodistisch-komische Effekte im Schüttelreim und wirkt durch den Kontrast beim Wechsel von Reimsprache und Prosa sowie von Reimversen und sogenannten ›Waisen‹ (reimlosen Zeilen) innerhalb eines Gedichts.

Der antiken Tradition des Endreimes als einer stilistisch wirksamen Form der Wiederholung steht die germanische Tradition des Stabreims gegenüber, in dem die Wiederholungsform der Alliteration als Identität der Anlaute der Hauptsilben (betonter Silben) wichtiger Wörter innerhalb der Zeile verwendet wird (zeilenübergreifend beim Hakenstil). Wir haben schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß diese rhythmusbetonende Form in der endreimlosen germanischen Dichtung dominierte und noch heute in ursprünglich rechtssprachlichen Zwillingsformeln (z.B. Kind und Kegel) rudimentär weiterlebt. Daneben ist die Alliteration in allen Zeiten als zusätzlich markierendes Stilmittel oder als Klangfigur geschätzt worden, vgl. z.B.:

O tite, tute, tati, tibi, tanta, tyranne, tulisti.

(Ennius, fr. 109)

Klinge, kleines Frühlingslietl, Kling hinaus ins Weite.

(H. Heine, »Leise zieht durch mein Gemüt«)

In der zumeist reimlosen Lyrik der Gegenwart kommt die Alliteration zu neuen Ehren:

...das getuschel um professuren und primgelder, rinnt etwas zähes, davon der salm stirbt,

in die flüsse, und sickert, farblos, und tötet den butt auf den bänken.

(H. M. Enzensberger, »An alle fernsprechteilnehmer«)

Alles wird faßlich und Form: Kurve des Flusses, Konturen...

(K.Krolow, »Orte der Geometrie«)

Die Sprache der Werbung verzichtet nicht auf derartige altbewährte Stilmittel, die Aufmerksamkeit erregen helfen; zumal die Wiederholung als das »am meisten angewandte rhetorische Mittel der Werbung« gilt.55

Zucker zaubert.

Heize klug - heize mit Kohle.

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Männer mögen men (Feuerzeug)

Wasser wirkt Wunder (Florida, Duschkabine)

Von den Lautwiederholungen kommen wir zur großen Schar der als Stilmittel verwendeten Wortwiederholungen. Bereits die Antike kennt mehrere Gruppen im Rahmen der »Figuren der Wiederholung«.56

Die einfachste Form der Wortwiederholung besteht in der mehrfachen Nennung des gleichen Wortes (iteratio) oder der gleichen Wortgruppe (repetitio) in unmittelbarer Folge (geminatio). Die Wörter werden auf diese Weise besonders hervorgehoben, wirken eindringlicher und nachdrücklicher als die einmalige Nennung, da sie sich der Erinnerung besser einprägen. Wir begegnen auch heute noch solchen einfachen Wortwiederholungen in der Alltagssprache und in der Dichtung, besonders in der Volksdichtung und in volkstümlicher Dichtung, aber auch in effektvollen Stellen in Reden und Vorträgen sowie in Schauspielen:

Beckmann: »Ich glaube, es ist gut, wenn Sie die Türe zumachen, ganz schnell. Ganz schnell! und schließen Sie ab. Machen Sie ganz schnell Ihre Türe zu, sag ich Ihnen! Machen Sie!« (W. Borchert, »Draußen vor der Tür«)

Alle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle!

(Hoffmann v. Fallersleben)

Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!

(Goethe, »Erlkönig«)

In manchen Fällen wird die Intensität verstärkt, wenn die Wörter durch »und« verbunden sind:

Er redete und redete. - Er läuft und läuft und lauft...

Eine ähnliche Funktion erfüllen Präpositionen in älteren festen Wendungen:

Wagen auf Wagen, Mann an Mann, Haus an Haus.

Verstärkend wirkt auch die Wortwiederholung arn Ende eines Satzes, oft als rahmende Wiederholung (redditio):

Sie horchten beide, legten die Köpfe auf die Seite und horchten...

(Th. Mann, »Tristan«)

Die entschwindende Information wird dabei nach einer Distanz erneut bewußt gemacht. Eine wirkungsvolle Abwandlung, ähnlich der antiken reduplicatio oder anadiplose, besteht im Wiederaufgreifen eines schon genannten Wortes in einer neuen Aussage und syntaktischen Verbindung (hier zugleich mit Alliteration kombiniert):

...in blendender Helle und bläulichem Schatten lag die Gegend, lagen Berge, Haus und Garten ...

(Th. Mann, »Tristan«) Bekannt sind auch erweiterte und nachgetragene Charakterisierungen:

Er war ein Kerl, ein prächtiger Kerl...

Besonders in der mündlichen Rede ist ein derartiges Wiederaufgreifen eines Wortes in einem neuen Satz oder Satzglied häufig anzutreffen:

Und dann kam der Sturm. Ein Sturm, sage ich Ihnen, wie wir ihn noch nie erlebt hatten.

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Im dramatischen Dialog wie in Gesprächen des Alltags erhöht die Wiederaufnahme bestimmter »Kennwörter«, oft in Form von Fragen, die Lebendigkeit der Rede oder verleiht den Aussagen größeren Nachdruck:

Präsident:

Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.

Hofmarschall:

Bei mir steht? und das ist?

Präsident:

Den Major mit seiner Geliebten entzweien.

Hofmarschall:

Zu entzweien? Wie meinen Sie das?

 

(Schiller, «Kabale und Liebe«)

Laina:

Ich hab gedacht, Sie verkaufen den Wald.

Puntila:

Ich? Ich verkauf keinen Wald...

 

(Brecht, »Herr Puntila und sein Knecht Matti«)

In der Antike galt auch die Wiederholunh mit gleichzeitiger grammatischer Abwandlung eines Wortes als Stilfigur (Polyptoton) (vgl. S. 213). Auch die klassische Dichtung greift noch darauf zurück:

Verwegener Dienst belohnt sich auch verwegen. (Schiller, »Maria Stuart«)

In der modernen Lyrik gewinnt diese Iterationsform neues Ansehen, wenn hier - durch Abwandlungen des Dadaismus angeregt - die Wörter in ständiger Variation und Kombination nach ihrer Sinnhaftigkeit befragt werden oder überraschende Assoziationen oder Sinnbindungen ergeben.

Aus einer Menschenschlange schlangenstehender Menschen

werden einige Teile von Schlangenworten hörbar...

(Hans Arp, »Worte«)

abnett / benett / ernett / annett danett / esnett / genett / janett imnett / obnett / dunett

innett / wonett / zunett

(Ernst Jandl, »sonett«)57

Eine andere Form der Wortabwandlung ist die sogenannte Figura etymologica (Verben mit innerem Objekt). Sie begegnet bereits in der antiken Rhetorik, ist aber auch in der modernen Dichtung als Stilmittel gebräuchlich:

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen...

(R. M. Rilke, »Das Stundenbuch«) das Sagbare sagen

das Erfahrbare erfahren

das Entscheidbare entscheiden das Erreichbare erreichen

das Wiederholbare wiederholen das Brauchbare brauchen

das nicht Sagbare ...

...

das nicht Beendbare nicht beenden

(H. Heißenbüttel, »Topographien«)

Auf dem Prinzip der grammatischen Wortabwandlung beruhen auch genitivische Steigerungsformen wie »Das Buch der Bücher«, »der König der Könige«, »der Herr der Herren« u.dgl.

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