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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Reduktionen der Grundformen des Satzes

Bei den Reduktionen der Satztypen handelt es sich um Sätze (Haupt- oder Gliedsätze) oder satzartige Formen, die ein notwendiges Satzglied oder mehrere auslassen. Solche unvollständigen Sätze sind vor allem im mündlichen Redegebrauch recht häufig, wo sich die Specher in der Erregung oder aufgrund sprachlicher Ökonomie oft mit Satzfragmenten begnügen, zumal hier Situation, Kontext oder Gestik das Fehlende verdeutlichen.

Aus dem mündlichen Sprachgebrauch dringen solche Formen auch in die Schriftsprache, besonders wenn die Redeweise bestimmter Personen in Erzähltexten oder Dramen gespiegelt werden soll.

Bereits die antike Rhetorik kannte solche stilistisch wichtigen Formen der Satzreduktion (detractio) unter den Begriffen der Aposiopese (reticentia, interruptio) und Ellipse. Auch im deutschen Sprachgebrauch lassen sich mehrere Formen der Satzreduktion feststellen: Satzabbruch; Auslassung des Verbs, Objekts oder Subjekts; Reduktion auf das Sinnwort; Isolierung einzelner Satzglieder.

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Satzabbruch (Aposiopese)

Der Satzabbruch kann verschieden motiviert sein und verschiedene Stil-wirkungen zeitigen. Wir unterscheiden hier zwischen einer situativ bedingten, einer andeutenden und einer apotropäischen Aposiopese. In allen drei Fällen wird ein strukturell vollständiger Satz begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Für eine sinnvolle Kommunikation ist es erforderlich, daß aus dem artikulierten Satzanfang die geplante Fortführung erkennbar bleibt oder zumindest aufgrund des Vorwissens der Redepartner oder aus der Situation vermutet werden kann.

Dem situativ bedingten Satzabbruch können unterschiedliche Ursachen zu-grunde liegen: 1. Die Erregung des Sprechers, wenn er mehrere Gedanken zugleich äußern will oder nach dem rechten Ausdruck sucht und mehrere Ansätze häuft:

Bengtsen: »Ich sagte schon ... da sind keine Fischer

Grove: »Aber vielleicht doch ... einer vielleicht, ein einziger ...

Bei Sonnenaufgang fahren sie doch sonst hinaus ...«

(F. v. Hoerschelmann, »Das Schiff Esperanza«)

2. Auch die Unsicherheit, das bloße Vermuten, kann einen Sprecher zum Abbruch veranlassen:

Sie sehen wie ein Ausländer aus.

Chrantox: Ich bin einer.

Träger: Sie sprechen gut deutsch, fast ... ich meine ... nun ... (bricht ab)

(H. Böll, »Eine Stunde Aufenthalt«)

3. Eine Verlegenheits- oder Vorsichtsreaktion des Sprechers, die ihn zum Abbruch eines Sprechansatzes zwingt:

Diener: Gnädige Frau, ich ... es ist mir sehr.. . (hüstelt) aber ich habe von Herrn Doktor die strikte Anweisung, darauf zu achten, daß Sie sich schonen, Sie wissen, der Arzt ...

Frau Borsig: Ich weiß, was der Arzt gesagt hat ...

(H. Böll, »Zum Tee bei Dr. Borsig«)

4. Die Unterbrechung des Sprechers durch die Zwischenrede eines anderen:

Frau Borsig: ... (heftig) Wissen Sie, was Pandotal ist?

Franziska: Als ich noch ein kleines Mädchen war, wußte ich schon, was Pandotal ist: es ist ...

Frau Borsig (unterbricht sie heftig): Es ist Suggestion ...

(H. Böll, »Zum Tee bei Dr. Borsig«)

Die Satzabbrüche zwingen den Leser oder Hörer zu Vermutungen über die ursprüngliche Ausdrucksabsicht; manchmal auch zum Nachdenken über den tieferen Grund solcher Abbruche. Damit steigern sie die inhaltliche Aussage, übertragen aber auch die Erregung der Redepartner auf den Leser und verleihen so dem Text eine größere Spannung.

Die Erkennbarkeit dei Gemeinten bei manchen situativ bedingten Satzabbrüchen rückt diese bereits in die Nähe der andeutenden Aposiopese, in der meist in ruhigerer Redeweise, bestimmte Wörter nicht ausgesprochen werden, sei es aus Sorge vor dem Mithören uneingeweihter Dritter, sei es aus

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einer gesellschaftlichen Scheu, Unangenehmes sagen zu müssen, oder sei es aus der Berechnung, daß die bloße Andeutung (beispielsweise einer Drohung) bereits die erhoffte Wirkung zeitigt:

In Kleists »Robert Guiscard« bemühen sich die Begleiter Guiscards, ihm zu helfen und gleichzeitig seine Krankheit vor dem Heer zu vertuschen:

Die Herzogin (leise): Willst du – ?

Robert: Begehrst du – ?

Fehlt dir – ?

Die Herzogin: Gott im Himmel!

(Kleist, »Robert Guiscard«)

Auch in der Umgangssprache sind solche Andeutungen durch Satzabbrüche nicht selten:

Wenn du jetzt nicht kommst, dann ... !

Der apotropäische (unheilabwehrende) Satzabbruch ist heute nur noch in Redewendungen üblich, die einen Fluch oder eine Verwünschung andeuten. Als Subjekt solcher Sätze war früher meistens der Teufel (Satan, das Böse, Luzifer usw.) gemeint, dessen Namen man jedoch aus Scheu mied, weil man glaubte, mit der Namensnennung den bösen Geist herbeizurufen und sich selbst zu gefährden. Man ließ daher den Namen des Bösen aus, falls man ihn nicht durch ein harmloses oder positiv wirkendes Ersatzwort, wie z.B. »der Böse«, »der Schwarze«, »der Gottseibeiuns» nannte. Derartige Satzabbrüche verloren später zumeist ihren verwünschenden Gehalt, werden aber heute in der Volkssprache oft noch als verbale Reaktion bei unerwarteten, unerwünschten Ereignissen verwendet:

Daß dich der ... !

Da schlage doch der – !

Situative und andeutende Satzabbrüche waren besonders zu Beginn des 19. Jhs. in der Literatur beliebt. Überstrapaziert wurde dieses Stilmittel durch H. Clauren (Carl Heun, 1771–1854), den Verfasser zahlreicher Unterhaltungsromane. W. Hauff parodierte solche Formen der Kitschliteratur, die besonders gern Aposiopesen verwandten, mit folgender Passage in »Der Mann im Mond«:

... er beugt das gramvolle, wehmütige Gesicht über sie hin, heiße Tränen stürzen aus seinem glühenden Auge herab auf ihre glühenden Wangen, er wölbt den würzigen Mund – er will sie kü ...3

Auch H. Heine verwendet die Aposiopese häufig, z.B., wenn er eine unerwartete Wendung verstärken will, wenn der Kontext den Ausdruck starker Empfindung erwarten ließe oder er selbst etwas Unangenehmes sagen müßte. Durch den plötzlichen Abbruch aber zwingt er den Leser zum Nachdenken.

Überdies schien jetzt der Mond so zweideutig ins Zimmer herein, an der Wand bewegten sich allerlei unberufene Schatten, und als ich mich im Bett aufrichtete, um hinzusehen, erblickte ich –

Es gibt nichts unheimlicheres, als wenn man, bei Mondschein, das eigene Gesicht zufällig im Spiegel sieht. (»Die Harzreise«)

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Die andeutend-verhüllende Aussageform des Satzabbruchs wird von einzelnen Dramatikern gern genutzt, um durch diese schwebende Sprachform die szenische Spannung zu erhöhen.

Walter: ... kann jemand anders hier im Orte nicht – ?

Adam: Nein, in der Tat –

Walter: Der Prediger vielleicht.

Adam: Der Prediger? Der –

Walter: Oder Schulmeister.

(H. v. Kleist, »Der zerbrochene Krug«)

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