Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:

Spieltheorie_WS1213

.pdf
Скачиваний:
13
Добавлен:
21.03.2016
Размер:
2.44 Mб
Скачать

6.4. KOOPERATIVE VERHANDLUNGEN

159

ßenoption abgebrochen, ohne dass der Spieler mit der niedrigeren Außenoption eine f¨ur beiden Seiten akzeptable M¨oglichkeit h¨atte, diesen wieder an den Verhandlungstisch zur¨uckzubringen.

6.4Kooperative Verhandlungen

6.4.1Die Nash-Verhandlungsl¨osung (Verteilungsspiel III)

Wie bereits in den methodischen Vorbemerkungen in Abschnitt 6.2 auf Seite 148 ausgef¨uhrt wurde, geht die kooperative Spieltheorie einen modellierungstechnisch g¨anzlich anderen Weg als den in Abschnitt 6.4 gerade beschrittenen. Die bahnbrechende Arbeit von Nash (1950b) geht von einer Reihe von Axiomen aus, die eine Verhandlungsl¨osung erf¨ullen sollte bzw. erf¨ullen muss und identifiziert dann eine Methode, die zu einer L¨osung f¨uhrt, in der diese Axiome immer erf¨ullt sind. Daher spricht man bisweilen auch von einem axiomatischen Ansatz der Verhandlungstheorie.

Die von Nash postulierten Axiome sind die Folgenden:

E zienz: Die Verhandlungsl¨osung muss die Eigenschaft der Paretooptimalit¨at aufweisen. Dieses Axiom verbietet letztlich Verschwendung, d.h. der Verhandlungsgewinn wird vollst¨andig verteilt.

Symmetrie: Wenn die Verhandlungssituation v¨ollig symmetrisch ist (wie das beispielsweise bei ”splitting the pie” der Fall ist), so muss auch die Verhandlungsl¨osung symmetrisch sein. Eine andere, allgemeinere Formulierung der gleichen Eigenschaft lautet: Die Verhandlungsl¨osung darf nicht davon abh¨angen, wie die beteiligten Spieler bezeichnet werden.

Invarianz gegen¨uber monotonen Transformationen der Auszahlungen: Dieses Axiom stellt sicher, dass die Verhandlungsl¨osung nicht davon abh¨angt, in welchen Einheiten die Auszahlungen gemessen werden

Unabh¨angigkeit der L¨osung von irrelevanten Alternativen: Dieses Axiom fordert, dass sich die Verhandlungsl¨osung nicht ¨andert, wenn Handlungsm¨oglichkeiten ausgeschlossen werden, die ohnehin nicht gew¨ahlt w¨urden. Dies klingt zun¨achst extrem plausibel und v¨ollig unangreifbar, kann aber dennoch zu ”merkw¨urdigen” Eigenschaften einer L¨osung f¨uhren, wie in Abschnitt 6.4.2 auf Seite 162 deutlich werden wird.

John Nash zeigte nun, dass diesen Axiomen Gen¨uge getan ist, wenn das folgende Problem gel¨ost wird:

Seien u1 und u2 die Auszahlungen zweier an einem Verhandlungsspiel beteiligten Spieler sowie α1 und α2 deren Drohpunkte. Dann l¨asst sich die Verhandlungsl¨osung charakterisieren durch

160

KAPITEL 6. VERHANDLUNGEN

 

max Ω = (u1 − α1) · (u2 − α2) ,

(6.6)

wobei die Nebenbedingung zu beachten ist, dass sich die Summe der beiden Auszahlungen auf der e zienten Grenze befindet, d.h. die L¨osung zul¨assig ist.1 Zu maximieren ist Ω uber¨ die Handlungsparameter, die den beteiligten Spielern zur Verf¨ugung stehen.

Ω wird als Nash-Maximand oder Nash-Produkt bezeichnet. In (6.6) ist nicht spezifiziert, wor¨uber Ω maximiert werden soll. Dies h¨angt von der konkreten Verhandlungssituation ab. In Lohnverhandlungen sind es eben die L¨ohne, in Verhandlungen uber¨ den Verkauf einer Firma der zu zahlende Preis und in ”splitting the pie” (Verteilungsspiel) die Anteile, die die Verhandlungspartner am Kuchen bekommen.

F¨ur das Verteilungsspiel lautet die Konkretisierung von (6.6) wie folgt:

max Ω = (s − α1) · (1 − s − α2) .

(6.7)

s

 

In der Formulierung des Problems ist die Restriktion, dass sich die beiden Anteile auf 1 erg¨anzen m¨ussen, bereits enthalten. Die Bestimmung des Verhandlungsergebnisses ist nun denkbar einfach. Durch Anwendung der Produktregel errechnet sich

 

Ω

 

!

 

 

 

 

= (1 − s − α2) − (s − α1) = 1 − 2s − α2 + α1 = 0

 

.

(6.8)

 

 

 

∂s

 

 

s = 1

(1 + α1 − α2)

 

 

 

2

 

 

 

 

Wenn beide bei Scheitern der Verhandlungen leer ausgehen (d.h. f¨ur αi = 0, i = 1, 2) resultiert die intuitiv plausible L¨osung, dass der zu verteilende Verhandlungsgewinn (hier eben 1 E) gerade halbiert wird. Die L¨osung (6.8) macht ebenfalls klar, dass auch diese Modellierung der Verhandlung nicht zu einem sinnvollen Ergebnis f¨uhrt, wenn die Summe der Außenoptionen bzw. Auszahlungen in den Drohpunkten gr¨oßer ist als der aufzuteilende Verhandlungsgewinn. Es ist sofort zu sehen, dass s in diesem Fall negativ w¨urde, was f¨ur einen Anteil ganz o ensichtlich keine vern¨unftige L¨osung ist.

Im Gegensatz zum Rubinstein-Spiel mit sequentiellen Angeboten spielt nun aber Diskontierung keine Rolle. Dies resultiert aus der Modellierungsentscheidung, in der eine zeitliche Struktur der Verhandlungen gar nicht erst angelegt ist.

Aufschlussreich sind auch die unterschiedlichen Rollen der Drohpunkte im Rubinstein-Spiel und in der Nash-L¨osung. W¨ahrend beim Rubinstein-Spiel die Drohpunkte das L¨osungsspektrum nur begrenzten, spielen sie f¨ur die Nash-L¨osung in jedem Fall eine Rolle. Man kann sich das so vorstellen,

1Bei ”splitting the pie” wurde die Summe der Auszahlungen als konstant, d.h. unabh¨angig von den gew¨ahlten Strategien angenommen. Dieses vereinfachende Merkmal ist jedoch in den meisten okonomisch¨ relevanten Verhandlungssituationen nicht gegeben.

6.4. KOOPERATIVE VERHANDLUNGEN

161

dass bei der Nash-Verhandlungsl¨osung die Parteien von dem Verhandlungsgewinn erst einmal ihre jeweiligen Außenoption subtrahieren (also den entsprechenden Teil des E vom Tisch nehmen) und dann uber¨ den Rest verhandeln als ob sie keine Außenoption h¨atten.

Die Nash-L¨osung (6.8) ist auch einer graphischen Intuition gut zug¨anglich. Dazu ist es hilfreich, den Nash-Maximanden explizit als Funktion der Anteile f¨ur die beiden Spieler, s1 und s2 zu schreiben:1 Ω = (s1 − α1) · (s2 − α2). Totale Di erentiation nach s1 und s2 liefert

dΩ = (s1 − α1) ds2 + (s2 − α2) ds1

(6.9)

Setzt man diesen Ausdruck gleich Null, so errechnet sich die Steigung eines locus mit einem konstanten Wert des Nash-Produkts als

ds2

dΩ=0

= −s2

− α2

< 0,

(6.10)

ds1

 

s1

− α1

 

 

womit ein konstanter Wert von Ω o ensichtlich entlang einer fallenden Hyperbel gegeben ist.

Abbildung 6.7 auf der n¨achsten Seite zeigt alle Bestandteile der Nash- L¨osung. Die durchgezogene Gerade repr¨asentiert die e ziente Grenze (entlang der sich die beiden Anteile zu 1 addieren). Die beiden Hyperbeln gelten f¨ur zwei unterschiedliche, aber jeweils konstante Werte des Nash-Produkts, wobei

¯

gilt, dass Ω < Ω. Die Nash-L¨osung ist gegeben durch den Tangentialpunkt der Zielfunktion Ω und der Nebenbedingung. Damit ist dies von der Struktur her sehr nahe an einem aus der Mikro¨okonomik g¨angigen Nutzenoptimierungskalk¨ul, wobei die Besonderheit der Verhandlungsl¨osung darin liegt, dass sie eine bestimmte Art einer uber¨ die Verhandlungsteilnehmer ”aggregierten” Nutzenfunktion heranzieht. Wie aus (6.6) ersichtlich ist, besteht die Aggregation aus einem gleichgewichteten geometrischen Mittel der um die Drohpunkte korrigierten Nutzenpositionen der beteiligten Akteure.

Die letzte Beobachtung f¨uhrt zu einer nahe liegenden Erweiterung der Modellierung. Wenn man n¨amlich von asymmetrischen Machtpositionen zwischen den Verhandlungspartnern ausgeht, die sich aus Merkmalen erkl¨aren, die außerhalb des Modells liegen,2 so kann man dies – wenn auch etwas krude – durch eine Verschiebung der Gewichte f¨ur den Nash-Maximanden abbilden. Dies f¨uhrt dann zu dem verallgemeinerten Nash-Maximanden

max Ω = (u1 − α1)γ · (u2 − α2)1−γ ,

(6.11)

1Bisher wurde einfach die Konvention s1 = s und die Restriktion s2 = 1 − s1 = 1 − s benutzt.

2Das w¨are z.B. die politische R¨uckendeckung von Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen.

162

KAPITEL 6. VERHANDLUNGEN

Abbildung 6.7: Verteilungsspiel III: Die Nash-Verhandlungsl¨osung.

wobei γ die relative Machtposition des Spielers 1 bezeichnet. Zu beachten

ist, dass f¨ur γ = 0, 5 der in (6.6) unterstellte Symmetriefall gegeben ist. In p

(6.11) w¨urde dieser Fall zu dem Ausdruck Ω = (u1 − α1) · (u2 − α2) f¨uhren, was aber ¨aquivalent mit (6.6) ist, weil eine monotone Transformation des NashMaximanden das Ergebnis v¨ollig unber¨uhrt l¨asst.1

6.4.2Eine ”unsch¨one” Eigenschaften der Nash-Verhandlungs- l¨osung: Gl¨aubigerverhandlungen

Eine in der Realit¨at sehr wichtige Verhandlungssituation betri t die Aufteilung einer Konkursmasse zwischen zwei oder mehr Gl¨aubigern. Angenommen, eine Firma hinterl¨asst E 50000 an verwertbaren assets, und zwei Gl¨aubiger 1 und 2 haben (gleichrangige) Anspr¨uche in H¨ohe von a1 = 40000 und a2 = 30000. Nat¨urlich besteht das Problem des Konkurses genau darin, dass die Summe der Anspr¨uche h¨oher ist als die verwertbaren assets. Die beiden Gl¨aubiger m¨ussen eine Einigung erzielen, d.h. ohne wechselseitiges Einverst¨andnis kommt keiner der beiden Gl¨aubigern an die Konkursmasse heran. Damit sind aber die Drohpunkte gleich Null. Gesetzlich geregelt ist, dass kein Gl¨aubiger mehr als die ihm zustehenden Anspr¨uche ai, i = 1, 2 mitnehmen kann. Wenn man davon ausgeht, dass beide Gl¨aubiger risikoneutral sind, kann die Auszahlungssumme gleich den Nutzen gesetzt werden, womit das Nash-Programm wie folgt lautet:

u1,u2 1 2

 

 

1

 

 

 

 

u1 + u2 ≤ 50000

 

max u u

u2

≤ 30000

(6.12)

s.t.

u

 

≤ 40000

Die L¨osung dieses Problems lautet nat¨urlich u1 = u2 = 25000, d.h. die

1Daher wird der verallgemeinerte Nash-Maximand zumeist auch in logarithmierter Form geschrieben, da dies das Ergebnis unber¨uhrt l¨asst, aber analytisch etwas traktabler ist. Anstelle von (6.11) kann man daher auch von ln Ω = γ ln(u1 −α1)+(1−γ) ln(u2 −α2) ausgehen.

6.4. KOOPERATIVE VERHANDLUNGEN

163

beiden Gl¨aubiger teilen sich einfach die zur Verf¨ugung stehende Summe, die beiden letzten Nebenbedingungen in (6.12) erweisen sich als nicht bindend. Diese L¨osung erf¨ullt nat¨urlich alle in Abschnitt (6.6) aufgelisteten Axiome, ist aber insofern ”unsch¨on” als die v¨ollige Bedeutungslosigkeit der H¨ohe der individuellen Anspr¨uche unrealistisch erscheint. Diese Eigenschaft hat zu tun mit dem Axiom der Unabh¨angigkeit der Verhandlungsl¨osung von irrelevanten Alternativen. Wenn ein Gl¨aubiger die Auszahlung an den anderen Gl¨aubiger komplett verhindern kann (die Drohpunkte sind ja jeweils gleich Null), dann spielt es eben keinerlei Rolle mehr, wie hoch die individuellen Anspr¨uche sind.1 Man kann dies auch weiter auf die Spitze treiben, indem man annimmt, dass die Anspr¨uche wie folgt verteilt sind: a1 = 45000, a2 = 25000. Das Nash- Verhandlungs-Programm ist nun

u1,u2 1 2

 

 

1

 

 

 

 

 

u1 + u2 ≤ 50000

 

 

max u u

u2

≤ 25000

,

(6.13)

s.t.

u

 

≤ 45000

was o ensichtlich nichts an dem Ergebnis u1 = u2 = 25000 ¨andert. Der kleine Gl¨aubiger erh¨alt damit eine v¨ollige Abdeckung seiner Forderungen, w¨ahrend

¯

sich der große Gl¨aubiger mit einer Quote von 45/25 = 55, 5% zufrieden geben muss.

Abbildung 6.8 illustriert die Logik des Gl¨aubigerspiels. Die Forderungsh¨ohen verbieten nur L¨osungen oberhalb bzw. rechts von a1 bzw. a2, d.h. den schra erten Bereich. Nur f¨ur den Fall, dass eine der beiden Forderungen unter die H¨alfte der zur Verf¨ugung stehenden Konkursmasse rutscht, wird eine ”Eckl¨osung” realisiert, d.h. der kleine Gl¨aubiger bekommt seine Forderung vollst¨andig ersetzt, der große Gl¨aubiger erh¨alt den Rest.

u1

50 k€

a1

(25, 25)

45°

u2

a2

50 k€

Abbildung 6.8: Die Irrelevanz der Forderungsh¨ohe im Gl¨aubigerspiel

1Man kann das auch so ausdr¨ucken, dass in der Verhandlungssituation die aufgeh¨auften Forderungen ”sunk costs” und nur noch den Zweck einer ”Eintrittskarte” zum modellierten Verhandlungsspiel haben.

164

KAPITEL 6. VERHANDLUNGEN

Dieses Merkmal der Nash-L¨osung wurde vielfach kritisiert und f¨uhrte zur Entwicklung der Kalai-Smorodinsky-L¨osung, die Gegenstand des n¨achsten Abschnitts ist.

6.4.3Die Kalai-Smorodinsky-L¨osung

Um diese L¨osung besser zu verstehen, sei zun¨achst auf eine weitere ”unsch¨one” Eigenschaft der Nash-Verhandlungsl¨osung aufmerksam gemacht, die in den bisherigen Beispielen nicht sichtbar wurde. Im linken Teil von Abbildung 6.9 ist durch die fett ausgezogene Linie die e ziente Grenze eines nicht n¨aher spezifizierten Verhandlungsspiels eingezeichnet. Bei identischen Pr¨aferenzen und Drohpunkten der Akteure resultiert die symmetrische L¨osung in Punkt A.

u1

u1

 

B

A

A

45°

45°

u2

u2

Abbildung 6.9: Die Nicht-Monotonizit¨at der Nash-L¨osung.

Nun wird unterstellt, dass sich die Menge der zur Verf¨ugung stehenden L¨osungen erweitert, wenn auch auf eine sehr asymmetrische Art und Weise, indem sich der flache Abschnitt nach oben verlagert. Das Resultat ist im rechten Teil von Abbildung 6.9 zu sehen. Man sieht sofort, dass das Nash-Programm zur Verhandlungsl¨osung in Punkt B f¨uhrt, was eine ebenfalls ”unsch¨one” Eigenschaft impliziert: Obwohl sich die M¨oglichkeiten insgesamt verbessert haben, verliert Spieler 2 in B relativ zu A. Dies scheint als Beschreibung einer Verhandlungsl¨osung nicht realit¨atsnah zu sein. Der Beitrag von KalaiSmorodinsky (1975) versucht diesem Problem abzuhelfen, indem f¨ur die Verhandlungsl¨osung eine bestimmte Monotonieeigenschaft postuliert wird. Diese verlangt – etwas lose formuliert –, dass eine Pareto-Verbesserung der in einem Spiel denkbaren Auszahlungsvektoren keinen der Spieler schlechter stellen darf. O ensichtlich ist diese Eigenschaft f¨ur die Nash- L¨osung eines Verhandlungsspiels nicht erf¨ullt: Die Verschiebung der e zienten Grenze ist eine Pareto-Verbesserung, f¨uhrt aber zu einer Verschlechterung der Auszahlung f¨ur Spieler 2, wenn man die Nash-L¨osung zugrunde legt.

6.4. KOOPERATIVE VERHANDLUNGEN

165

Diese Monotonieeigenschaft setzen Kalai und Smorodinsky (1975) an die Stelle des Axioms der Unabh¨angigkeit der Verhandlungsl¨osung von irrelevanten Alternativen. Die L¨osung eines Verhandlungsspiels l¨asst sich dann wie folgt charakterisieren:

Sei = (¯u1, u¯2) der Vektor des in einer Verhandlung maximal denkbaren Ergebnisses bei v¨olliger ”Ausbeutung” des Verhandlungspartners1 und α = (α1, α2) der Vektor der Drohpunkte. Dann ist die Kalai-Smorodinsky-L¨osung u = (u1, u2) charakterisiert durch

 

u1 − α1

 

1 − α1

 

 

 

 

 

 

=

 

 

,

 

(6.14)

 

u2 − α2

2 − α2

 

wobei

 

u1 − α1

 

 

1 − α1

 

 

 

ui ≥ ui und

 

=

 

f¨ur i = 1, 2.

(6.15)

 

u2 − α2

 

2 − α2

 

 

 

 

 

 

In Worten: Gleichung (6.14) verlangt, dass das Verh¨altnis der durch die Verhandlung herbeigef¨uhrten Verbesserungen gegen¨uber dem Drohpunkt f¨ur beide Spieler dem Verh¨altnis der maximal aus einer Verhandlung erzielbaren Verbesserungen bei jeweils v¨olliger Ausbeutung der anderen Verhandlungspartei(en) entspricht. Gleichung (6.15) stellt sicher, dass sich die L¨osung auf der e zienten Grenze befindet. Der Beitrag von Kalai und Smorodinsky bestand in dem Beweis, dass die durch (6.14) und (6.15) charakterisierte L¨osung der Monotonieeigenschaft sowie den ersten drei der zu Beginn von Abschnitt 6.4.1 genannten Axiomen Gen¨uge tut. Es ist wichtig sich vor klarzumachen, dass dieses Kriterium genauso wie die Nash-Verhandlungsl¨osung nicht aus individuellen Optimalit¨atskalk¨ulen abgeleitet ist. Somit werden im Grunde ”nur” arbitr¨are, wenngleich sehr plausible Forderungen an die zu ermittelnde Verhandlungsl¨osung verlangt.

Die Kalai-Smorodinsky-L¨osung l¨asst sich grafisch jedenfalls in einem 2- Personen-Spiel sehr einfach darstellen. Man zeichnet einfach eine Gerade durch α und und sucht dann den Schnittpunkt dieser Geraden mit der e zienten Grenze. Abbildung 6.10 auf der n¨achsten Seite demonstriert diese Methode f¨ur die in Abbildung 6.9 auf der vorherigen Seite erl¨auterte Situation.

Punkt A ist die Kalai-Smorodinsky-L¨osung f¨ur beide Spiele. Damit vermeidet dieses Konzept die oben gezeigte ”unsch¨one” Eigenschaft der Nash-L¨osung.

Ebenfalls instruktiv ist ein Blick zur¨uck auf die Modellierung der Gl¨aubigerverhandlungen aus Abschnitt 6.4.2 auf Seite 162. Dort hatte ja ”gest¨ort”, dass die H¨ohe der o enen Forderungen f¨ur die Verhandlungen keine Rolle spielte. Da diese aber den maximalen Verhandlungsgewinn bestimmen, werden sie in der Kalai-Smorodinsky-L¨osung mit einbezogen. Die maximal bei Ausbeutung des anderen ”verhandelbare” Forderung u¯i, i = 1, 2 f¨ur jeden einzelnen Gl¨aubiger i ist gegeben durch das Minimum aus der H¨ohe der o enen Forderungen und der H¨ohe der zur Verteilung anstehenden assets.

1In ”splitting the pie” w¨are dies nat¨urlich ein Anteil von 1 f¨ur beide Spieler.

166

KAPITEL 6. VERHANDLUNGEN

u1

 

u1

U

 

B

A

?

u2

 

u2

Abbildung 6.10: Die Kalai-Smorodinsky-L¨osung.

In Abbildung 6.11 ist der Unterschied zwischen Nashund Kalai-Smorodinsky- L¨osung (Punkte KS und N) zu sehen. Es leuchtet ein, dass die Kalai-Smorodinsky- L¨osung f¨ur identische R¨uckzahlungsquoten sorgt, solange die H¨ohe der individuellen Forderungen unterhalb der Summe der assets bleibt.

u1

50 k€

u1

U

 

 

KS

 

 

N

 

 

45°

u2

 

u2

 

50 k€

Abbildung 6.11: Nashund Kalai-Smorodinsky-L¨osungen bei Gl¨aubigerverhandlungen

¨

Es ist nicht m¨oglich, anhand theoretischer Uberlegungen eine Rangfolge zwischen den beiden L¨osungskonzepten von Nash bzw. Kalai-Smorodinsky zu etablieren. Der Unterschied besteht einfach darin, dass bei ersterem die Eigenschaft der Unabh¨angig der L¨osung von irrelevanten Alternativen gegeben ist, w¨ahrend bei letzterem die individuellen Auszahlungen eine monotone Funktion der insgesamt m¨oglichen Auszahlungen sind. Beides sind plausible Eigenschaften, die sich jedoch unter bestimmten Umst¨anden gegenseitig ausschließen k¨onnen, d.h. nicht gleichzeitig zu verwirklichen sind. Generell ist es denkbar, die beiden Konzepte auf den empirischen Pr¨ufstand zu stellen, indem das Ergebnis konkreter Verhandlungen beobachtet (oder im Labor simuliert) werden.

Als einschl¨agige Pionierarbeit auf diesem Gebiet ist hier Nydegger/Owen

6.5. ANWENDUNGEN

167

(1975) zu bezeichnen. Hier wurden 10 Mal jeweils 2 Verhandlungspartner einander gegen¨ubergestellt und mit einer konkreten Verhandlungssituation konfrontiert.

Das einfachste Beispiel f¨ur eine solche Verhandlungssituation ist das ”splitting the pie”-Spiel – in diesem Fall ging es um einen $. Hier kam in der Tat heraus, dass alle 20 Verhandlungspaare die h¨alftige Aufteilung vornahmen – was in diesem Fall sowohl das Nashals auch das Kalai-Smorodinsky-Programm prognostiziert h¨atten.

Eine einfache Variante dieses Spiels verlangte zus¨atzlich, dass Spieler 1 h¨ochstens 60 Cent von dem zu teilenden $ erhalten darf. Die Nash-L¨osung dieser Situation ist nach wie vor die h¨alftige Aufteilung des $ – da ja nur irrelevante Alternativen (dass n¨amlich Spieler 1 mehr als 60 Cent erh¨alt) verboten

werden. Die Kalai-Smorodinsky-L¨osung 6.14 verlangt nun aber

 

u1 α1

=

u¯1α1

 

 

 

α2

u¯2

α2

 

 

 

 

 

u2

 

 

 

 

 

u1

 

u¯1

 

 

60

 

bzw. da in diesem Fall f¨ur die Drohpunkte α1

= α2

= 0 gilt

 

 

=

 

 

=

 

,

 

 

u¯2

100

 

 

 

u2

 

 

 

 

da die maximal denkbare Auszahlung f¨ur Spieler 1 nur noch 60 Cent betr¨agt, w¨ahrend sie f¨ur Spieler 2 nat¨urlich 1 $ = 100 Cent betr¨agt. Zusammen mit der Bedingung, dass beide Auszahlungen sich zu einem $ addieren m¨ussen, d.h. u1 + u2 = 1 folgt daraus unmittelbar, dass Spieler 1 die Auszahlung u1 = 37, 5 Cent erhalten sollte und dementsprechend f¨ur Spieler 2 eine Auszahlung von u2 = 62, 5 Cent resultiert. Die Spieler in der Versuchsreihe von Nydegger/Owen blieben jedoch durchweg bei der h¨alftigen Aufteilung – was ein klares Verdikt gegen die Kalai-Smorodinsky-L¨osung ist. In anderen Experimenten mit etwas anders gelagerten Verhandlungssituationen wurde jedoch auch ein anderes Resultat erzielt. Daher bleiben beide L¨osungskonzepte nach wie vor relevant und k¨onnen nebeneinander als jeweils sinnvolle – wenngleich nicht alternativlose – Prognose des Verhandlungsergebnisses Verwendung finden.

6.5Anwendungen

6.5.1Lohnverhandlungen I: Verteilung von Renten in einem endlichen Spiel

Das hier zu analysierende Verhandlungsspiel wird von Dixit/Nalebu (1997), ch. 11 beschrieben und ist eine sehr instruktive Anwendung des Prinzips der R¨uckw¨artsinduktion.

Die Situation ist folgende: Ein Ferienhotel r¨ustet sich f¨ur die Saison, die 101 Tage dauern m¨oge. Management und Personal sind aufeinander angewiesen, d.h. wenn sich beide nicht auf einen Lohn einigen, muss das Hotel geschlossen bleiben, k¨onnte aber auch im Extremfall erst am 101. Tag (f¨ur einen Tag) er¨o nen, wenn f¨ur diesen Tag eine Einigung erzielt wird, zuvor jedoch kein Ergebnis erreicht werden konnte.

Nach Abzug aller sonstigen Kosten wirft der Hotelbetrieb jeden Tag einen Betrag von E 1000 ab, der im Prinzip zwischen Management und Belegschaft

168

KAPITEL 6. VERHANDLUNGEN

geteilt werden kann.1 Außenoptionen haben weder das Management noch die Belegschaft, von Diskontierung wird hier abstrahiert. Abgesehen vom Lohn ist es der Belegschaft egal, ob sie arbeitet oder sich dabei langweilt, weiter auf eine Einigung zu warten. Am ersten Tag (aber so fr¨uh am Morgen, dass man danach noch f¨ur diesen Tag aufmachen kann) macht die Belegschaft (B) ein Angebot; das Management kann dieses akzeptieren, oder ablehnen. Wird das Angebot akzeptiert, kann die Saison losgehen. Falls nicht, macht M an Tag 2 ein Angebot, das nun B akzeptieren oder ablehnen kann, etc.. Diese Struktur ist in Abbildung 6.12 zu sehen, wobei s1 den in Periode 1 vorgeschlagenen Anteil an den t¨aglich erzielbaren Einnahmen in H¨ohe von E 1000 bezeichnet. Dieser Anteil w¨urde bei Akzeptanz die ganze Saison uber¨ angewandt werden. Relativ zur Analyse in Abschnitt 6.3.1 auf Seite 151 neu ist bei diesem Spiel, dass ein Betrag nicht einmalig ”auf dem Tisch” liegt, sondern jeden Tag neu anf¨allt, d.h. dass die insgesamt zur Verteilung anstehende Summe mit jedem Tag, den man sich fr¨uher einigt, um E 1000 steigt. Man kann dies jedoch als (wenngleich extreme Form) Diskontierung verstehen: Je sp¨ater man sich einigt, desto geringer ist der zu verteilende Kooperationsgewinn.

Abbildung 6.12: Lohnverhandlungen zwischen Belegschaft und Management

Auf welchen Lohn (pro Tag und Gesamtbelegschaft) wird man sich wann einigen? Die Antwort darauf gibt wie immer in solchen Situationen die Methode der R¨uckw¨artsinduktion.

Periode 101: Hier macht annahmegem¨aß B den Vorschlag. Es geht (noch) um E 1000 in dieser Periode, danach ist das Spiel f¨ur alle Beteiligten zu Ende. M wird also jeden Vorschlag akzeptieren, der zu nicht-negativen Auszahlungen f¨uhrt, daher ist

s101 = 1,

(6.16)

1Dass das am letzten Tag der Saison noch geht, wenn zuvor das Hotel die ganze Saison aufgrund der fehlenden Einigung lahmgelegt wurde, erscheint nicht besonders realistisch, wird hier aber der Einfachheit halber angenommen. Die beschriebene L¨osungsprozedur k¨onnte durchaus mit einem im Zeitablauf kleiner werdenden Erl¨os pro Tag umgehen.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]