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Spieltheorie_WS1213

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3.3. DAS GEFANGENENDILEMMA

59

Anwendungen

Die genannten Klassifikationen bzgl. der Information in Spielen werden in einigen speziellen Varianten von Poker angewendet, wobei es hier nicht auf die genauen Spielregeln, die spezifizieren, welches Blatt ein anderes schl¨agt, ankommt; diese werden als common knowledge unterstellt. Vielmehr kommt es nur darauf, welche Charakteristika die vier folgenden Regeln f¨ur die Austeilung der Karten mit sich bringen.

Alle Karten werden verdeckt gegeben, jeder Spieler sieht aber sein eigenes Blatt: Es handelt sich dabei um ein Spiel mit unvollst¨andiger (und damit auch unvollkommener) Information: Die ”Natur” hat den jeweils anderen ein Blatt gegeben, das man nicht kennt, vor dem ersten Zug weiß man also nicht, an welchem Knoten man steht – jede nach Kenntnis des eigenen Blatts denkbare Kombination der anderen Bl¨atter w¨are ein unterschiedlicher Knoten in einer extensiven Form-Darstellung. Weiterhin ist die Information asymmetrisch verteilt, weil man bei der Entscheidung des n¨achsten Spielzugs Dinge nicht weiß, die ein Teil der Mitspieler weiß. Und schließlich ist es ein Spiel mit Sicherheit in dem oben genannte Sinn, weil an keiner Stelle - nach dem initialen Ausgeben der Karten - die ”Natur” mitspielt, also ein zuf¨alliges Ereignis außerhalb der Kontrolle der Spieler auftreten kann.

Alle Karten werden o en gegeben: In diesem Fall handelt es sich Spiel mit vollkommener (und daher auch vollst¨andiger) und symmetrischer

Information mit Sicherheit.

Alle Karten werden verdeckt gegeben, danach zeigt jeder Spieler die eigenen Karten allen anderen Spielern, sieht aber seine eigenen nicht (Indian Poker): Mit den jeweils gleichen Begr¨undungen wie in der zuerst genannten ”¨ublichen” Variante handelt es sich dabei um ein Spiel mit unvollkommener, daher auch unvollst¨andiger, asymmetrischer Information mit Sicherheit.

Die Karten werden o en gegeben, jeder Spieler setzt seinen Einsatz und erh¨alt danach noch eine weitere Karte, die ebenfalls o en ausgegeben wird: In diesem Fall ist die Information zwar vollkommen (und vollst¨andig), da man bei der Entscheidung exakt weiß, an welchem Knoten man steht und auch symmetrisch - da bei der Formulierung der Wette jeder den gleichen Informationsstand hat, jedoch ist dies ein Spiel mit Unsicherheit, weil die ”Natur” vor dem Endknoten noch einen zuf¨alligen Zug macht.

3.3Das Gefangenendilemma

Das Gefangenendilemma ist ein prototypisches Beispiel f¨ur ein statisches Spiel. Es beschreibt eine Situation, f¨ur die es unmittelbar einsichtige okonomische¨

60

KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

 

 

 

Moritz

 

 

 

 

 

Nicht gestehen

Gestehen

 

 

 

 

 

 

Nicht gestehen

(-1, -1)

(-9,0)

 

 

Max

 

 

 

 

Gestehen

(0, -9)

(-6,-6)

 

 

 

 

 

 

Abbildung 3.3: Die Normalform des Gefangenendilemmas

Parallelen gibt, d.h. ”Geschichten”, die eine isomorphe Struktur aufweisen. Die ”Originalversion”, die auch f¨ur den Namen verantwortlich ist, lautet wie folgt:

Zwei Gefangene, nennen wir sie Max und Moritz, werden eines schweren, gemeinsam begangenen Verbrechens beschuldigt, f¨ur das es jedoch keinerlei gerichtsfeste Beweise gibt.1 Hingegen gibt es gegen beide Gefangenen eindeutige Beweise f¨ur kleinere Vergehen (unerlaubter Wa enbesitz o.a¨.). Wenn beide Gefangenen das schwere Verbrechen leugnen, so werden sie - in dubio pro reo - mit einer geringen Strafe aufgrund dieser kleineren Vergehen davon kommen. Wenn beide gestehen, so werden sie des schweren Verbrechens angeklagt, aufgrund der Kooperationsbereitschaft, sagt der Staatsanwalt jedoch zu, nicht die H¨ochststrafe zu beantragen. Wenn einer gesteht - und damit den anderen mit belastet -, der andere jedoch leugnet, so wird der Gest¨andige aufgrund der Kooperationsbereitschaft nach kurzer Zeit auf freien Fuß gesetzt (Kronzeuge), w¨ahrend f¨ur den anderen, nunmehr ja Belasteten, die H¨ochststrafe resultieren wird. Die Gefangenen haben keine M¨oglichkeit, direkt oder indirekt, die Entscheidung uber¨ ”gestehen” oder ”nicht gestehen” miteinander zu koordinieren.

Das genaue Ausmaß der Strafen in den verschiedenen Szenarien ist willk¨urlich, wichtig ist nur, dass die beschriebene Rangfolge eingehalten wird. Die H¨ochststrafe m¨oge 9 Monate betragen, bei beiderseitigem Gest¨andnis werden 6 Monate f¨allig, die Strafe f¨ur das kleine Vergehen betr¨agt 1 Monat, der Kronzeuge m¨oge sofort freikommen.

Damit l¨asst sich die folgende Normalform des Spiels in Abbildung 3.3 auf-

¨

schreiben: Eine kurze Uberlegung zeigt, dass ”Gestehen” sowohl f¨ur Max als auch f¨ur Moritz eine strikt dominante Strategie darstellt. Aufgrund der Sym-

¨

metrie der Situationen gen¨ugt es, die Uberlegung einfach f¨ur ”M” anzustellen. M uberlegt¨ sich das Folgende. Wenn der andere gesteht, stelle ich mich durch ”gestehen” besser (-6 gegen¨uber -9). Wenn der andere aber nicht gesteht, so

1Ob die Gefangenen - oder einer von ihnen - wirklich schuldig sind, ist f¨ur das Spiel v¨ollig ohne Belang.

3.3. DAS GEFANGENENDILEMMA

Strafe für Max

Pareto-effiziente

Lösung

Nash-GG

61

Moritz für Strafe

Abbildung 3.4: Das Nash-Gleichgewicht im Gefangenendilemma ist nicht Pareto-e zienz.

stelle ich mich durch gestehen auch besser (0 gegen¨uber -1). Also ist ”gestehen” eine strikt dominante Strategie f¨ur beide Spieler, es kommt also zu einem Gleichgewicht bei dem Strategienpaar {gestehen, gestehen} und zu einer gleichgewichtigen ”Auszahlung” von (-6, -6).

Abbildung 3.4 zeigt den Auszahlungsraum grafisch. Folgende Aspekte sind hier der Erw¨ahnung wert - und k¨onnen anhand der Abbildung 3.4 leicht nachvollzogen werden:

{gestehen, gestehen} ist ein Gleichgewicht in dominanten Strategien und damit auch ein Nash-Gleichgewicht.

Das Nash-Gleichgewicht ist nicht Pareto-e zient, d.h. es gibt ein Strategienpaar, das beide Spieler besser stellt, n¨amlich {nicht gestehen, nicht gestehen}.

Das Pareto-e ziente Gleichgewicht k¨onnte erreicht werden, wenn beide Spieler jeweils glaubw¨urdige und bindende Vereinbarungen tre en k¨onnten. Dann l¨age eine kooperative Spielsituation vor. Dies ist eine sehr wichtige Erkenntnis, besagt sie doch, dass bei Vorliegen strategischer Information individuelle Rationalit¨at zu einem kollektiv ine zienten Ergebnis f¨uhrt bzw. f¨uhren kann.

Letzteres kann wie folgt verallgemeinert werden: Das Nash-Gleichgewicht in einem nicht-kooperativen Spiel ist im allgemeinen nicht Pareto-e zient.

Im speziellen Zusammenhang des Spiels ist auch folgendes wichtig: Eine Kronzeugenregelung dient jedenfalls in dieser einfachen Form nicht der

62

KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

Wahrheitsfindung, sondern scha t v¨ollig unabh¨angig von Schuld oder Unschuld Anreize f¨ur strategisches Verhalten. Als Gesetzgeber bzw. Jurist sollte man also die Aussagen von Kronzeugen mit besonderer Vorsicht genießen und sich der Entscheidungssituation - eben des Dilemmas - der Person sehr bewusst sein. Genau so ist aber klar, dass eine Kommunikation und Kooperation zwischen den Gefangenen im Interesse der Wahrheitsfindung unterbunden werden muss, da sich sonst bei Mangel an Beweisen das (f¨ur Max und Moritz!!) Pareto-e ziente Gleichgewicht durchsetzen w¨urde - ebenfalls unabh¨angig von der tats¨achlichen Schuld.

¨

Okonomische Beispiele f¨ur Gefangenendilemmata

Die Spielsituation des Gefangenendilemmas kann sehr gut auf okonomische¨ Zusammenh¨ange angewandt werden, da es hier h¨aufig um Situationen geht, in denen Kooperation f¨ur den einzelnen ”etwas kostet”, und deshalb nicht zustande kommt, w¨ahrend alle Beteiligten genau davon profitieren w¨urden, wenn es zu dieser f¨ur den einzelnen kostentr¨achtigen Kooperation k¨ame. Vier Beispiele sollen die Bedeutung dieses Szenarios illustrieren.

Beispiel 1: Motivation am Arbeitsplatz

Max und Moritz aus Abbildung 3.3 auf Seite 60 seien nun ersetzt durch Arbeiternehmer und Unternehmer. Der Arbeitnehmer habe die Strategien ”gut arbeiten” und ”schlampen”, der Unternehmer die Strategie ”nett sein” (was alle m¨oglichen monet¨aren und nicht-monet¨aren Dinge beinhalten kann) und ”fies sein”. Bei ”guter Arbeit” teilt sich der ”nette” Unternehmer den Ertrag mit dem Arbeiter, wenn er ”fies” ist, so kann er den ganzen Ertrag an sich reißen. Ist der Unternehmer hingegen nett obwohl der Arbeiter schlampt, geht die komplette Auszahlung an den gut behandelten, aber unangestrengten Arbeiter. Schlampt der Arbeiter in einer fiesen Unternehmung, so stellen sich beide schlechter als bei guter Arbeit in nettem Klima, k¨onnen sich aber nicht gegenseitig ubervorteilen¨. Die so beschriebene Struktur ist in Abbildung 3.5 auf der n¨achsten Seite zu sehen. Es ist leicht zu sehen, dass ”schlampen” und ”fies sein” strikt dominante Strategien sind, mithin ein Nash-Gleichgewicht darstellen, dieses jedoch ine zient ist. Alle Arten von Leistungsentlohnungen (Akkordlohn, Bonuszahlungen, . . . ) sind letztlich Versuche, das e ziente Gleichgewicht durchzusetzen. Sp¨ater werden wird auch sehen, dass es m¨oglich ist, die Ine zienz des Gefangenendilemmas dadurch zu umgehen, dass das Spiel wiederholt gespielt wird und damit die Akteure im Hinblick auf zuk¨unftige Ertr¨age Anreize haben k¨onnen, sich eine Reputation zur Kooperationsbereitschaft zu erwerben. In einem statischen one-shot game ist aber das Nash-Gleichgewicht im Allgemeinen nicht Pareto-e zient.

3.3. DAS GEFANGENENDILEMMA

63

 

 

 

Unternehmer

 

 

 

 

 

Nett sein

Fies sein

 

 

 

 

 

 

Gut arbeiten

(10,10)

(0,20)

 

 

Arbeiter

 

 

 

 

Schlampen

(20,0)

(5,5)

 

 

 

 

 

 

Abbildung 3.5: Arbeiter und Unternehmer im Gefangenendilemma

Beispiel 2: Oligopol

Ein weiteres Beispiel ist die typische Oligopolsituation, in der ein (kooperatives) Kartell h¨ohere gemeinsame Gewinne erzielen kann als bei Wettbewerb, obwohl jeder einzelne von einer isolierten Abweichung von den Kartellregeln profitieren k¨onnte. Diese Situation wird uns noch in verschiedenen Varianten besch¨aftigen.

¨

Beispiel 3: O entliche G¨uter

Ein ganz typisches okonomisches¨ Problem ist die Bereitstellung o¨ entlicher G¨uter. Aufgrund der Eigenschaft der Nichtrivalit¨at im Konsum lohnt es sich f¨ur jeden einzelnen, sich vor einer Beteiligung an der Finanzierung zu dr¨ucken, und sich stattdessen als Trittbrettfahrer zu bet¨atigen. Nehmen wir an, die Zahlungsbereitschaft von zwei B¨urgern f¨ur ein Projekt, dessen Kosten sich auf 150 E belaufen, betr¨agt jeweils 100 E. Damit ist klar, dass keiner allein das Projekt angeht, aber bei einer gemeinsamen Finanzierung jeder im Umfang von (100 − 150/2) = 25 profitiert. Wenn sie sich nun f¨ur eine Beteiligung bzw. Nicht-Beteiligung (= Trittbrettfahren) an dem Projekt entscheiden m¨ussen, ist die folgende Auszahlungsmatrix relevant, die wiederum die Struktur eines Gefangenendilemmas aufweist:

Beispiel 4: Werbung

Werbung hat in heftig umk¨ampften M¨arkten sehr h¨aufig den E ekt, dass es die Nachfrage zu der beworbenen Marke lenkt, nicht aber unbedingt die Gesamtnachfrage in diesem Markt (z.B. nach Zigaretten) dramatisch beeinflusst. Da Werbung teuer ist, w¨are es also f¨ur Wettbewerber in diesem Markt vorteilhaft, ein Werbememorandum zu beschließen und sich den Markt einfach friedlich zu teilen. Nat¨urlich entsteht dadurch f¨ur den einzelnen Wettbewerber ein Anreiz durch ein ”kleines bisschen” Werbung die Nachfrage weitgehend an sich zu binden. Da alle Wettbewerber diesen Anreiz haben, werden alle Werbung

ben, wobei gelten muss, dass 0 ≤ pik ≤ 1 und

64

KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

Bürger B

Beteiligen Nicht beteiligen

Beteiligen

(25,25)

(-50,100)

Bürger A

Nicht beteiligen

(100,-50)

(0,0)

Abbildung 3.6: Das Gefangenendilemma bei der Bereitstellung o¨ entlicher G¨uter

betreiben wollen, obgleich diese f¨ur die Branche insgesamt wenig hilfreich ist. Vor diesem Hintergrund l¨asst sich beispielsweise verstehen, warum die US-

Tabakfirmen bereits 1971 einem Verbot der TV-Werbung zustimmten, wenn auch f¨ur die Zusicherung trotz der damals ins Bewusstsein ger¨uckten Gesundheitssch¨aden, keine Schadensersatzprozesse unter Bundesrecht f¨uhren zu m¨ussen1. Da die USA ein großer und weitgehend in sich abgeschlossener Markt sind, wussten die Firmen, dass eine gesetzliche Beschr¨ankung f¨ur alle letztlich profitabel sein w¨urde. Das gesetzliche Werbeverbot stellte damit sicher, dass das e ziente Gleichgewicht erreicht wurde – wobei hier Gesundheitserw¨agungen keinerlei Rolle spielen (m¨ussen).

3.4Gemischte Strategien

In Abschnitt 2.7.4 auf Seite 49 bei der Diskussion verschiedener L¨osungskonzepte von Spielen hatten wir bereits einen Fall kennen gelernt (Dilemma des Samariters), in dem kein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien gefunden werden konnte, aber dennoch eines in gemischten Strategien zu begr¨unden war. In diesem Abschnitt werden wir dieses L¨osungskonzept eines statischen Spiels noch etwas genauer betrachten. Dazu dient zun¨achst die folgende

Definition: In einem Normalformspiel mit I Spielern, die die Strategienmengen Si = {si1, si2, . . . , siK } , i = 1, . . . I haben, wird eine gemischte Strategiedurch die Wahrscheinlichkeitsverteilung pi = {pi1, pi2, . . . , piK } beschrie-

K

P

pik = 1.

k=1

Bislang haben wir zumeist Spiele mit I = K = 2 betrachtet, d.h. mit zwei Spielern, die jeweils zwei alternative Strategien w¨ahlen konnten. Weiterhin ist zu beachten, dass eine reine Strategie letztlich ein Spezialfall einer gemischten Strategie ist, da hier einfach eine bestimmte Strategie die Wahrscheinlichkeits-

1Die Prozesse, die dennoch zu milliardenschweren Entsch¨adigungszahlungen f¨uhrten, wurden alle auf der Eben der einzelnen Bundesstaaten gef¨uhrt.

3.4. GEMISCHTE STRATEGIEN

 

65

 

 

 

 

Spieler 2

 

 

 

 

 

 

 

Kopf

Zahl

 

 

 

 

 

 

 

Kopf

 

(1,-1)

(-1,1)

 

 

Spieler 1

 

 

 

 

 

Zahl

 

(-1,1)

(1,-1)

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 3.7: Die Normalform-Darstellung von matching pennies

masse 1 und alle anderen Strategien damit die Wahrscheinlichkeitsmasse 0 zugeordnet bekommen.

F¨ur eine grafische L¨osung eines Spiels mit einer gemischten Strategie eignet sich ein noch einfacheres Szenario als das Dilemma eines Samariters, n¨amlich ein Spiel namens Matching Pennies. Die Regel ist sehr einfach: Zwei Spieler mit je einer M¨unze legen simultan die M¨unze auf den Tisch. Stimmen die Seiten uberein,¨ d.h. liegt (Kopf, Kopf) oder (Zahl, Zahl) auf dem Tisch erh¨alt Spieler 1 beide M¨unzen, liegt (Kopf, Zahl) oder (Zahl, Kopf) auf dem Tisch gehen beide M¨unzen an Spieler 2.

Damit ergibt sich folgende in Abbildung 3.7 zu sehende Normalform: Man kann sich rasch davon uberzeugen,¨ dass es bei diesem Spiel kein Nash-

Gleichgewicht in reinen Strategien gibt – und nat¨urlich auch keine dominierte Strategie. Dennoch ist fast schon intuitiv klar, dass jeder Spieler jede der beiden Strategien mit der Wahrscheinlichkeit 1/2 spielen wird, und dies ein NashGleichgewicht in gemischten Strategien darstellt.

Im Folgenden soll dies formal gezeigt werden, wobei wir f¨ur die Notation lediglich die Wahrscheinlichkeiten einf¨uhren m¨ussen, mit denen die Spieler 1

¨

und 2 ”Kopf” w¨ahlen. In Ubereinstimmung mit der allgemeinen Definition seien diese p1 und p2 genannt. (Die doppelte Indizierung kann hier entfallen, da jeder Spieler nur zwei Strategien hat, und die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler 1 bzw. Spieler 2 ”Zahl” w¨ahlen daher mit 1 − p1 bzw. 1 − p2 bezeichnet werden k¨onnen.)

Die Auszahlung f¨ur Spieler 1 ergibt sich in Abh¨angigkeit von den Wahrscheinlichkeiten p1 und p2 als1

E (u1) = p1p2 − p1 (1 − p2) − (1 − p1) p2 + (1 − p1) (1 − p2)

(3.1)

= p1 (4p2 − 2) + (1 − 2p2)

Angenommen, Spieler 1 w¨usste, dass p2 > 1/2. In diesem Fall ist der erste

1Die erste Zeile geht einfach die vier m¨oglichen Felder durch und gewichtet die Auszahlungen mit den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten, die zweite Zeile ergibt sich aus der ersten nach Ausmultiplizieren und Zusammenfassen der Terme

66

KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

Klammerterm (4p2 − 2) o ensichtlich positiv, die erwartete Auszahlung ist also eine steigende Funktion von p1. Das Beste, was Spieler 1 tun kann, ist also p1 = 1 zu spielen. Die gleiche Logik f¨uhrt f¨ur p2 < 1/2 zu dem Schluss, die erwartete Auszahlung eine sinkende Funktion von p1 ist und daher p1 = 0 die optimale Reaktion ist. F¨ur p2 = 1/2 ist hingegen E (u1) = 0; in dieser Situation ist es v¨ollig egal, welche Wahrscheinlichkeitsverteilung Spieler 1 w¨ahlt. Damit ist Spieler 1 f¨ur p2 = 1/2 also indi erent bzgl. des zu w¨ahlenden Wert von p1. Formal:

p1 =

(0, 1)

f¨ur p2 = 1/2

(3.2)

 

 

0

f¨ur 0 ≤ p2 < 1/2

 

 

1

f¨ur 1/2 < p2 ≤ 1

 

 

 

 

 

 

Diese Funktion ist im linken Teil von Abbildung 3.8 auf der n¨achsten Seite gestrichelt eingezeichnet und fasst als Reaktionsfunktion des Spielers 1 dessen Optimalverhalten als Funktion des Verhaltens des anderen Spielers zusammenfassen.1

V¨ollig analog dazu l¨asst sich auch eine Reaktionsfunktion des Spielers 2 ableiten, indem man analog zu (3.1) die erwartete Auszahlung E (u2) berechnet und die optimale Strategie f¨ur p2 in Abh¨angigkeit von p1 identifiziert.

Die erwartete Auszahlung f¨ur Spieler 2 betr¨agt dabei

E (u2) = p2 (2 − 4p1) − (1 − 2p1) ,

(3.3)

die Reaktionsfunktion ist gegeben durch

p2 =

(0, 1)

f¨ur p1 = 1/2

(3.4)

 

 

1

f¨ur 0 < p1 < 1/2

 

 

0

f¨ur 1/2 < p1 < 1

 

 

 

 

 

 

Diese Reaktionsfunktion ist im rechten Teil der Abbildung 3.8 auf der n¨achsten Seite zu sehen.

In Abbildung 3.9 auf der n¨achsten Seite sind die beiden Reaktionsfunktionen zusammengefasst, wobei die Reaktionsfunktion des Spielers 2 nun blau eingezeichnet ist. Zu beachten ist, dass der Quadrant in Abbildung 3.8 auf der n¨achsten Seite b) entsprechend zu ”drehen” ist, um in der gleichen Ebene wie Abbildung 3.8 auf der n¨achsten Seite a) dargestellt werden zu k¨onnen.

Es ist sofort zu sehen, dass die beiden Reaktionsfunktionen einen eindeu-

tigen Schnittpunkt bei (p1, p2) = 12 , 12 aufweisen. Dies ist das eindeutige Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien bei Matching Pennies.

1Genau genommen ist die Reaktionsfunktion in diesem Fall keine mathematische ”saubere” Funktion, da hier dem Argument 1/2 mehrere (hier sogar: unendlich viele) Funktionswerte zugeordnet sind. Man spricht dann allgemeiner von einer Korrespondenz, was hier jedoch ignoriert werden soll.

3.4. GEMISCHTE STRATEGIEN

67

Abbildung 3.8: Die Reaktionsfunktionen der beiden Spieler in matching pennies

Abbildung 3.9: Das Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien f¨ur matching pennies

Man kann das Konzept des Nash-Gleichgewichts bei gemischten Strategien leicht auf den Fall ubertragen,¨ dass die Spieler mehr als jeweils zwei reine Strategien haben. Allgemein muss f¨ur die Wahrscheinlichkeitsverteilungen p1 und p2 (die hier wieder Vektoren sind, w¨ahrend sie bei Matching Pennies nur jeweils Skalare waren) in einem Nash-Gleichgewicht bei gemischten Strategien gelten, dass

u1 (p1, p2) ≥ u1 (p1, p2)

p1

(3.5)

und

 

 

u2 (p1, p2) ≥ u2 (p1, p2)

p2,

(3.6)

wobei pi , i = 1, 2 die Wahrscheinlichkeitsverteilungen im Nash-Gleichgewicht bezeichnen. In Worten: pi , i = 1, 2 m¨ussen jeweils wechselseitig optimale Antworten (”best responses”) auf die Strategie des Mitspielers sein.

68

KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

3.5Nash-Gleichgewichte mit (unendlich) vielen Strategien

Abgesehen von der gerade gemachten Verallgemeinerung des Nash-Konzepts bei gemischten Strategien gingen fast alle bisherigen Beispiele davon aus, dass die Strategienmenge jedes Spielers aus nur zwei Alternativen besteht. Dieser ”Trick” hielt die Matrix der Normalform einigermaßen ubersichtlich¨. Wenn z.B. zwei Spieler jeweils 20 Strategiealternativen h¨atten, so w¨are die Normalform eine 20x20-Matrix – also nichts, was man sich wirklich hinzuschreiben w¨unscht.

Gerade im Kontext okonomischer¨ Fragestellungen sind jedoch Strategiemengen oft nicht einmal endlich, da die Strategievariable in vielen Situationen plausiblerweise stetig variiert werden – und damit unendlich viele Auspr¨agungen annehmen kann. Dies gilt beispielsweise f¨ur Preise, Mengen, Werbeausgaben, Bonuszahlungen, usw. – was alles denkbare Strategievariablen in entsprechend formulierten Spielen sind.

In solchen Situationen ist die Matrixdarstellung der Normalform nat¨urlich kein besonders hilfreiches Instrument. Allerdings kann man mit etwas Algebra diese Situationen leicht in den Gri bekommen, was nun ohne R¨uckgri auf eine konkrete ”story” kurz gezeigt werden soll. In den Anwendungen des Abschnitts 3.7 auf Seite 70 werden dann Beispiele folgen, in denen das gezeigte Prinzip angewandt wird. Wieder beschr¨anken wir uns zun¨achst auf ein 2-Personenspiel. Hier l¨asst sich allgemein sagen, dass die Auszahlungsfunktion der beiden Spieler eine Funktion der gew¨ahlten Strategien beider Spieler sind, dass also

u1 = u1 (s1, s2) ,

(3.7)

wobei s1 und s2, d.h. die Strategievariable(n) der beiden Spieler nun als stetig variierbar angenommen werden. Analog ist

u2 = u2 (s1, s2) .

(3.8)

Die Auszahlungsfunktionen m¨ussen als zweifach stetig di erenzierbar und konkav in den beiden Strategievariablen angenommen werden. Dann ist die optimale Strategiewahl des Spielers 1 charakterisiert durch

 

 

∂u1 (·)

= 0 s1 (s2, ...)

(3.9)

 

 

 

 

 

 

∂s1

 

Analog w¨ahlt Spieler 2 seine Strategie gem¨aß

 

 

∂u2 (·)

= 0 s2 (s1, ...)

(3.10)

 

 

 

 

∂s2

 

Die Funktionen in der jeweils zweiten Zeile der Gleichungen (3.9) und (3.10) sind die Reaktionsfunktionen der Spieler – analog zu den Reaktionsfunktionen bei ”Matching Pennies”, wobei dort allerdings konkret gleichgewichtige

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