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Mittelbare sprachliche Bilder

Neben den unmittelbaren sprachlichen Bildern, den »anschaulich-sinnfälligen Darstellungen eines Gegenstandes oder einer Erscheinung auf beliebigem sprachlichen Wege«151, gibt es Bilder, in denen zwei oder mehrere Bildbereiche zu einer Aussage zusammenwirken, so daß der Bildsinn das Gemeinte nur mittelbar ausdrückt. Diese mittelbaren oder übertragenen Bilder sind seit alters bekannt und werden in der antiken Rhetorik als Tropen gekennzeichnet und verschieden gruppiert.

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Der Vergleich

Zwischen den unmittelbaren und den mittelbaren Bildern ist der Vergleich einzuordnen. Er gehört nicht mehr recht zu den unmittelbaren sprachlichen Bildern, well hier das Gemeinte nicht durch die ihm angemessenen Wörter, sondern durch ein Bild (Wort) aus einem anderen Sinnbereich ausgedrückt wird, ohne daß dieses seine Eigenbedeutung verliert. Die Verbindung von Bild und Vergleichsbild wird möglich durch eine gemeinsame Eigenschaft (das tertium comparationis) beider Bilder (Wörter) und durch die Gleichsetzung beider Hilfen einer Vergleichspartikel (z.B. wie, als ob, als) oder eines Vergleichsverbs (z.B. gleichen, ähneln). In vielen Vergleichen wird die erste Vorstellung (das erste Bild) erst durch das Vergleichsbild deutlich. Mancher Lyriker nutzt diese Möglichkeit, um schwer Sagbares durch reichausgestaltete Vergleiche auszumalen. Man denke etwa an Eichendorffs Gedicht »Mondnacht« oder an zahlreiche Gedichte R. M. Rilkes.

Ich möchte einer werden, so wie die,

Die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren ...

(Rilke, »Der Knabe«)

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe ...

(Rilke, »Der Panther«)

Frühling ist wiedergekommen. Die Erde ist wie ein Kind, das Gedichte weiß ...

(Rilke, »Sonette an Orpheus«)

Der Vergleich kann im Gleichnis zur selbständigen literarischen Form werden, die ein Unbekanntes erläutert, wie die Gleichnisse Jesu lehren, oder als analoges Geschehen für eine ahnlich geartete Situation der Wirklichkeit stehen, wie in älteren und modernen Parabeln.

Die Metapher

Eine andere Form der indirekten Bildlichkeit ist die Metapher, die Übertragung einer Bildvorstellung auf eine andere, um diese zu bereichern, zu verdeutlichen oder zu verlebendigen. Dieses schon in der Antike recht beliebte und von Aristoteles, Cicero, Quintilian u.a. erläuterte sprachliche Bild152 ist seit langem als dichterisches Stilmittel wie als sprachliche Ausdrucksform recht beliebt und lebendig geblieben, wenn auch ihr Gebrauch in den verschiedenen Zeiten und Stilformen unterschiedlich stark ist. Nach Quintilian handelt es sich bei der Metapher um einen verkürzten, d.h. um den Gleichsetzungsausdruck (als ob u.dgl.), reduzierten Vergleich. Ein Vergleich könnte demnach leicht zur Metapher werden; der Satz: Er kämpfte wie ein Löwe in der Schlacht, hieße dann als Metapher: Er war ein Löwe in der Schlacht o.ä. Wie beim Vergleich besteht auch bei der Metapher oft eine gewisse Beziehung, ein tertium comparationis, zwischen dem Ausgangswort (verbum proprium, hier z.B. Er in seinen Kämpfen) und dem »Bildempfänger«153 (Er als Löwe): Sein Mut und seine Stärke im Kampf sind mit denen des Löwen vergleichbar.

Es gibt mehrere Arten der Metapher, die von den einzelnen Autoren in ver-

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schiedenem Umfang neugebildet oder verwendet werden. Eine der einfachen Formen ist die Genitivmetapher, eine Kombination von einem Substantiv im Nominativ (meist Bildspender) und einem Substantiv im Genitiv (meinst Bildempfänger); z.B. Zelt des Himmels. – Solche Formen, die aus einem Vergleich hervorgegangen sein können (z.B. der Himmel ist wie ein Zelt), führen leicht zu metaphorischen Kompositablldungen (z.B. Himmelszelt).

Eine andere Form ist die Verbindung von metaphorischem Adjektiv und originalem oder metaphorischem Substantiv (Adjektivmetapher), wie ein süßer Ton, ein dunkler Klang, da die Adjektive »süß« und »dunkel« anderen Bezeichnungsbereichen angehören (vgi. auch Synästhesien, S. 261).

Als dritte Variante kommt die Vermetapher in Frage. Sie liegt in vielen Begriffen mit übertragener Bedeutung vor, z.B. umfassen, begreifen usw.

Von der Verbmetapher ist es nur ein kleiner Schritt zur Satzmetapher, die mehrere Metaphern vereinigt, z.B. Sein Herz drohte zu brechen. Hier sind Herz (für: Ich, Leben, Gefühl, Inneres), drohen (nicht aktivisch, sondern umschreibend für die Befürchtung des Autors: es war zu erwarten), brechen (für: aufhören zu schlagen, aussetzen) metaphorische Ausdrücke, die allerdings längst zum konventionellen Wortschatz gehören. Die wenigen Beispiele zeigen, daß Metaphern nicht nur der poetischen Sprache angehören, sondern auch ein wesentliches Element des nicht dichterischen Ausdrucks darstellen. Wir würden ständig auf erstarrte, verblaßte Metaphern stoßen, suchten wir unsere Redeweise nach dem ursprünglicher Sinn der Worte abzufragen (vgl. z.B. Begriff, Eindruck, verstehen, Erleuchtung, Ursprung). Für manche Gegenstände und Erscheinungen sind uns nur metaphorische Bezeichnungen (Katachresen) geläufig, z.B. Stuhlbein, Flußarm, Stecknadelkopf u.a.m. Mit Recht konnte daher Jean Paul sagen: »Die Sprache ist eine Sammlung erblaßter Metaphern.« Der Überreichtum an Metaphern läßt die Frage nach der ursprünglichen und notwendigen Bildhaftigkeit und den Streit um den Primat einer Bildsprache oder Begriffssprache aufkommen, der heute meist zugunsten einer ursprünglichen Bildhaftigkeit entschieden wird. Jede Metapher ist allerdings in der Gefahr, ihre Bildhaftigkeit zu verlieren und zum Begriff oder zur Formel zu werden. Dadurch kann auch die Bildhaftigkeit der Sprache, z.B. in bestimmten Funktionsstilen, geschwächt werden. Solchen Erstarrungstendenzen suchen Dichter, Journalisten und Redner durch immer neue bildliche Wendungen, die häufig Metaphern sind, entgegenzuwirken. Dafür einige Beispiele: Wenn kürzlich ein Staatsekretär erklärte, daß es darauf ankäme, die Ziele der Bildungspolitik randscharf zu machen, so gebrauchte er einen Ausdruck aus der Optik für gängige Wörter wie »erläutern« oder »verdeutlichen.«. Eine metaphorische Umschreibung liegt auch vor, wenn der Rücktritt eines Ministers in einer Zeitschrift durch Ausdrücke des Sportjargons gekennzeichnet wird: Der parteilose ehemalige Vorsitzende des Wissenschaftsrates warf nach zweieinbalbjähriger Amtszeit das Handtuch, ein halbes Jahr, nachdem er mit der Streichung der Planungsreserve die entscheidende finanzielle Schlappe hatte hinnehmen müssen. 154

Die Bildspenderbereiche des metaphorischen Sprachgebrauchs wechseln mit den Epochen. Während viele verblaßte Metaphern der Alltagssprache ent-

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stammen (z.B. den Sinn begreifen, den Worten entnehmen, die Lage erfassen, Lebensabend, Feuer der Begeisterung), findet man in der Dichtung metaphorische Bilder verschiedener Lebensbereiche, z.B. aus Jagd und Turnier im Mittelalter, aus Hofleben, Krieg und Astronomie im 17. Jh., aus Handel und Natur im 18. Jh., aus Landleben und Wirtschaft im 19. Jh., aus Technik und Sport im 20. Jh., um nur einige Bildfelder zu nennen. Antike und Mittelalter kennen Metapherntraditionen155, die Barockzeit eine Fülle von emblematischen Metaphern (Emblemata = Bildgeschichte).156

Im einzelnen läßt sich auch bei den Autoren eine Vorliebe für bestimmte Bildbereiche feststellen.

Eine besondere Gruppe der übertragenen Bildlichkeit stellen die festen Redensarten dar157, zumeist bildhafte Wendungen aus früheren Berufs- und Lebensbereichen, die trotz ihrer Formelhaftigkeit noch durch eine gewisse Anschaulichkeit wirken und deshalb gern im volkstümlichen Sprechen verwendet werden (z.B. im Stich lassen, aus dem Stegreif vortragen, es ist fünf vor zwölf usw.). Als formelhafte Metaphern sind auch die Kenningar (mehrgliedrige Umschreibungen, z.B. Ringgeber für: König) und Heiti (eingliedrige Umschreibungen, z.B. Renner für: Roß) der altgermanischen Dichtung anzusehen sowie einige typisierende Beiwörter, z. B. der silberne Mond bei Klopstock und seinen Zeitgenossen, der goldene Mond der Romantiker und der rote oder der bleiche Mond der Expressionisten.

Die bisherigen Metaphernbeispiele wahrten den Charakter der Bildübertragung auf verschiedene Weise, entweder indem Bildspender- und Bildempfängerbereich nebeneinander standen (vgl. Himmelszelt, silberner Mond) oder indem Bildausdruck und neue Bedeutung (Bildempfänger) durch konventionellen Gebrauch identisch wurden (wie bei den verblaßten Metaphern und Redensarten). Das Nebeneinander von Bildspender und Bildempfänger muß jedoch nicht in unmittelbarem Kontakt erfolgen. Mitunter stehen beide in verschiedenen Sätzen oder in Frage und Antwort, wie wir es an den metaphernreichen »Welt«-Geschichten von Hofmannswaldau und Hofmannsthal ersehen können:

Was ist die Welt und ihr berühmtes Glänzen?

Was ist die Welt und ihre ganze Pracht?

Ein schnöder Schein in kurz gefaßten Grenzen,

Ein schneller Blitz bei schwarz gewölkter Nacht.

Ein buntes Feld, da Kummerdisteln grünen ...

(Hofmannswaldau, »Die Welt«)

Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,

Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,

Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht ...

(H. v. Hofmannsthal, »Was ist die Welt«)

Die neuere Lyrik wählt oft Ausdrucksmittel, die weder als unmittelbare, sprachliche Bilder noch als Metaphern im bisherigen Sinne anzusehen sind, da ihnen Vergleichswörter ebenso fehlen wie Übereinstimmungen mit der sinnlich erfahrbaren Realität. In P. Celans Gedicht »Todesfuge« z.B. ist das mehrfach wiederholte Eingangsbild (Schwarze Milch der Frühe wir trinken

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sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken) nicht nur wegen der kumulativen Verbindung mit dem paradoxen Oxymoron (schwarze Milch) und der folgenden Umkehrung der Reihenfolge (hysteron proteron: Frühe, abends, mittags usf.) schwer verständlieh. Hier erlauben nur die übrigen Bilder aus einem Vernichtungslager für Juden die Zuordnung des Eingangsbildes zu diesem Bildbereich. Die schwarze Milch der Frühe steht so für das todbringende Leben und Leid der Juden im KZ. H.Weinrich158 hat ein solches, von den Erfahrungen der sinnlich wahrnehmbaren Realität abweichendes Bild in Anlehnung an den verfremdenden »audacior ornatus« der antiken Rhetorik als »kühne Metapher« bezeichnet.

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