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Substantivische Wortbildungen

Über den Stilwert der Wortbildungen ist bereits einiges gesagt worden (vgl. S. 206 ff.). Für das Gebiet der Substantive bedarf dies einer Ergänzung, weil die Wortbildung hier am reichsten ausgeprägt und am stärksten differenziert ist. Aufgrund einheitlicher Ableitungsmorpheme (-suffixe u.ä.) lassen sich nicht nur morphematische, sondern auch inhaltliche Gruppierungen der Substantive vornehmen.

Zwei Hauptgruppen sind dabei erkennbar: Konkreta und Abstrakta. Als Konkreta (Gegenstandsbezeichnungen) sind diejenigen Substantive anzusehen, die einen konkreten Gegenstand benennen, z.B. neben Grundwörtern wie Haus, Stadt, Tor, Ableitungen wie Leuchter, Meißel, Messer; als Abstrakta diejenigen, die nur gedankliche Einheiten bezeichnen, z.B. Ruhe, Logik, Stil. Diese groben Unterscheidungen erlauben im einzelnen manche Übergänge. In der Wortbildung erscheint eine solche Einteilung jedoch sinnvoll, da sie aufgrund bestimmter Ableitungssilben mitbestimmt ist.

Mit Hilfe von Ableitungen wird aber nur der kleinere Teil der Gegenstands-bezeichnungen, jedoch der größte Teil der Abstrakta gebildet. Da die meisten Gegenstände recht alte Benennungen haben, weisen diese keine Wortbildungsmorpheme auf (vgl. Feld, Tür, Luft, Tisch, Boden usw.); lediglich

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einzelne Werkzeugbezeichnungen (nomina instrumenti), die mit später übernommenen Techniken notwendig wurden, oder einige Gegenstandsnamen, die Produkte bestimmter Verfahren sind, werden als Ableitungen gebildet, z.B. Winde, Meißel, Bohrer u.ä., Zeitung, Rechnung, Ladung u.ä.

Auch die ähnlilch gebildeten nomina agentis (Tätigkeitsbezeichnungen) auf -er (Lehrer, Bäcker, Händler u.ä.) sowie die danach gebildeten, stilistisch oft interessanten Gelegenheitswörter (z.B. Chinakenner, Tester, Gebührenerheber u.ä.) zählen wie alle Namen von Lebewesen zu den Konkreta.

Auf der Grenze zwischen Gegenstandsbezeichnung und Abstraktum stehen bestimmte Kollektivbegriffe mit ge- und -schaft: Gebirge, Gelände, Gesinge u.dgl., Lehrerschaft, Helferschaft usw. Die meisten dieser Bildungen sind eher als Konkreta anzusehen: Gesicht, Gehör, Gedanke, Gesang, Gebäude u.a.m. Ähnlich verhält es sich bei Tätigkeitsbezeichnungen (nomina actionis) wie Lauf, Sprung, Start.

Die Zahl der Abstrakta, die durch einfache Wörter (bzw. mit Hilfe von einstigen Abstrakta-Suffixen) gebildet werden, ist verhältnismäßig klein; z.B. Sinn, Rede, Sprache, Ruhe, Länge, Trauer. Demgegenüber nimmt die Zahl abgeleiteter Abstrakta ständig zu. Es handelt sich dabei vor allem um Verbalsubstantive auf -ung sowie deklinierte Infinitive auf -en und Artikel (z.B. Beschaffung, Vermittlung, Beruhigung, Infragestellung; das Beschaffen etc.). Daneben fällt die Zahl der Adjektivabstrakta auf -heit, -keit,-schaft, -nis weniger ins Gewicht (Klugheit, Einigkeit, Bereitschaft, Finsternis, Mühsal, Freundschaft, Ärgernis u.dgl.). Da außer den Infinitiven auch jede andere Wortart durch Zusatz eines Artikel substantiviert werden kann und als Abstraktum wirkt, ist der Umfang dieser Gruppe praktisch unbegrenzt, vgl.: das Ich, unser Ja, sein Trotzdem, kein Aber, das Richtige, das Heute, das Aus.

Die Dominanz von abgeleiteten Abstraktawörtern ist für zahlreiche Texte der Verwaltungs-, Rechts- und Wissenschaftssprache stilbestimmend. Sie dienen wie alle Abstraktionen der Ökonomie und Rationalität der Sprache, wirken aber in der engbenachbarten Häufung nicht nur unanschaulich, sondern mitunter auch unschön, besonders wenn es sich um Substantivierungen von zusammengesetzten Verben oder Funktionsverben handelt (z.B. Vornahme der Beweisführung, Inbetrachtziehting, Ineinssetzung u.ä.).

Bei substantivischen Kompositabildungen werden die Zugehörigkeit zu den Substantiven sowie Kasus und Numerus jeweils durch das letzte Wort des Kompositums bestimmt. Auch das Überwiegen substantivischer Kornposita kann stilkonstruierend sein, wie dies häufig an wissenschaftlichen, juristischen und technischen Texten zu beobachten ist.

Eine Untergruppe der Abstrakta bilden die Antonyme, die Negationen und Gegenwörter bestimmter Begriffe. Sie werden im Deutschen durch Präfixe wie Miß-, Un- und Anti-, bei Verbalsubstantiven auch durch Ver- oder Nicht- ausgedrückt (z.B. Mißgunst, Unfreiheit, Antikommunismus, Verrat, Nichtbeachtung).

Stilistisch entsprechen diese Wörter der dazugehörigen Bejahung, zu der sie feldmäßig zu rechnen sind.

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Eine weitere Substantivgruppe, die durch die Wortbildung bedingt ist und stilistisch Beachtung verdient, sind die Diminutiva (Verkleinerungen)58, die hochsprachlich durch die Suffixe -chen und -lein, regionalsprachlich auch durch -ken, -tje, -le, -li, -el, -l u.ä. gekennzeichnet sind. Die Diminuierung (Wortsinnverkleinerung) wird in den deutschsprachigen Gebieten unterschiedlich verwendet. Nicht immer ist eine Abschwächung der Aussage damit verbunden.59 Oft dient die Diminutivform dem Ausdruck der Zärtlichkeit (bei Namen), der Anteilnahme (ein Wehwehchen), der liebenden Verbundenheit. Der »Ausdruck der gefühlsmäßigen Anteilnahme ist also dem Deminutivum wichtiger als das Anzeigen der Kleinheit.«60 Neben der Dominanz solcher Formen in Märchen und ähnlichen Texten sind deshalb gelegentliche Verwendungen interessant, sei es als ernsthafter Gefühlsausdruck wie in Werthers Brief vom 10. Mai:

... wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen und Mückchen näher an meinem Herzen fühle ... (Goethe, »Die Leiden des jungen Werthers«)

oder in ironischer Verwendung, die die Eindrucksmächtigkeit eines an sich nicht diminuierbaren Wortes abzuschwächen sucht:

Dann machen wir einen kleinen Bankerott, ein höchst spaßhaftes Bankröttchen, mein Lieber! (Th. Mann, »Buddenbrooks«)

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