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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Plusquamperfekt (vollendete Vergangenheit)

Das Plusquamperfekt, die mit einer Form von »hatten« oder »waren« und dem Partizip II gebildete Vergangenheitsforrn, ist bereits als Opposition zum Präteritum im Rahmen der consecutio temporum genannt worden. Im oberdeutschen Sprachgebiet, dem Gebiet des sogenannten Präteritumsschwundes, tritt es ebenso wie seine Oppositionsform weniger in Erscheinung, zumindest im mündlichen Sprachgebrauch. Soweit das Präsens als dominierendes Erzähltempus gilt, übernimmt das Perfekt die Rolle, die sonst dem Plusquamperfekt im Verhältnis zum Präteritum zukommt. Gelegentlich begegnen Formen des Plusquamperfekts in perfektivischer Verwendung30:

Ich gehe so auf der Straße; ich war nicht betrunken gewesen.

Zur Verstärkung des Vergangenheitscharakters wird, vor allem im oberdeutschen und mitteldeutsch-oberdeutschen Grenzraum, den Perfektformen von »haben« ein Partizip »gehabt« zugefügt, um auf diese Weise das Präteritum »hatten« zu vertreten:

Wir haben (hatten) einen guten Anfang gehabt (für: wir hatten einen guten Anfang)

In manchen volkstümlichen Ausdrucksformen wird »gehabt« auch anderen Plusquamperfektbildungen zugesetzt, teils um das der Vorvergangenheit (Vorzeitigkeit) Voranliegende zu kennzeichnen, teils um die Vorvergangenheit (Vorzeitigkeit) selbst – in verstärkter Form – auszudrücken:

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Ditte war zurückgekommen ... (Sie) hatte schon ein gutes Ende zurückgelegt gehabt. (M. Andersen-Nexö, »Ditte Menschenkind«)31

Eine bisher wenig beachtete Verwendungsart ist den Formen des Plusquamperfekts (in Opposition zu den Präteritumsformen) in der erlebten Rede eigen. Hier vertritt es häufig die Stelle aller Vergangenheitstempora, während das Präteritum den Ausdruck eigentlicher Präsensaussagen übernimmt, die ins entsprechende Erzähltempus umgesetzt sind:

Hatte Hans es vergessen, fiel es ihm erst jetzt wieder ein, daß sie heute mittag ein wenig zusammen spazierengehen wollten? Und er selbst hatte sich seit der Verabredung beinahe unausgesetzt darauf gefreut.

(Th. Mann, »Tonio Kröger«)32

Das Plusquamperfekt wahrt in seiner Vollendung stets den Charakter einer komplementären Tempusform. Es bildet so ein wichtiges Differenzierungsmittel innerhalb der Vergangenheitsformen, das auch stilistisch genutzt und beachtet wird.

Futur

Es bleibt noch auf die Struktur und Verwendung der analytisch gebildeten Futurformen sowie auf weitere Ersatzformen hinzuweisen. Die futurische Aussage besitzt, ähnlich wie das Plusquamperfekt, nur einen kleinen Anteil innerhalb der verwendeten Tempusformen. In der deutschen Sprache setzte die Ausbildung besonderer grammatischer Tempusformen des Futurs erst im späten Mittelalter ein.33 Vorher zog man zum Ausdruck zukünftiger Geschehnisvorstellungen andere Verbformen heran, neben Präsensformen vor allem Bildungen mit Modalverben wie «sollen«, »müssen«, »werden«, von denen sich »werden« zuletzt neben seiner autosemantischen Funktion und nach der Passivfunktion als ausschließliches Hilfsverb analytisch gebildeter Futurformen durchsetzte. Bekanntlich konstatiert die traditionelle Grammatik zwei mit »werden« gebildete Futurformen reihen: das Futur I (unvollendete Zukunft) mit der finiten Form von »werden« und dem Infinitiv des betreffenden Verbs (z.B. er wird warten) und das Futur II (futururn exactum, vollendete Zukunft) mit der finiten Form von »werden« und dem Partizip II und dem Infinitiv »haben« oder »sein« (z. B. er wird gekommen sein – er wird es getan haben).

Wie bei allen erst später ausgebildeten grammatischen (morphematischen und syntaktischen) Formen, so konkurrieren auch diese Futurbildungen mit älteren Formvarianten. Wir haben einige Beispiele dafür bereits im Bereich des Präsens wie der Vergangenheitsternpora kennengelernt. Als wichtige Nebenformen mit zusätzlicher futurischer Bedeutung sind hier die bereits erwähnten Modalverben zu nennen34: Sätze wie ich soll es tun, ich muß warten, ich will es sehen haben durchaus futurischen Sinn. Bildungen mit »werden« weisen jedoch keinerlei Hinweise auf das Obligatorische des Geschehens auf und sind neutraler33, gegenüber präsentischen Futurausdrücken

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dagegen bestimmter, nachdrücklicher, sie verdeutlichen oft mehr modale Bedeutungen der Bestimmtheil oder Vermutung als futurische Bezüge.

Als Futurausdruck innerhalb des präteritalen Erzähltempus fungiert oft die Konjunktiv-II-Form von »werden«:

Jürgen wußte, daß die Sonne kommen würde. – Er würde es nicht zulassen, daß ...

Der Erwartungscharakter, der in den futurischen Formen zur Geltung kommt, kann auch durch mehrere persönliche oder unpersönliche Wendungen (mit »es«) ausgedrückt und verstärkt werden:

Er wird kommen. – Es kann damit gerechnet werden, daß er kommt. – Es ist damit zu rechnen, daß er kommt.

(Ähnlich: Es wird sich finden [zeigen, herausstellen, erweisen], daß ...)

Die Futurformen mit »werden«, so betont J. Erben36, schaffen eine gewisse Distanz zum Erwarteten und Angekündigten und weisen mitunter selbst modale Konnotationen (Nebenbedeutungen) auf; sie können so – meistens in Verbindung mit Zusatzadverbien, Kontext und Situation – als Drohung (Dir werde ich helfen!), Forderung (Du wirst das tun!), Annahme (Es wird schon kommen) u.ä. begegnen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Futur II (vollendete Zukunft, futurum exactum), das zum Ausdruck bringen soll, »daß sich ein Geschehen vom Standpunkt des Sprechers aus gesehen (meist vor einem andern Geschehen) in der Zukunft vollendet«37, z.B.:

Ich werde die Arbeit geschafft haben, wenn du kommst.

Die Leistung des Futur II wird somit, wie die Nebenbezeichnungen andeuten, in der verbindlichen Festlegung des Abschlusses einer künftigen Handlung oder eines künftigen Geschehens gesehen. Der Erwartungscharakter des Futur I ist hier gewissermaßen dem Charakter einer festen Zusicherung gewichen, vor allem wenn diese Tempusform in der 1. Person verwendet wird, dem einer Voraussage oder Behauptung in den übrigen Personalformen.

Es mag an dieser mehr oder weniger bindenden Vorwegnahme derartiger Aussagen liegen, daß diese Form so wenig verwendet wird, sich allenfalls in Briefen oder Gesprächen oder in politischen Verlautbarungen (z.B. planwirtschaftlicher Systeme) findet; z.B.:

Morgen, um diese Zeit werde ich dort gewesen sein. – Am 7. Oktober werden wir den Volkswirtschaftsplan mit 80% erfüllt haben.

Eine Variante des vollendeten Futurs kann durch das bloße Perfekt, oft in Verbindung mit einer futurischen Zeitangabe, gebildet werden:

In einer Stunde habe ich die Arbeit geschafft. – Übermorgen bin ich dort gewesen.

Wir haben ähnliche Formen schon im Zusammenhang perfektivisch gebildeter Voraussagen kennengelernt:

Der Brief ist schnell geschrieben. – Das Schwimmbad ist bald überfüllt.

Sollen derartige Aussagen in der Vergangenheit erscheinen, so ist das Plusquamperfekt zu wählen:

Der Brief war bald geschrieben.

Trotz des Bestimmtheitscharakters dieser Formen kann das Futur II, mei-

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stens unter Zusatz von »wohl», »wahrscheinlich« o.ä., zum Ausdruck von Vermutungen über Vergangenes dienen38:

Es wird es wohl getan haben. – Sie wird jetzt (wohl) schon eine Stunde gewartet haben.

Werden solche Sätze mit dem Perfekt gebildet, so wirkt die Aussage etwas bestimmter, ohne den Charakter der Tatsächlichkeit zu erreichen:

Er hat es wohl getan. – Sie hat jetzt (wahrscheinlich) schon eine Stunde gewartet.

Überblicken wir die Vielfalt der verbalen Ausdrucksmöglichkeiten im Tempusgebrauch, so können wir sagen, daß dieser zwar keine »Ansichtssache« ist39, aber auch keineswegs von jener Formenstrenge geprägt ist, die grammatischen Regeln meistens zu eigen ist; er läßt vielmehr der stilistischen Gestaltung manche Freiheiten.

Wir werden im Modusgebrauch der Verbformen ähnliche Verhältnisse antreffen.

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