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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Aktiv und Passiv

Die Formenstruktur des deutschen Verbs besitzt mit den beiden Darstellungsweisen (Diathesen, genera verbi, Handlungsarten) des Aktivs und Passivs ein vorzügliches Mittel, bestimmte Handlungen unter verschiedenen Blickweisen darzustellen. Möglich ist diese Variation der Darstellung vor allem dann, wenn es sich urn Satzinformationen handelt, die ein handelndes Subjekt und ein »behandeltes« Objekt erkennen lassen, also bei Sätzen mit transitiven (objektbezogenen) Verben; doch bilden auch einige intransitive Verben ein Passiv.63

Das Aktiv ist »täterbezogen«. Es lenkt den Blick auf das Subjekt, das Urheber eines Geschehens ist oder sein Handeln auf ein Objekt richtet: Die Frau schält die Äpfel. Dieser Form tritt die »täterabgewandte« Darstellung, das Passiv, gegenüber: Die Äpfel werden geschält. Das handelnde Subjekt verschwindet aus dem Satz, wenn es nicht in einer präpositionalen Wendung genannt wird (von der Frau). Die passivische Blick- und Ausdrucksweise kann zu erweiterten Satzformen führen: aus einem Passivsatz im Perfekt laßt sich (durch Auslassung von »worden«) das sogenannte Zustandspassiv (mit Präsensbedeutung) bilden: Die Äpfel sind geschält worden. – Die Äpfel sind geschält.

Das in allen Passivsätzen verwendete Partizip II bietet – als satzwertiger Einschub oder Nachtrag oder attributiv wie prädikativ – weitere Verwendungsmöglichkeiten, in denen sich mitunter der Ausdruckswert des Passivs mit dem des Perfekts vermischt. Als stilistische Variante erscheint gelegentlich die Auslassung von »worden« auch in passivischen Perfektsätzen:

Die Reihenfolge ist von der Behörde wie folgt festgelegt (worden): Die Bürger sind aufgerufen, mitzuhelfen.

Die Formen von »sein« erscheinen mitunter an Stelle von »werden«:

Gott sei gedankt! – Er wollte nicht genannt sein. – Es sei dazu bemerkt, daß...

Die Vorstellungen der »Täterferne« (Täterabgewandtheit) und der »Objektbehandlung«, die der Passivbildung und dem strukturellen Objekt-Sub-

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jekt-Tausch des Passivsatzes zugrunde liegen, können in zahlreichen Fällen auch auf andere Weise ausgedrückt werden, z.B. durch aktivische Sätze mit Verbalsubstantiven und bestimmten Bewirkungsverben wie erfolgen (durch):

Die Buchhandlung Meyer versendet diese Bücher. – Die Bücher werden durch die Buchhandlung Meyer versandt. – Der Versand der Bücher erfolgt durch die Firma Meyer.

Auf diese Weise kann zugleich das ursprüngliche Subjekt wieder stärker hervorgehoben werden (erfolgen hat passivischen Sinn und verlangt eine Objekt-oder adverbiale Angabe); stilistisch wirken jedoch diese Sätze, die besonders irn Nominalstil von Behördenschreiben auftauchen, steif und umständlich, da der Ausdruckswert des Verbs (im Verbalsubstantiv) reduziert und der passivische Vorgang gleichsam verschleiert wird. Die verkürzte Einbeziehung eines solcherart reduzierten Passivsatzes in eine andere Aussage ist dagegen stilistisch wirkungsvoller:

Der Versand der Bücher durch die Buchhandlung Meyer erregte einiges Aufsehen.

Die Zahl der nominalen Passivumschreibungen durch Verbalsubstantive + bestimmte »semantisch reduzierte Verben« (Funktionsverben) scheint zuzunehmen.

Eine andere Form der Ausklammerung des Subjekts – wie auch des Objekts – ist durch die Verbindung von Passivformen einiger Verben mit dem unbestimmten Subjekt »es« möglich:

Es wird gelacht (selten mil Subjekt-Transformation: es wurde von ihnen viel gelacht).

Im Aktivsatz erscheint hier das unbestimmte Kollektivsubjekt »man«: Man lacht.

Eine synonyme Form hierzu ist in reflexiven Konstruktionen zu sehen64, die jedoch nicht von allen Verben gebildet werden können:

Man findet es dort. – Es findet sich dort.

In einigen Fällen wirken derartige Bildungen wie Personifizierungen von Objekten:

Die Tür wird (von ihm) geöffnet. – Die Tür öffnet sich.

Das einstige Subjekt ist hier nicht nur syntaktisch, sondern auch begrifflich verdrängt.

Mitunter ist solchen Wendungen auch der Charakter der Möglichkeitsaussage eigen:

Die Waren werden gul verkauft. – Die Waren verkaufen sich gut: Die Waren lassen sich gut verkaufen.

Als eine Variante der Passiv-Form lassen sich auch vorwiegend umgangssprachliche Bildungen mit »bekommen« + Partizip II ansehen65; die nur bei Sätzen mit Dativ-Objekt möglich sind:

Das Buch wird mir überreicht. – Ich bekomme das Buch überreicht. Das Buch wird mir gestohlen. – (Aber nicht: Ich bekomme das Buch gestohlen.)

Eine Sonderform passivähnlicher Ausdrucksweise sind Satzbildungen mit »werden« + Artangabe (Adjektiv) (sog. Artverben66): Er wird krank. Die Blätter-werden gelb. Hier liegt keine Futurform vor (sie hieße: Er wird krank

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werden = erkranken), vielmehr stimmen die Formen mit der Passivbildung überein.

Überblicken wir diese passivischen Ausdrucksmöglichkeiten, so ergibt sich der gleiche Eindruck wie bei anderen verbalen Formengruppen. Wir haben es mit bestimmten Grundformen und mehreren Variantengruppen zu tun.67 Der Sprecher hat die Möglichkeit, zwischen dem aktivischen oder einem passivischen Ausdruck zu wählen und auf diese Weise seine Sicht der Geschehnisse und seine stilistischen Absichten zu bekunden.

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