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Spieltheorie_WS1213

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2.7. LOSUNGSKONZEPTE

Wenn Imamura ”S¨ud w¨ahlt”, antwortet Kenney mit ”S¨ud”.

Wenn Kenney ”Nord” w¨ahlt, ist Imamura indi erent zwischen ”Nord” und ”S¨ud”.

Wenn Kenney ”S¨ud” w¨ahlt, antwortet Imamura mit ”Nord”.

Daher ist {Nord, Nord} ein Nash-Gleichgewicht. In diesem Beispiel ist es sogar das einzige Nash-Gleichgewicht.

Anders verh¨alt sich die Situation in ”battle of the sexes”.

Wenn Peter ”Boxkampf” w¨ahlt, antwortet Petra mit ”Boxkampf”.

Wenn Peter ”Ballett” w¨ahlt, antwortet Petra mit ”Ballett”.

Wenn Petra ”Boxkampf” w¨ahlt, antwortet Peter mit ”Boxkampf”.

Wenn Petra ”Ballett” w¨ahlt, antwortet Peter mit ”Ballett”.

Also sind in diesem Beispiel sowohl {Boxkampf, Boxkampf} als auch {Ballett, Ballett} Nash-Gleichgewichte. Das hilft Petra und Peter nat¨urlich nicht weiter, denn sie wissen nun nach wie vor nicht, wie sie sich verhalten sollen. Ohne weitere Strukturierung der Situation kann die Spieltheorie den beiden auch nicht helfen, allerdings gibt es f¨ur die Auswahl zwischen jeweils gleich plausiblen Nash-Gleichgewichten ein weiteres, wenn auch sehr unscharfes Konzept, den sog. Fokus-Punkt. Dies ist ein Nash-Gleichgewicht, auf das sich aufgrund psychologischer oder anderer Faktoren die Erwartungen konzentrieren. Zur Illustration soll uber¨ die missliche Situation von Petra und Peter weiter spekuliert werden: Angenommen, beide wissen, dass der Boxkampf ein wirklich großes Ereignis ist, zu dem einige Tausend Zuschauer kommen, bei dem es einigermaßen laut und schummerig ist, mit anderen Worten: bei dem man sich leicht verfehlen kann. Ganz anders beim Ballett: Schon vor Beginn ist im Grunde klar, dass jeder zur Garderobe kommt und sp¨atestens in der Pause tri t man sich an der hell erleuchteten Champagnerbar. Unter diesen Umst¨anden sollte klar sein, dass unter den beiden Nash-Gleichgewichten {Ballett, Ballett} das ”plausiblere” ist und sich somit als Fokus-Punkt anbietet. Es braucht allerdings schon eine gewisse Kenntnis der Spieler voneinander und hinsichtlich der Situation: Wie viel weiß Peter uber¨ die Sitten und Gebr¨auche beim Ballett und was weiß Petra uber¨ Peters Wissen?

2.7.4Gemischte Strategien

Auch in relativ einfachen Spielsituationen kann es vorkommen, dass es kein Nash-Gleichgewicht, wie es in Abschnitt 2.7.3 definiert wurde, gibt. Allerdings war dort das Nash-Gleichgewichtskonzept so formuliert, dass im Gleichgewicht eine bestimmte Strategie gespielt werden musste.

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50 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

Abbildung 2.20: Das Dilemma des Samariters

Die erste Zahl gibt jeweils die Auszahlung f¨ur den Staat, die zweite f¨ur den Armen an.

Nun ist es denkbar, dass eine solche L¨osung nicht existiert, aber dennoch eine plausible L¨osung gefunden werden kann, in der Spieler eine wahrscheinlichkeitsgewichtete Kombination der zur Verf¨ugung stehenden Strategien w¨ahlen. Man spricht dann davon, dass die Spieler eine gemischte Strategie verfolgen und dass von der M¨oglichkeit, das zwar kein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien vorliegt, hingegen eines in gemischten Strategien.

Auch hier sei wieder ein Beispiel f¨ur die Illustration des Konzepts herangezogen, n¨amlich das Dilemma des Samariters.1 Dieses Spiel illustriert – wenn auch sehr holzschnittartig - ein grundlegendes Problem der Sozialpolitik, die ”den Armen” gerne helfen m¨ochte.

Nehmen wir folgende – nicht unrealistische – Konstellation an: Der Staat m¨ochte gerne einem Armen helfen, aber nur, wenn der auch bereit ist, zu arbeiten. Arbeitet der Arme (zu einem niedrigen Lohn bzw. in einem gemeinn¨utzigen Projekt), will der Staat dennoch helfen, um ein nicht weiter zu begr¨undendes Gerechtigkeitsziel zu verfolgen. Der Arme m¨ochte sich durchaus gerne helfen lassen, zieht es in dem Fall aber vor, gar nicht zu arbeiten. Eine denkbare Auszahlungsmatrix f¨ur dieses Spiel ist in Abbildung 2.20 zu sehen. Zun¨achst uberzeugen¨ wir uns davon, dass es hier kein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien gibt:

Spielt der Staat ”helfen”, antwortet der Arme mit ”nicht arbeiten”.

Spielt der Arme ”nicht arbeiten”, antwortet der Staat mit ”nicht helfen”.

Spielt der Staat ”nicht helfen”, antwortet der Arme mit ”arbeiten”.

Spielt der Arme ”arbeiten”, antwortet der Staat mit ”helfen”.

1Die Bezeichnung geht auf James Buchanan zur¨uck. Die Darstellung hier ist angelehnt an Rasmusen (2001), p. 67-68.

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2.7. LOSUNGSKONZEPTE

Es gibt also kein Strategienpaar, das die in Abschnitt 2.7.3 formulierten Anforderungen an ein Nash-Gleichgewicht erf¨ullt.

Dennoch k¨onnen wir etwas zu den gew¨ahlten Strategien der beiden Spieler sagen, wenn zugelassen wird, dass der Arme mit einer Wahrscheinlichkeit 0 < pa < 1 die Option ”arbeiten” und der Staat mit einer Wahrscheinlichkeit 0 < ph < 1 die Option ”helfen” w¨ahlen k¨onnen. ”Nicht arbeiten” und ”nicht helfen” werden dann einfach mit den jeweiligen Gegenwahrscheinlichkeiten gew¨ahlt.

In diesem Fall ist die erwartete Auszahlung des Staates E (WS ) wie folgt gegeben:

E(WS ) = ph · [pa · 3 + (1 − pa) · (−1)] + (1 − ph) · [pa · (−1) + (1 − pa) · 0]

=ph (5pa − 1) − pa

(2.18)

Die erste Zeile folgt sofort, wenn man die mit den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten gewichteten Auszahlungen f¨ur den Staat in den vier m¨oglichen Zust¨anden aufschreibt, die zweite Zeile folgt nach sehr einfachen Zusammenfassungen. Die Regierung kann nun versuchen, ihre erwartete Auszahlung zu maximieren, d.h. sie optimiert E (WS ) uber¨ die Wahrscheinlichkeit, Hilfe zu leisten, d.h. uber¨ ph. Dies f¨uhrt zu

∂E (WS )

= 5pa − 1 = 0 pa = 0, 2

(2.19)

 

∂ph

 

Die in 2.19 gefundene L¨osung ist insoweit ”merkw¨urdig” als die Zielfunktion der Regierung E (WS ) uber¨ deren Handlungsvariable ph optimiert wird, dann aber eine L¨osung f¨ur die Handlungsvariable des Gegenspielers, d.h. des Armen pa herauskommt. Dies ist wie folgt zu verstehen:

• Es wird zun¨achst einmal postuliert, dass es ein noch zu identifizierendes Gleichgewicht in gemischten Strategien gibt. Dieses Postulat erlaubt es zun¨achst einmal, uberhaupt¨ Wahrscheinlichkeiten f¨ur die eine oder andere Strategiewahl einzuf¨uhren und dar¨uber zu optimieren.

• Aus

∂E(WS )

= 5pa − 1 wird folgende Fallunterscheidung deutlich: F¨ur

 

 

∂ph

pa < 0, 2 ist ∂E(WS ) < 0, d.h. die Regierung stellt sich am besten, wenn

∂ph

sie dem Armen nie hilft, d.h. den niedrigstm¨oglichen Wert ph = 0 w¨ahlt. V¨ollig analog ist f¨ur pa > 0, 2 die Ableitung der Zielfunktion nach der

Handlungsvariablen ∂E(WS ) > 0. In diesem Fall wird also die Regierung

∂ph

immer den h¨ochstm¨oglichen Wert ph = 1 w¨ahlen.

Beide F¨alle sind o ensichtlich nicht Teil eines Gleichgewichts in gemischten Strategien. Anders gesagt: Die Regierung wird dann und nur dann eine gemischte Strategie spielen, wenn der Arme pa = 0, 2 w¨ahlt.

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52 KAPITEL 2. EINFUHRUNG: ELEMENTE DER SPIELTHEORIE

• Damit gibt (2.19) nicht an, welches das optimale Verhalten des optimierenden Agenten (hier: der Regierung) ist, wie dies ublicherweise¨ bei einem Optimierungskalk¨ul der Fall ist. Vielmehr zeigt (2.19), unter welcher Bedingung f¨ur das Verhalten des anderen Spielers eine gemischte Strategie f¨ur die Regierung uberhaupt¨ in Betracht kommt.

V¨ollig analog l¨asst sich die erwartete Auszahlung des Armen schreiben als

E (WA) = ph (pa · 2 + (1 − pa) · 3) + (1 − ph) (pa · 1 + (1 − pa) · 0)

(2.20)

= ph (−2pa + 3) + pa

Eine Optimierung dieser Auszahlung uber¨ pa liefert die folgende Bedingung erster Ordnung, die wie schon bei 2.19 ausf¨uhrlich erl¨autert eine Bedingung daf¨ur ist, dass der Arme eine gemischte Strategie spielt:

∂E (WA)

= −2ph + 1 = 0 ph = 0, 5

(2.21)

 

∂pa

 

Auch hier sei die Logik der Optimalbedingung genauer erl¨autert: F¨ur ph > 0, 5 - wenn also der Staat mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit hilft - ist

∂E(WA) < 0. Unter diesen Umst¨anden wird der Arme sicher nicht arbeiten, d.h.

∂pa

seine optimale Wahl besteht in pa = 0. Hilft der Staat mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,5 wird der Arme hingegen in jedem Fall arbeiten. ph = 0, 5 ist der einzige Wert, bei dem der Arme eine gemischte Strategie in Erw¨agung zieht, weil er letztlich indi erent zwischen den beiden Optionen ist.

Damit ist das Strategienpaar {”helfen” mit Wahrscheinlichkeit 0,5, ”arbeiten” mit Wahrscheinlichkeit 0,2} ein Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien. Man beachte, dass die Idee der wechselseitig optimalen Strategiewahl in der Definition aus Abschnitt 2.7.3 auf Seite 48 v¨ollig erhalten bleibt.

Kapitel 3

Nichtkooperative Spiele I: Statische Spiele mit ansonsten vollkommener Information

3.1Lernziele

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Kapitel 2 versuchte einen Uberblick uber¨ die wichtigsten Elemente und Konzepte in der Spieltheorie zu geben. Die folgenden drei Kapitel befassen sich nun detaillierter mit verschiedenen nichtkooperativen Spielsituationen.

Eine Klassifikation kann dabei aufgrund aller in Abschnitt 2.3 genannten Charakteristika vorgenommen werden. Besonders hilfreich ist dabei jedoch zun¨achst die Trennung zwischen statischen und dynamischen Spielen, d.h. zwischen Spielen, in denen die beteiligten Spieler ihre Entscheidungen simultan f¨allen und solchen, in denen es eine vorgegebene logische Sequenz der einzelnen Entscheidungen gibt. Eine weitere n¨utzliche Kategorisierung betri t die unterstellte Informationslage der Akteure, d.h. die Trennung zwischen Spielen mit vollkommener und unvollkommener Information. Bislang wurde ”vollkommene Information” etwas lose so definiert, dass alle Spieler bei ihrer Entscheidung uber¨ alle relevanten Umst¨ande Bescheid wissen. Bei statischen Spielen ist dies per definitionem nicht der Fall, da bei simultanen Entscheidungen nicht klar ist, welche Entscheidungen von den Mitspielern getro en werden; dar¨uber k¨onnen allenfalls Erwartungen gebildet werden. Im Gegensatz dazu weiß man bspw. bei Schach uber¨ alle vorhergehenden Z¨uge des Gegners perfekt Bescheid. Daher ist in der Kapitel¨uberschrift von ”ansonsten vollkommener Information” die Rede. H¨aufig wird dieser vielleicht etwas subtile Punkt auch in der Lehrbuchliteratur vernachl¨assigt, d.h. man spricht oft auch von statischen Spielen bei vollkommener Information.

Abbildung 3.1 auf der n¨achsten Seite zeigt die sich aus den genannten Kategorisierungen ergebenden Konstellationen der nicht-kooperativen Spieltheorie. In diesem Kapitel wird nun zun¨achst der einfachste Fall behandelt, die Theorie

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KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

Information

vollkommen unvollkommen

statisch

Kapitel 3

(…)

Zeitbezug

 

 

dynamisch

Kapitel 4

Kapitel 5

Systematik der nichtkooperativen Spieltheorie

Abbildung 3.1: Systematik der nichtkooperativen Spieltheorie

statischer Spiele bei ansonsten vollkommener Information.

Wie bereits eingef¨uhrt, bezieht sich das Adjektiv ”statisch” auf die Eigenschaft, dass die Spieler ihre Z¨uge simultan machen, d.h. es keine eindeutig fixierte Reihenfolge gibt. Dabei ist es nicht wirklich wichtig, ob bzw. dass die Z¨uge zeitgleich erfolgen, es ist lediglich wichtig, dass die Spieler bei ihrer Entscheidung die Entscheidungen der Mitspieler noch nicht kennen und diese allenfalls aus der Kenntnis des gesamten Spiels heraus antizipieren k¨onnen. Da somit die zeitliche Abfolge keine Rolle spielt, werden statische Spiele auch Normalformspiele genannt, da die zus¨atzliche Information, die die extensive Form gegen¨uber der Normalform beinhaltet, o ensichtlich unerheblich ist.

Die konkreten Lernziele in diesem Kapitel sind die Folgenden:

Zun¨achst wird in Abschnitt 3.2 auf der n¨achsten Seite eine genauere Begri ichkeit f¨ur die Charakterisierung von Information in Spielen entwickelt, die dazu dient diverse Arten von Informationsunvollkommenheiten zu unterscheiden.

Dann wird eine Klasse von Spielsituationen eingef¨uhrt, die als Gefangenendilemma bekannt ist; hier wird insb. gezeigt, dass Rationalverhalten selbst in sehr ubersichtlichen¨ Situationen zu ine zienten Ergebnissen f¨uhren kann. Von besonderer Bedeutung in diesem Abschnitt 3.3 auf Seite 59 ist die Erkenntnis, dass solche Situationen auch im Kontext zahlreicher ¨okonomischer Problemstellungen von großer Bedeutung sind.

Als n¨achstes wird in Abschnitt 3.4 auf Seite 64 gezeigt, wie eine strategische Interaktion auch dann gel¨ost werden kann, wenn keiner der Spieler eine dominante Strategie hat und auch ein Nash-Gleichgewicht in einer der zur Verf¨ugung stehenden Strategien nicht existiert. Wie bereits in Kapitel 2 eingef¨uhrt, kann es dann Nash-Gleichgewichte in gemischten Strategien geben.

3.2. INFORMATION IN SPIELEN

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Viele Situationen lassen sich nicht in den bisher eingef¨uhrten sehr uber¨- sichtlichen Normalformen darstellen, da es oft sehr viele verschiedene Strategien geben kann; insb. kann eine einzige Strategievariable stetig variiert werden – was bereits unendlich viele Strategien darstellt. Abschnitt 3.5 auf Seite 68 behandelt die L¨osung von Spielen mit vielen Strategien.

Eher theoretischer Natur ist Abschnitt 3.6 auf Seite 69, in dem kurz auf die Bedingungen eingegangen wird, unter denen eine Spielsituation uber¨ ein Nash-Gleichgewicht haben kann. Es geht hier also um die Existenz von Nash-Gleichgewichten.

Abschnitt 3.7 auf Seite 70 bietet schließlich vier verschiedene Anwendungen f¨ur die Charakterisierung der L¨osung statischer Spiele ohne weitere Informationsunvollkommenheiten. Hier wird bereits deutlich, wie groß das Anwendungsgebiet der Spieltheorie ist. Aus der Markttheorie werden dabei zun¨achst die zwei klassischen Oligopolmodelle (Cournot und Betrand) besprochen. Ein Klassiker der Finanzwissenschaft ist das Allmende-Problem und schließlich wird mit dem Barro-Gordon-Modell eine sehr einfache Modellierung der Geldpolitik als Interaktion zwischen geldpolitischen Akteuren und dem privaten Sektor vorgestellt.

3.2Information in Spielen

”If half of strategic thinking is predicting what the other player will do, the other half is figuring out what he knows.” (Rasmusen, 2001, p. 38)

In Abschnitt 2.6.1 auf Seite 38 wurde bereits die Unterscheidung von Spielen mit unvollkommener bzw. vollkommener Information kurz angesprochen. In diesem Abschnitt wird dieser Aspekt weiter vertieft bzw. pr¨azisiert.1

3.2.1Perfekte Information und common knowledge

In Abschnitt 1.5.1 lernten wir ”battle of the sexes” kennen, in dem Peter und Petra bei ihrer Entscheidung jeweils nicht wussten, was der/die jeweils andere tun w¨urde. In der Darstellung der extensiven Form war dies darstellbar durch die Unsicherheit dar¨uber, an welchem Knoten des Spiels man sich gerade befindet (vgl. Abbildung 2.16 auf Seite 41). Ebenfalls war klar, dass das Ergebnis eines Spiels stark von dem jeweils unterstellten Informationsstand der Spieler abh¨angt bzw. abh¨angen kann.

1Dieser Abschnitt basiert zu einem großen Teil auf Rasmusen 2001, ch. 2

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KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

Peter

Petra

 

.

 

Boxk

.

C Ballett

Boxk

A

.

Ballett

B Boxk

 

 

Ballett

(2,1)

(0,0)

(0,0)

(1,2)

Abbildung 3.2: Die Informationsmengen bei battle of the sexes

Diese Art der Informationsunvollkommenheit soll nun pr¨aziser gefasst werden durch die folgende

Definition: Die Informationsmenge des Spielers i an einem bestimmten Punkt eines Spiels besteht in der Menge aller Knoten, an denen sich der Spieler befinden k¨onnte, zwischen denen er aber nicht unterscheiden kann.

Abbildung 3.2 macht dies anhand der Informationsmenge bei ”battle of the sexes” klar. Es gen¨ugt dabei, auf eine der Varianten in Abbildung 2.16 auf Seite 41 abzustellen.

Bei der Entscheidung von Petra in Stufe 2, kann sie nicht unterscheiden, ob sie sich in Knoten B oder C befindet. Ihre Informationsmenge bei dieser Entscheidung ist also gegeben durch {B, C}. Da in dieser Menge mehr als ein Element steht, spricht man von unvollkommener Information. W¨usste sie Bescheid, d.h. h¨atte Peter vorher angerufen und gesagt, ob er Ballettoder Boxkampfkarten besorgt hat, w¨are die Informationsmenge von Petra gegeben entweder durch {B} oder durch {C}.

Es klingt vielleicht etwas paradox, ist aber o ensichtlich, dass die Information um so unvollkommener ist, je mehr Elemente in der Informationsmenge enthalten sind. Diese sprachliche Paradoxie wird vermieden, wenn man von den eingekreisten Knoten, die die Informationsmenge darstellen als Wolke spricht.

Mit dem Konzept der Informationsmenge k¨onnen wir nun eine klare Definition eines Spiels mit vollkommener bzw. unvollkommener Information geben:

Definition: In einem Spiel mit vollkommener Information (perfect information) bestehen alle Informationsmengen aus nur einem Element. Sobald eine Informationsmenge im Verlauf eines Spiels mehr als ein Element aufweist, spricht man von einem Spiel mit unvollkommener Information (imperfect information).

”Alle Informationsmengen” bezieht sich dabei auf alle Entscheidungsknoten, in denen sich jeder Spieler im Verlauf eines Spiels befinden kann.

Das Konzept der Informationsmenge bezieht sich zwar auf den Wissensstand alle Spieler, charakterisiert aber nur jeweils den Informationsstand eines

3.2. INFORMATION IN SPIELEN

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Spielers. Damit ist noch nichts dar¨uber ausgesagt, was jeweils ein Spieler

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uber¨ den Informationsstand der anderen Spieler weiß. Ublicherweise wird davon ausgegangen, dass jeder Spieler uber¨ die Informationsmengen der anderen Spieler informiert ist und dass alle wissen, dass dies jeder weiß. Hier schließt sich ein im Prinzip infiniter Regress an, da man auch davon ausgehen muss, dass alle wissen, dass alle wissen, dass jeder alles weiß. . . .

Wenn dieses Merkmal vorliegt, spricht man von common knowledge (gemeinsames Wissen). Es wird immer unterstellt, dass die Spielregeln eines Spiels common knowledge sind. Desgleichen wird in fast allen Zweigen der Spieltheorie als common knowledge unterstellt, dass sich alle Spieler rational verhalten.

3.2.2Sicherheit, Vollst¨andigkeit und Symmetrie von Informationen

Die h¨ochste Anforderung, die an die Informationsausstattung der Spieler gestellt werden kann, ist die Eigenschaft der Vollkommenheit der Information, wie sie im letzten Abschnitt definiert wurde. Unter dieser Annahme weiß jeder Spieler bei seiner Entscheidung vollkommen Bescheid uber¨ die Entscheidungssituation und die Konsequenzen der verschiedenen Optionen. Unvollkommene Information kann jedoch noch weiter konkretisiert bzw. charakterisiert werden, was in der Literatur anhand von drei Begri spaaren geschieht.

Sicherheit vs. Unsicherheit

Definition: Ein Spiel ist ein Spiel mit Unsicherheit, wenn an mindestens einer Stelle des Spiels die ”Natur” als Pseudospieler einen Zug macht, nachdem ein Spieler seine Entscheidung getro en hat. Ist dies an keiner Stelle des Spiels der Fall, spricht man von einem Spiel mit Sicherheit.

Diese Kategorisierung bringt zum Ausdruck, dass es h¨aufig Situationen gibt, in denen man sich f¨ur eine bestimmte Handlung entscheiden kann, deren Konsequenzen aber nicht v¨ollig absehbar sind. Beispiel: Die geldpolitischen Entscheidungstr¨ager k¨onnen uber¨ den Zustand einer Volkswirtschaft und die Reaktionen der sie interessierenden Gr¨oßen auf eine Zins¨anderung durchaus genau Bescheid wissen. Insofern es aber nach der Setzung des geldpolitischen Aktionsparameters (Zins) zu einem Nachfrageoder Angebotsschock kommt, ist das makro¨okonomische Ergebnis von der Geldpolitik nicht exakt steuerund vorhersehbar. Hier liegt also eine Situation mit Unsicherheit vor.

Genau f¨ur diese Situation ist die Evaluation des erwarteten Ergebnisses mit Hilfe einer Erwartungsnutzenfunktion (von Neumann-Morgenstern-Funktion) notwendig.

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KAPITEL 3. NICHTKOOPERATIVE SPIELE I

Vollst¨andigkeit vs. Unvollst¨andigkeit der Information

Definition: Unvollst¨andige Information in einem Spiel liegt vor, wenn die ”Natur” als Pseudospieler vor der ersten Entscheidung eines Spielers einen Zug macht und dieser von mindestens einem Spieler nicht beobachtet werden kann.

Dies ist ein Spezialfall unvollkommener Information, da hier zu Beginn des Spiels mindestens ein Spieler nicht weiß, in welchem Knoten er sich befindet. Man kann daher auch sagen, dass es sich um ein Spiel mit nicht vollst¨andig bekannter Ausgangslage handelt. Um wieder das Beispiel der Geldpolitik zu bem¨uhen, w¨are dies der Fall, wenn die Geldpolitik bei ihrer Zinsentscheidung nicht genau einsch¨atzen kann, in welchem Zustand sich die Volkswirtschaft befindet.1 Ein Spiel kann durchaus vollst¨andige, aber nicht vollkommene Information haben (aber nicht umgekehrt). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn an irgendeinem Punkt eines Spiels Spieler simultan ziehen m¨ussen. Dann wissen die Spieler nicht, in welchem Knoten sie sich befinden – die Information ist also unvollkommen, es gibt aber keine Unklarheit uber¨ die Ausgangslage des Spiels – die Information daher vollst¨andig.

Symmetrische vs. asymmetrische Informationen

Eine letzte Kategorisierung der vorliegenden Information bezieht sich auf deren Aufteilung auf die Spieler.

Definition: In einem Spiel sind die Informationen symmetrisch verteilt, wenn in jedem Knoten, an dem ein Spieler eine Entscheidung zu tre en hat, dieser mindestens die gleiche Informationsmenge hat, wie alle anderen Spieler auch. Dar¨uber hinaus muss gew¨ahrleistet sein, dass am Endknoten alle Spieler den gleichen Informationsstand haben. Andernfalls liegt ein Spiel mit asymmetrisch verteilter Information vor.

Diese Unterscheidung ist in der Praxis sehr wichtig, da Informationsvorspr¨unge einzelner Spieler plausiblerweise das Spielergebnis massiv beeinflussen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass einige Spieler private information haben.

Ein Beispiel f¨ur ein Spiel mit asymmetrischer Information ist der bekannte market for lemons (Akerlof 1970). Hier geht es darum, dass uber¨ gebrauchte Autos (die, wenn sie schlecht sind, als ”lemons” bezeichnet werden - was man im Deutschen als ”Montagsauto” ubersetzen¨ kann) die Vorbesitzer systematisch besser informiert sind als potentielle K¨aufer. Da die potentiellen K¨aufer dies nat¨urlich antizipieren, ist es m¨oglich, dass dieser Markt aufgrund dieser Informationsasymmetrie zusammenbricht.

1Dies ist schon allein deshalb eine sehr realistische Annahme, weil die relevanten makro¨okonomischen Daten nur mit einer mehr oder weniger großen Zeitverz¨ogerung gemessen werden k¨onnen. Selbst wenn bereits erste Ergebnisse bspw. des BIP mit ca. einem Quartal Verz¨ogerung vorliegen, unterliegen diese in der Folge noch teilweise substantiellen Revisionen.

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