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Vicebsk - gestern und heute

Den meisten ist die Stadt bekannt. Vom Namen her....aber wenn man fragt, in welchem Land Vicebsk liegt, versagen oft die geografischen Kenntnisse. Vicebsk liegt im Norden von Belarus, umgeben von Seen und Sümpfen. Und die Belarussen sind stolz darauf, dass Mark Sahal (Marc Chagall) hier seine Heimat hatte.

Vicebsk hat wohl seinen Namen vom Fluss Vic'ba bekommen. Wann je­doch genau Vicebsk gegründet wurde, ist nicht mehr genau belegbar. Einige Wissenschaftler berufen sich auf die Vicebsker Chronik, in der berichtet wird, dass die Kiever Fürstin Olga im Sommer 974 mit ihrem Heer die Dzvina (Düna) überquerte, sich dort niederließ und eine Holzburg errichten ließ, die sie nach dem Fluss Vic'ba benannte. Schon bald entwickelte sich daraus ein kleines Städtchen. Die Kiever Fürstin lebte hier angeblich zwei Jahre, so die Vicebsker Chronik. Andere Historiker gehen nach Angaben der Nestorchronik davon aus, dass Vicebsk bereits im Jahre 947 gegründet wurde. Vicebsk entwickelte sich aufgrund der günstigen Lage an zwei Flüssen rasch zu einem Handelszentrum. Schon Ende des 11. Jahrhunderts war Vicebsk die größte und wichtigste Stadt in der Region. Ab 1320 gehörte Vicebsk zum Großfürstentum Litauen.

Im 16. Jahrhundert wurde Vicebsk mehrfach zerstört. Im Jahre 1569 schlos­sen sich das Großfürstentum Litauen und das Königreich Polen in der Rzeczpospolita zusammen, woraufhin sich katholische Orden, Jesuiten, Franzis­kaner und Dominikaner niederließen und Klöster und Kathedralen errichteten. Allmählich wuchs Vicebsk zu einem kulturellen Zentrum heran. In den folgenden Jahren war Vicebsk vor allem von russischer Fremdherrschaft geprägt. Die Erste Polnische Teilung hatte zur Folge, dass Vicebsk zum Russischen Reich gehörte. Bis ins 19. Jahrhundert stieg daraufhin das Wirtschaftswachstum sprunghaft an. Ebenso erhöhte sich die Zuwanderung in die Stadt und Industrie und Infrastruktur entwickelten sich, so dass Vicebsk im 19. Jahrhundert zu den wichtigen Indu­striezentren zählte.

Ab 1919 gehörte Vicebsk zur Belarussischen Sowjetrepublik. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Vicebsk sowie viele andere belarussische Städte nahezu dem Erdboden gleichgemacht. Der Wiederaufbau nach dem Großen Va­terländischen Krieg lief nach den Plänen der Sowjetmacht ab. Viele ehemalige Gebäude und Kirchen passten einfach nicht mehr in die Städteplanung und wur­den abgerissen. Die Aljaksandr Neuski Kirche erinnert noch heute an den Bau­wahnsinn unter der Sowjetmacht. Sie wurde in den 70er Jahren aus Holz errichtet und sollte als Ersatz für die Maryja-Verkündigungskirche dienen, welche 1961 von der Sowjetmacht abgerissen worden war. Heute werden beide Kirchen als Gotteshäuser benutzt. Andere Kirchen wurden während der Sowjetzeit vernach­lässigt oder je nach Bedarf zweckentfremdet. Kirchen wurden zu Kinos, Museen oder Jugendclubs umfunktioniert. Es wurden großräumige Prospekte angelegt, die ehemaligen kleinen Gassen verschwanden aus dem Stadtbild und bald rag­ten Betonklötze in die Höhe. Ebenso wurde mit dem kulturellen Erbe verfahren. Was nicht ins Bild passte, wurde nicht erwähnt.

Durch diese Politik des Totschweigens verschwand auch die Kunst Sagals bis 1987 aus den Erinnerungen der Stadt. Der Künstler selbst wurde laut einem Eintrag in einer sowjetischen Enzyklopädie als Ausländer gehandelt: „Sahal -französischer Maler". Für westliche Touristen ist heute die Tatsache, dass Sahal aus Vicebsk stammt, einer der Hauptgründe, Vicebsk überhaupt zu besuchen (siehe Kap. 5.2.2). Noch einer, der nicht ins Bild passte war I. Repin. Seine Rich­tung des Realismus wurde zu Sowjetzeiten ähnlich vernachlässigt. Der heute als russischer Maler bekannte Repin lebte auf einem Gut in Kojtava. Das Museum selbst ist abgebrannt und die Bilder werden privat aufbewahrt.

Wenn Sie mit dem Zug nach Vicebsk fahren, stoßen Sie beim Verlassen des Bahnhofs auf die vul. Kirava, die Sie bis in das Zentrum der Stadt führt. Sind Sie in der vul. Zamkavaja angekommen, befinden Sie sich auch schon in einer der ältesten Straßen von Vicebsk. Sehenswert sind in diesem Gebiet die noch vorhandenen kleinen Gässchen. Sie geben eine vage Vorstellung, wie Vicebsk einmal ausgesehen haben muss. Sehenswert und auch auffällig ist das Rathaus von 1775. Hier ist das liebevoll eingerichtete Heimatkundemuseum untergebracht, in der eine Dauerausstellung zum historischen Vicebsk einge­richtet ist.

Ein schönes Plätzchen in Vicebsk ist auch der Park hinter dem Theater an der vul Zamkavaja, wo Sie auch das Puskin-Denkmal finden. Wenn Sie dort stehen, können Sie auch eine kleine Brücke sehen. Wie in vielen ande­ren Gebieten ist es auch in Vicebsk Tradition, die frisch angetraute Braut über eine Brücke zu tragen. Dazu wird in Vicebsk oft diese kleine Brücke ausge­wählt und sie werden sich wundern, wie schnell sich daraus ein Straßenfest entwickelt.

Weiterhin befindet sich in der vul. Saveckaja ein historisches Gebäude. Be­vor Napoleon weiter gen Osten zog, machten er und seine Truppen in Vicebsk Halt. Er ließ sich in einem Gebäude nieder, welches Ende des 18. Jahrhunderts in klassizistischem Stil erbaut worden war. Das Gebäude ist unübersehbar, weil vor seinem Eingang ein Obelisk thront, der an den Sieg über Napoleon erinnert. Wenn Sie weiter in Richtung vul. Saveckaja gehen, sehen Sie ein weiteres Bei­spiel für russischen Jugendstil. Heute ist in diesem Haus das bekannte Institut für Veterinärmedizin untergebracht.

Die kleinen Gassen in diesem Stadtteil von Vicebsk lassen Sie vergessen, dass sie eigentlich in Belarus sind, in einem Land, in dem die Städte von breiten Prospekten bestimmt sind.