Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
ВКР.docx
Скачиваний:
23
Добавлен:
01.05.2015
Размер:
610.14 Кб
Скачать

Sendung vom 13. Januar 2008 das Gemälde: "der arme Poet" von c. Spitzweg

Jeanne Desto wird uns heute ein Gemälde präsentieren, das Sie sicher alle kennen. In Frankreich ist es seltsamerweise nahezu unbekannt. Ein Gemälde. Eines der bekanntesten Gemälde in Deutschland. Jedes Kind kennt das Motiv. Ein Motiv, das oft parodiert wird: es wird in deutschen Zeitungen karikiert, von zeitgenössischen Künstlern oder von Grafikern verfremdet, hier im Unispiegel, oder in der Zeit, und in Installationen zitiert. Es taucht vor allem auf Alltags-gegenständen auf… vom Knüpfteppich bis zum Mauspad und Wandbehang. Im Leben der Deutschen ist das Bild allgegenwärtig. Die Franzosen allerdings, Germanisten und Kunsthistoriker einmal ausgenommen, kennen es nicht. Überhaupt nicht. Untersuchen wir diesen geheimnisvollen Fall genauer. Hier also das Gemälde: Es heißt "Der arme Poet" und wurde 1837 von Carl Spitzweg gemalt, dem Münchner Maler. Es gibt mehrere Versionen des Bildes, wir widmen uns der, die in der Münchner Neuen Pinakothek hängt. Es ist ein kleines Bild: 36,3 mal 44,5 cm. Es zeigt uns einen armen Poeten in seiner Dachkammer. Er liegt im Bett, besser gesagt auf einer Matratze, ist warm angezogen und trägt eine Schlafmütze. Ein Regenschirm schützt ihn vor dem eindringenden Regen, in der Hand hält er beschriebene Blätter. An der schäbigen Wand stehen Verse. Der Raum ist ärmlich, ohne Möbel, bis auf einen Kachelofen, dessen Brennstoff wohl die Manuskripte des armen Poeten sind. Doch das Bild ist nicht trist: sanftes Licht erfüllt den Raum, die Sonne scheint hinein, der Poet, die Feder im Mund, ist in die Arbeit versunken und scheint nicht verbittert über die Härte des Lebens. Es ist eine Genremalerei; eine anekdotische Szene aus dem Alltag. Solche Szenen werden zum Lieblingsthema der deutschen und österreichischen Maler des Biedermeier. In dieser Zeit von 1815 bis 1848 wird das Bürgertum durch die Wiederherstellung der alten Verhältnisse seiner politischen Verantwortung beraubt und zieht sich enttäuscht in das Privatleben zurück. Carl Spitzweg stammt selber aus bürgerlichen Verhältnissen und war Apotheker, bevor er Maler wurde. Er ist einer der Hauptvertreter dieses Malstils. Das alles sagt uns aber nicht, warum der arme Poet in Deutschland so berühmt ist. Und so unbekannt in Frankreich. Deshalb haben wir deutsche und französische Kunsthistoriker dazu befragt. Die französischen Kunsthistoriker sagen uns: normal dass ihn keiner kennt! Eine anekdotische Malerei, die sich in Details verliert. Sehen Sie, nichts fehlt: weder der Nagel an der Wand, noch die Unebenheiten der Wäscheleine, noch das Loch im Handtuch, alles ist mit fast photografischer Genauigkeit gezeichnet. Der Beweis? Die deutschen Kunsthistoriker streiten sich sogar, ob der arme Poet die Verse skandiert, die er gerade geschrieben hat oder ob er einen Floh zerdrückt! All diese Details sind nicht in Helldunkel getaucht, sondern in ein nettes Licht. Wo ist in diesem allzu säuberlichen Bild die Poesie geblieben? Das Gemälde weist nicht über sich hinaus, es ist übrigens eher eine kolorierte Zeichnung als ein Gemälde, ein etwas kitschiges Bild, ein beruhigendes Inventar der Armut. "Ach wie nett" ist man versucht zu sagen. Hier zeigt sich die Verachtung, mit der die Franzosen der deutschen Malerei des Biedermeier begegnen, erwidern die deutschen Kunsthistoriker! Man kann dieses Gemälde doch nicht auf eine rein anekdotische Dimension reduzieren. Sehen Sie denn nicht, mit welchem Humor, ja Ironie der Künstler Spitzweg das Künstlerdasein betrachtet? Das Bild hat übrigens einen französischen Künstler inspiriert: Honoré Daumier. Schauen Sie sich seine Mansarde an, 10 Jahre nach der von Spitzweg! Die finden Sie natürlich nicht kitschig! Wussten Sie, dass das Bild Spitzweg Schmach und Schande eintrug, als es 1839 ausgestellt wurde? Ironisch attackierte er damit die Vorstellung des Bürgertums vom Künstler, er verspottete die bürgerlichen Ideale. Das Bild ist leicht zugänglich, räumt der deutsche Kunsthistoriker ein, es gefällt meinen Landsleuten sehr, und es ist legitim zu fragen, warum. Vergessen Sie aber nicht, dass es ein frühes Werk von Spitzweg ist. Sehen Sie sich spätere Bilder an, die Landschaften, den Besuch beim Pfarrer oder den rauchenden Orientalen auf dem Diwan. Werfen Sie doch einen unvoreingenommenen Blick auf Spitzweg, fern von Gleichgültigkeit oder Arroganz. Oho, Sie sehen, die Meinungen gehen auseinander: ein kitschiges Bild für die einen, Ironie und Gesellschaftskritik für die anderen. Zeigen diese entgegengesetzten Standpunkte vielleicht, dass wir hier an ein grundlegendes Problem rühren?

Text: Elsa Clairon Bild: Christian Henry & Émilie Daniel & Arnaud Lamborion

Erstellt: 11-01-08 Letzte Änderung: 15-10-10