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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Die Wortstellung im Satz als stilistisches Mittel

Die deutsche Sprache gehört zu den Sprachen, die die einzelnen Fälle (Kasus) der Substantive durch Artikel und Deklinationsendungen noch verhältnismäßig klar unterscheiden. Die syntaktische Funktion der Substantive im Satz braucht daher nicht durch eine feste Wortstellung angezeigt zu werden, wie dies beispielsweise im Englischen erforderlich ist. Die deutsche Sprache verfügt somit über gewisse Freiheiten in der Wortstellung, genauer in der Satzgliedfolge, die als stilistische Varianten zur zur Modifizierung bestimmter Ausdrucksabsichten genutzt werden können. Zwar gibt es auch im Deutschen bestimmte Grundregeln der Wortstellung, die von der Grammatikforschung ermittelt werden, doch können sie durch eine Reihe von fakultativen Variationsmöglichkeiten durchkreuzt werden. Die Wortstellung ist daher ein Bereich, der Grammatik wie Stilistik in gleichem Maße angeht.34

Als wichtigstes Kriterium hat die Stellung des finiten Verbs im Satz zu gelten. Nach der Verbstellung lassen sich die Satzarten differenzieren, und zwar steht in der Regel das finite (flektierte) Verb im Aussagesatz und bei Ergänzungsfragen an zweiter Stelle, im imperativischen Aufforderungssatz, irrealen Wunschsatz, Konditional- und Konzessivsatz ohne Einleitewort und

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in selbständigen Entscheidungsfragen an erster Stelle und im Nebensatz (Gliedsatz) an letzter Stelle:

Der Wind weht durch die Wälder. – Durch die Wälder weht der Wind.

Gib mir das Buch! – Sahst du ihn dort? – Käme er doch endlich! Er kam heute nicht, weil er krank war. – Er ist es, den ich dort gesehen habe.

Allerdings können diese Grundregeln in der mündlichen Rede durch die Intonation überspielt werden. So kann ein Aussagesatz durch verstärkte Betonung in der Anrede zum Imperativsatz (Sie gehen jetzt!), durch verstärkte Betonung (Tonerhöhung) des Satzschlusses zum Fragesatz werden (Sie sind jetzt angekommen?).

Die Endstellung des finiten Verbs im Gliedsatz gilt nicht im irrealen Vergleichssatz mit »als« (Er tat so, als hätte er nichts gewußt), in konditionalen und konzessiven Nebensätzen ohne Einleitungswort (Pfeift der Wind, so weint das Kind) sowie in manchen älteren Gliedsatzformen (... welche sind seine Zeugen an das Volk [Luther]), da das Mittelhochdeutsche (vor 1500) keine Endstellung des Verbs im Nebensatz kannte.36

Selbst die »Zweitstellung« des finiten Verbs im Aussagesatz gilt nicht uneingeschränkt. Zunächst ist dabei zu beachten, daß mit der Zweitstellung die Stellung des Verbs als primäres, d.h. unabhängiges Satzglied gemeint ist. Den »primären« Satzgliedern stehen die von ihnen abhängigen sekundären Satzglieder gegenüber. Zwischen dem ersten »primären« Satzglied und dem zweiten »primären« Satzglied, dem finiten Verb, können weitere, »sekundäre« Satzglieder eingefügt werden, so daß das finite Verb erst recht spät im Satz erscheint, wie das folgende Beispiel zeigt:

Eine der Hauptursachen für die Unklarheiten gewisser kunstsoziologischer Betrachtungen und für ihre Verdünnung zur bloßer Sozialphilosophie oder gar Pseudosoziologie liegt im Übersetzen der ersten Regel...

(A. Silbermann, »Kunstsoziologie«)

Da die meisten Satzglieder auch durch Gliedsätze ersetzbar sind, kann als erstes Glied vor dem Hauptverb ein Gliedsatz stehen:

Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.

Selbst Erweiterungen durch zusätzliche Gliedsätze anstelle von Attributen zu einem Substantiv der Satzeinleitung sind möglich:

Trotz der im Verlauf der Geschichte der Künste immer wieder auftretenden Versuche, entemotionalisierte Kunst zu produzieren und zu propagieren, steht im Vordergrund die Auffassung... (A. Silbermann, »Kunstsoziologie«)

Zu große Erweiterungen des Satzbeginns können allerdings die Übersichtlichkeit der Sätze gefährden. Sprachökonomische Tendenzen zur Konzentration von Informationen auf den Satzanfang, wie sie in der Wirtschafts- und Wissenschaftssprache der Gegenwart zu beobachten sind, geraten hier in Konflikt mit den kommunikativen Erfordernissen der Überschaubarkeit und Verständlichkeit. Bei der Zweitstellung des finiten Verbs dürfen einige satzeinleitende Kon-

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junktionen, selbst wenn sie unmittelbar sind, sowie bestimmte satzeinleitende temporale Adverbien nicht mitgezählt werden:

Denn er war unser... (Goethe)

Doch nun taumele ich zurück (Remarque): doch taumele ich nun zurück

Schließlich sind die Aussagesätze zu erwähnen, die – älterem Sprachgebrauch entsprechend – unmittelbar mit dem Verb beginnen. Es handelt sich dabei um Beispiele aus älteren Dichtungen wie um mündliche Redeformen ländlicher Umgangssprache (bzw. ihre literarischen Spiegelungen):

Zogen einst fünf wilde Schwäne ... (Volkslied)

Ein tritt Gorm Grymme. (Th. Fontane, »Gorm Grymme«)

»Gib dem Jungen Eier«, bestimmte der Großvater. »Er scharwerkt wie ein Alter, muß er auch essen, was ihm schmeckt.« (E. Strittmatter, »Tinko«)36

Die meisten Variationen der Satzgliedstellung weisen Aussagesätze auf. Hierbei kommt es vor allem darauf an, wie die Satzeinleitung vor dem finiten Verb und die Stellen nach dem finiten Verb besetzt und auf welche Weise verbale Klammern gebildet werden.

Die fast allgemeingültige Festlegung des finiten Verbs auf die zweite Satzgliedstelle ermöglicht es fast allen anderen »primären« Satzgliedern, die Anfangsstelle zu besetzen. Die traditionelle Satzlehre geht zwar (wie neuerdings wieder die generativ-transformationelle Satzlehre) davon aus, daß der Normalsatz die Reihenfolge Subjekt-Prädikat besitzt, doch zeigen statistische Untersuchungen über die Satzanfänge, daß ein großer Teil der Sätze (rd. 30-50%)37 eine andere Satzeinleitung aufweist. Die Wahl des satzeinleitenden Satzglieds ist nicht dem Zufall überlassen, sondern folgt – wie E. Drach gezeigt hat38 – bestimmten stilistischen Erfordernissen, zumeist denkbedingten. Ausdrucksabsichten. Drach stellte fest, daß das Vorfeld vor dem finiten Verb, soweit es nicht den Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satz durch Konjunktionen, Pronomina u.ä. herstellt und so als Anschlußstelle fungiert oder in der »Normalstellung« (Nullstellung)39 vom Subjekt besetzt ist., häufig durch emotional stärker hervorgehobene Wörter gefüllt wird (expressive Wortstellung). Er nannte das »Vorfeld« daher die Ausdrucksstelle des Satzes, die Satzgegend nach dem finiten Verb, die häufig neue Informationen oder besonders Bemerkenswertes enthält, dagegen die Eindrucksstelle. Die Füllung der »Ausdrucksstelle« würde demnach stärker das Gefühl ansprechen, die der »Eindrucksstelle« stärker Vernunft und Gedächtnis. Derartige Faustregeln gelten zwar nicht allgemein, man sollte sich jedoch daran erinnern, wenn man auf ungewöhnliche Wortstellungen stößt. Je ungewöhnlicher die Vorfeldfüllung ist, desto nachdrücklicher ist der »Ausdruckswert« des hier Gesagten. Besonders lyrische Autoren nutzen diese Variationsmöglichkeiten. Dafür einige Beispiele unterschiedlicher Vorfeldfüllung:

Konjunktion: Dann säubert sie den Rahmen von den Resten.

(Ch. Morgenstern)

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Subjekt: Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt. (I. Bachmann) Adverb: Unsterblich duften die Linden ... (I. Seidel)

Umstandsbestimmung: Ans Haff nun fliegt die Möwe.. (Th. Storm)

Objekt: Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus... (Schiller)

Verbergänzung: Gefunden hab ich, was ich suchte... (Novalis)

Verb: Aufsteigt der Strahl, und fallend gießt er.. . (C. F. Meyer)

Die Beispiele lassen, so scheint es uns, eine emotionale Steigerung in den Satzanfängen sichtbar werden. Häufig wird allerdings das Ungewöhnliche solcher Satzeinleitungen erst durch den Kontext oder den Vergleich mit eigenen Formulierungen des Betrachters (Umstellproben) bemerkt.

Ist das »Vorfeld« durch ein anderes Satzglied besetzt, so erscheint das Subjekt gewöhnlich unmittelbar nach dem finiten Verb (Inversion). Bei einfachen Sätzen rückt das Subjekt somit in die Endstellung und gewinnt einen neuen »Eindruckswert«. Eine Endstellung des Subjekts tritt ein, wenn dann die Stelle nach dem finiten Verb durch ein akkusativisches Personalpronomen oder ein Reflexivpronomen besetzt ist bzw. werden kann:

Gelegentlich finden sich auch hier andere Formen.

Morgen sieht ihn schon die ganze Welt.

Der Eindruckswert des Subjekts wird bei unerwarteter, nicht obligatorischer Endstellung besonders erhöht, da hier die gesamte Aussage auf das Subjekt hin gespannt ist:

... und über mein Haupt, wie himmlischer Segen, goß seine

süßesten Lyraklänge Phöbus Apollo.

(Heine, »Die Harzreise«)

Wohl keimt aus jungen Reben uns heilige Kraft;

In milder Luft begegnet den Sterblichen,

Und wenn sie still im Hause wandeln,

Heiternd ein Gott;.. .

(Hölderlin, »Der Zeitgeist«)

Gelegentlich verbinden sich bei Hölderlin Endstellung und Anfangsstellung des Subjekts zur Form des Chiasmus:

Hoch auf strebte mein Geist, aber die Liebe zog

bald ihn nieder;... (»Lebenslauf«)

Die Gliederung des Nachfeldes ist zunächst von der Zahl der postverbalen Glieder abhängig. Für deren Reihenfolge hat sich die Regel ausgebildet, daß sich die Glieder mit zunehmendem Mitteilungswert vom finiten Verb entfernen. Dies trifft insbesondere für die Objekte und adverbialen Angaben zu. Das Satzglied mit dem höchsten Mitteilungswert steht steht deshalb meistens am Ende des Satzes, bei einem klammerschließenden Verbteil vor diesem. Das

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erklärt, weshalb häufig Akkusativobjekte oder lokale Angaben am Schluß des Satzes erscheinen:

Gestern nachmittag pflanzte der Gärtner in unserem Garten endlich die langerwarteten Sträucher. (Duden-Grammatik, S. 638)

Doch sind gerade innerhalb der adverbialen Angaben Umstellungen aus stilistischen Gründen leicht möglich:

Gestern nachmittag pflanzte der Gärtner endlich die langerwarteten Sträucher in unserem Gärten.

In unserem Garten pflanzte der Gärtner gestern endlich die langerwarteten Sträucher.

Freie Umstandsangaben, die nicht wie die Objekte an ein Verb gebun­den sind, vielmehr zusätzliche Informationen über Zeit, Ort, Art und Weise eines Geschehens bieten, können ihre Stellung fast beliebig wechseln, wobei der größere Eindruckswert vor allem an den Anfang oder den Schluß gebun­den bleibt.

Ähnlich variabel ist die Stellung der Satzadverbien (Modalwörter) und stellungsfreien Konjunktionen im Satz, z.B. vielleicht, wohl, durchaus, frei­lich, praktisch, auch, aber, zudem, sofern sich die damit gemeinten Einschränkungen, kombinationen, Modalitäten nicht auf ein bestimmtes Satzglied beziehen:

So ohne weiteres läßt sich das freilich nicht sagen. – Freilich läßt sich das nicht so ohne weiteres sagen. – Sagen läßt sich das freilich nicht so ohne weiteres. – Frei­lich, sagen läßt sich das nicht so ohne weiteres. – Freilich, so ohne weiteres läßt sich das nicht sagen. – So ohne weiteres freilich läßt sich das nicht sagen.

Klarer ist die Reihenfolge der Objekte geregelt: Das Dativobjekt erscheint vor dem Akkusativobjekt, eine genannte Person vor einer Sache, doch sind auch hier Umstellungen möglich:

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