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Spieltheorie_WS1213

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8.2. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE

209

12 C mit

vrD (C) = 2 C mit1 C mit

|C| = 3

|C| = 2 . (8.6)

|C| = 1

Nat¨urlich m¨ussen die drei Kriterien (m, d, rD) nicht notwendigerweise zu unterschiedlichen charakteristischen Funktionen f¨uhren. Man spricht von orthogonalen Koalitionen, wenn das Kriterium in der Tat keine Rolle f¨ur die Gestalt der charakteristischen Funktion spielt.

Hinsichtlich der Beurteilung des Kooperationspotentials ist die Eigenschaft der Superadditivit¨at der charakteristischen Funktion von Bedeutung. F¨ur zwei sich nicht uberschneidende¨ Koalitionen C1 und C2 liegt diese Eigenschaft vor, wenn ein Zusammengehen dieser beiden Koalition zu mindestens dem gleichen Ergebnis f¨uhrt wie eine getrennte Optimierung. Formal ausgedr¨uckt ist also eine charakteristische Funktion superadditiv, wenn f¨ur C1 ∩C2 = immer gilt, dass v (C1 C2) ≥ v (C1) + v (C2). Eine nach dem Minimax-Kriterium ermittelte charakteristische Funktion weist diese Eigenschaft immer auf, f¨ur die beiden anderen benutzten Kriterien ist dies nicht notwendigerweise der Fall.

8.2.4Der Shapley-Shubik-Index

Viele Verhandlungsund auch Abstimmungssituationen finden statt in einem Kontext, in dem nicht jeder alles machen kann – oder in dem eine gewisse ”Ordnung” im Verhalten der Mitglieder zumindest nicht unplausibel ist. Als Beispiel daf¨ur sei das Abstimmungsverhalten im Bundestag genannt. Bei den meisten Abstimmungen verhalten sich hier die Abgeordneten einer Fraktion aufgrund von Fraktionssolidarit¨at bzw. Fraktionsdisziplin1 einheitlich. Nun kann man sich Koalitionen innerhalb der vier Fraktionen vorstellen und sich die Frage stellen, wie m¨achtig eine bestimmte Fraktion ist. Ein erstes und auf der Hand liegendes Maß daf¨ur w¨are nat¨urlich einfach die (relative) Fraktionsst¨arke heranzuziehen. Tabelle 8.7 auf der n¨achsten Seite beinhaltet die Daten f¨ur Anfang 20052 – die beiden letzten Zeilen werden noch erkl¨art werden.

Es ergibt sich das nat¨urlich bekante Bild von zwei ¨ahnlich großen Fraktionen, die aber ohne Koalition keine eigene (einfache) Mehrheit zustande bringen. Dar¨uber hinaus gibt es zwei deutlich kleinere Fraktionen, die aber

1Ein formaler Fraktionszwang ist in Deutschland aufgrund von Art. 38 (1) GG nicht verfassungsgem¨aß. Dort heißt es: ”Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gew¨ahlt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Auftr¨age und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.”

2Es gab zu diesem Zeitpunkt drei fraktionslose Abgeordnete im Deutschen Bundestag, n¨amlich zwei Abgeordnete der PDS sowie der von der CDU/CSU-Fraktion aufgrund mangelnden Geschichtsverst¨andnisses ausgeschlossene Abgeordnete Martin Hohmann. Diese werden aus der folgenden Analyse aus Vereinfachungsgr¨unden ausgeschlossen, d.h. der Bundestag ”schrumpft” auf die 598 Abgeordneten mit Fraktionszugeh¨rigkeit.

210

 

KAPITEL 8. KOALITIONSSPIELE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

SPD

CDU/CSU

B90/Die Gr¨unen

FDP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anzahl Abgeordnete

249

247

55

47

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Relative Fraktionsst¨arke

41,639

41,304

9,197

7,860

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ShapShu I

1/3

1/3

1/3

0

 

 

ShapShu II

1/2

1/2

0

0

 

Tabelle 8.7: Wie m¨achtig sind die einzelnen Fraktionen im Dt. Bundestag?

untereinander nicht dramatisch unterschiedlich sind - oder jedenfalls nicht zu sein scheinen.

Denn die Fraktionsst¨arke an sich sagt noch nichts direkt aus f¨ur die Macht einer Fraktion bei einer konkreten Abstimmung. Daf¨ur ist es notwendig zu kl¨aren, ob sie in irgendeiner denkbaren Koalition das entscheidende Z¨unglein auf der Waage sein, d.h. eine pivotale Rolle spielen kann. Da von vorneherein keine Koalition ausgeschlossen werden soll, werden einfach alle denkbaren Konstellationen durchgespielt. Dies geschieht wie folgt:

Man ordnet alle Fraktionen in allen denkbaren Konstellationen an. Bei I Fraktionen ergibt dies I! M¨oglichkeiten, dies zu tun.

Man geht all diese M¨oglichkeiten durch und fragt jeweils, welche Fraktion die pivotale Rolle spielt, d.h. die f¨ur die Erreichung einer Mehrheit notwendige Stimme beibringt.

Anschließend wird gefragt, in welchem Anteil der I! M¨oglichkeiten, eine Fraktion die pivotale Rolle spielt. Diese Zahl wird als Shapley-Shubik- Index bezeichnet.

Es leuchtet sofort ein, dass im zweiten der gerade genannten Schritte die konkrete Abstimmungsregel von entscheidender Bedeutung ist. In der nachfolgenden Analyse werden hier zwei wichtige Spezialf¨alle untersucht, n¨amlich zum einen die ubliche¨ Mehrheitsentscheidung, bei der es mehr als 50% der Stimmen braucht und zum anderen die 2/3-Mehrheitsentscheidung, die es in Deutschland f¨ur Verfassungs¨anderungen braucht.

Die vier Fraktionen lassen sich auf 4! = 24 verschiedene Weisen anordnen. Bei 598 Mitgliedern ist die einfache Mehrheit erreicht, wenn das 300. Mitglied erreicht ist. Die Fraktion, die diesen Abgeordneten in ihren Reihen hat, ist also die pivotale Fraktion. F¨ur eine 2/3-Mehrheit spielt der 399. Abgeordnete diese Rolle. In der nachfolgenden Tabelle 8.8 auf Seite 212 werden alle Konstellationen gezeigt. Die Konstruktion der ersten Konstellation (1-2-3-4) wird hier n¨aher erl¨autert: Wenn zun¨achst Fraktion 1 ihre 249 Stimmen abgibt und logisch ”danach” Fraktion 2 ihre 247, so verf¨ugt letztere sowohl uber¨ die 300. als auch uber¨ die 399. Stimme und ist damit sowohl bei Entscheidungen mit

8.2. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE

211

einfacher Mehrheit als auch bei Entscheidungen, die eine 2/3-Mehrheit erfordern pivotal. Dasselbe gilt nat¨urlich auch f¨ur die n¨achste Konstellation, da es ja auf die Reihenfolge der Fraktionen 3 und 4 in diesem Fall nicht ankommt.

Das Ergebnis der Analyse ist zumindest auf den ersten Blick uberraschend:¨ Obwohl Fraktion 3 sehr viel kleiner ist als die Fraktionen 1 und 2 ist sie bei Abstimmungen mit einfacher Mehrheit gleich m¨achtig wie die großen. Die Intuition daf¨ur ist recht einfach: Die kann als Mehrheitsbescha erin f¨ur zwei andere Fraktionen dienen – und genau das gleiche gilt auch f¨ur diese gr¨oßeren. Im Gegensatz dazu wird der Fraktion 4 ein Shapley-Shubik-Index von Null zugeordnet, weil sie in keiner denkbaren Zweier-Koalition f¨ur die Mehrheit sorgen kann und es sie in keiner denkbaren Dreier-Koalition, in der sie Mitglied sein k¨onnte (das sind die Koalitionen {1, 2, 4}, {2, 3, 4} und {1, 3, 4}) f¨ur die Mehrheit braucht.

F¨ur Entscheidungen mit die 2/3-Mehrheit ¨andert sich das Bild deutlich: Hier teilen sich die beiden großen Fraktionen 1 und 2 die Macht untereinander auf, weil ihre gemeinsame Mitwirkung immer sowohl notwendig als auch hinreichend ist. Der kleine Gr¨oßenunterschied spielt keinerlei Rolle, da es f¨ur keine Fraktion ohne die jeweils andere geht.

Die beiden unteren Zeilen in Tabelle 8.7 auf der vorherigen Seite zeigen die Shapley-Indices f¨ur die vier Fraktionen und machen noch einmal den zentralen Punkt deutlich, dass n¨amlich ein einfacher Blick auf die Stimmenanteile keineswegs hinreichend ist, um die wahre Abstimmungsst¨arke einer Fraktion beurteilen zu k¨onnen.

Die Konstruktion des Shapley-Shubik-Index kann auch formal nachvollzogen werden. Er errechnet sich f¨ur einen Spieler i I wie folgt:

Shapley-Shubik-Indexi =

X

(

|C| − 1)! (I − |C|)!

 

 

I!

 

C {1, . . . , I} i C

 

 

 

i ist pivotal

 

 

(8.7) Dabei bezeichnet |C| die Anzahl der Mitglieder in einer Koalition C. (8.7) bedarf sicherlich der Erl¨auterung. Im Gegensatz zur Konstruktion ”zu Fuß” in Tabelle 8.8 auf der n¨achsten Seite wird nicht uber¨ alle I! Permutationen der Spieler summiert, sondern ”nur” uber¨ die Teilmenge der aus den I Spielern denkbaren Koalitionen, in denen Spieler i Mitglied ist. Dar¨uber hinaus werden nur diejenigen Koalitionen ber¨ucksichtigt, in denen i eine pivotale Rolle spielen kann. In einer großen Koalition kann kein einzelnes Mitglied pivotal sein, daher wurde diese bei der Summierung in (8.7) außen vor gelassen.1 Der Ausdruck im Summenzeichen ist ”einfach” die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, dass i das pivotale Mitglied auch wirklich stellt – so ist es ja beispielsweise bei der

1Es m¨usste sonst in der Summierungsbedingung C {1, . . . , I} heißen.

212

KAPITEL 8. KOALITIONSSPIELE

 

Einfache Mehrheit

 

 

2/3-Mehrheit

 

 

Pivotstimme: Nr. 300

Pivotstimme: Nr. 399

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Permutation

1(249)

2(247)

3(55)

 

4(47)

1(249)

2(247)

3(55)

4(47)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1-2-3-4

 

 

 

 

 

 

 

1-2-4-3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1-3-2-4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1-3-4-2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1-4-2-3

 

 

 

 

 

 

 

1-4-3-2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2-1-3-4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2-1-4-3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2-3-1-4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2-3-4-1

 

 

 

 

 

 

 

2-4-1-3

 

 

 

 

 

 

 

2-4-3-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3-1-2-4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3-1-4-2

 

 

 

 

 

 

 

3-2-1-4

 

 

 

 

 

 

 

3-2-4-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3-4-1-2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3-4-2-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4-1-2-3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4-1-3-2

 

 

 

 

 

 

 

4-2-1-3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4-2-3-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4-3-1-2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4-3-2-1

 

 

 

 

 

 

 

Summe:

8

8

8

 

0

12

12

0

0

ShapShu

1/3

1/3

1/3

 

0

0,5

0,5

0

0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tabelle 8.8: Die Ermittlung des Shapley-Shubik-Index f¨ur die Fraktionen des Dt. Bundestags

¨

¨

213

8.3. LOSUNGSKONZEPTE FUR KOALITIONSSPIELE

Koalition {1, 2} gleich wahrscheinlich, 1 bzw. 2 pivotal sind. Dies soll kurz erl¨autert werden: Der Ausdruck (|C| − 1)! gibt die Zahl der m¨oglichen Permutationen der aus Sicht von i anderen Koalitionsmitgliedern an, (I − |C|)! die Zahl der Permutationen, die mit Spielern außerhalb von C vorgenommen werden k¨onnen. Das Produkt – also der Z¨ahler des Summanden – gibt damit die Zahl der Permutationen an, in denen i pivotales Mitglied von C ist. Wird dies durch die Gesamtzahl aller denkbaren Permutationen I! dividiert, erh¨alt man die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, dass i als pivotales Mitglied von C die Abstimmung letztlich entscheiden kann.

Die Anwendung von (8.7) illustriert das relativ zur Betrachtung jeder einzelnen Permutation enorme Vereinfachungspotential der Berechnung. F¨ur den Shapley-Shubik-Index der Fraktion 1 bei Abstimmungen mit 50%-Mehrheiten kann man sich n¨amlich sehr schnell das folgende klar machen:

Pivotal kann 1 nur in Zweierund Dreier-Koalitionen sein. In der EinerKoalition {1} kann keine Mehrheit erreicht werden, in der großen Koalition braucht es 1 nicht f¨ur das Erreichen einer Mehrheit.

1 ist Mitglied in drei Zweier-Koalitionen und kann in allen zweien davon pivotal sein, n¨amlich in allen außer in der Koalition mit 4.

1 ist ebenfalls Mitglied in drei Dreier-Koalitionen, allerdings nicht potentiell pivotal in der Koalition mit 2 und 3, da diese beiden eine eigene Mehrheit zustande bringen werden.

Daraus folgt, dass die relevanten Koalitionen, die die Summationsbedingung f¨ur 1 erf¨ullen die folgenden sind: {1, 2}, {1, 3}, {1, 2, 4}, {1, 2, 4}.

Damit l¨asst sich (8.7) wie folgt anwenden:

Shapley-Shubik-Index1 =

(2 − 1)! (4 − 2)!

· 2 +

(3 − 1)! (4 − 3)!

· 2(8.8)

 

 

4!

 

2

4!

1

 

 

 

=

· 4 =

,

 

 

 

24

3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

was nat¨urlich dem Ergebnis aus Tabelle 8.8 auf der vorherigen Seite entspricht.

8.3L¨osungskonzepte f¨ur Koalitionsspiele

¨

Die bisherigen Uberlegungen konnten nicht – oder jedenfalls nicht unmittelbar

– daf¨ur herangezogen werden, eine L¨osung f¨ur eine kooperative Verhandlungssituation mit der M¨oglichkeit von Koalitionsbildungen anzugeben oder auch

214

KAPITEL 8. KOALITIONSSPIELE

nur einzugrenzen, wie dies im Kontext ohne Koalitionsbildungen mit der Nashoder der Kalai-Smorodinsky-L¨osung erfolgte.

Die Literatur uber¨ kooperative Koalitionsspiele hat eine große Zahl unterschiedlicher L¨osungskonzepte erarbeitet, die alle jeweils plausible, aber eben nicht alternativlose Anforderungen an die L¨osung stellen. Dies ist insofern eine ”unsch¨one” Situation als eine eindeutige L¨osung in einem solchen Kontext sehr h¨aufig nicht gegeben werden kann. Allerdings traf dies ja selbst f¨ur Situationen zu, in denen es ausschließlich um individuelle Rationalentscheidungen ging und

¨

Uberlegungen einer Gruppenrationalit¨at keinerlei Rolle spielten.

Neben der Tatsache, dass es mehrere L¨osungskonzepte gibt, liefern auch nicht alle L¨osungskonzepte ein eindeutiges Ergebnis. Einige Konzepte grenzen n¨amlich nur einen Bereich ab, in dem die L¨osung liegen muss bzw. nicht liegen kann. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Bereichskonzept, oder synonym von einem Mengenansatz. Entscheidender Punkt ist, dass es keine L¨osungsfunktion gibt, d.h. eine ein-eindeutige Zuordnung von den Charakteristika der Situation zu den resultierenden Auszahlungen, sondern nur eine Korrespondenz. Es gibt allerdings auch sog. Wertkonzepte, die eine eindeutige L¨osung angeben.

Im Folgenden werden zwei Bereichskonzepte (Imputationsmenge sowie der Kern eines Spiels) und ein Wertkonzept (Shapley-Wert) n¨aher charakterisiert. Weitere Konzepte wie z.B. die Verhandlungsmenge, der Kernel und der Nucleolus eines Spiels werden hier nicht betrachtet. Es handelt sich dabei um weitere Verfeinerungen des Kerns.

8.3.1Imputationsmenge eines Spiels

Die Imputationsmenge eines Spiels besteht aus allen Auszahlungen, die den beiden Kriterien der individuellen Rationalit¨at und der Gruppenrationalit¨at(oder kollektive Rationalit¨at) gen¨ugen. Man kann dies alternativ auch so ausdr¨ucken, dass man von Allokationen in der Imputationsmenge verlangt, dass sie weder durch Einer-Koalitionen noch durch die große Koalition verworfen werden.

Formal: Eine Allokation ui ≡ {u1, . . . , uI } ist in der Imputationsmenge eines Spiels, wenn gilt, dass

P

ui = v ({I}) (Gruppenrationalit¨at)

i I

.

(8.9)

i :

ui ≥ v ({i}) (individuelle Rationalit¨at)

 

v ({I}) ist die Auszahlung, die die große Koalition f¨ur sich garantieren kann, die Auszahlungen in den Einer-Koalitionen sind durch die entsprechenden Werte der charakteristischen Funktion v ({i}) gegeben.

Man beachte, dass f¨ur eine Angabe der Imputationsmenge – wie auch f¨ur die anderen der nachfolgend diskutierten Konzepte – die charakteristische Funktion bekannt sein muss. Wie in Abschnitt 8.2.3 auf Seite 204 gesehen, k¨onnen

¨

¨

215

8.3. LOSUNGSKONZEPTE FUR KOALITIONSSPIELE

bereits hier unterschiedliche Kriterien angewandt werden, die auch zu unterschiedlichen charakteristischen Funktionen f¨uhren, wenn es sich nicht um orthogonale Koalitionen handelt.

F¨ur das 3-Personenspiel aus Tabelle 8.2 auf Seite 205 und die charakteristische Funktion vm (C), die mit Hilfe des Minimax-Kriteriums abgeleitet wurde, sei das Konzept sofort angewandt. Aus 8.4 ist klar, dass jeder Spieler f¨ur sich die Auszahlung 1 garantieren kann. Damit geh¨oren die Auszahlungen aus den Strategiekombinationen A, B, B sowie B, B, A und B, A, B nicht zur Imputationsmenge, da hier das Kriterium der individuellen Rationalit¨at verletzt w¨are. Das Kriterium der Gruppenrationalit¨at ist aber nur erf¨ullt bei der Strategiekombination A, A, A, so dass der damit verbundene Auszahlungsvektor einziges Element im Kern dieses Spiels ist.

Es ist auch denkbar, dass die Imputationsmenge gar keine L¨osung liefert, d.h. der leeren Menge entspricht. Dies ist der Fall, wenn in dem gleichen 3- Personenspiel aus Tabelle 8.2 auf Seite 205 f¨ur die Ableitung der charakteristischen Funktion unter der Hypothese defensiven Verhaltens f¨uhrt. In diesem Fall ist – wie aus 8.5 ersichtlich – v ({i}) = 5. Es gibt jedoch keine Strategiekombination, die diese (oder einen h¨ohere) Auszahlung f¨ur alle Spieler liefert. Damit w¨are vor dem Hintergrund dieser charakteristischen Funktion f¨ur jede denkbare Allokation das Kriterium der individuellen Rationalit¨at verletzt. Damit ist die Imputationsmenge in diesem Fall leer.

8.3.2Der Kern eines Spiels

Der Kern eines Spiels (englisch: core) verfeinert das Konzept der Imputationsmenge weiter, ist aber auch ein Bereichskonzept, d.h. kann mehrere L¨osungen beinhalten. Das Konzept verlangt von einer m¨oglichen L¨osung, dass es keine Koalition gibt, die diese L¨osung verwerfen kann bzw. ein Interesse daran hat. Wenn eine L¨osung von irgendeiner Koalition verworfen werden kann, so geh¨ort sie nicht zum Kern. Damit ist der Kern eine Teilmenge der Imputationsmenge. Wie im letzten Abschnitt gesehen, verlangte die Imputationsmenge ja, dass eine Allokation nicht von Einer-Koalition und auch nicht von der großen Koalition verworfen wird. Der Kern dehnt dieses Kriterium auf alle denkbaren Koalitionen aus.

Formal: Eine Allokation ui ≡ {u1, . . . , uI } ist im Kern eines Spiels, wenn gilt, dass

X

ui ≥ v (C) C I.

(8.10)

i C

(8.10) muss dabei von allen aus den I Spielern zu bildenden Koalitionen C erf¨ullt werden.

In dem Spiel aus Tabelle 8.2 ist nat¨urlich nur die Strategiekombination A, A, A bzw. die damit verbundene Allokation im Kern, da nur hier das bereits

216

KAPITEL 8. KOALITIONSSPIELE

von der Imputationsmenge verlangte Kriterium der Gruppenrationalit¨at erf¨ullt wird.

Ein sehr wichtiger Anwendungsbereich des Kerns betri t das allgemeine

¨

Tauschgleichgewicht in einer Wettbewerbs-Okonomie. Hier zeigte F.Y. Edgeworth schon Ende des 19. Jahrhunderts, dass der Preismechanismus daf¨ur sorgt, dass Allokationen entlang einer Kontraktkurve gefunden werden. Da diese sowohl individuell als auch f¨ur die gesamte Gruppe bzw. irgendeine denkbare Koalition rational sind, entspricht die Kontraktkurve dem Kern einer Tausch¨okonomie. Allerdings sind die ublichen¨ Darstellungen mit 2 G¨utern (die es mindestens braucht, damit etwas getauscht werden kann) und 2 Personen (die es f¨ur einen Tausch nat¨urlich auch wenigstens braucht) nicht dazu geeignet, Koalitions¨uberlegungen in einem Mehr-Personen-Kontext anzustellen.

8.3.3Der Shapley-Wert eines Spiels

Der Shapley-Wert eines Spiels ist eine im Grunde sehr nahe liegende Erweiterung bzw. Verallgemeinerung des Shapley-Shubik-Machtindexes und ist in der Lage, eine einwertige L¨osung eines kooperativen Koalitionsspiels zu generieren. Dabei wird jedem Spieler eine eindeutige Auszahlung aus dem Spiel zugeordnet. Das Konzept baut genau wie die Nash-Verhandlungsl¨osung auf einigen plausiblen, aber wiederum nicht vollkommen alternativlosen Axiomen auf. Daher gibt es auch im Bereich der Wertkonzepte eine Vielzahl alternativer Konzepte.

Der Shapley-Wert eines Koalitionsspiels ist definiert als

Shapley-Werti =

 

X

(|C| − 1)! (I − |C|)!

· [v (C) − v (C ohne {i})]

{1

I!

 

 

C

 

,...,I} i C

 

 

 

 

(8.11) In der eckigen Klammer steht der Nutzenzuwachs f¨ur eine Koalition C durch den Beitritt von i erf¨ahrt. Dieser Zuwachs ist nat¨urlich nur dann von Null verschieden, wenn i eine pivotale Rolle spielt. Insofern kann die Summierungsbedingung des Shapley-Shubik-Index ”i ist pivotal” hier vernachl¨assigt werden. Wie bereits im Zusammenhang mit diesem Index ausf¨uhrlich erl¨autert, gibt der Bruch vor der eckigen Klammer die Wahrscheinlichkeit an, mit der i wirklich die pivotale Rolle innehat. Der Nutzenzuwachs durch i kann hier jeden beliebigen Wert betragen, w¨ahrend bei der Berechnung des Shapley-Shubik- Index dieser Wert auf 1 normiert wurde. Die Interpretation des Shapley-Wertes ist unmittelbar einleuchtend: Eine Spieler i erh¨alt einen Betrag, der sich aus dem von ihm zu leistenden marginalen Beitrag zu jeder denkbaren Koalition ergibt. Wie bereits gesehen, kann dieser Wert trotz positiver Stimmanteile Null sein und h¨angt auch davon ab, ob einer bestimmte Abstimmungsregel

Anwendung findet bzw. wie genau diese ausgestaltet ist.

8.4. WEITERE BEI-(SPIELE)

217

8.4Weitere Bei-(Spiele)

In diesem Abschnitt werden zwei weitere Spiele besprochen, deren Eigenschaften aufschlussreich f¨ur die in diesem Kapitel eingef¨uhrten Konzepte sind.

Verteilungsspiele

Im Folgenden werden drei Varianten eines einfachen Verteilungsspiels eingef¨uhrt, in dem es darum geht, eine Summe von 300 (Geldeinheiten) auf drei Personen zu verteilen. F¨ur alle Varianten muss also gelten, dass die Summe der Zahlungen x1 + x2 + x3 ≤ 300 ist. Negative Auszahlungen werden ausgeschlossen, d.h. i : xi ≥ 0.

Variante A sieht vor, dass sich alle drei Spieler auf eine bestimmte Allokation einigen und daher den gleichen Vorschlag machen m¨ussen. Ist dies nicht der Fall, gibt es f¨ur niemanden eine Auszahlung. Bezeichnet man mit si die Strategie von Spieler i, die jeweils aus einem Vektor von Auszahlungsvorschl¨agen besteht, d.h. si = (x1, x2, x3), i {1, 2, 3}, so ist das Spiel wie folgt definiert:

uiA (s1

, s2

, s3) = 0

f¨ur sj =6 sk

f¨ur beliebige j, k

P

 

uiA (s1

, s2

, s3) = xi

f¨ur s1 = s2

= s3 = (x1, x2, x3) ,

 

xi ≤ 300

 

 

 

 

 

i

(8.12)

In Variante B m¨ussen f¨ur die positive Aussch¨uttung sich nur die Spieler 1 und 2 einig sein und einen durchf¨uhrbaren Vorschlag unterbreiten. Das Verhalten von Spieler 3 hat in diesem Fall keinerlei Einfluss auf die Auszahlungen. Dies kann ausgedr¨uckt werden als

uiA (s1

, s2

, s3) = 0

f¨ur s1 =6 s2

P

 

uiB (s1

, s2

, s3) = xi

f¨ur s1 = s2

= (x1, x2, x3) ,

xi ≤ 300

 

 

 

 

i

(8.13)

Schließlich wird in Variante C zugelassen, dass sich eine beliebige Koalition aus (mindestens) zwei Spielern findet, die den gleichen durchf¨uhrbaren Vorschlag unterbreiten. Damit gilt

uiC (s1

, s2

, s3) = 0

f¨ur s1

=6 s2 =6 s3

=6 s1

P

 

uC (s

, s

, s

) = x

f¨ur s

j

= s

k

= (x , x , x ) f¨ur beliebige j, k,

 

x ≤ 300

i 1

2

3

i

 

 

 

1 2 3

 

i

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

i

.

(8.14) Die charakteristischen Funktionen dieser drei Varianten werden nach dem Minimax-Kriterium ermittelt, d.h. geben an, was ein einzelner Spieler bzw. eine Koalition mindestens f¨ur sich sicherstellen kann. Dann ergibt sich sofort

vA (C) =

vB (C) =

0

 

300

0 f¨ur |C| {1, 2} 300 f¨ur |C| = 3

f¨ur |C| = 3 und C = {1, 2} sonst

(8.15)

(8.16)

218

 

KAPITEL 8. KOALITIONSSPIELE

vC (C) =

300

f¨ur |C| {2, 3}

(8.17)

 

0

f¨ur |C| = 1

 

Die Imputationsmenge besteht hier bei allen drei Varianten aus allen denkbaren Allokationen, die mit Auszahlungen, die sich auf 300 addieren, verbunden sind. Keine dieser Allokationen widerspricht der Anforderung der Gruppenrationalit¨at, da die große Koalition in allen drei F¨allen 300 f¨ur sich sicherstellen kann. Der Vorschlag ist aber auch individuell rational, weil in keinem der drei F¨alle die Einer-Koalitionen einen positiven Betrag sichern k¨onnen. Irgendeine Art von Kooperation wird in allen drei Varianten verlangt.

Das Beispiel zeigt, dass die Imputationsmenge hier kaum eine Hilfestellung bietet und praktisch nichts verbietet. Insb. wird auch der dem gesunden Menschenverstand sofort evidenten Machstellung der Spieler 1 und 2 in Variante B keinerlei Rechnung getragen.

Betrachten wir also den Kern dieser drei Verteilungsspiele. F¨ur Variante A l¨asst der Kern wiederum alle Allokationen zu, bei denen sich die Auszahlungen auf 300 addieren, wobei aber alle nicht-negativen Betr¨age f¨ur die einzelnen Spieler zul¨assig sind. Die Intuition daf¨ur ist, dass aufgrund der Erfordernis der Einstimmigkeit des Vorschlags Zweier-Koalitionen genauso wenig einen positiven Betrag durchsetzen k¨onnen wie Einer-Koalitionen.

Dies ¨andert sich in Variante B. Hier kann die Zweier-Koalition C = {1, 2} die Auszahlungssumme unter sich aufteilen, w¨ahrend das Verhalten von Spieler 3 unerheblich ist. Daher sind alle Allokationen mit x1 + x2 = 300, x3 = 0. F¨ur die Aufteilung der Auszahlung auf die Spieler in der Koalition impliziert die Theorie kooperativer Spiele nichts.1

In Variante C ist hingegen der Kern leer. Hier kann jede Zweier-Koalition die komplette Auszahlung f¨ur sich sicherstellen. Dann ginge aber der ausgeschlossene Spieler leer aus. Dieser k¨onnte aber seinerseits Mitglied einer anderen Zweier-Koalition sein, die wiederum den dann ausgeschlossenen Spieler ausbeutet. Nat¨urlich ist dieses Argument zirkul¨ar, l¨auft aber darauf hinaus, dass es keine denkbare Allokation gibt, die nicht von einer bestimmten ZweierKoalition angegri en w¨urde. Das Kriterium (8.10) kann nicht erf¨ullt werden.

Das Handschuhspiel

Angenommen, 100 Personen besitzen einen linken, 101 andere Personen einen rechten Handschuh. Ansonsten sind die Handschuhe nicht unterschiedlich. Ein einzelner Handschuh habe den Wert 0, ein passendes Paar hingegen der Wert von 1. Die Mengen der Personen seien hier mit L bzw. R bezeichnet. Die charakteristische Funktion ordnet also jeder denkbaren Koalition der insgesamt

1Man k¨onnte die Situation aber als ein zus¨atzliches Spiel modellieren. Ohne weitere modellexogene Struktur ist dies isomorph dem hier eingef¨uhrten Verteilungsspiel der VARIANTE A f¨ur nur 2 Spieler.

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