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Stilkritik

Stilpflege betreibt jeder, der sich in Vortrag und Schrift um einen vorbildlichen und angemessenen Ausdruck bemüht, der Redner und Prediger ebenso wie der Journalist oder Schriftsteller. Neben die Stilpflege tritt die Stilkritik als besondere Form der Stilbetrachtung. Auch Stilkritik wird von vielen geübt – vom Lehrer, der die Aufsätze seiner Schüler auf ihre gedankliche, sprachliche und stilistische Richtigkeit und Angemessenheit überprüft, ebenso wie vom Zeitungs- und Rundfunkredakteur oder Verlagslektor, der das Manuskript eines Autors durchsieht und dabei Verbesserungen anregt. Auf sprachkritische Beobachtungen zu Modewörtern u.dgl. wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen. Eine besondere stilkritische Aufgabe kommt schließlich den Literaturkritikern zu, die Neuerscheinungen von Büchern rezensieren und dabei besonders auf das Verhältnis von Darstellungsabsicht und Darstellungs- und Sprachstil achten.6 Sofern es sich dabei um sprachkünstlerische Werke handelt, verbinden sich Aspekte der sprachlichen mit der literarischen Kritik. Stilzüge und Stilmittel eines Werkes werden hier nach der künstlerischen wie kommunikativen Angemessenheit und Individualität befragt und in die Deutung der Einheit von Gehalt und Gestalt ein-bezogen, Stilbrüche und stilistische Nachlässigkeit als künstlerische Schwächen betrachtet und kritisiert. Derartige Stilkritiken setzen die Vertrautheit mit den Methoden der wissenschaftlichen Stilanalyse voraus, der wir uns abschließend zuwenden wollen.

Stilanalyse und Stilinterpretation

Wichtigste Aufgabe der wissenschaftlichen Stilistik ist neben der Ermittlung der stilistischen Mittel und Möglichkeiten die Stilbeschreibung vorhandener Texte in der Form von Stilanalysen und Stilinterpretationen. Diese sind nach den unterschiedlichen Stilauffassungen jeweils verschieden gehandhabt worden. In der Tradition der Rhetorik kam es darauf an, die verwendeten rhetorischen Figuren und Tropen, gelegentlich auch deren Stellenwert und Funktion festzustellen.7 In ähnlicher Weise verfährt auch die statistische Stilistik, die ihre Meßwerte maschinell ermittelt und anschließend nach der jeweiligen Fragestellung qualitativ interpretiert.8 Die funktionale Stilistik sucht dagegen die konstituitiven Stilmerkmale und Stiltendenzen der Funktionsstile an Hand von Textanalysen der einzelnen Stilgruppen festzulegen.9 Von den Methoden der psychologisch orientierten Stilrorschung ist die L. Spitzers stärker bekannt geworden.10 Spitzer, der sein Verführen sowohl auf dichterische Texte als auch auf Werbetexte11 ausdehnte, untersucht vor allem die ungewöhnlichen Sprachbilder, die ihm beim unvoreingenommenen Lesen auf-

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fallen, auf ihren psychologischen Hintergrund und bezieht dann die übrigen Stilistika in diese Betrachtung ein.

Ähnlichkeiten mit dieser Methode besitzt die stärker behaviouristische und exzeptionale Stilanalyse M. Riffaterres, die an Anlehnung an die Untersuchungen J. Mukařovskýs allein auf die sprachlichen Hervorhebungen mit Hilfe von unerwarteten Stilmitteln in poetischen Texten gerichtet ist und diese Hervorhebungen und ihren Eindruckswert durch Befragungen verschiedener »Versuchspersonen« über ihren Texteindruck zu ermitteln sucht.12 Ebenfalls auf die Stilgestaltung poetischer Texte ist die Stilbetrachtung der »werkimmanenten Interpretation« ausgerichtet. Der Interpretationsansatz wird hier von dem bekanntesten Vertreter dieser Richtung, E. Staiger13, vor allem durch die Wirkung des Textes und damit auch seiner Stilmittel auf den unbefangenen, allerdings besonders sensibilisierten Hörer oder Leser, den Interpreten nämlich, begründet. Stil und Stilmittel werden dabei nicht isoliert von den übrigen Wirkungskomponenten erfaßt, sondern als Teil eines »in sich geschlossenen sprachlichen Gefüges«14, dessen Ganzheit durchsichtig gemacht werden soll. Die Stilanalyse und -interpretation wird so zum Bestandteil der literarischen Werkinterpretation.

Sieht man, wie wir es bisher getan haben, von der Festlegung des Stilbegriffs auf literatische Texte ab und erfaßt den Stil als die charakteristische, auf Auswahl unter den synonymen Ausdrucksmöglichkeitcn beruhende Sprachform, so rückt zunächst die Beschreibung der Eigenart des Textes, wie sie durch die bisher aufgezeigten Stilmittel bestimmt wird, in den Vordergrund.15 Die Kennzeichnung des zu untersuchenden Textes nach der Art, Länge und Struktur der Sätze, der bevorzugten Form der grammatisch-syntaktischen Mittel (Satzbaupläne, Satzformen, Verbformen, Tempora und Modi, Worttypen und Wortarten usw.), nach Klang, Rhythmus und Textgliederung, nach Lexik, Bilderwahl und stilistischen Figuren führt zu einer nahezu vollständigen Charakterisierung der jeweiligen Sprachverwendung, Dieser umfangreichen Analyse der stilistischen Mittel werden die Schritte der stilistischen Synthese angeschlossen, die in der Kennzeichnung der Stilwerte und vor allem der Stilzüge bestehen und schließlich zur Interpretation des Verhältnisses zwischen Darstellungsabsicht, inhaltlicher Aussage (Gehalt) und stilistischer Form führen. Spätestens auf dieser Stufe muß die inhaltliche oder gehaltliche Deutung des Textes in die Stiluntersuchung einbezogen werden16, wenn diese nicht bloße Inventarbeschreibung der sprachlich-stilistischen Mittel bleiben soll.

Die hier skizzierte Methode der Stiluntersuchung erweist sich gegenüber den Methoden exzeptionaler Stilauffassungen, die ihren Blick nur auf außergewöhnliche Sprachformen als Stilmittel in dichterischen Texten richten, als umfangreicher, aber auch intensiver. Die Extensivität dieser Methode erschwert allerdings die Untersuchung umfangreicher Texte. Der Stilforscher muß sich entscheiden, ob er eine umfassendere, in den Ergebnissen jedoch stärker summarische Analyse und Interpretation vornimmt oder sich mit einer exemplarischen statarischen und systematisierenden Untersuchung kleiner Textabschnitte begnügt. Sofern die Stileigenheiten des Textes

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durchgehend einheitlich sind, kann so in der Beschränkung auf wenige Textpartien das Charakteristische des Ganzen erfaßt werden. Besonderer Sorgfalt bedarf die Stilinterpretation dichterischer Texte, in denen es nicht auf eine mehr oder weniger quantitativ-deskriptive Stilcharakteristik, sondern auf den ästhetischen Stellenwert der einzelnen Stilmittel und Stilzüge ankommt. Hier muß die statarische Stiluntersuchung mit der literarischen Interpretation zusammenwirken, um die Eigenart und Funktionalität der Stilistika im dichterischen Sinngefüge hervorzuheben. Die größere Geformtheit solcher Texte spiegelt sich wider in einen gröberen Reichtum der Stilmittel und Stilzüge und in ihrer sinnvolleren Distribution, die eine ausführlichere Beschreibung, aber keine andere Gegenstandsauffassung und Methode verlangen.17

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