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Модельный урок №2

Тема: «Reine Nervensache . Lehreralltag an der Hauptschule»

Цели: 1. Общеобразовательная: развитие общего кругозора;

2. Воспитательная: воспитание уважительного отношения друг к другу при работе в группах;

3.Развивающая: развитие памяти, внимания, языковой догадки.

Задачи: 1. Формирование лексического навыка говорения по теме «Образование в Германии»;

  1. Развитие умения монологической речи;

  2. Развитие умения аудирования.

Ход занятия

Занятие проводилось в соответствии с алгоритмом творческой мастерской.

1.Индуктор: на доске вывешена картинка с маской. Предлагается построить гипотезы на вопрос: Was bedeutet das? (3`)

2.Самоконструкция :

  • Студенты делятся на 2 группы: 1-депутаты в области образования, 2 –педагоги.

  • Группам предлагается написать свои правила и принципы современного занятия: Arbeitet bitte die Regeln für den modernen Unterricht aus!

Zeichnet die Symbole jeder Regel. (10’)

3.Социоконструкция: обмен мнениями внутри группы. (5’)

4.Социализация: презентация правил в форме дебатов. (15’)

5.Афиширование. (1’)

6.Разрыв: студенты получают вопросы к фильму и время их просмотреть.

Seht bitte die Fragen durch und beantwortet sie nach dem Sehen. (27`)

7. Рефлексия:Besprechen wir alle zusammen das Gesehene und Gesprochene.(13`)

Приложение № 4

FOCUS Magazin | Nr. 20 (2009)

DeutschlandDer Feind in meiner Schule

Laut Umfrage der Universität Koblenz nutzen Täter nutzen die Zeit zwischen den Stunden, die Pausen, um ihre Opfer anzugreifen Zehntausende Kinder werden jede Woche von Mitschülern gemobbt. FOCUS dokumentiert die Ängste, Leiden und oft aussichtslosen Kämpfe von jungen Menschen und zeigt Wege aus der Isolation auf.

Die Melodie des Refrains stammt vom Gute-Laune-Hit „Africa“ der Band Toto. Aber die albernen Micky-Maus-Stimmen trällern Böses. „Du bist und bleibst das alte Arschgesicht“, jaulen sie. Der folgende Sprechgesang hat verheerendes Kaliber. „Hier zu überleben wird für dich ziemlich schwer – ich rate dir, gib dein Leben lieber her“, rappt eine Stimme im Kanack-Slang. „Geh in den Wald, und nimm dir ein Strick – lass dich einfach fallen, und brich dir dein Genick“, presst der Möchtegern-Macho heraus und droht für den Fall des Widerspruchs: „... dann nehm ich meine Knarre, leg den Lauf an deine Stirn – drücke einfach ab und jag ´ne Kugel in dein Gehirn.“ Dutzende Mitschüler hatten den Hass-Rap gegen den Schüler Peter R. Mitte Februar beim Internet-Portal MySpace gehört, auf Handys heruntergeladen und an Klassenkameraden weitergeleitet. Der 17-jährige Adressat des Songs selbst allerdings war ahnungslos, als er an jenem Montag in die Berliner Johann-Georg-Halske-Oberschule kam. Er bemerkte wohl, dass mehr als sonst über ihn getuschelt wurde. „Kriegst du noch was mit?“, pflaumte ihn schließlich ein Mitschüler an und erzählte ihm von der Todesdrohung im Internet. Erst zu Hause hörte Peter das Machwerk zusammen mit den Eltern. Seit jenem 16. Februar traute sich der Junge nicht mehr in die Realschule.

Jeder fünfte Schüler berichtet von Schlägen

An Deutschlands Schulen werden täglich Tausende Jungen und Mädchen von Klassenkameraden geschnitten, gehänselt, geschlagen sowie persönlich oder über Mobiltelefone und Internet-Portale beschimpft, gedemütigt, bedroht. Mobbing (aus dem Englischen, bedeutet: sich gegen Einzelne zusammenrotten) ist an Schulen „ein ernst zu nehmendes Problem“, lautet das Ergebnis einer Studie, die Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) Mitte März vorstellte. In seinem Auftrag hatte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen 44 610 Fünfzehnjährige zu ihren Erfahrungen als Opfer und Täter von Gewalt befragt. 43 Prozent gaben an, von ihren Mitschülern gehänselt zu werden. Jeder fünfte berichtete von Schlägen. Bei einer Online-Befragung von knapp 2000 Kindern und Jugendlichen durch das Zentrum für empirische pädagogische Forschung (Zepf) der Universität Koblenz-Landau berichteten 54,3 Prozent der Teilnehmer, innerhalb von zwei Monaten mindestens einmal direkt attackiert worden zu sein. Ein Fünftel der Befragten war schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing, wurde also per E-Mail, in sozialen Netzwerken wie SchuelerVZ, in Chats oder per Handy beleidigt, Gerüchten ausgesetzt oder mit kompromittierenden Fotos traktiert. Manchmal, beim sogenannten Happy Slapping (zu Deutsch etwa: „fröhliches Schlagen“) filmen Täter Prügelszenen mit dem Handy und verbreiten die Videos per MMS oder Internet. Hochgerechnet auf die 12,3 Millionen Schüler in Deutschland werden pro Woche mehr als 760 000 Opfer von Mobbing- und gut 282 000 von Cyber-Mobbing-Attacken.

Deutschland liegt weltweit an der Spitze

Eine deprimierende Erkenntnis erlangte Wolfgang Melzer, Professor für Schulpädagogik an der TU Dresden. Er gehört zu einer Forschergruppe, die für die Weltgesundheitsorganisation den Einfluss von Schule auf den Gesundheitszustand von 20 000 Kindern in Deutschland untersucht hat. „Was Mobbing betrifft, liegen wir im internationalen Ranking an der Spitze.“ Ausgrenzung und Keile gab es unter Schülern immer schon. Was Experten aber heute unter dem Anglizismus Mobbing zusammenfassen, ist mehr als simple Prügelei. Kinder und Jugendliche haben die alten Ränkespiele perfektioniert und zum Psychoterror pervertiert. „Das zeigt eine Form der Verrohung dieser Generation“, konstatiert Reinhold Jäger, Psychologe und Professor am Zepf in Landau. Der Münchner Kinder- und Jugendpsychiater Franz Joseph Freisleder beklagt eine „mangelnde Rücksicht unter den Schülern“. Viele hätten „scheinbar jede Hemmschwelle, anderen Leid zuzufügen, verloren“. Mobbing meint den „vorsätzlichen heimtückischen Angriff auf das soziale Ansehen und die seelische Gesundheit der Zielperson“. So definiert die „Berlin-Brandenburger Anti-Mobbing-Fibel“ für Lehrkräfte den Tatbestand. Er ist erfüllt, wenn das Opfer allein einem oder mehreren Gegnern ausgeliefert ist, wenn es über Wochen und Monate regelmäßig drangsaliert wird und das Martyrium aus eigener Kraft nicht beenden kann.

Die Folgen können drastisch sein

Nach der Hilflosigkeit wachsen Angst und Selbstzweifel bei gemobbten Kindern (Symbolfoto)

Zunächst empfinden die traktierten Kinder Unbehagen und Hilflosigkeit, dann wachsen Selbstzweifel und Angst. Als Symptome können Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Panikanfälle folgen. „Kinder fühlen sich zuweilen sogar so verzweifelt, dass sie nicht mehr leben wollen“, konstatiert Jo-Jacqueline Eckardt, Eltern- und Mobbing-Beraterin in Berlin. Nicht nur die Opfer sind mit solchen Situationen überfordert. Auch Lehrer und Eltern wissen meist nicht, was sie tun sollen. Die einen schwanken zwischen Hilflosigkeit und Ignoranz, die anderen reagieren mit Resignation oder Wut und Aktionismus. Häufig entsteht dann Streit zwischen Eltern und Verantwortlichen der Schule, was den Druck auf die betroffenen Kinder weiter erhöht. Neun Jugendliche haben FOCUS-Reportern ihren Leidensweg geschildert, von den Schikanen der Mitschüler, ihren Seelenqualen und von den oft aussichtslosen Versuchen, dem Terror zu entkommen, berichtet. Die meisten wollten, dass ihr Name verändert, ihr Foto unkenntlich gemacht und ihr Wohnort nicht präzise benannt wird. Zu groß ist die Furcht, erkannt zu werden und unter noch mehr Problemen leiden zu müssen.

Ständige Angst quält etwa Petra S.. Die hübsche 13-Jährige mit den langen braunen Haaren ist für ihr Alter recht groß. Sie misst 1,68 Meter, und sie wiegt ein paar Pfunde zu viel. Genug für den Spott der Mitschüler. „Du passt nicht in unsere Gruppe, weil du zu dick bist“, muss sie sich anhören, als sie auf das Gymnasium nahe Augsburg wechselt. Sie wird als „Brillenschlange“ ausgelacht, keiner will neben ihr sitzen, den Weg zur Schule geht sie allein. Obwohl sie niemand zum Geburtstag einlädt, macht Petra von ihrem Taschengeld Mitschülerinnen Geschenke.

Der falsche Weg

Häufig geraten stille und ängstliche Kinder, die kaum Freunde haben, in die Opferrolle (Symbolfoto)

„Man kann sich nicht loskaufen“, konstatiert Mustafa Jannan, Gymnasial- und Vertrauenslehrer aus Beckum in NRW. Der Autor des Ratgebers „Das Anti-Mobbing-Buch“ warnt: „Man erreicht das Gegenteil. Das Kind wird zur goldenen Gans, die beliebig ausgenommen wird.“ Bald beschimpfen Mitschüler Petra als „Dumme“, sie kleben ihr heimlich einen Zettel mit den Worten „Schlag mich!“ auf den Rücken. Und das Mädchen bekommt reichlich Hiebe. „Wehr dich“, rät die Mutter, „werde selbstbewusster, sonst kannst du dich nie durchsetzen.“ Genau das ist Petras Problem – und das vieler Mobbing-Opfer. „Sie weisen Charaktere auf, die Mobber anlocken“, weiß Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands und Leiter des Montgelas-Gymnasiums in Vilsbiburg.

Stille Kinder sind häufig Mobbingopfer

In die Opferrolle, da sind sich Experten einig, geraten häufig die stillen und ängstlichen Kinder, die kaum Freunde und keine hohe Meinung von sich haben. Sie sind körperlich schwächer als der Durchschnitt und reagieren defensiv auf Angriffe. Sie ordnen sich schnell unter, sind ungeschickt oder überbehütet. Es trifft aber auch Schüler, die mit guten Noten oder besser situierten Eltern den Neid anderer wecken. Oder solche, die in der falschen Gegend wohnen oder nicht alles mitmachen, was die Mehrheit vorgibt.

Das wurde auch Peter, dem Opfer des Gewalt-Raps, zum Verhängnis. „Mein Sohn säuft nicht, kifft nicht und trägt eine lange Matte“, sagt Mutter Martina R. Deshalb musste sich der Realschüler von seinen Peinigern, die Rapper wie Bushido nachäffen, als „schwuler Sänger der Kelly-Family“ anpöbeln lassen. Dass seine Familie vor Jahren in den Speckgürtel westlich von Berlin gezogen war, machte ihn zusätzlich zum Freiwild. Als Brandenburger habe er an einer Berliner Schule nichts zu suchen, bekam Peter zu hören und – mit Schlägen und Tritten – zu spüren.

Nur wenige vertrauen sich Eltern an

Viele Kinder trauen sich nicht, mit ihren Eltern zu sprechen und schweigen lieber

Wer permanent gemobbt wird, zweifelt irgendwann an sich selbst. Das geringe Selbstwertgefühl, das Petra trotz Brille und Übergewicht besaß, schwand weiter. Jetzt dauert ihr Martyrium mehr als zwei Jahre – eine Lösung ist nicht in Sicht. Dabei bemerkte ihre Mutter Lydia S. sehr früh, dass etwas nicht stimmte. „Petra wirkte schon nach wenigen Wochen an der neuen Schule unglücklich“, erinnert sie sich. Ihre Noten verschlechterten sich, sie wurde stiller, weinte ab und zu, klagte über Bauchweh. Die Mutter wandte sich an Vertrauenslehrerin und Klassenleiterin mit der Bitte, noch nicht mit den Schülern zu reden. Doch genau das taten sie – mit dem Erfolg, dass die Klasse Petra jetzt als „Petze“ beschimpftund noch massiver angeht. Auch Gespräche mit Psychologen brachten nichts. Die Familie denkt über einen Schulwechsel nach. Andrea P. hat bereits resigniert. Seit vier Jahren erduldet sie jede Boshaftigkeit der Mitschüler. Fast täglich findet sie Schmutz und Müll unter oder auf ihrem Tisch. Erst vergangene Woche schmierte jemand „Hure“ mitten auf die Platte. „Todeshauch-Schule“ nennt die 14-Jährige ihre Schule nahe Freiburg im Breisgau mit einem bitterernsten Lächeln. Mittlerweile hat die Neuntklässlerin Angst, ein Referat zu halten, denn „da rufen die ständig ,Buh!´ und ,Langweilig!´ dazwischen“.

Wenn Opfer sich nicht ernst genommen fühlen

Dem Lehrer sei „das doch alles egal“, erzählt Andrea verbittert, der könne sich bei den Schülern „sowieso nicht durchsetzen“. Die Eltern bemerkten jahrelang nichts. „Andrea war zwar immer still, aber sie brachte gute Noten nach Hause. Deshalb dachten wir uns nichts“, gibt Vater Wolfgang P. zu. Er war schockiert, als er vor Kurzem über Dritte erfuhr, wie Andrea leidet. „Die Opfer reden oft nur mit Freunden oder Bekannten über ihre Probleme“, erklärt Oberschulleiter Kraus. Den Eltern oder den Lehrern vertrauten sich gerade mal zehn Prozent an.

Jasmin K. hat den Schritt gewagt – und ist kläglich gescheitert. Die 17-Jährige aus Paderborn wurde von der Grundschule an gedemütigt. In den Pausen standen die Mitschüler hinter ihr und rissen Witze über ihre kräftigen Beine. „Irgendwann habe ich mich auf der Toilette eingeschlossen, damit ich nicht allein auf dem Schulhof stehen musste“, erinnert sie sich. Als der Psychoterror auf der Realschule weiterging und ihre Noten massiv absackten, suchte Jasmin Rat bei der Klassenlehrerin. „Sie sagte, ich sei zu schüchtern und solle mich mehr anstrengen.“ Hoffnung schöpfte Jasmin erst, als sie auf ein Berufskolleg wechselte. Die Hänseleien ließen nach, sie fand sogar eine Freundin. Doch Jasmin leidet immer noch unter den Folgen der Demütigungen. „Ich habe null Selbstbewusstsein, panische Angst, etwas falsch zu machen“, klagt sie. Oft habe sie das Gefühl, „mein Leben wurde verpfuscht“.

Schon Grundschüler beobachten

Colourbox Übertolerantes Verhalten dem Kind gegenüber („Jungs müssen sich mal austoben“) fördert die Entwicklung zum Mobber (Symbolfoto)

Mobbing komme an Grundschulen wesentlich häufiger vor als an weiterführenden Schulen, resümiert Experte Jannan. Deshalb sollten schon Grundschullehrer das Verhalten der Kinder korrigieren, bevor diese es im Lauf der Schuljahre perfektionieren, empfiehlt Mechthild Schäfer, Psychologin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Hierzu müssten Grundschulpädagogen auch psychologisch ausgebildet werden, empfiehlt die Mobbing-Expertin und kritisiert, es sei „nicht zu fassen, was manche nicht sehen“.

Täter nutzen das Internet als virtuellen Pranger

Wenn alle Anstrengungen fehlschlagen, hilft nur ein Klassenwechsel. Jannik L. übersprang auf Grund seiner hervorragenden Noten eine Stufe und besucht jetzt die Zehnte eines Gymnasiums in Bremen. Doch der Albtraum holte den 16-Jährigen schon nach wenigen Wochen ein. Die Feinde aus der alten Klasse lauern ihm im Flur auf. „Sie rempeln mich an, klauen meine Schultasche und werfen sie in den Müll“, klagt Jannik. Auch bei den neuen Mitschülern ist der schlaksige Junge schon unten durch. „Denen wurde eingetrichtert: Wer mit mir redet, ist out.“ Die Demütigungen gehen weiter, wenn Jannik nach Hause kommt. Denn auch im Internet wird der 16-Jährige geschmäht. Die Mobber gründeten eine SchuelerVZ-Gruppe mit seinem Namen und beschimpfen ihn: „Du bist scheiße“ und „Check es endlich: Keiner will was mit Dir zu tun haben.“ Cyber-Mobbing-Experte Jäger warnt: „SchuelerVZ wird zum virtuellen Pranger. Das verstärkt das Martyrium der Opfer. Denn die Schmähungen sind aus dem Netz kaum zu entfernen.“ Selbst Janniks einst bester Freund Marvin machte mit. Da-rauf angesprochen, blaffte er den 16-Jährigen an: „Mir ist deine Scheißseele egal.“

Einem Mobber fehlen Empathie und Mitgefühl für Schwächere. Die Täter, meist durchschnittlich intelligente Kinder, sind sich der eigenen Stärke bewusst, die aggressive Durchsetzung ihrer Ziele steht immer im Vordergrund. Machtausübung empfinden sie als lustvoll. „Sie wollen cool dastehen“, so Expertin Schäfer. Häufig rechtfertigen sie sich damit, das Opfer hätte die Attacken selbst provoziert. „Der Mobber muss sein Gegenüber möglichst blöd aussehen lassen, damit die Mitschüler das Gefühl haben, die Angriffe seien gerechtfertigt.“ Ursachen für das Verhalten der Täter suchen Experten wie Beraterin Eckardt im Elternhaus. Vater und Mutter ließen es häufig an liebevoller Wärme mangeln, nähmen kaum am Leben ihres Kindes teil. Sie erziehen ihren Nachwuchs machtbetont und mit körperlicher Gewalt, die der wiederum an seine Opfer weitergibt. Auch übertolerantes Verhalten dem Kind gegenüber („Jungs müssen sich mal austoben“) fördert die Entwicklung zum Mobber. Welches Einkommen die Eltern haben oder ob sie in Starnberg oder Berlin-Marzahn wohnen, spielt keine Rolle: Die Täter kommen aus allen sozialen Schichten.

Wird ein Mobbing-Opfer nicht behandelt, droht der Kollaps

Wird Mobbing nicht erkannt, drohen dem Opfer Persönlichkeitsstörung und Depression (Symbolfoto)

Wie grausam junge Menschen sein können, erlebt Patrik O. seit zwei Jahren an einer Gesamtschule bei Gera. Immer wieder kommt er mit Schürfwunden und zerrissenen Klamotten nach Hause, ständig klauen Mitschüler sein Unterrichtsmaterial. „Ich musste ihm mehrmals einen neuen Füller kaufen“, erinnert sich Mutter Angela, „aber er wollte nie erzählen, was mit dem alten passiert war.“ Zuletzt verprügelten ihn Klassenkameraden auf dem Schulhof. Als der Zwölfjährige grün und blau geschlagen nach Hause lief, gröhlten sie ihm zur Melodie des Juliane-Werding-Schlagers hinterher: „Am Tag, als Patrik O. starb.“ Für einen Zwölfjährigen ist das zu viel. „In jungen Jahren befinden sich Schüler in einer Umbruchphase und sind psychisch extrem labil und emotional angreifbar“, erläutert Psychiater Freisleder. Patrik verweigert seit Ostern den Schulbesuch. Seit einigen Tagen wird er in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt. Die Therapie sieht intensive Gespräche vor. Das Opfer muss erkennen, ob es durch sein Verhalten zum Mobbing beiträgt und wie es sich ändern kann. Zudem werden die sozialen Fähigkeiten des Kindes trainiert. „Die Patienten sollen eine Mobbing-Situation aus beiden Perspektiven nachspielen“, erklärt Freisleder, „und schildern, wie sie sich in den Rollen gefühlt haben.“ Das helfe, sich die verschiedenen Handlungsmuster bewusst zu machen und besser reagieren zu können. Wird ein Mobbing-Opfer nicht richtig, zu spät oder überhaupt nicht behandelt, droht der psychische Kollaps. „Wir kennen Fälle von chronischer Depression und deutlicher Persönlichkeitsstörung“, berichtet Freisleder. Dieter Wolke, Psychologe an der britischen Universität Warwick, fand jetzt heraus, dass Kinder, die mehrere Jahre lang schikaniert wurden, ein vierfach erhöhtes Risiko haben, in der frühen Jugend Symptome einer Psychose zu entwickeln. Die Untersuchung zeige, so Wolke, dass die Erfahrung, gemobbt zu werden, „gravierende Folgen“ haben kann: „Die Opfer entwickeln Halluzinationen oder Wahnvorstellungen.“ Für die aktuelle Langzeitstudie hatte der Psychologe 6437 Kinder bis zum Alter von 13 Jahren begleitet.

Aber einige können sich retten

Wie Alexander Hemker. Der 17-jährige Hamburger ist kein Opfer mehr. Der Elftklässler entkam seinen Peinigern vor drei Jahren durch einen Schulwechsel und startete Anfang 2007 eine Internet-Initiative für Mobbing-Opfer. Seine Seite Schueler-gegen-mobbing.de mit Opferberichten, Tipps und einem Diskussionsforum besuchten bislang mehr als fünf Millionen User. Der Austausch mit anderen Opfern sei wichtig, so Alexander.

Er selbst stand völlig allein da, als ihm seine Mitschüler von der fünften Klasse an das Leben zur Hölle machten. Sie nannten ihn „Spasti“, „Hurensohn“ und „Alex-Missgeburt“. Sie stahlen seine Hausaufgaben und drohten ihm: „Wenn du dich im Unterricht meldest, schlagen wir dich zusammen.“ Die Lehrer haben ihm nicht geholfen, sagt er. Auf Druck der Mutter gab es einmal ein Gespräch mit der Klasse. „Aber da ging es nur um ein Problem“, erinnert sich Alexander. „Dieses Problem war ich. Die haben mich aufgefordert, dass ich endlich normal sein soll.“ Der Konflikt blieb, Alexander litt unter Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Bauchweh und aß tagelang nichts mehr. Die Ärzte waren ratlos, erst ein Psychiater erkannte die Mobbing-Symptome, schrieb den Jungen krank und riet zum Schulwechsel. Alexander: „Das hat mich gerettet.“

Diskriminierungen früh thematisieren

Kinder und Jugendliche mobben hauptsächlich im Klassenzimmer, auf dem Schulhof und auf dem Schulweg. Opfer sind dort den Attacken hilflos ausgesetzt, weil sie „dem Sozialsystem Klasse nicht entfliehen können“, so Uni-Dozentin Mechthild Schäfer. Entsprechend können Probleme auch nur dort gelöst werden. Dazu bedarf es engagierter Lehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter, die einschlägige Programme wie etwa des Vereins Fairplayer und Leitfäden der Schulbehörden anwenden. Die „Anti-Mobbing-Fibel“ empfiehlt Lehrern in Berlin und Brandenburg regelmäßige Gespräche im Klassenrat, um Diskriminierungen früh thematisieren zu können. Heidi Jahn, Lehrerin der Grundschule am Planetarium im Stadtteil Prenzlauer Berg, lässt ihre fünfte Klasse einmal pro Woche tagen. „Die Kinder haben einen enormen Redebedarf, und es ist verblüffend, wozu sie im Stande sind“, sagt die Pädagogin. Sie überlässt einer Schülerin die Moderation, es geht um Patrick, der als schwarzes Schaf der Klasse gilt. „Ich war auch mal so ein Terrorkind“, interveniert Mitschülerin Pauline, „es ist die Hölle, wenn man für alles Schlechte verantwortlich gemacht wird.“ Die Schüler beschließen, Patrick mehr einzubeziehen und weniger auf ihm herumzuhacken. Bei Pauline hat es die Klasse geschafft, sie wieder zu integrieren. Schon in der Vorschule begannen ihre Probleme. „Ich war laut, habe widersprochen, musste mich abreagieren“, erzählt die Elfjährige. Das machte sie erst zur Nervensäge, dann zum „Opfer“. Pauline: „Ich war immer an allem schuld und fühlte mich wie der letzte Dreck.“ Mit der neuen Lehrerin Heidi Jahn wurde sie Hauptthema im Klassenrat und fand nach „ziemlich heftigen“ Gesprächen wieder Anschluss. Jahn nahm an Schulungen der Initiative Buddy e.V. teil, deren Ziel es ist, Kindern mehr Verantwortung zu übertragen, sei es über den Klassenrat oder als Streitschlichter auf dem Schulhof. Der Verein ist an 800 Grundschulen in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Hessen und Thüringen aktiv.

Für das Opfer Peter R. interessierte sich die Schule trotz der Schläge, Tritte und dem Angriff im Internet nicht. Deren Leiter, Wolfgang Kaminski, sah nur eine „Schülerkabbelei“ und im „Arschgesicht“-Rap „keine Gefährdung“. Peter R. stand unmittelbar vor dem mittleren Schulabschluss. Er hofft, diesen an seiner neuen Schule in Brandenburg zu bestehen.

Gerechtigkeit an Schulen

Wer nicht aus Deutschland kommt, hat's schwer

Einwandererkinder werden an deutschen Schulen noch immer nicht genügend gefördert. Könnte ihnen eine Änderung im Schulsystem helfen?

Das Problem ist bekannt - nur lösen lässt es sich irgendwie auch nicht. Einwandererkinder werden an Deutschlands Schulen einer Studie zufolge weiterhin nicht ausreichend gefördert. "Fast jeder dritte Jugendliche in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, und wir können vielen von ihnen kein sachgerechtes Bildungsangebotmachen", kritisierte Barbara John vom Paritätischen Wohlfahrtsverband  in Berlin.

Migrantenkinder werden an deutschen Schulen nach wie vor benachteiligt. Doch kleine Verbesserungen gibt es. (© dpa)

Die langjährige Berliner Ausländerbeauftragte forderte deshalb durchgreifende Reformen an den Schulen. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), mahnte eine "nationale Kraftanstrengung" an. Hintergrund ist ein neuer Bericht des Wohlfahrtsverbands zu den Bildungschancen von Migranten. Danach erreichen Kinder mit ausländischen Wurzeln zwar zunehmend höhere Bildungsabschlüsse, aber ihr Rückstand auf Kinder ohne Migrationshintergrund blieb in den vergangenen Jahren nahezu unverändert.

So mache mittlerweile jeder dritte deutsche Schüler Abitur, aber nur jeder zehnte Ausländer. Nach dem Abitur verschärfe sich dieser Trend sogar noch: Bei lediglich 2,9 Prozent der Hochschulstudenten in Deutschland handle es sich um Kinder mit Migrationshintergrund, die in Deutschland Abitur gemacht haben. Im Gegenzug verließen weiterhin 15 Prozent der Ausländerkinder die Schule ohne Abschluss, aber nur 6 Prozent der Deutschen.

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