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Spieltheorie_WS1213

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5.3. SIGNALSPIELE

129

durch seine allseits beobachtbare Entscheidung ein Signal f¨ur Spieler 2 setzen kann. Spieler 1 daher oft als Sender, Spieler 2 als Empf¨anger bezeichnet.

Einige Beispiele m¨ogen dazu dienen, die N¨utzlichkeit und das große Anwendungsspektrum dieser Struktur zu erkennen:

IPO: Eine Unternehmung beschließt, Eigenkapital an der B¨orse zu akquirieren und kennt (plausiblerweise) ihre Situation besser als die potentiellen Investoren. Daher wird das Unternehmen als Sender Signale an die Investoren zu schicken, die diese zu einem Verhalten veranlassen, das der Unternehmung zum Vorteil gereicht. Auf der anderen Seite werden die Investoren als Signalempf¨anger nat¨urlich genau zu beurteilen haben, inwiefern sie den Signalen Glauben schenken.1

Werbung: Wenn Produkteigenschaften f¨ur den K¨aufer als Signalempf¨anger nicht beobachtbar sind, kann das Unternehmen als Sender versuchen, den Empf¨anger davon zu uberzeugen,¨ dass es sich um ein hochwertiges Produkt handelt. Dies kann bspw. dadurch geschehen, dass der Sender sehr viel Geld in eine per se v¨ollig nutzlose Werbeaktion steckt, die nur signalisiert: ”Wir sind so uberzeugt¨ von der f¨ur die Konsumenten vor dem Kauf nicht direkt beobachtbaren Qualit¨at unseres Produkts, dass wir jede Menge daf¨ur verschwenden.”

Signalspiel auf dem Arbeitsmarkt: Ein Arbeitnehmer kann seine F¨ahigkeiten (Belastbarkeit, Sozialkompetenz etc.) gut einsch¨atzen, der Arbeitgeber kann diese F¨ahigkeiten in aller Regel jedoch nur schwer beobachten. Er muss sich stattdessen auf ein gut beobachtbares Signal eines Bewerbers um eine Vakanz verlassen. Dies kann bspw. ein Universit¨atsdiplom sein. Dieses muss per se gar nichts uber¨ die Qualifikation des Bewerbers aussagen, kann aber dennoch als Signal f¨ur ganz andere F¨ahigkeiten dienen.

Geldpolitik: Wenn die Zentralbank eine nicht beobachtbare Inflationsaversion hat, so kann sie in einem Spiel uber¨ zwei oder mehr Perioden dem privaten Sektor als Signalempf¨anger etwas uber¨ ihre wahren Pr¨aferenzen signalisieren. Das nahe liegende Instrument daf¨ur ist die Inflationsrate in der ersten bzw. in den ersten Periode(n).

Die beiden letzten Szenarien werden im letzten Abschnitt dieses Kapitels genauer analysiert werden.

1Dass z.B. nach dem Einbruch der B¨orsen 2000/01 kaum mehr IPOs stattfanden, beruht darauf, dass es den Unternehmen kaum mehr m¨oglich war, glaubw¨urdige Signale an die Investoren zu senden, dass hier ein gesundes, profitables Unternehmen um Eigenkapital wirbt.

130

KAPITEL 5. NICHTKOOPERATIVE SPIELE III

Zun¨achst gehen wir auf allgemeiner Ebene auf das Signalspiel ein. Abbildung 5.4 auf der n¨achsten Seite zeigt die Struktur mit zwei m¨oglichen Auspr¨agungen1 eines den Sender betre enden Merkmals, d.h. den Typ des Senders. F¨ur die gerade genannten Beispiele f¨ur Signalspiele w¨aren dies ein(e):

profitables oder nicht profitables Unternehmen;

gutes oder schlechtes Produkt;

produktiver oder nicht-produktiver Arbeiter;

Taube oder Falke.

Danach setzt der Sender ein wiederum bin¨ares Signal oder message ab, was den Empf¨anger zu einer ebenfalls bin¨aren Entscheidung oder Aktion veranlasst (investieren oder nicht investieren; kaufen oder nicht kaufen; Jobangebot machen oder kein Jobangebot machen; Nullinflation erwarten oder eine h¨ohere Inflationsrate erwarten).

Die beiden gestrichelten Linien in Abbildung 5.4 auf der n¨achsten Seite bezeichnen die Tatsache, dass der Empf¨anger, der sich in diesen Knoten am Zug befindet nicht zwischen den jeweils verbundenen Knoten unterscheiden kann; dadurch ist das Merkmal abgebildet, dass er zwar die message des Senders, nicht aber dessen Typ beobachten kann. Die Auszahlungen an den Endknoten m¨ussen f¨ur die L¨osbarkeit des Spiels nat¨urlich spezifiziert sein, sind f¨ur die Illustration der allgemeinen Situation aber entbehrlich und fehlen daher in Abbildung 5.4 auf der n¨achsten Seite. Generell h¨angen die Auszahlungen von Sender und Empf¨anger (uS und uE) sowohl vom Typ des Senders ti als auch von dessen Signal mj und der Aktion des Senders ak ab:

uS = uS (ti, mj, ak)

(5.5)

uE = uE (ti, mj , ak)

(5.6)

Die Idee eines perfekten Bayesianischen Gleichgewichts ubertr¨agt sich nun problemlos auf die Struktur des Signalspiels: Der Empf¨anger muss f¨ur seine Entscheidung einen (potentiell) auf das empfangene Signal konditionalen belief b = b(mj ) uber¨ den Typ des Senders bilden. Nat¨urlich muss f¨ur jede Auspr¨agung des Signals gelten, dass

X

b (ti| mj ) = 1.

(5.7)

ti T

1Nat¨urlich k¨onnen Signalspiele auch mit mehr als zwei Auspr¨agungen f¨ur den Typ des Senders formuliert werden. Die hier gemachte Beschr¨ankung erfolgt aus Gr¨unden der m¨oglichst einfachen Darstellung.

p (ti)

5.3. SIGNALSPIELE

 

 

 

 

 

131

 

 

 

 

Natur

 

 

 

 

 

t1

 

 

t2

 

 

 

 

 

 

Sender

 

 

 

 

m1

m2

 

 

m1

m2

 

 

 

 

Empfänger

 

 

 

a1

a2

a1

a2

a1

a2

a1

a2

Abbildung 5.4: Struktur eines Signalspiels

In Worten: F¨ur jedes Signal mj muss die Summe der den verschiedenen denkbaren Typen zugeordneten Wahrscheinlichkeiten 1 betragen.

Der Empf¨anger maximiert dann f¨ur einen gegebenen belief seine Auszahlung uber¨ die Wahl seiner Aktion. F¨ur einen Aktionsraum A ist sein Problem also gegeben durch

 

Xi

 

max

b (ti| mj ) · uE (ti, mj, ak) ,

(5.8)

ak A

t T

 

 

 

wobei T die Menge der m¨oglichen Typen des Senders bezeichnet. Dieses Verhalten kann in der Reaktionsfunktion

a (mj )

(5.9)

zusammengefasst werden.

V¨ollig analog dazu maximiert der Sender seinen erwarteten Nutzen uber¨ die Wahl der zur Verf¨ugung stehenden Signale, wobei er die Reaktionsfunktion (5.9) des Empf¨angers antizipiert. Formal ist sein optimales Signal m also bestimmt durch die L¨osung des folgenden Problems:

max uS (ti, mj , a (mj))

(5.10)

mj M

 

Damit ist das Gleichgewicht des Signalspiels beschrieben bis auf die Bildung der beliefs durch den Empf¨anger. Dem Empf¨anger wird unterstellt, dass er das Kalk¨ul (5.10) durchschaut. Daher kann er die Menge der Typen T aufteilen in solche, die das beobachtete Signal mj senden und solche, f¨ur die es nicht optimal ist, mj zu senden. Sei Tj die Menge aller Typen f¨ur die m (ti) = mj . Dann muss der belief des Empf¨angers gebildet werden gem¨aß

b (ti| mj ) = P p (ti). (5.11)

ti Tj

132

KAPITEL 5. NICHTKOOPERATIVE SPIELE III

Dies ist die Anwendung der Bayesianischen Regel 5.2 im vorliegenden Kontext eines Signalspiels.

Damit kann f¨ur den hier gew¨ahlten Abstraktionsgrad das folgende Ergebnis festgehalten werden: Die L¨osung eines Signalspiels in reinen Strategien ist gegeben durch

die Strategien von Sender und Empf¨anger sowie durch

die beliefs des Empf¨angers,

die die Gleichungen (5.7), (5.8), (5.10) und (5.11) erf¨ullen.

5.3.2M¨ogliche Gleichgewichte eines Signalspiels

Abbildung 5.4 auf der vorherigen Seite machte deutlich, dass der Sender vier m¨ogliche Strategien hat. Diese f¨uhren zu unterschiedlichen L¨osungen des Spiels, die nat¨urlich auch vom Verhalten des Empf¨angers abh¨angen, deren Charakterisierung aber auch unabh¨angig davon interessant ist.

Die vier Strategien des Senders sind:

Spiele m1 unkonditional (d.h. sowohl bei t1 als auch bei t2).

Spiele m2 unkonditional.

Spiele m1, wenn t = t1 und m2, wenn t = t2.

Spiele m1, wenn t = t2und m2, wenn t = t1.

Es ist klar, dass f¨ur den Empf¨anger die Optimalit¨at (aus Sicht des Senders) der beiden ersten Strategien ”bad news” ist: Unkonditionale Strategien verm¨ogen es nicht, irgendetwas uber¨ den Typ des Senders zu verraten, da alle Typen das gleiche Signal senden. Wenn eine der beiden ersten Strategien f¨ur den Sender optimal ist, spricht man daher auch von PoolingGleichgewichten.

Auf der anderen Seite vermag die Optimalit¨at der dritten und vierten Strategie etwas uber¨ die wahre Natur des Typs des Senders zu verraten. Gleichgewichte, die die Optimalit¨at dieser Verhaltensweise f¨ur den Sender implizieren, werden als separierende Gleichgewichte bezeichnet. Wenn der Einfachheit halber die Botschaft mi einfach lautet: ”Ich bin vom Typ i”, so k¨onnte der Empf¨anger im dritten Fall dem Sender einfach glauben, w¨ahrend er im vierten Fall genau weiß, dass der Sender in jedem Fall l¨ugt.1

Wenn es mehr als zwei Typen gibt, sind nat¨urlich auch Gleichgewichte denkbar, in denen ein partielles Pooling (synonym: partielles separating,

1Von einem rein strategischen bzw. informations¨okonomischen Standpunkt aus betrachtet ist eine L¨uge bzgl. einer dichotomen Aussage (d.h. die Antwort auf eine Frage, die man mit ja oder nein beantworten kann) nat¨urlich genau so gut wie die Wahrheit, wenn man genau weiß, dass es eine L¨uge ist. Moralische Bewertungen spielen hierbei keinerlei Rolle.

5.4. SCREENING

133

semi-pooling, semi-separating) auftritt. In diesen F¨allen kann der Empf¨anger aus dem Signal zwar Information ziehen, d.h. f¨ur ein bestimmtes Signal einen oder mehrere bestimmte Typen ausschließen, aber nicht – oder jedenfalls nicht in jedem Fall – sicher sagen, um exakt welchen Typ es sich handelt.

Ein unsch¨ones Merkmal von Signalspielen – aber auch von dynamischen Spielen mit unvollkommener Information im Allgemeinen – ist die Tatsache, dass es auch in wohlspezifizierten Situationen h¨aufig kein eindeutiges Gleichgewicht gibt, sondern unterschiedliche Kombinationen von Strategien und beliefs, die das Kriterium des perfekten Bayesianischen Gleichgewichts erf¨ullen. Darunter f¨allt auch die M¨oglichkeit, dass es in Abh¨angigkeit der herrschenden beliefs sowohl Pooling-Gleichgewichte als auch separierende Gleichgewichte geben kann. Das Grundproblem dabei ist, dass beliefs und Strategien ja nicht unabh¨angig voneinander evaluiert werden k¨onnen, sondern gleichberechtigte Bestandteile eines Gleichgewichts sind. Daher gibt es bei Vorliegen multipler perfekt Bayesianischer Gleichgewichte keine M¨oglichkeit, diese Gleichgewichte weiter zu hierarchisieren.

5.4Screening

5.4.1Allgemeine Charakterisierung und Beispiele

Eine zweite, sehr bedeutsame Untergruppe dynamischer Spiele mit unvollkommener Information sind sog. Screening-Spiele. Der gemeinsame Nenner dieser Art von Spielen ist das Merkmal, dass der uninformierte Spieler zuerst ziehen muss und erst danach der besser informierte Spieler seine Entscheidung zu f¨allen hat. Um etwas konkreter zu werden: In typischen ScreeningSituationen muss der schlechter informierte Spieler dem besser informierten Spieler einen Vertrag anbieten, den dieser vor dem Hintergrund seiner besseren Information akzeptieren oder ablehnen kann. Daher besteht die Herausforderung f¨ur den schlechter informierten Spieler darin, einen Vertrag anzubieten, der es f¨ur den besser informierten Spieler individuell rational macht, sich so zu verhalten, dass es im Interesse des schlechter informierten Spielers ist.

Auch hier ist es hilfreich, konkrete Anwendungen zu benennen:

Versicherung: Ein Versicherungsunternehmen bietet einen Police an, wohl wissend, dass der Versicherungsnehmer uber¨ sein Risiko besser unterrichtet ist als der Versicherungsanbieter selbst. In der zweiten Stufe kann dann ein Versicherungsnehmer das Angebot annehmen oder ablehnen. Nat¨urlich antizipiert der Versicherungsanbieter das typabh¨angige Optimalverhalten des Versicherungsnehmers und versucht daher, Policen anzubieten, die trotz des Informationsnachteils nicht zu Verlusten f¨uhren.1

1Verluste w¨aren dann unvermeidlich, wenn die Bedingungen so formuliert sind, dass nur

134

KAPITEL 5. NICHTKOOPERATIVE SPIELE III

Bildung/Training: Ein Sportler erh¨alt am Ende der Spielzeit ein Angebot f¨ur die kommende Saison. Der Wert des Sportlers h¨angt nat¨urlich auch davon ab, was er in der spielfreien Zeit macht (”feiern” oder trainieren”), wor¨uber aber der neue Arbeitgeber nicht oder nicht perfekt informiert sein kann. Das gleiche gilt f¨ur latente oder versteckte Verletzungen, wenn diese nicht mit objektiven ¨arztlichen Tests verifizierbar sind sowie ggf. auch f¨ur die Motivation des Spielers. Daher muss das Angebot vor dem Hintergrund unvollkommener Information abgegeben werden.

Im zweiten Beispiel sind in der ersten Stufe zwei schlecht informierte Spieler simultan am Zug. Dadurch gewinnt die Situation an zus¨atzlichem Reiz, da auch ein Wettbewerb zwischen diesen beiden in die Beschreibung der L¨osung aufgenommen werden muss.

Da in einem Screening-Spiel der schlechter informierte Spieler zuerst zieht, ist es f¨ur die Etablierung der L¨osung nicht notwendig, etwas uber¨ dessen beliefs zu sagen, da er ja aus dem Verhalten der besser informierten Spieler aufgrund des Ablaufs keine entscheidungsrelevante Information mehr ziehen kann. Wie in Signalspielen kann es aber auch hier zu

Pooling-Gleichgewichten und separierenden Gleichgewichten kommen, d.h. die (optimale) Entscheidung der besser informierten Spieler kann sich in Abh¨angigkeit der nur f¨ur sie beobachtbaren Merkmalen unterscheiden (separierendes Gleichgewicht) oder aber unabh¨angig von diesen Merkmalen f¨ur alle gleich sein (Pooling-Gleichgewicht).

5.4.2Screening auf dem Versicherungsmarkt

Betrachten wir zun¨achst ein Screening-Spiel auf dem Versicherungsmarkt. Dessen Struktur ist in Abbildung 5.5 auf der n¨achsten Seite zu sehen.

Die ”Natur” entscheidet, ob ein bestimmter Kunde ein gutes oder schlechtes Risiko ist; der Versicherungsanbieter kennt nur die Verteilung der Gesamtpopulation; in dieser seien die guten Risiken mit einer Wahrscheinlichkeit von q enthalten, die schlechten Risiken mit der entsprechenden Gegenwahrscheinlichkeit. Folgende Situationen k¨onnen unterschieden werden:

Pooling-Gleichgewicht 1: Alle Kunden kaufen die Police. In diesem Fall muss gelten, dass die Police billig genug ist, um auch den guten

die schlechten Risiken die Police kaufen, die guten Risiken hingegen nicht. Eine weit verbreitete M¨oglichkeit der Ausstattung von Policen ist die Vereinbarung eines relativ hohen Selbstbehaltes im Schadensfall. Dieser dient v.a. dazu, dass sich die schlechten Risiken selbst aussortieren, d.h. es nicht in ihrem Interesse sehen, die Police in Anspruch zu nehmen. Es ist aber trotz dieser M¨oglichkeiten ein in der Versicherungs¨okonomik gut etabliertes Faktum, dass f¨ur einige Risiken solche Policen praktisch nicht existieren und man daher einen exogenen (in dem Fall durch den Staat vorgegebenen) Versicherungszwang einf¨uhren muss. Dies ist z.B. in der Krankenversicherung der Fall oder bei der Kfz-Haftpflicht.

5.4. SCREENING

135

 

Natur

 

Kunde ist

 

 

gutes Risiko

 

(q)

 

 

 

Versicherungsanbieter

Keinen Vertrag

Vertrag

Vertrag

anbieten

anbieten

anbieten

 

Kunde

 

 

ablehnen

 

annehmen

 

 

Kunde ist schlechtes Risiko (1-q)

Keinen Vertrag anbieten

annehmen

Abbildung 5.5: Screening auf dem Versicherungsmarkt

Risiken attraktiv genug zu erscheinen; ist sie dies, so werden die schlechten Risiken in jedem Fall die Police kaufen. Wenn sg und ss die erwarteten Schadenssummen f¨ur gute und schlechte Risiken sind, so muss aus Sicht des (annahmegem¨aß risikoneutralen) Versicherungsanbieters gelten, dass die Kosten der Police c die folgende Bedingung erf¨ullen c ≥ q · sg + (1 − q) · ss. Ist dies der Fall, so ist es aus Sicht des Versicherungsunternehmens rational, die Versicherung anzubieten, f¨ur c < q · sg + (1 − q) · ss wird er hingegen keine Policen anbieten.

Pooling-Gleichgewicht 2: Keiner der Kunden kauft die Police, da auch die schlechten Risiken im Hinblick auf die Relation von erwarteter Schadenssumme ss und Versicherungspr¨amie c sich ohne Police besser stellen.

Separierendes Gleichgewicht: Nur die schlechten Risiken kaufen die Police, da zwar die Relation von ss und c attraktiv erscheint, vor dem Hintergrund der kleineren zu erwartenden Schadenssumme sg die Police aber uberteuert¨ erscheint. Es mag F¨alle geben, in denen der Versicherungsnehmer auch dann noch mit nicht-negativen Gewinnerwartungen rechnen kann, typischerweise ist dies jedoch ein Fall, in dem der Markt zusammenbricht.

Wie bereits angedeutet, hat der Versicherungsunternehmer in einem komplexeren Spiel die M¨oglichkeit, zwei Kontrakte anzubieten. Auch hier soll nur die Idee anhand zweier Policen veranschaulicht werden:

Police 1 (V1) verlangt eine hohe Versicherungspr¨amie, gew¨ahrt daf¨ur aber einen niedrigen Selbstbehalt. Dieser Vertrag ist f¨ur schlechte Risiken vorgesehen, die entsprechend zur Kasse gebeten werden, die es aber insb. attraktiv finden, dass im Fall der F¨alle nur ein niedriger Selbstbehalt zu zahlen ist. Die Pr¨amie muss nat¨urlich den erwarteten Schadensfall f¨ur die Versicherung abdecken.

Police 2 (V2) verlangt nur eine geringe Versicherungspr¨amie, verlangt daf¨ur aber einen hohen Selbstbehalt. Dieser Vertrag ist f¨ur die guten Risiken maß-

136

KAPITEL 5. NICHTKOOPERATIVE SPIELE III

geschneidert, da sie den Schadensfall – und damit den hohen Selbstbehalt – wenig f¨urchten, und lieber die niedrige Pr¨amie nehmen.

Abbildung 5.6 zeigt die extensive Form dieses Spiels.

Kunde ist gutes Risiko (q)

Keinen Vertrag

anbieten

V1 V2

ja

nein

Natur

Versicherungsanbieter

Kunde V1

ja

nein ja

nein

Kunde ist schlechtes Risiko (1-q)

Keinen Vertrag

anbieten

V2

ja

nein

Abbildung 5.6: Screening auf dem Versicherungsmarkt bei zwei Vertragsoptionen

Das Konzept des Versicherungsanbieters geht auf, wenn die mit den Pfeilen in Abbildung 5.6 gekennzeichneten Gleichgewichte realisiert werden. Es handelt sich dann nat¨urlich um ein separierendes Gleichgewicht, da die guten Risiken und die schlechten Risiken jeweils andere Vertragsformen w¨ahlen. Die Voraussetzungen f¨ur die Existenz dieses Gleichgewichts k¨onnen wie folgt beschrieben werden:

Beide Vertragsformen sind f¨ur den Versicherungsanbieter profitabel.

Ein schlechtes Risiko muss sich durch V1 besser stellen als durch V2 sowie durch Verzicht auf eine Versicherung.

Ein gutes Risiko muss sich durch V2 besser stellen als durch V1 sowie durch Verzicht auf eine Versicherung.

5.5Anwendungen

5.5.1Signalspiel auf dem Arbeitsmarkt (Spence 1973)

Spence (1973) formulierte ein klassisches Signalspiel, das die Rolle von Ausbildungsinvestitionen (wie z.B. ein wirtschaftswissenschaftliches Studium) untersucht. Die grundlegende Idee dabei lautet wie folgt: Arbeitgeber sind nur unzureichend in der Lage, die tats¨achlichen F¨ahigkeiten eines Bewerbers einzusch¨atzen. Man sieht es einem Bewerber nicht an der Nasenspitze an, wie intelligent, anpassungsf¨ahig und kreativ er ist. Ein sehr intelligenter, anpassungsf¨ahiger und kreativer Kopf kann auch nicht einfach zu seinem Wunscharbeitgeber gehen und sagen: ”Seht her, ich bin sehr intelligent, anpassungsf¨ahig

5.5. ANWENDUNGEN

137

und kreativ”, weil ein tumber, starrer und phantasieloser Bewerber ja das gleiche Interesse hat. ”Cheap talk” ist daher keine M¨oglichkeit, etwas uber¨ seine echten Qualifikationen glaubw¨urdig auszusagen.1

Ein nahe liegendes Vehikel, etwas uber¨ seine F¨ahigkeiten auszusagen, ist die formale Qualifikation, die man bspw. durch einen Universit¨atsabschluss erwirbt. Da dessen Erwerb ja mit Aufwand verbunden ist, l¨auft man nicht in die ”cheap talk”-Falle, insb. dann, wenn die (monet¨aren, psychischen, . . . ) Kosten von den nicht beobachtbaren F¨ahigkeiten abh¨angen. Die Idee ist dann, dass ein sehr intelligenter, anpassungsf¨ahiger und kreativer Kopf einfacher und eher an einen formalen Bildungsabschluss kommt als der tumbe, starre und phantasielose Kommilitone. Ist dies der Fall, so wird die formale Qualifikation als Signal f¨ur die nicht beobachtbaren F¨ahigkeiten herangezogen. Das Frappierende daran ist, dass die formale Qualifikation uberhaupt¨ nichts zu den tats¨achlichen F¨ahigkeiten beitragen muss, per se also v¨ollig nutzlos sein kann, um dennoch die Signalfunktion aus¨uben zu k¨onnen. In diesem Fall k¨onnen dann Universit¨aten oder andere Bildungseinrichtungen als relativ kostspielige Generatoren von Signalen uber¨ nicht beobachtbare F¨ahigkeiten interpretiert werden.

F¨ur die folgende Analyse werden nun zun¨achst die wichtigsten Symbole eingef¨uhrt: Die unbeobachtbaren F¨ahigkeiten des Arbeiters werden durch η bezeichnet, dessen beobachtbare formale Bildung als e. Arbeiter produzieren einen Output y, wobei die Produktionsfunktion allgemein

y = y (η, e)

(5.12)

lautet. Der bereits erw¨ahnte Extremfall, dass die formale Qualifikation per se wertlos ist, w¨are gegeben durch ∂y∂e = 0, wodurch dann das zweite Argument in 5.12 verschwinden w¨urde. In der hier pr¨asentierten Version ist diese Eigenschaft von formaler Qualifikation als soziale Verschwendung angelegt; das Originalmodell von Spence (1973) und die sehr empfehlenswerte Darstellung in Gibbons (1992), benutzen hingegen die allgemeinere Spezifikation 5.12.

Arbeiter erhalten f¨ur ihre Arbeit einen Lohn w, der ggf. eine Funktion von e sein kann, d.h.

w = w (e) .

(5.13)

Zu beachten ist, dass in einem Pooling-Gleichgewicht diese Abh¨angigkeit nicht existieren kann.

Damit das Signal der Bildung kein cheap talk ist, muss Bildung Kosten c verursachen, wobei die Kosten außerdem von der F¨ahigkeit η abh¨angen, d.h.

1Es gibt aber Situationen, in denen cheap talk, d.h. ein kostenloses Signal eine Wirkung zeitigen kann. Daf¨ur ist es aber notwendig, dass unterschiedliche Sender ein jeweils anderes Interesse an der Reaktion des Empf¨angers haben. Beim Signalspiel auf dem Arbeitsmarkt ist das nicht der Fall, weil alle ein Interesse an einem m¨oglichst hohen Lohn haben. F¨ur eine Charakterisierung von cheap-talk games vgl. Gibbons (1992), ch. 4.3.

138

KAPITEL 5. NICHTKOOPERATIVE SPIELE III

c = c (η, e)

(5.14)

Die Auszahlung der Arbeiter uA h¨angt allgemein ab von w und c bzw. von w, e und η, w¨ahrend die Auszahlung der Unternehmer uU als Funktion y und w angesehen werden kann. Daher kann auch die Kostenfunktion 5.14 direkt in die Nutzenfunktion eingebaut werden, was im Beispiel dieses Abschnitts getan wird.

Betrachten wir also eine in ihrer Spezifikation reichlich extreme, daf¨ur gut handhabbare Form des Signalspiels auf dem Arbeitsmarkt. Die extensive Form ist in Abbildung 5.7 auf der n¨achsten Seite zu sehen.1

Die Natur ”macht hier den ersten Zug” und weist allen Arbeitern eine F¨ahigkeit η zu, wobei diese mit der Wahrscheinlichkeit von jeweils 0,5 entweder den Wert 2 oder den Wert 5,5 annimmt. Der Arbeiter tri t danach in Kenntnis dieser F¨ahigkeit seine formale Bildungsentscheidung, die hier wie schon die F¨ahigkeitsverteilung bin¨ar ist, d.h. e nimmt entweder den Wert 0 oder 1 an. Die Kosten der Ausbildung sind direkt in der Nutzenfunktion uA (·) enthalten. Im Modell von Spence konkurrieren nun zwei Unternehmen in Kenntnis von e um den Arbeiter. Damit entspricht das Modell im Grunde nicht ganz der Struktur aus Abbildung 5.4 auf Seite 131, da nun zwei Empf¨anger angesprochen werden. Die extensive Form in Abbildung 5.7 auf der n¨achsten Seite breitet dieses Spiel jedoch nicht im Einzelnen aus, weil das Ergebnis sehr einfach ist2: Die beiden Unternehmen uberbieten¨ sich so lange, bis der angebotene Lohnsatz dem erwarteten Output entspricht.3 Dies ist in der Auszahlungsfunktion der Unternehmer angegeben.

Welche Gleichgewichte sind nun in diesem Spiel m¨oglich?

Zun¨achst wird untersucht, ob ein Pooling-Gleichgewicht bei e = 0 existiert, d.h. ob es ein Gleichgewicht gibt, bei dem weder die Arbeiter mit der hohen noch die mit der niedrigen F¨ahigkeit eine formale Bildung w¨ahlen. In diesem Fall w¨aren die damit konsistenten beliefs der Unternehmer gegeben durch

b (η = 2| e = 0) = b (η = 5, 5| e = 0) = 0, 5.

(5.15)

Die beliefs abseits des (m¨oglichen) Gleichgewichtspfads sind dann ebenfalls fast trivialerweise gegeben durch

b (η = 2| e = 1) = b (η = 5, 5| e = 1) = 0, 5.

(5.16)

1Die Spezifikationen sind entnommen aus Rasmusen (2001, p. 268).

2Das Ergebnis ist – wie gleich begr¨undet wird – wirklich einfach, die Darstellung aber praktisch unm¨oglich, da das Lohnangebot stetig variiert werden kann und daher keine end-

¨

liche Zahl von Asten diese M¨oglichkeiten grafisch abbilden kann.

3Dies entspricht dem Ergebnis eines Bertrand-Wettbewerbs aus Abschnitt 3.7.2 auf Seite 73, wobei der Wettbewerb im Signalspiel auf dem Faktormarkt ausgetragen wird, w¨ahrend sich die Darstellung in 3.7.2 auf Bertrand-Wettbewerb auf dem G¨utermarkt bezog.

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