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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Wortkombinationen als Stilmittel

Unsere Sprache besteht aus kombinierbaren rnorphologisch-semantischen Einheiten. Zwischen der größeren Kombinationsgruppe des Satzes und dem Einzelwort gibt es eine Reihe von kleineren Kombinationsgruppen mehr oder weniger fester Art. Wir sind ihnen schon im Zusammenhang der Wortgruppen im Satz (vgl. S. 120 ff.), der semantisch bestimmten Verbergänzungen (vgl. S. 40), der Funktionsverbgruppen (vgl. S. 226), der Beiwortkombinationen u.dgl. begegnet und wollen hier nur noch einige Sondergruppen hervorheben. Bei vielen der bisher genannten Wortkombinationen ist die Tendenz erkennbar, möglichst feste Verbindungen einzugehen. Bei den

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Wörtern des konkreten Bezeichnungsbereichs (z. B. Naturvorgänge, Gegenstände, Lebewesen) ist eine solche Verbindung oft durch die Sachverhalte selbst bedingt; bei abstrakteren Vorgängen und Beziehungen werden vielfach stereotype Wendungen bevorzugt.

Stilistisch besonders wirksam ist es, wenn die gewohnten Wortkombinationen abgewandelt werden, sei es durch synonyme, aber weniger gebräuchliche Varianten oder durch neue und damit unerwartete und verfremdete Verbindungen. Wir führen hier als solche Paarungen die Antithese, das Wortspiel, das Paradoxon, die contradictio in adjecto, das eigentliche Oxymoron und das Zeugma an.

Antithese : Die Entgegensetzung polarer Sätze, Wortgruppen und Einzelwörter ist eine beliebte Ausdrucksform spannungsreicher oder gedanklich abwägender Texte, die zahlreiche Variationen kennt.l72 Sie kann in asyndetischer oder syndetischer Form (mit und, aber, trotzdem, dennoch, jedoch u.ä.) erscheinen. Dabei stehen sich in der »architektonischen Antithese«173 ganze Textabschnitte, im adversativen oder konzessiven Satzgefüge Haupt- und Gliedsatz und sonst Einzelwörter gegenüber. Hier nur einige Beispiele:

Uns trennt das Schicksal, unsere Herzen bleiben einig.

(Schiller, »Wallensteins Tod«)

Sie fordert's als eine Gunst, gewähr es ihr als Strafe! (Schiller, »Maria Stuart«)

Wortantithesen begegnen uns oft in Zwillingsformeln wie arm und reich, Mann und Frau, oben und unten usw. Sonderformen der Antithese sind Chiasmus, Oxymoron und contradictio in adjecto.

Wortspiele: Sie entstehen durch die Abwandlung vertrauter Wörter oder Redewendungen, wobei die alte und die neue Wortform einander ähnlich (mitunter auch gleich) bleiben, die Bedeutungen sich jedoch verändern und kontrastieren. Klangverwandtschaft vereint sich hier mit Bedeutungsfremdheit.174

Als Vorstufe der Wortspiele (ohne erhebliche Sinnveränderung) kann die figura etymologica angesehen werden (z.B. Spiele spielen; vgl. S.61). Die überraschende Kombination von Homonymen, gleichlautenden, aber bedeutungsverschiedenen Wörtern wird dagegen bereits als Wortspiel (auch Wortwitz) angesehen, z. B. die Heide und der Heide, das Schloß der Tür und das Schloß als Gebäude. Beliebt sind homonyme Wortverwendungen als Wortspiele in heiteren und ironisch-satirischen Dichtungen, z. B. bei Heine in »Deutschland – Ein Wintermärchen«, wo es von den preußischen Zollbeamten heißt:

Sie suchten nach Spitzen, nach Bijouterien,

Auch nach verbotenen Büchern ...

...

Die Konterbande, die mit mir reist

Die hab ich im Kopfe stecken.

Hier hab ich die Spitzen, die feiner sind

Als die von Brüssel und Mecheln,

Und pack ich einst meine Spitzen aus,

Sie werden euch sticheln und hecheln.

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Der satirische Wortwitz entsteht hier aus der mehrfachen Bedeutung von Spitze als Kleidungszier und scharfe Stelle sowie als negative rednerische Anspielung.

Es sei daran erinnert, daß ein großer Teil der Eulenspiegelschwänke seine Komik aus dem Doppelsinn mancher Wörter und aus der mißverstandenen Erfüllung ambivalenter Weisungen nimmt. Auch zahlreiche Witze (oft in der Form des Kalauers, Scherzfragen u.ä.) beruhen auf der Doppeldeutigkeit der Wörter. Die eigentliche und häufigste Form des Wortspiels besteht jedoch in der komischen oder ironischen Abwandlung eines Wortes oder einer festen Redewendung (z.B. Sprichwort, Zitat, Buchtitel o.ä.) zu einem neuen oft konträren Sinn. Die Abwandlung kann sich dabei nur auf Wortteile beziehen, so daß die Ähnlichkeit noch auf Silbengleichheit beruhen kann:

Die Bistümer sind verwandelt in Wüsttümer

Die Abteien ... sind nun Raubteien ...

(Schiller, »Wallensteins Lager«)

Solche Umbildungen findet man schon in den Satiren der Reformationszeit, z.B. nennt Luther die päpstlichen Dekrete: Dreckete. Oft entstehen Wortspiele aus dem Zusammenfall (Kontamination) zeier Wörter, so wird »familiär« und »Millionär« bei Heine zu famillionär:

... ich saß neben Salomon Rothschild, und er behandelte mich ganz wie seines gleichen, ganz famillionär. (Heine, »Die Bäder von Lucca«)

Nestroy nutzt diese Form der Paronomasie zur satirischen Komik, z.B. gegen die »antichambrierenden« Vorzimmerschmeichler und Intriganten175:

lch bin doch Zimmermann, aber in die Vorzimmer kann ich mich nicht finden. Ein Vorzimmermann ist halt eine eigene Profession.

(Nestroy, »Der Unbedeutende«)

Das Wortspiel ist ein wichtiges Mittel der Sprachkomik in der Komödie (vgl. Shakespeare), aber z.B. auch bei Nietzsche176: Trauerspiele: Trauerernste; Tunichtgute und Tunichtböse, Weitsichtige, weitsüchtige Augen; Leidenschaften: Freudenschaften. Selbst die Werbung bedient sieh seiner, vgl. z.B. dortmundiges (Dortmunder) Bier; Bitte ein bit (Bitburger Bier); Fahr fair! Nicht rasen, reisen!

Zu den Wortspielen sind auch Satzumformungen zu zählen, z.B.: Unser heutiges Brot gib uns täglich, oder das Zitat Schleiermachers: Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft!

Paradoxon: Wird eine wortspielartige Satzumformung zur Aussage des Gegenteils des Erwarteten oder Allgemeinanerkannten, so sprechen wir eher vom Parodoxon. Meister des paradoxen Ausdrucks waren u.a. die Mystiker sowie Nietzsche und Oscar Wilde. Hier einige Beispiele dieser Ausdrucksform:

Einmal ist keinmal. (Sprichwort)

Mensch, so du etwas liebst, so liebst du nichts fürwahr:

Gott ist nicht dies und das, drum laß das Etwas gar.

(Angelus Silesius)

Die Leitwörter des Paradoxon schließen oft einander aus, offenbaren jedoch in ihrer Zuordnung eine tiefere Wahrheit, hier z.B. daß ein einmaliges Ver-

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(fehlende Seiten bis zu 280)

der Stilformen hinzuweisen, die von der funktionalen Stilistik ausgehen und eine Erforschung der funktionsbedingten und -gegebenen Sileigenheiten erstreben (vgl. S. 20f.).

Die Aufstellung einer deskriptiven Typologie der Stilformen kann somit als gemeinsames Ziel der didaktischen Stiellehre und anderer Bestrebungen der wissenschaftlichen Stilistik angesehen werden. Der Erreichung dieses Zieles stehen allerdings einige grundsätzliche Schwierigkeiten entgegen: Jede Typisierung von Textformen (-sorten, Gattungen etc.) kann leicht – über die muster-schaffende Wirkung von Formtraditionen hinaus – normativ als Vorschrift für solche Formen verstanden werden. Eine derartige Auffassung würde jedoch gegen das Grundprinzip der stilistischen Gesultung, die Freiheit in der Wahl der Ausdrucksmittel und -formen verstoßen. Eine stilistische Typologie sollte daher unbedingt deskriptiv bleiben. Hier ergibt sich aber, daß eine deskriptive Zusammenstellung an die variablen historischen Verwirklichungen der Textformen gebunden bleibt und es nicht immer leicht ist, aus den verschiedenen Ausprägungen bestimmte Grund- oder Idealtypen zu abstrahieren.

Trotz dieser Schwierigkeiten soll im folgenden versucht werden, die gängigen Prosaformen und ihre wichtigsten Stilmittel und Stilzüge aufzuführen. Die Textsorten der gebundenen Rede (Versformen) wie der dramatischen Gestaltung bleiben dabei ausgeklammert, weil sie stärker durch metrische bzw. dialogische Formen und bestimmte Inhalte konstituiert sind und weniger stark durch typische stilistische Besonderheiten.

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