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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Stilregeln und ihre Gültigkeit

Die verschiedenen Stillehren bringen eine Reihe von Stilregeln und entwickeln so eine normative Stilistik. Diese Regeln beziehen sich sowohl auf Stilfehler wie auf Stilprinzipien und Stilmittel. L. Reiners hat z.B. durch 20 Stilverbote und 20 Stilregeln einen »sicheren Weg zum guten Deutsch« aufzuzeigen gesucht; 20 »Stilratschläge« sollen anschließend »vom guten zum wirkungsvollen Stil führen«.3 In diesen 60 Hinweisen kehren die wichtigsten Punkte aller gängigen Stillehren wieder. Es zeigt sich allerdings bei näherer Betrachtung, daß solche Stilregeln nicht verallgemeinert werden dürfen, sondern in ihrer Gültigkeit funktional und historisch (sprachgeschichtlich wie gattungsmäßig) festgelegt sind. Die »Stilverböte« bei Reiners beziehen sich z.B. meistens auf die unpassende und stilistisch unschöne Verwendung älterer Ausdrucksweisen (wie etwa den Gebrauch von »derselbe«), den »Satzdreh nach und« (vgl. S. 118), die kommumkative Verwendung des flektierten Adjektivs in prädikativer Stellung (Die deutsche Sprache ist eine schwierige, vgl. S. 106ff.), auf Fehler in der Folgerichtigkeit (z.B. falsche relative Anschlüsse, Verwechslungen von Grund und Folge in um-zu-Sätzen, Verwechslungen von das und was im Relativsatz, falsche Adjektivzuordnungen [z.B. der gedörrte Obsthändler], ungewöhnliche Partizipien) und auf Unvollständigkeiten oder Nachlässigkeiten in der Syntax sowie der Satzbedeutung (z.B. ungeschickte Satzklammern).

Die geringere Differenzierung dieser Stillehren wird vor allem in den »Stilregeln« sichtbar, wenn hier etwa die »Hauptwörterei« (Substantivierungen), die Streckverben und »Wortketten«, das »Fremdwort«, die »Modewörter«, der »Stopfstil«, »Schreistil« und »flaue Stil« sowie längere Sätze verurteilt

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werden, ohne daß dabei jeweils nach der funktionalen Berechtigung und den unterschiedlichen Anwendungsweisen gefragt wird. Hinweise auf das »treffende Wort« bei der Wortwahl und die Wahl der richtigen Stilschicht bleiben dann ebenso wie die Forderungen nach Lebendigkeit und Anschaulichkeit in den »Stilratschlägen« beziehungslos. Was hier für L. Reiners’ »Stilfibel« gesagt ist, gilt ebenso für alle anderen »Stillehren«. So verdienstvoll derartige »Ratgeber« auch sind, sie können mitunter zum Reglement einer freien und lebendigen Stilentwicklung werden, wenn – ähnlich der Entwicklung in der Grammatik – die festgestellten Normen nicht mehr der sprachlichen Wirklichkeit entsprechen.4

Stilpflege

Die hier aufgezeigten Grenzen und Schwächen der Regelstilistik entbinden uns nicht von der Pflicht zur kritischen Stilpflege. Nur der angemessene Gebrauch der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten und Stilmittel gewährleistet eine zureichende Kommunikation zwischen den Menschen und damit sinnvolles Zusammenleben. Auf dreifache Weise ist dieser soziale Sprachgebrauch heute gefährdet: 1. durch Verflachung des Ausdrucks zur Formelhaftigkeit, 2. durch die zunehmende Isolierung und Verselbständigung von »Sonderbereichen« der Sprache (Sondersprachen) und 3. durch die Zunahme der Manipulation des menschlichen Handelns durch sprachliche Ausdrucksmittel (z. B. in Politik und Wirtschaftswerbung).5 Die Neigung zur geringen Ausdrucksdifferenzierung und sprachlichen Formelhaftigkeit, häufig durch sprachliches Unvermögen oder stilistische Bequemlichkeit beding, kann dabei mit der Ausprägung und Dominanz von fachspezifischen oder soziologisch bedingten Gruppensprachen zusammenhängen, die jeweils einen eingeschränkten (restringierten) sprachlichen Code an die Stelle von semantisch und grammatisch reicheren Ausdrucksweisen setzen. Während diesen Tendenzen durch ausdrucksdifferenzierende Stilübungen begegnet werden kann, erfordert die Gefahr der Manipulation durch Sprache eine verbesserte und verstärkte Stilbetrachtung in den Schulen und Massemnedien und eine verantwortungsbewußte Sprachverwendung im öffentlichen Leben. Die verschiedenen Institutionen der Sprachpflege in den deutschsprachigen Ländern (z.B. die Gesellschaft für deutsche Sprache, Wiesbaden) unterstützen diese Bestrebungen durch Publikationen und Ratschläge zur Sprachverwendung (z.B. für Behörden u.ä.).

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